Redensarten Lexikon
Balhorn
Etwas nach Johann Ballhorn verbessern, verballhornen, verballhornisieren: eine Sache unzweckmäßig und lächerlich abändern in der Absicht, sie zu verbessern; ›Verschlimmbessern‹; bremisch-niedersächsisch: ›dat is verbetert dör Jan Balhoorn‹, von einer lächerlichen und unnützen Verbesserung. Diese Redensarten wurden zunächst nur auf Erzeugnisse der Buchdruckerkunst angewendet, heute spricht man jedoch auch von Verballhornungen der gesprochenen Sprache.    Die Wendungen sind abgeleitet von dem Namen des Buchdruckers Johann Balhorn d.J., der im 16. Jahrhundert in Lübeck wirkte. Von ihm und seinem Vater, Johann Balhorn d.Ä., gest. 1573, sind über 220 Drucke nachzuweisen und erhalten, Kinderfibeln, Reformationsschriften, Volksliteratur, geschichtliche und rechtswissenschaftliche Abhandlungen, darunter auch ›korrigierte‹ Ausgaben, z.B. 1545 ›De dorch M. Hermannum Bonnum Superintendenten tho Lübeck gecorrigereden Geistlyken Gesenge vnd Christlyken Leder, dorch Johann Balhorn in offentliyken Druck gegeuen‹, im gleichen Jahr ›De klene Catechismus upt nie gebetert, tho Lübeck by Johann Balhorn gedrücket‹ und 1586 das Lübische Recht ›Auffs Newe vbersehen, Corrigiret‹. Vermutlich erregten solche korrigierten und ›verschlimmbesserten‹ Ausgaben den Widerspruch der Zeitgenossen, so daß der Verlag in Verruf kam, und vielleicht ist es schon eine Abwehr von seiten Balhorns, wenn er in einem der spätesten Balhorndrucke (1602) am Ende die Leser ermahnt: ›so dar wat in tho verbetern war, dat woldi ein yder bröderlik corrigern, und ydt dem boeckdrücker antögen‹.
   Bahnbrechend für die gesicherte Herleitung des Balhorn-Spruches wurde K.F.W. Wander (IV, Spalte 1529). Gestützt auf Autoren des 18. Jahrhunderts, unter Ablehnung bestehender Irrtümer, kam er zu dem Schluß, allein der Druck des »korrigierten« lübischen Gesetzbuches vom Jahre 1586 habe Balhorn ganz ohne sein Verschulden der Lächerlichkeit preisgegeben. Den urkundlichen Beweis seiner Darlegungen lieferten P. Hagen und, auf ihn zurückgehend, H.-B. Spies. Die 1586 unter Zeitdruck herausgegebene Revision des Lübecker Gesetzbuches, das weit über die Stadt hinaus maßgebend war, brachte außer vielen Unzulänglichkeiten auch gänzlich neue, schikanöse Bestimmungen, die fast die gesamte Bevölkerung in Mitleidenschaft zogen. Das getäuschte Publikum mußte die »Korrektur« seiner Statuten (die Bezeichnung mochte ihm positive Verbesserungen vorgespiegelt haben) als blanken Hohn empfinden. Da es kein anderes Objekt für seine Rache fand, vergalt es dem unschuldigen Buchdrucker »Gleiches mit Gleichem«.
Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Balhorn die Arbeit bona fide übernommen und, anders als die allein verantwortlichen Kommentatoren (Mitglieder des Lübecker Senats), seinen Namen auf dem Titelblatt nicht verschwiegen. Die 2. Auflage der editio Balhorniana, so wurde das Lübecker Gesetzbuch in der juristischen Fachliteratur zitiert, erschien bezeichnenderweise anonym. Weil aber seine mißlichen Bestimmungen, – sie riefen eine nicht abreißende Flut ärgerlicher Prozesse hervor-, bis ins 17. Jahrhundert hinein in Kraft blieben und die Unzufriedenheit der Masse wachhielten, konnte die Redensart, die ihnen sozusagen ihre Entstehung verdankte, volkstümlich werden.
   Um 1650 taucht der heutige sprichwörtliche Sinn des Namens zuerst in der Literatur auf. In Johann Peter de Memels ›Lustiger Gesellschaft‹ (Lübeck 1656) wird der verstorbene Balhorn als willkürlich »verbessernder« Übersetzer verhöhnt.
   Die eigenen Landsleute haben seinen Namen auch später nicht geschont. Die Firma ging zwar in andere Hände über, aber sie hatte einen Ball und ein Horn im Druckzeichen und hielt die Erinnerung an Joh. Balhorn fest. Um 1800 gebrauchte man ›Verballhornen‹ – ›Verballhornisieren‹ besonders im altevangelischen deutschen Sprachgebrauch. Damals hieß es beispielsweise im Holsteinischen »von einer unnützen und possierlichen Bearbeitung«: ›dat is verbetert dör Jan Ballhorn‹.
   Der Name des Lübecker Buchdruckers ist in der mecklenburgischen Mundart bis heute ein Begriff geblieben und wird oft in Redensarten verwendet; z.B. beim Kartenspiel: ›Mit sonn (d.h. günstigen) Koorten kann Johann Ballhorn ok spälen‹, eine Herabsetzung, die er nicht verdient hat.
   Eigenmächtigkeiten oder Eigentümlichkeiten eines Buchdruckers sind bei Balhorn nicht nachgewiesen ... Der Name Johann Balhorn ist ganz zu Unrecht in den schlechten Ruf gekommen, der ihm noch jetzt ... anhaftet. Die Träger dieses Namens ... sind vielmehr hervorragende Buchdrucker gewesen, die ihre Berufstüchtigkeit durch zahlreiche Erzeugnisse ihrer besonders auch für die niederdeutsche Literatur anerkannt wertvollen Presse erwiesen haben.

• WANDER IV, Spalte 1529; A. KOPP: Joh. Balhorn (Lübeck 1906); G.A. BRÜGGEMANN: Wortschatz und Sprachform (Leipzig 1928), S. 100; P. HAGEN: Der Ursprung der Redensart »Verbessert durch Johann Balhorn«, in: Zeitschrift für Bücherfreunde N.F. 21 (1929), S. 10-17; H.B. SPIES: »Verbessert durch Johann Balhorn«, in: Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde 62 (1982), S. 285-292.
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