Redensarten Lexikon
ausfressen
Etwas ausgefressen haben: heimlich eine Straftat, etwas Schlechtes begangen haben. Die Redensart ist auch mundartlich verbreitet, z.B. heißt es in Berlin: ›Er hat wat ausjefressen‹. In der Schülersprache wird die Wendung heute noch häufig gebraucht mit der speziellen Bedeutung: seinen Lehrern einen Streich gespielt haben, heimlich gegen die Schulordnung, gegen ein Verbot verstoßen haben und deshalb ein schlechtes Gewissen haben. Etwas ausfressen wollen: im Übermut, aus Rachelust den Vorsatz zu einer bösen Tat fassen; voller Freude etwas vorbereiten, das anderen Ärger bringen wird und dafür gern die Folgen in Kauf nehmen. Die Herkunft der Redensarten ist nicht ganz sicher. Man hat an einen sprachlichen Vergleich mit dem Verhalten der Katze gedacht, die gern heimlich nascht und einen Topf ›ausfrißt‹, wofür sie Strafe zu erwarten hat. Wahrscheinlich aber weisen diese Redensarten auf einen alten Rechtsbrauch zurück und stehen im Zusammenhang mit der Hauswüstung: Wenn ein Schuldner nicht zahlen wollte oder konnte, wenn die Steuern bei ihm nicht einzutreiben waren, wurde bei dem Verurteilten eine Partialwüstung angeordnet, d.h. durch Zwangseinquartierung von ›Fressern‹ wurden ihm Essen und Trinken in seinem eigenen Hause genommen. Alle Vorräte wurden von den Fremden aufgezehrt, bis der Schuldige entweder bezahlte oder Haus und Hof verließ, weil er keine Existenzgrundlage mehr dort hatte. Die Strafe des ›Ausfressens‹ wurde im Mittelalter häufig verwendet, wie aus Gerichtsakten hervorgeht und aus Verboten im 13. Jahrhundert. Auch in Frankreich und Italien war das ›Ausfressen‹ bekannt. So verbot z.B. 1285 das Pariser Parlament diese allgemeine Bestrafung und genehmigte sie nur noch in besonderen Fällen. Nach der Aufhebung des Edikts von Nantes versuchte man in großem Maße, die Hugenotten durch das ›Ausfressen‹, d.h. durch die Erschöpfung ihrer Vorräte zum katholischen Glauben zurückzuzwingen oder ihre Macht durch die Vertreibung von ihrem Besitz zu brechen.
Die niederdeutsche Redensart ›Et is ein Utfräten‹, es geht in einem hin, scheint noch näher als die übrigen Wendungen mit dieser mittelalterlichen Strafe in Beziehung zu stehen. Sie dient als Ermutigung zu einer Handlung, bei der Nachteile oder Strafen befürchtet werden müssen, die aber kaum das schon für andere böse Taten zu erwartende Strafmaß zu steigern vermögen.
• N. ZAHN: Die Wüstung im mittelalterlichen Recht unter besonderer Berücksichtigung von Italien und Flandern (Diss. Basel 1956), S. 87 ff.
Etwas ausgefressen haben: heimlich eine Straftat, etwas Schlechtes begangen haben. Die Redensart ist auch mundartlich verbreitet, z.B. heißt es in Berlin: ›Er hat wat ausjefressen‹. In der Schülersprache wird die Wendung heute noch häufig gebraucht mit der speziellen Bedeutung: seinen Lehrern einen Streich gespielt haben, heimlich gegen die Schulordnung, gegen ein Verbot verstoßen haben und deshalb ein schlechtes Gewissen haben. Etwas ausfressen wollen: im Übermut, aus Rachelust den Vorsatz zu einer bösen Tat fassen; voller Freude etwas vorbereiten, das anderen Ärger bringen wird und dafür gern die Folgen in Kauf nehmen. Die Herkunft der Redensarten ist nicht ganz sicher. Man hat an einen sprachlichen Vergleich mit dem Verhalten der Katze gedacht, die gern heimlich nascht und einen Topf ›ausfrißt‹, wofür sie Strafe zu erwarten hat. Wahrscheinlich aber weisen diese Redensarten auf einen alten Rechtsbrauch zurück und stehen im Zusammenhang mit der Hauswüstung: Wenn ein Schuldner nicht zahlen wollte oder konnte, wenn die Steuern bei ihm nicht einzutreiben waren, wurde bei dem Verurteilten eine Partialwüstung angeordnet, d.h. durch Zwangseinquartierung von ›Fressern‹ wurden ihm Essen und Trinken in seinem eigenen Hause genommen. Alle Vorräte wurden von den Fremden aufgezehrt, bis der Schuldige entweder bezahlte oder Haus und Hof verließ, weil er keine Existenzgrundlage mehr dort hatte. Die Strafe des ›Ausfressens‹ wurde im Mittelalter häufig verwendet, wie aus Gerichtsakten hervorgeht und aus Verboten im 13. Jahrhundert. Auch in Frankreich und Italien war das ›Ausfressen‹ bekannt. So verbot z.B. 1285 das Pariser Parlament diese allgemeine Bestrafung und genehmigte sie nur noch in besonderen Fällen. Nach der Aufhebung des Edikts von Nantes versuchte man in großem Maße, die Hugenotten durch das ›Ausfressen‹, d.h. durch die Erschöpfung ihrer Vorräte zum katholischen Glauben zurückzuzwingen oder ihre Macht durch die Vertreibung von ihrem Besitz zu brechen.
Die niederdeutsche Redensart ›Et is ein Utfräten‹, es geht in einem hin, scheint noch näher als die übrigen Wendungen mit dieser mittelalterlichen Strafe in Beziehung zu stehen. Sie dient als Ermutigung zu einer Handlung, bei der Nachteile oder Strafen befürchtet werden müssen, die aber kaum das schon für andere böse Taten zu erwartende Strafmaß zu steigern vermögen.
• N. ZAHN: Die Wüstung im mittelalterlichen Recht unter besonderer Berücksichtigung von Italien und Flandern (Diss. Basel 1956), S. 87 ff.