Redensarten Lexikon
barbieren
Jemanden barbieren: den Bart abschneiden, rasieren, übertragen: ihn betrügen, erniedrigen. Die Redensart bezieht sich auf das schimpfliche Abschneiden des Bartes, das im Mittelalter als entehrende Strafe galt.    Schon bei den alten Griechen und Römern war der Bart ein Zeichen von Mannhaftigkeit. Jedes Ausreißen oder Scheren des Bartes, das vor allem in Racheakten eine Rolle spielte, stellte eine grobe Erniedrigung dar. Deshalb wurden mannhafte Standfestigkeit, Stolz und Geradlinigkeit durch auffälliges Drehen des Schnurrbartes ausgedrückt, oft auch – zum Beweis der Aufrichtigkeit – mit den provozierenden Worten: ›Du kannst mir diesen Bart Haar um Haar ausreißen, wenn ich dich betrüge!‹ (Von daher auch die französischen Redensarten: ›avoir la barbe au menton‹: ein entschlossener Mensch sein; ›s'en toucher la barbe‹: nicht viel danach fragen; ›Il se laisserait arracher la barbe poil à [par] poil‹: er läßt sich alles bieten.)
   Auch bei den Germanen wurde das Barthaar allgemein lang getragen, vor allem bei den Langobarden, die durch ihre auffallend lange Barttracht ihren Stammesnamen ›Langobardi‹ (Langbärte) erhielten. Da sie die Urheber der ersten schriftlichen Aufzeichnung der german. Volksrechte (7. Jahrhundert) waren, die u.a. Knechten und Unfreien das Wachsenlassen der Haupt- und Barthaare untersagten (Lex Burgundionum VI, 4), ist anzunehmen, daß auf sie auch die mittelalterlichen Gesetze zurückgehen, die das unbefugte Scheren des Bartes unter schwere strafe stellten (Lex Salica 28, 2).
   Mit dem modischen Wechsel der Barttracht gerieten diese Gesetze jedoch in Vergessenheit, als das Ansehen einer Person nicht mehr vom Bart abhing und entsprechend durch das Abrasieren nicht mehr beeinträchtigt werden konnte. Anders jedoch in der Türkei. Dort galt es noch bis ins 19./20. Jahrhundert hinein als der größte Schimpf, wenn dem Besiegten der Bart abgeschnitten wurde. (Vgl. auch: ›Jemanden über den Löffel barbieren‹), Löffel.

• H. CARSTENS: ›Jemanden barbiren‹, in: Am Uhrds-Brunnen. Organ des Vereins für Verbreitung volksthümlich-wissenschaftlicher Kunde, 4 (1886/87), S. 111; G. MEGAS: Der Bartlose im neugriechischen Märchen (= Folklore Fellows Communications 157) (Helsinki 1955), S. 3-16; R. SCHMIDT-WIEGAND: Artikel ›Haar‹ und ›Haarscheren‹ in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte I, Spalte 1880-1887.
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