Redensarten Lexikon
Augustin
O du lieber Augustin! Ausruf nach einem unerwarteten und als schwer empfundenen (materiellen) Verlust, der die weltschmerzliche Erkenntnis enthält: Es hat keinen Sinn, sich den Kopf zu zerbrechen mit der Sorge um den nächsten Tag, es kommt doch anders als gedacht! Es handelt sich um die Anfangszeile eines seit der Zeit um 1800 belegten Gassenhauers ironisch-pessimistischen Charakters, den die Wiener Lokalsage dem legendären Wiener Volkssänger und Dudelsackpfeifer Augustin in den Mund legt. Von dem Straßenmusikanten wird erzählt, er sei »im großen Pestjahr« (1679) nach einer durchzechten Nacht betrunken an einem Wegrand eingeschlafen und von Siechknechten, die ihn für tot hielten, auf den Pestwagen geladen und in die Pestgrube geworfen worden. Am nächsten Morgen sei er dort inmitten der Toten aufgewacht und habe mit Musik aufgespielt, bis ihn die Siechknechte wieder herausholten. Der früheste Nachweis dieses kuriosen Geschehens findet sich in der Pestordnung der Wiener Medizinischen Fakultät aus dem Jahr 1679, die damit auf die Gefahr des Lebendigbegrabenwerdens aufmerksam machen wollte, jedoch dort ohne Namensnennung, auch ohne den Hinweis auf den glücklichen Ausgang. Wenige Jahre später berichten der schlesische Rechtskandidat Johann Konstantin Feigius, der 1683 in Wien weilte, und Abraham a Sancta Clara von dem Ereignis. Die Erzählforschung geht davon aus, daß Feigius kein historischer Tatsachenbericht zu Ohren kam, sondern daß bald nach dem Pestjahr das seit dem 16. Jahrhundert belegte Motiv des Musikers, der nach einer durchzechten Nacht in einer Totengrube aufwacht, in der volkstümlichen Erzähltradition auf die Wiener Verhältnisse übertragen wurde. Den Namen ›Augustin‹ erhielt der Musikant möglicherweise deshalb, weil die Pestordnung von 1679 mit einem Gebet an den hl. Augustinus schloß.
In Wien hat man dem ›lieben Augustin‹ im 7. Bezirk ein Denkmal gesetzt. Die ›Lieber Augustin‹-Plastik an einem Haus in Lindau hat hingegen nichts mit dieser Figur zu tun. Sie gilt der Titelgestalt eines Romans von Horst Wolfram Geissler (München 1921 u.ö.), die dieser in Lindau angesiedelt hat.
• L. SCHMIDT: Der liebe Augustin. Die Wiener Lokalisierung einer Wandersage, in: ders.: Volkserzählung (Berlin 1963), S. 211-224; DERS.: Artikel ›Augustin, lieber‹, in: Enzyklopädie des Märchens I, Spalte 1015-1017.
O du lieber Augustin! Ausruf nach einem unerwarteten und als schwer empfundenen (materiellen) Verlust, der die weltschmerzliche Erkenntnis enthält: Es hat keinen Sinn, sich den Kopf zu zerbrechen mit der Sorge um den nächsten Tag, es kommt doch anders als gedacht! Es handelt sich um die Anfangszeile eines seit der Zeit um 1800 belegten Gassenhauers ironisch-pessimistischen Charakters, den die Wiener Lokalsage dem legendären Wiener Volkssänger und Dudelsackpfeifer Augustin in den Mund legt. Von dem Straßenmusikanten wird erzählt, er sei »im großen Pestjahr« (1679) nach einer durchzechten Nacht betrunken an einem Wegrand eingeschlafen und von Siechknechten, die ihn für tot hielten, auf den Pestwagen geladen und in die Pestgrube geworfen worden. Am nächsten Morgen sei er dort inmitten der Toten aufgewacht und habe mit Musik aufgespielt, bis ihn die Siechknechte wieder herausholten. Der früheste Nachweis dieses kuriosen Geschehens findet sich in der Pestordnung der Wiener Medizinischen Fakultät aus dem Jahr 1679, die damit auf die Gefahr des Lebendigbegrabenwerdens aufmerksam machen wollte, jedoch dort ohne Namensnennung, auch ohne den Hinweis auf den glücklichen Ausgang. Wenige Jahre später berichten der schlesische Rechtskandidat Johann Konstantin Feigius, der 1683 in Wien weilte, und Abraham a Sancta Clara von dem Ereignis. Die Erzählforschung geht davon aus, daß Feigius kein historischer Tatsachenbericht zu Ohren kam, sondern daß bald nach dem Pestjahr das seit dem 16. Jahrhundert belegte Motiv des Musikers, der nach einer durchzechten Nacht in einer Totengrube aufwacht, in der volkstümlichen Erzähltradition auf die Wiener Verhältnisse übertragen wurde. Den Namen ›Augustin‹ erhielt der Musikant möglicherweise deshalb, weil die Pestordnung von 1679 mit einem Gebet an den hl. Augustinus schloß.
In Wien hat man dem ›lieben Augustin‹ im 7. Bezirk ein Denkmal gesetzt. Die ›Lieber Augustin‹-Plastik an einem Haus in Lindau hat hingegen nichts mit dieser Figur zu tun. Sie gilt der Titelgestalt eines Romans von Horst Wolfram Geissler (München 1921 u.ö.), die dieser in Lindau angesiedelt hat.
• L. SCHMIDT: Der liebe Augustin. Die Wiener Lokalisierung einer Wandersage, in: ders.: Volkserzählung (Berlin 1963), S. 211-224; DERS.: Artikel ›Augustin, lieber‹, in: Enzyklopädie des Märchens I, Spalte 1015-1017.