Redensarten Lexikon
Bellmann
Das soll Otto Bellmann heißen sagt man berlinisch von etwas ausgesucht Gutem, z.B. ›Nu wer'k Ihnen mal eenen Kognak jeben – der soll Otto Bellmann heeßen‹. In einer großen Zahl von Redensarten kommen Personennamen vor, und zwar besonders häufig in berlinischen Wendungen, z.B. ›So muß et kommen, sagt Neumann‹; ›Guten Morgen, Herr Fischer!‹; ›Da kennen Sie Buchholzen schlecht!‹; ›Mein Gott, Frau ⇨ Beckmann‹; ›Freudenberg, die Strippe reißt!‹; ›Grünemann, es kommt ein bös Gewitter‹ (bei Skatspielern üblich).
Es wird nicht immer gelingen, wie bei ⇨ Buchholtz und ›Freudenberg‹ (der ein Puppenspieler war), bestimmte historischen Persönlichkeiten für die betreffenden Redensarten nachzuweisen. Psychologisch ist die Nennung eines Personennamens so zu erklären, daß der Inhalt der Redensart dadurch an Wahrscheinlichkeit gewinnt, ebenso wie ein Zitat, das man mit dem Namen des Gewährsmannes versieht. Aber hinter der Redensart ›Otto Bellmann‹ steckt doch eine bestimmte Persönlichkeit, genaugenommen sogar deren zwei: eine Figur der literarischen Satire und ein Studentenwitz.
Der bisher älteste Beleg für das Vorhandensein der Redensart findet sich in einem Brief, den Rahel Varnhagen am 21. September 1818 von Baden aus an Auguste Brede in Stuttgart schrieb: » ... gestern weint' ich, anstatt zu lachen ... und nachher bekam ich eine halbe Stunde Krampfmigräne, die hieß Otto Bellmann, sagen die Berliner«.
Es ist auffallend, daß der zeitlich nächste Beleg bei Rahels Bruder Ludwig Robert vorkommt. Dieser war der Verfasser einer Lokalposse ›Lebende Wachsfiguren in Krähwinkel‹ (1827): Der Direktor eines Wachsfigurenkabinetts führt den Krähwinklern mit seinen ›lebenden Wachsfiguren‹ eine Reihe von Bildern vor, unter anderem eine Figur namens Otto Bellmann. Es ist der Typus eines in Wahrheit ungebildeten, dafür aber um so eingebildeteren, sich unfehlbar dünkenden Alleswissers, eine Anspielung auf bestimmte Vertreter der Berliner Journalistik.
Seitdem spielt die Figur Otto Bellmann in der Berliner Presse immer wieder als Personifikation eine Rolle. Sie wurde schnell zu einer stehenden Figur in der Berliner Lokalposse (z.B. ›Otto Bellmann‹. Posse mit Gesang von David Kalisch [Berlin 1857]; ferner ein Stück von H. Salingré: ›Otto Bellmann auf der Leipziger Messe‹ [Berlin 1858]). Willibald Alexis schreibt: »Otto Bellmann, eine alte Berliner Maske, ist nun der stehende Scherzname für einen Kritiker geworden«.
Daneben hat der Name aber schon vorher doch irgend etwas auch in dem Sinne bedeutet, wie er noch heute gebraucht wird, nämlich: nicht von schlechten Eltern, nicht von Pappe. Dafür spricht schon der oben genannte früheste Beleg bei Rahel Varnhagen. Der Name muß sich also wohl einmal auf eine wirkliche Person bezogen haben.
Wer aber war Otto Bellmann? Die historischen Zeugnisse verweisen in Studentenkreise der (1811 nach Breslau verlegten) Universität Frankfurt a.d. Oder. Dort soll ein Schuhmacher namens Otto Bellmann gelebt haben, der redensartlich in die Studentensprache einging (z.B. in einem Wortwechsel: ›Das läßt sich Otto Bellmann nicht gefallen!‹). Im Häuserregister von Frankfurt a.d.O. fand man für das Jahr 1798 tatsächlich einen Schuhmacher Johann Gotthilf Bellmann verzeichnet. Offenbar erst von hier aus ist die Redensart auch nach Berlin verpflanzt worden, wo sie dann völlig akklimatisiert und zur spezifisch berlinischen Redensart geworden ist. Sie ist allerdings auch in Berlin erst sehr allmählich populär geworden. Es ist z.B. auffallend, daß C.F. Trachsel (›Glossarium der Berlinischen Wörter und Redensarten‹ [Berlin 1873]) die Redensart noch nicht verzeichnet; sie fehlt auch noch in den ersten Auflage des Buches von H. Meyer: ›Der richtige Berliner‹. Aber auch außerhalb Berlins hat sich die Redensart vielfach erhalten und ist mundartlich weitergebildet worden, z.B. mecklenburgisch ›Dat was'n Musikant, de sed Otto Bellmann‹, ein sehr guter Musikant; ›'n Wäder, wat man so Otto Bellmann seggt‹, gutes Wetter; ›'n richtigen Otto Bellmann‹, starker Knotenstock; ›Dickbuuk Bellmann‹ heißt der Daumen im mecklenburgischen Fingerreim (⇨ Otto).
• F. SANDVOSS: So spricht das Volk (Berlin 1861), S. 7; H. KÜGLER: Otto Bellmann. Eine Berliner Redensart, in: Willibald-Alexis-Bund. Jahrbuch 1928 (Berlin 1929), S. 2946; DERS.: »Die Berliner Redensart ›Det heesst Otto Bellmann‹«, in: Zeitschrift für deutsche Philologie 73 (1954), S. 306-329.
Es wird nicht immer gelingen, wie bei ⇨ Buchholtz und ›Freudenberg‹ (der ein Puppenspieler war), bestimmte historischen Persönlichkeiten für die betreffenden Redensarten nachzuweisen. Psychologisch ist die Nennung eines Personennamens so zu erklären, daß der Inhalt der Redensart dadurch an Wahrscheinlichkeit gewinnt, ebenso wie ein Zitat, das man mit dem Namen des Gewährsmannes versieht. Aber hinter der Redensart ›Otto Bellmann‹ steckt doch eine bestimmte Persönlichkeit, genaugenommen sogar deren zwei: eine Figur der literarischen Satire und ein Studentenwitz.
Der bisher älteste Beleg für das Vorhandensein der Redensart findet sich in einem Brief, den Rahel Varnhagen am 21. September 1818 von Baden aus an Auguste Brede in Stuttgart schrieb: » ... gestern weint' ich, anstatt zu lachen ... und nachher bekam ich eine halbe Stunde Krampfmigräne, die hieß Otto Bellmann, sagen die Berliner«.
Es ist auffallend, daß der zeitlich nächste Beleg bei Rahels Bruder Ludwig Robert vorkommt. Dieser war der Verfasser einer Lokalposse ›Lebende Wachsfiguren in Krähwinkel‹ (1827): Der Direktor eines Wachsfigurenkabinetts führt den Krähwinklern mit seinen ›lebenden Wachsfiguren‹ eine Reihe von Bildern vor, unter anderem eine Figur namens Otto Bellmann. Es ist der Typus eines in Wahrheit ungebildeten, dafür aber um so eingebildeteren, sich unfehlbar dünkenden Alleswissers, eine Anspielung auf bestimmte Vertreter der Berliner Journalistik.
Seitdem spielt die Figur Otto Bellmann in der Berliner Presse immer wieder als Personifikation eine Rolle. Sie wurde schnell zu einer stehenden Figur in der Berliner Lokalposse (z.B. ›Otto Bellmann‹. Posse mit Gesang von David Kalisch [Berlin 1857]; ferner ein Stück von H. Salingré: ›Otto Bellmann auf der Leipziger Messe‹ [Berlin 1858]). Willibald Alexis schreibt: »Otto Bellmann, eine alte Berliner Maske, ist nun der stehende Scherzname für einen Kritiker geworden«.
Daneben hat der Name aber schon vorher doch irgend etwas auch in dem Sinne bedeutet, wie er noch heute gebraucht wird, nämlich: nicht von schlechten Eltern, nicht von Pappe. Dafür spricht schon der oben genannte früheste Beleg bei Rahel Varnhagen. Der Name muß sich also wohl einmal auf eine wirkliche Person bezogen haben.
Wer aber war Otto Bellmann? Die historischen Zeugnisse verweisen in Studentenkreise der (1811 nach Breslau verlegten) Universität Frankfurt a.d. Oder. Dort soll ein Schuhmacher namens Otto Bellmann gelebt haben, der redensartlich in die Studentensprache einging (z.B. in einem Wortwechsel: ›Das läßt sich Otto Bellmann nicht gefallen!‹). Im Häuserregister von Frankfurt a.d.O. fand man für das Jahr 1798 tatsächlich einen Schuhmacher Johann Gotthilf Bellmann verzeichnet. Offenbar erst von hier aus ist die Redensart auch nach Berlin verpflanzt worden, wo sie dann völlig akklimatisiert und zur spezifisch berlinischen Redensart geworden ist. Sie ist allerdings auch in Berlin erst sehr allmählich populär geworden. Es ist z.B. auffallend, daß C.F. Trachsel (›Glossarium der Berlinischen Wörter und Redensarten‹ [Berlin 1873]) die Redensart noch nicht verzeichnet; sie fehlt auch noch in den ersten Auflage des Buches von H. Meyer: ›Der richtige Berliner‹. Aber auch außerhalb Berlins hat sich die Redensart vielfach erhalten und ist mundartlich weitergebildet worden, z.B. mecklenburgisch ›Dat was'n Musikant, de sed Otto Bellmann‹, ein sehr guter Musikant; ›'n Wäder, wat man so Otto Bellmann seggt‹, gutes Wetter; ›'n richtigen Otto Bellmann‹, starker Knotenstock; ›Dickbuuk Bellmann‹ heißt der Daumen im mecklenburgischen Fingerreim (⇨ Otto).
• F. SANDVOSS: So spricht das Volk (Berlin 1861), S. 7; H. KÜGLER: Otto Bellmann. Eine Berliner Redensart, in: Willibald-Alexis-Bund. Jahrbuch 1928 (Berlin 1929), S. 2946; DERS.: »Die Berliner Redensart ›Det heesst Otto Bellmann‹«, in: Zeitschrift für deutsche Philologie 73 (1954), S. 306-329.