Redensarten Lexikon
Bein
Die ältere Bedeutung Bein = Knochen zeigen noch Redensarten Wie durch Mark und Bein (⇨ Mark). Fleisch und Bein, Stein und Bein(⇨ Stein). Bein von meinem Bein, nach Gen 2,23; vgl. französisch ›Os de mes os‹; Ein Bein im Rücken haben: sich sehr steif halten. Bei Geiler von Kaysersberg heißt es: »Er hat ein Schelmenbein im Knie stecken«: er ist ein Schelm. Bei Johann Fischart: »Gesellen, die ein Schelmenbein haben im Rücken«. Hierher gehört auch die von Luther gebrauchte Wendung: »schinden die Leute bis auf die Beine« (Erlanger Ausgabe, Band 42, S. 262). Schwäbisch sagt man von einem recht bösen Menschen: ›An dem ist kei guts Bei‹. Kein Bein wird gebraucht für: niemand, berlinisch auch für: kein Gedanke. Das Gegenteil davon ist Alles, was Beine hat: jedermann. In der heute gebräuchlichen buchstäblichen Bedeutung wird Bein in vielen Redensarten gebraucht: Einem auf die Beine helfen: ihn unterstützen, ihm aus bedrängter Lage helfen; seit dem 16. Jahrhundert belegt, z.B. bei Johann Fischart im ›Bienenkorb‹, 202a; vgl. französisch ›aider quelqu'un à se remettre sur ses pieds‹ (Füße), ⇨ Fuß; Wieder auf die Beine kommen, Wieder auf den Beinen sein sagt man besonders von einem Genesenden (schon bei Luther bezeugt).
Die Beine übereinanderschlagen: mit gekreuzten (d.h. übereinandergeschlagenen) Beinen sitzen; eine lässige Sitzhaltung einnehmen, die bis heute als ungehörig gilt. Bildquellen erweisen, daß das Beinekreuzen ursprünglich eine Richtergebärde war, die die Befugnis zur Rechtsprechung öffentlich sichtbar werden ließ, ⇨ Engel.
Auf eigenen Beinen stehen: unabhängig sein, keiner Unterstützung bedürfen; vgl. französisch ›voler de ses propres ailes‹ (wörtlich: mit eigenen Flügeln fliegen).
Fest auf beiden Beinen stehen: wissen, was man im Leben erreichen will; vgl. französisch ›avoir les deux pieds sur terre‹ (wörtlich: mit beiden Füßen auf dem Boden stehen).
Seine Beine unter fremdem Tisch haben: keinen eigenen Haushalt führen, schmarotzen; ähnlich: Er steckt die Beine unter seines Vaters Tisch: er läßt sich von seinem Vater ernähren. Weit verbreitet sind auch: Sich auf die Beine (Strümpfe, Socken) machen: sich davonmachen; Etwas auf die Beine bringen (stellen): zustande bringen; die Redensart geht wohl vom Heer aus, das man bei der Mobilmachung auf die Beine brachte.
Einem Beine machen: ihn wegjagen, ihn zur Arbeit antreiben (schon bei Fischart). ›Dir wer'k Beene machen!‹ droht der Berliner dem an, den er so schlagen will, daß er davonläuft. Sich die Beine vertreten: spazierengehen; Sich die Beine in den Leib stehen: lange im Stehen warten müssen; Die Beine in die Hand (auch unter die Arme) nehmen: sich beim Gehen beeilen; vgl. französisch ›prendre ses jambes à son cou‹ (wörtlich: seine Beine um den Hals legen); Viel auf den Beinen sein: viel gehen, keine Zeit haben; Sich die Beine ablaufen, um etwas zu erlangen (auch mundartlich, z.B. schleswig-holsteinisch ›Ik heff mi de Been dorna ut dat Liev lopen‹, ich habe keine Mühe gescheut, um es zu bekommen).
Das Gegenteil zu dieser Wendung ist Sich kein Bein ausreißen: sich nicht übermäßig anstrengen, eine Sache träge und langsam tun (›Deshalb reiße ich mir kein Bein aus!‹). Bei schwerem Ärger sagt man Es ist zum Bein ausreißen! Einer, der große Unordnung sieht und nicht eingreifen darf, sagt: Es ist, um mit beiden Beinen hineinzuspringen. Mit einem Bein bereits im Grab stehen: todkrank sein, auf dem Sterbebett liegen (⇨ Grube).
Mit den (beiden) Beinen auf der Erde bleiben: sich nicht in Träumen und Spekulationen verlieren, sondern mit realen Tatsachen rechnen.
Kein Bein auf die Erde kriegen (bekommen): trotz aller Bemühungen wenig erfolgreich sein.
Immer wieder auf die Beine fallen: Glück im Unglück haben, keinen ernstlichen Schaden nehmen. Die Redensart enthält die häufige Beobachtung, daß eine Katze beim Sprung immer auf die Beine fällt und sich auch beim Sturz aus großer Höhe nicht verletzt; vgl. französisch ›retomber toujours sur ses pieds‹.
Mit dem linken Bein zuerst aufgestanden sein: schon am Morgen schlecht gelaunt sein. Das Aufstehen mit dem verkehrten Bein wurde als schlechtes Vorzeichen genommen (vgl. lateinisch ›sinistro pede profectus‹; niederländisch ›met het verkeerde been uit het bed stappen‹; englisch ›to get out of bed the wrong foot foremost‹; französisch ›se lever le cul, le derrière le premier‹ (ungebräuchlich), dafür heute: ›s'être levé du pied gauche‹).
Kein Bein in etwas finden: keine Bedenken haben. Bein hat hier wieder die alte Bedeutung von Knochen. Die Redensart meinte also ursprünglich ›Keinen Knochen im Essen finden‹. Den Gegensatz enthält die Wendung ›Ein Haar in der Suppe finden‹ (⇨ Haar); vgl. auch niederländisch ›geen been (graten) in iets vinden‹, englisch ›without finding bones in‹.
Etwas ans Bein binden: etwas verloren geben, einen Verlust verschmerzen, namentlich von Geldsummen gebraucht, z.B. ›Die 100 Mark binde ich ans Bein‹, d.h. ich opfere sie, ich gebe sie verloren. Zur Deutung dieser Redensart hat man verschiedene Vorschläge gemacht; die richtige Erklärung scheint folgende: Man sagte und sagt scherzend ›Ich binde etwas ans Bein, unters Knie‹, wenn man es sich nicht zu Herzen gehen lassen will (vgl. die gegenteiligen Redensarten: ›Einem etwas auf die Seele binden‹ und ›Einem etwas ans Herz legen‹); z.B. elsässisch ›Er loßt's Kritz (Kreuz) nit uwr d'Strümpfbandel auf‹, er macht sich keine Sorgen. 1638 heißt es in einer Breslauer Leichenrede: »Er hat nicht einen schlechten oder geringen Kummer, der bald zu vergessen ist oder den man unter den Knien zubindet, wie man im Sprichwort redet«.
Noch älter und deutlicher in dem Liederbuch der Hätzlerin aus dem Jahre 1471:
Sie sprach: far hin mein lieber knecht ...
Laß dir das laid dein haubt auch nit zerbrechen.
Der knab der sprach: gern ich das tu,
Bei dem knie so bind ichs zu,
Das es mir in das herz nit mag geschlagen.
Die Redensart ist schon mittelhochdeutsch bezeugt, z.B. bei Walther von der Vogelweide (101,31): »Mîn leit bant ich ze beine«, ich achtete mein Leid gering. In dem spätmittelhochdeutschen Lehrgedicht ›Die Windsbekin‹ heißt es am Schluß von allerlei Ermahnungen: »die rede ze beine nicht enbint«, d.h. achte diese Rede nicht gering. Mundartlich sagt man noch heute von etwas Unbedeutendem ›Das binde ich mir erst einmal unters Knie‹. Daher auch: Noch etwas am Bein haben: bezahlen oder leisten müssen; wenn man es auch – etwa wie ein Schellenband oder eine geringe Last – ans Bein gebunden hat, ist man es doch nicht los. Sächsisch ›Das kann noch ans Been loofen‹, das wird wohl noch Kosten machen.
Im übrigen hat die Redensart ›Ans Bein binden‹ im heutigen Sprachgebrauch eine weitere und konkreter zu verstehende Bedeutung angenommen: eine Sorge aufbürden, auch: einen behindern. Hierbei ist an die Bestrafungen zu denken, die etwa Festungsgefangene und Wilddiebe erleiden mußten: Man legte ihnen einen eisernen Ring um das Fußgelenk und band daran eine schwere Kugel, um die Missetäter oder Gefangenen an der Flucht zu hindern.
Auch die Redensart Einen Klotz (Knüppel) am Bein haben heißt: in seiner Handlungsfreiheit eingeschränkt sein. Sie zeugt von dem noch heute üblichen Brauch, Weidetiere durch einen Knüppel, der an einer Kette zwischen ihren Vorderbeinen hängt, am Weglaufen zu hindern (⇨ Knüppel).
Einem ein Bein stellen: ihn in heimtückischer Weise zu Fall zu bringen suchen, indem man ihm plötzlich ein Bein vorhält; in übertragenem Sinne: jemandem hinterlistig Schaden zufügen, z.B. in Grimmelshausens ›Simplicissimus‹ (I, 189): »wie er ihm ein Bein vorsetzen und zu Fall bringen möchte!«. Auch bei Goethe im ›Faust‹ (II. Teil, V. 6792): »Der Teufel stellt dir nächstens doch ein Bein« (vgl. niederländisch ›iemand een beentje zetten‹ und französisch ›faire un croc en jambe à quelqu'un‹).
Jemandem Knüppel zwischen die Beine werfen: ihm Schwierigkeiten bereiten, seinen Erfolg hindern; vgl. französisch ›jeter à quelqu'un des bâtons dans les roues‹ (wörtlich: jemandem Knüppel in die Räder werfen), ⇨ Rad.
Jemandem auf die Beine (Zehen, Hühneraugen) treten: ihn nachdrücklich ermahnen, seine Aufmerksamkeit erregen, ihn unter dem Tisch heimlich anstoßen; vgl. französisch ›monter sur les pieds de quelqu'un‹ im Sinne von: einen ausstechen, ihm auf dem Kopf herumtanzen.
Von Kindesbeinen an ⇨ Kind.
Kalte Beine (Füße) kriegen: Angst bekommen ⇨ Fuß.
Vom Storch ins Bein gebissen werden ⇨ Storch.
Über seine eigenen Beine fallen kann der Ungeschickte, der sich selbst in Schwierigkeiten bringt.
Scherzhaft sagt man von einem, der ungelenke oder krumme Beine hat, daß bei ihm Die Beine verkehrt eingehängt (eingeschraubt) seien; hat er einen langsamen, wackligen Gang, heißt es sogar: Er geht, als wenn ihm die Beine in den Arsch gebohrt wären.
Ein besonders großer Mensch Weiß oft nicht mit seinen Beinen wohin und sagt selbst in gespielter Verzweiflung Ich kann mir doch keinen Knoten in die Beine machen, weil sie zu lang sind.
Ist ein junger Mensch zu rasch gewachsen und paßt ihm seine Kleidung nicht mehr, dann hat er Die Beine zu weit durch die Hosen gesteckt.
Die berlinische Redensart ›Det hat noch lange Beene‹ meint: es hat noch lange Zeit, denn es hat sich noch nicht auf die Beine gemacht, es hat noch nicht begonnen.
Die Wendung Nicht auf einem Bein stehen können gilt als Ermutigung und Aufforderung, ein weiteres Glas Alkohol zu trinken; vgl. niederländisch ›Op een been kan men niet loopen (staan)‹ oder ›Een goed Monik (Mönch) gaat niet alleen‹ und englisch ›Wet the other eye!‹. Ich bin nicht auf einem Beine hergekommen sagt der Gast, der noch etwas zu trinken wünscht.
In die Beine gehen kann einem der Alkohol, aber auch die Musik zum Tanz. Der Schreck dagegen Fährt jemandem in die Beine und lähmt ihn.
Humorvoll ist die Befürchtung, daß ein Gegenstand Beine kriegen könnte, d.h., daß er abhanden kommt, gestohlen wird.
Die Redensart Jüngere Beine haben: frisch und beweglich sein und deshalb älteren Menschen eine Besorgung erledigen, einen Weg abnehmen können, wird als vorwurfsvoller Hinweis gegenüber dem Jüngeren gebraucht, wenn er nicht hilfsbereit genug ist (vgl. französisch ›Il a encore ses jambes de quinze ans‹).
Auf Tiervergleichen beruhen die Wendungen: Sich auf die Hinterbeine stellen: sich wie ein störrisches Zugtier (Esel) mit aller Kraft gegen etwas sträuben, dagegen Sich auf die Hinterbeine setzen: sich anstrengen, besonders in der Schule.
Den Schwanz zwischen die Beine nehmen: wie ein furchtsamer Hund rasch davonlaufen; vgl. französisch ›porter la queue basse‹ (wörtlich: mit eingezogenem Schwanz herumlaufen).
Um einen bei einem Mißgeschick zu trösten, sagt der Berliner ›Det is ja noch lange keen Beenbruch‹, es hätte schlimmer kommen können. In Deutschland allgemein ist der Ausruf Besser als ein Beinbruch! ⇨ Hals.
• E. STEMPLINGER U.A.: Artikel ›Bein‹, ›Beinbruch‹, ›Beine kreuzen, verschränken‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens I, Spalte 1010-1016; H.J. LIXFELD: Artikel ›Beinverschränkung‹, in: Enzyklopädie des Märchens II, Spalte 64-67.}
Die Beine übereinanderschlagen. Relief eines sitzenden Richters, St. Stephans-Dom, Wien, aus: Leopold Schmidt: Der Richter über dem Riesentor von St. Stephan, in: Jahrbuch d. Ver. für Ge-
schichte d. Stadt Wien 8, 1949/50.
Die Beine übereinanderschlagen: mit gekreuzten (d.h. übereinandergeschlagenen) Beinen sitzen; eine lässige Sitzhaltung einnehmen, die bis heute als ungehörig gilt. Bildquellen erweisen, daß das Beinekreuzen ursprünglich eine Richtergebärde war, die die Befugnis zur Rechtsprechung öffentlich sichtbar werden ließ, ⇨ Engel.
Auf eigenen Beinen stehen: unabhängig sein, keiner Unterstützung bedürfen; vgl. französisch ›voler de ses propres ailes‹ (wörtlich: mit eigenen Flügeln fliegen).
Fest auf beiden Beinen stehen: wissen, was man im Leben erreichen will; vgl. französisch ›avoir les deux pieds sur terre‹ (wörtlich: mit beiden Füßen auf dem Boden stehen).
Seine Beine unter fremdem Tisch haben: keinen eigenen Haushalt führen, schmarotzen; ähnlich: Er steckt die Beine unter seines Vaters Tisch: er läßt sich von seinem Vater ernähren. Weit verbreitet sind auch: Sich auf die Beine (Strümpfe, Socken) machen: sich davonmachen; Etwas auf die Beine bringen (stellen): zustande bringen; die Redensart geht wohl vom Heer aus, das man bei der Mobilmachung auf die Beine brachte.
Einem Beine machen: ihn wegjagen, ihn zur Arbeit antreiben (schon bei Fischart). ›Dir wer'k Beene machen!‹ droht der Berliner dem an, den er so schlagen will, daß er davonläuft. Sich die Beine vertreten: spazierengehen; Sich die Beine in den Leib stehen: lange im Stehen warten müssen; Die Beine in die Hand (auch unter die Arme) nehmen: sich beim Gehen beeilen; vgl. französisch ›prendre ses jambes à son cou‹ (wörtlich: seine Beine um den Hals legen); Viel auf den Beinen sein: viel gehen, keine Zeit haben; Sich die Beine ablaufen, um etwas zu erlangen (auch mundartlich, z.B. schleswig-holsteinisch ›Ik heff mi de Been dorna ut dat Liev lopen‹, ich habe keine Mühe gescheut, um es zu bekommen).
Das Gegenteil zu dieser Wendung ist Sich kein Bein ausreißen: sich nicht übermäßig anstrengen, eine Sache träge und langsam tun (›Deshalb reiße ich mir kein Bein aus!‹). Bei schwerem Ärger sagt man Es ist zum Bein ausreißen! Einer, der große Unordnung sieht und nicht eingreifen darf, sagt: Es ist, um mit beiden Beinen hineinzuspringen. Mit einem Bein bereits im Grab stehen: todkrank sein, auf dem Sterbebett liegen (⇨ Grube).
Mit den (beiden) Beinen auf der Erde bleiben: sich nicht in Träumen und Spekulationen verlieren, sondern mit realen Tatsachen rechnen.
Kein Bein auf die Erde kriegen (bekommen): trotz aller Bemühungen wenig erfolgreich sein.
Immer wieder auf die Beine fallen: Glück im Unglück haben, keinen ernstlichen Schaden nehmen. Die Redensart enthält die häufige Beobachtung, daß eine Katze beim Sprung immer auf die Beine fällt und sich auch beim Sturz aus großer Höhe nicht verletzt; vgl. französisch ›retomber toujours sur ses pieds‹.
Mit dem linken Bein zuerst aufgestanden sein: schon am Morgen schlecht gelaunt sein. Das Aufstehen mit dem verkehrten Bein wurde als schlechtes Vorzeichen genommen (vgl. lateinisch ›sinistro pede profectus‹; niederländisch ›met het verkeerde been uit het bed stappen‹; englisch ›to get out of bed the wrong foot foremost‹; französisch ›se lever le cul, le derrière le premier‹ (ungebräuchlich), dafür heute: ›s'être levé du pied gauche‹).
Kein Bein in etwas finden: keine Bedenken haben. Bein hat hier wieder die alte Bedeutung von Knochen. Die Redensart meinte also ursprünglich ›Keinen Knochen im Essen finden‹. Den Gegensatz enthält die Wendung ›Ein Haar in der Suppe finden‹ (⇨ Haar); vgl. auch niederländisch ›geen been (graten) in iets vinden‹, englisch ›without finding bones in‹.
Etwas ans Bein binden: etwas verloren geben, einen Verlust verschmerzen, namentlich von Geldsummen gebraucht, z.B. ›Die 100 Mark binde ich ans Bein‹, d.h. ich opfere sie, ich gebe sie verloren. Zur Deutung dieser Redensart hat man verschiedene Vorschläge gemacht; die richtige Erklärung scheint folgende: Man sagte und sagt scherzend ›Ich binde etwas ans Bein, unters Knie‹, wenn man es sich nicht zu Herzen gehen lassen will (vgl. die gegenteiligen Redensarten: ›Einem etwas auf die Seele binden‹ und ›Einem etwas ans Herz legen‹); z.B. elsässisch ›Er loßt's Kritz (Kreuz) nit uwr d'Strümpfbandel auf‹, er macht sich keine Sorgen. 1638 heißt es in einer Breslauer Leichenrede: »Er hat nicht einen schlechten oder geringen Kummer, der bald zu vergessen ist oder den man unter den Knien zubindet, wie man im Sprichwort redet«.
Noch älter und deutlicher in dem Liederbuch der Hätzlerin aus dem Jahre 1471:
Sie sprach: far hin mein lieber knecht ...
Laß dir das laid dein haubt auch nit zerbrechen.
Der knab der sprach: gern ich das tu,
Bei dem knie so bind ichs zu,
Das es mir in das herz nit mag geschlagen.
Die Redensart ist schon mittelhochdeutsch bezeugt, z.B. bei Walther von der Vogelweide (101,31): »Mîn leit bant ich ze beine«, ich achtete mein Leid gering. In dem spätmittelhochdeutschen Lehrgedicht ›Die Windsbekin‹ heißt es am Schluß von allerlei Ermahnungen: »die rede ze beine nicht enbint«, d.h. achte diese Rede nicht gering. Mundartlich sagt man noch heute von etwas Unbedeutendem ›Das binde ich mir erst einmal unters Knie‹. Daher auch: Noch etwas am Bein haben: bezahlen oder leisten müssen; wenn man es auch – etwa wie ein Schellenband oder eine geringe Last – ans Bein gebunden hat, ist man es doch nicht los. Sächsisch ›Das kann noch ans Been loofen‹, das wird wohl noch Kosten machen.
Im übrigen hat die Redensart ›Ans Bein binden‹ im heutigen Sprachgebrauch eine weitere und konkreter zu verstehende Bedeutung angenommen: eine Sorge aufbürden, auch: einen behindern. Hierbei ist an die Bestrafungen zu denken, die etwa Festungsgefangene und Wilddiebe erleiden mußten: Man legte ihnen einen eisernen Ring um das Fußgelenk und band daran eine schwere Kugel, um die Missetäter oder Gefangenen an der Flucht zu hindern.
Auch die Redensart Einen Klotz (Knüppel) am Bein haben heißt: in seiner Handlungsfreiheit eingeschränkt sein. Sie zeugt von dem noch heute üblichen Brauch, Weidetiere durch einen Knüppel, der an einer Kette zwischen ihren Vorderbeinen hängt, am Weglaufen zu hindern (⇨ Knüppel).
Einem ein Bein stellen: ihn in heimtückischer Weise zu Fall zu bringen suchen, indem man ihm plötzlich ein Bein vorhält; in übertragenem Sinne: jemandem hinterlistig Schaden zufügen, z.B. in Grimmelshausens ›Simplicissimus‹ (I, 189): »wie er ihm ein Bein vorsetzen und zu Fall bringen möchte!«. Auch bei Goethe im ›Faust‹ (II. Teil, V. 6792): »Der Teufel stellt dir nächstens doch ein Bein« (vgl. niederländisch ›iemand een beentje zetten‹ und französisch ›faire un croc en jambe à quelqu'un‹).
Jemandem Knüppel zwischen die Beine werfen: ihm Schwierigkeiten bereiten, seinen Erfolg hindern; vgl. französisch ›jeter à quelqu'un des bâtons dans les roues‹ (wörtlich: jemandem Knüppel in die Räder werfen), ⇨ Rad.
Jemandem auf die Beine (Zehen, Hühneraugen) treten: ihn nachdrücklich ermahnen, seine Aufmerksamkeit erregen, ihn unter dem Tisch heimlich anstoßen; vgl. französisch ›monter sur les pieds de quelqu'un‹ im Sinne von: einen ausstechen, ihm auf dem Kopf herumtanzen.
Von Kindesbeinen an ⇨ Kind.
Kalte Beine (Füße) kriegen: Angst bekommen ⇨ Fuß.
Vom Storch ins Bein gebissen werden ⇨ Storch.
Über seine eigenen Beine fallen kann der Ungeschickte, der sich selbst in Schwierigkeiten bringt.
Scherzhaft sagt man von einem, der ungelenke oder krumme Beine hat, daß bei ihm Die Beine verkehrt eingehängt (eingeschraubt) seien; hat er einen langsamen, wackligen Gang, heißt es sogar: Er geht, als wenn ihm die Beine in den Arsch gebohrt wären.
Ein besonders großer Mensch Weiß oft nicht mit seinen Beinen wohin und sagt selbst in gespielter Verzweiflung Ich kann mir doch keinen Knoten in die Beine machen, weil sie zu lang sind.
Ist ein junger Mensch zu rasch gewachsen und paßt ihm seine Kleidung nicht mehr, dann hat er Die Beine zu weit durch die Hosen gesteckt.
Die berlinische Redensart ›Det hat noch lange Beene‹ meint: es hat noch lange Zeit, denn es hat sich noch nicht auf die Beine gemacht, es hat noch nicht begonnen.
Die Wendung Nicht auf einem Bein stehen können gilt als Ermutigung und Aufforderung, ein weiteres Glas Alkohol zu trinken; vgl. niederländisch ›Op een been kan men niet loopen (staan)‹ oder ›Een goed Monik (Mönch) gaat niet alleen‹ und englisch ›Wet the other eye!‹. Ich bin nicht auf einem Beine hergekommen sagt der Gast, der noch etwas zu trinken wünscht.
In die Beine gehen kann einem der Alkohol, aber auch die Musik zum Tanz. Der Schreck dagegen Fährt jemandem in die Beine und lähmt ihn.
Humorvoll ist die Befürchtung, daß ein Gegenstand Beine kriegen könnte, d.h., daß er abhanden kommt, gestohlen wird.
Die Redensart Jüngere Beine haben: frisch und beweglich sein und deshalb älteren Menschen eine Besorgung erledigen, einen Weg abnehmen können, wird als vorwurfsvoller Hinweis gegenüber dem Jüngeren gebraucht, wenn er nicht hilfsbereit genug ist (vgl. französisch ›Il a encore ses jambes de quinze ans‹).
Auf Tiervergleichen beruhen die Wendungen: Sich auf die Hinterbeine stellen: sich wie ein störrisches Zugtier (Esel) mit aller Kraft gegen etwas sträuben, dagegen Sich auf die Hinterbeine setzen: sich anstrengen, besonders in der Schule.
Den Schwanz zwischen die Beine nehmen: wie ein furchtsamer Hund rasch davonlaufen; vgl. französisch ›porter la queue basse‹ (wörtlich: mit eingezogenem Schwanz herumlaufen).
Um einen bei einem Mißgeschick zu trösten, sagt der Berliner ›Det is ja noch lange keen Beenbruch‹, es hätte schlimmer kommen können. In Deutschland allgemein ist der Ausruf Besser als ein Beinbruch! ⇨ Hals.
• E. STEMPLINGER U.A.: Artikel ›Bein‹, ›Beinbruch‹, ›Beine kreuzen, verschränken‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens I, Spalte 1010-1016; H.J. LIXFELD: Artikel ›Beinverschränkung‹, in: Enzyklopädie des Märchens II, Spalte 64-67.}
Die Beine übereinanderschlagen. Relief eines sitzenden Richters, St. Stephans-Dom, Wien, aus: Leopold Schmidt: Der Richter über dem Riesentor von St. Stephan, in: Jahrbuch d. Ver. für Ge-
schichte d. Stadt Wien 8, 1949/50.