Redensarten Lexikon
Arsch
Umgangssprache und Mundarten gebrauchen das derb-anstößige Wort Arsch in zahlreichen Wendungen. Das berühmte Kraftwort Er kann mich am Arsch lecken gehört eigentlich in die Nähe verwandter Wortprägungen, wie ›Staub-, Fuß-, Speichel-Lecken‹, denn es soll ja ebenfalls eine Entwürdigung und Demütigung darstellen. Die Aufforderung ist von Hause aus keineswegs nur ein derbes Kraftwort. Vielmehr wurde dem nackten Gesäß apotropäische Wirkung zugeschrieben. Die Weisung des nackten Hinterteils war eine Abwehrgebärde, die nicht nur spöttisch-verächtliche, sondern ursprünglich zauberisch-ernste Hintergründe hatte. In Resten hat sich dieser Abwehrzauber noch bis zur Gegenwart erhalten. Glaubte man z.B. einer Hexe oder gar dem Teufel zu begegnen, so murmelte man den Kraftausdruck mehrere Male vor sich hin. Als Ausdruck der Teufelsdevotion mußten die Hexen bei ihren Zusammenkünften auf dem Blocksberg angeblich dem Teufel ›den Arsch lecken‹ oder ihm in Gestalt eines Bockes den Hintern küssen.
Da leckst du mich am Arsch! kann allerdings auch Ausdruck hoher Verwunderung sein. In der Umgangssprache läßt sich derbe Ablehnung und höchste Verwunderung mit derselben Redensart zum Ausdruck bringen. Als Ausdruck des Staunens, der Verwunderung, ist der ›schwäbische Gruß‹, z.B. unter Bekannten gebräuchlich, die sich lange nicht mehr gesehen haben: ›Jetzt l.m.i.A. – wo kommst du her?‹ Er kann gebraucht werden, um ein Gespräch anzuknüpfen, um eine ins Stocken geratene Unterhaltung wieder in Gang zu bringen, um einem Gespräch eine andere Wendung zu geben, und schließlich, um eine Unterhaltung endgültig abzubrechen.
Lange vor Goethes ›Götz von Berlichingen‹ (III, 4) findet sich die Redensart bei Luther: »Wenn man aber nun den Teufel kennt, so kann man leichtlich zu im sagen: Leck mich im Arsch«. Frühbelege gibt es allenthalben in grobianischer Sprache, z.B. bei Hans Sachs (›Der doctor mit der grosen nasen‹):
Ey wie wol dus getroffen hast,
Peim ars im Schlaff, mein lieber Fricz,
Kump her vnd kües mich, da ich sicz!
Grimmelshausens ›Simplicissimus‹ kennt die Redensart noch als konkrete Demütigung: »Hätten sie ihm Nasen und Ohren abgeschnitten, zuvor aber gezwungen, daß er ihrer Fünfen den Hindern lecken müssen«; oder an anderer Stelle: »Ich sagte: Du Flegel, sie haben dir deine Schafe wollen stehlen. Der Bauer antwortete: So wollte ich, daß sie mich und meine Schafe müßten im Hintern lecken«.
Johann Beer (1655-1700) im ›Narrenspital‹: » ... hinfort sollst du mich nicht mehr streichen, aber wohl im Arsche lecken, du Hundsfutt, hast mich gehalten wie einen jungen Tanzbären, aber nun blase mir ins Loch dafür, du Henkersknecht!« Die frühesten Belege finden sich in Beleidigungsprozessen und -klagen des 14. Jahrhunderts. Nach den Luzerner Ratsprotokollen soll eine Frau, Jenzis Vasbindz Weib, zu ihrem Manne gesagt haben: »Leck den gabelman und fach mir im ars an und kuss mir die mutzen im zünglin«; 1454 in einer Bamberger Beleidigungsklage: »Auch sprache sie, er solle sie im Arse lecken und an ihre Brüche küssen!« Goethe fand die Vorlage in der ›Lebensbeschreibung Herrn Götzens von Berlichingen‹, 1731, wo es u.a. heißt: » ... da schrie der Amtmann oben heraus, da schrie ich wieder zu ihme hinauf, er sollte mich hinten lecken ...«. Kaspar Stieler formulierte 1691 vornehm und lateinisch: »Ich werde dich darumb nicht im Arsche lecken, non supplicabo tibi, nec instar numinis te venerabor ob rem eius modi«.
Da mit zunehmender Verfeinerung die Redensart als zu anstößig empfunden wurde, hat sich in der Umgangssprache eine große Zahl von umschreibend-beschönigenden Redensarten entwickelt, z.B. die Abkürzung ›L.m.a.‹, die wiederum als ›Laß mich allein!‹ ausgedeutet wird; ›Leck mich am Ärmel‹; ›Du kannst mich‹; ›Du kannst mich am Abend besuchen‹; ›Du kannst mir im Mondschein begegnen‹; ›Götz von Berlichingen, III. Akt, 4. Szene!‹; ›Bei mir Götz von Berlichingen!‹, indem man also statt des Zitates selbst nur die Stelle nennt. Als euphemistische Umschreibung für diese Aufforderung kennt der Volkswitz noch viele Redensarten, z.B. ›Küß mir den Ellenbogen‹; ›Kannst mi auf den Bank hinauflupfen, ro kann i selber‹; ›Kannst mir den Buckel küssen, wo die Haut ein Loch hat‹; ›Kannst mir den Buckel 'runterrutschen (oder: hinaufsteigen)‹; ›Du kannst mir auf die Kirbe (Kirchweih) kommen‹; ›Kannst mi fünfern, hast um sechs Feierabend‹; ›Kannst mir sonst was tun‹; ›Kannst mi gern haben‹ (Wien); ›Kannst mir den Zucker vom Kuchen lecken‹; ›Kannst mich küssen, wo ich schön bin (wo der Buckel ein Ende hat)‹; ›Blas mir den Hobel aus‹; ›Leck oich der Geer‹; ›Kannst mich neunundneunzigmal ungeschoren lassen‹. ›Leck mich am Auspuff‹; eine mundartliche Variante aus Schleswig lautet: ›Klei mi an Mors‹. Vgl. auch französisch ›Mon cul!‹, umgangssprachlich als Ausdruck der Empörung.
Die tabuierte Redensart ist u.a. durch folgende ebenfalls redensartliche Umschreibungen paraphrasiert worden: ›Du kannst mich ergötzen‹ – ›Am Ärmel küssen‹ – ›Im Adler treffen‹ – ›Von hinten beriechen‹ – ›Als Briefmarke betrachten‹ – ›Am Marschieren nicht hindern‹ – ›Zu einer intimen Goethefeier begleiten‹ – ›Du kannst mir gewogen bleiben, am Hahnen riechen‹ – ›Am Ammersee ein Haus kaufen‹ – ›Meine Naturbrille putzen‹ – ›In die Tasche steigen‹ – ›Du kannst mir den Buckel runterrutschen und dort, wo er den anständigen Namen verliert, mit der Zunge bremsen!‹ Auf die redensartlichen Aufforderungen gibt es auch eine ganze Anzahl redensartlich witziger Erwiderungen, wie z.B.: ›Vor meinem ist auch kein Gitter!‹; ›Das tät' ich nicht, und wenn er mit Zucker bestreut wär!‹ – ›Das hab' ich schon einer anderen Sau versprochen!‹ – ›Bedauere, ich bekomme Sodbrennen davon!‹ – ›Säue werden nicht geleckt, sie werden geschruppt!‹ – ›Häng deinen Arsch zuerst ein halb's Jahr in den Neckar!‹ – ›Schade, daß ich mir das Naschen abgewöhnt habe!‹ – ›Tut mir leid, der Arzt hat mir Diät verordnet!‹ – ›Wenn du deine Hose so schnell herunterziehst, wie ich die Zunge herausstrecke, warum nicht?‹ – ›Recht gern, wenn ich wüßte, welches dein Arsch und welches dein Gesicht wäre!‹
In einer großen Zahl von vulgären Volksliedern spielt das bekannteste aller Goethe-Zitate ebenso eine Rolle wie in einer Reihe von Spruchprägungen, z.B.
Wenn jeder wüßte,
Was er mich könnte,
Und es auch täte –
Nie käme ich zum Sitzen.
Sage mir, was Du von mir willst,
Und ich sage Dir, was Du mich kannst.
Wenn Dich Haß und Neid umringen,
Denk an Götz von Berlichingen!
Trost gibt Dir in allen Dingen
Ritter Götz von Berlichingen.
Einem in den Arsch kriechen (z.T. mit dem witzigen Zusatz: ›Sich darin umdrehen und den Eingang verteidigen‹): sich jemandem kriechend unterwürfig zeigen; sich bis zu schimpflicher Selbstaufgabe erniedrigen. Ihm geht der Arsch (auf) mit Grundeis: er hat große Angst, bange Befürchtungen. Wenn nach starkem Frost das Grundeis losbricht, so entsteht polternder Lärm. Wegen dieses Geräusches und seiner Tiefenlage meint Grundeis hier den Durchfall, der als Begleiterscheinung von Angst und Feigheit auftritt. Die Redensart ist seit etwa 1760 belegt, aber sicher mündlich älter. Scheffel ersetzt sie in dem Gaudeamuslied ›Der erratische Block‹ von 1864 durch die gemilderte Form:
Und der spielt die traurigste Rolle,
Dem die Basis mit Grundeis ergeht.
Sich etwas am Arsch abfingern (abklavieren) können: etwas Selbstverständliches mit Leichtigkeit begreifen können. Die Redensart ist eine Groteskbildung zur Redensart ›Sich etwas an den fünf Fingern abzählen können‹.
Am Arsch der Welt: in abgelegener Gegend; soldatensprachlich seit dem 2. Weltkrieg.
Den Arsch betrügen: sich erbrechen. Betrogen wird er, weil aus dem Munde hervorkommt, was normalerweise den Weg durch den After nimmt; soldatensprachlich seit dem 1. Weltkrieg.
In zahlreichen anderen Redewendungen ist das anstößige Wort Arsch durch verhüllende Umschreibungen ersetzt worden (z.B. Sitzfläche, die vier oder fünf Buchstaben, Allerwertester, Erziehungsfläche, Hinterer, Südpol, Hintergestell, Hinterviertel, Podex, Popo, wo der Rücken seinen ehrlichen Namen verliert. Verlängerung des Rückens, Armloch, Armleuchter).
Jemandem den Arsch versohlen: ihn prügeln, schlagen.
Den Arsch zukneifen: sterben, ähnlich Die Arschbacken zusammenkneifen, ebenfalls metaphorisch in gleicher Bedeutung, aber auch im Sinne von genau achtgeben, mutig sein. Die Wendung galt im 2. Weltkrieg als Ermahnung der Soldaten, tapfer zu sein und nicht vor Angst zu ⇨ scheißen.
Der Arsch hat Feierabend: (derb) jemand ist gestorben, ⇨ zeitlich.
Der Arsch ist ab: eine Sache ist erledigt.
Sich den Arsch abfrieren: unter sehr großer Kälte leiden müssen. Arbeiten, daß einem das Wasser im Arsch kocht: hart arbeiten müssen, ⇨ malochen.
Im bremisch-niederdeutschen Raum heißt es scherzhaft: ›Loop to, so schimmelt di de Eers nich‹, um jemand zum hurtigen Laufen aufzufordern.
Im (am) Arsch sein: erschöpft, kaputt sein.
Im (am) Arsche des Propheten! Beteuerungsformel, entstellt aus: ›Beim Barte des Propheten‹ ⇨ Bart.
Sich vor Ärger in den Arsch beißen können: sich sehr ärgern, etwas zutiefst bereuen.
Jemand hat den Arsch offen: er ist blöd.
Ein Arsch mit Ohren sein: ein häßliches (nichtssagendes) Gesicht haben, dumm sein. In vielen Volkserzählungen bewirkt die (angebliche) Identifizierung vom Gesäß mit dem Gesicht große Lächerlichkeit: »Den Lehrjungen, der den Arsch zum Fenster hinaushängt, grüßen die Passanten: ›Guten Tag, Meister!‹«. Der Spottvogel fragt den das Kreuz grüßenden Pfarrer: »Warum nicht den Galgen, es ist das gleiche Holz?« Der Pfarrer: »Warum küßt ihr eure Frau auf den Mund und nicht auf den Arsch? Es ist doch die gleiche Haut?«
Schütze Arsch im (dritten) letzten Glied sein: soldatensprachlich: unterster Mannschaftsdienstgrad sein. Im (dritten) letzten Glied stehen die Soldaten, von denen zu befürchten ist, daß sie das Bild der ganzen Mannschaft ungünstig beeinflussen.
Sich den Arsch vergolden lassen: pejorativ für: Einen Orden, eine Auszeichnung annehmen.
Sich den Arsch versilbern lassen: ein Strichjunge sein (Sprache der Homosexuellenszene).
Eine modische Überbetonung des Hinterteils in der Damenmode in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts hieß ›cul de Paris‹.
Das Arschloch schonen: sich erbrechen.
Jemanden verarschen: jemanden zum besten, zum Narren halten; vgl. englisch ›You're having me on‹ oder: ›You're putting me on‹.
• G.V. BERLICHINGEN: Lebens-Beschreibung (Nürnberg 1731, Nachdr. Hildesheim 1977); J. WEGELI: Das Gesäß im Völkerglauben: ein Beitrag zur Gluteralerotik, in: Anthropophyteia 9 (1912), S. 209-243; M. MÜLLER-JABUSCH: Götzens grober Gruß (München 1956); Die Eiserne Hand. Intelligenzblatt der Götz von Berlichingen Academie z. Erforschung und Pflege des Schwäbischen Grusses (Tübingen 1964-76); M.A. CRANE: You're having me on, in: American Speech 40 (1965), S. 159-160; H.E. SCHRAMM: LMIA. Des Ritters Götz von Berlichingen denkwürdige Fensterrede (GerlingenWürtt. 1967); T. BUDENZ: Götz tut immer gut! Anekdoten, Aussprüche, Kuriositäten, Witze, Begebenheiten, die das Götzwort bewirkte (Offen-
bach 1968); K. RANKE: Artikel ›Arsch‹, in: Enzyklopädie des Märchens I (1977), Spalte 823-827; Artikel ›Arsch‹, in: Goethe-Wörterbuch I (1978), Spalte 832; H. KÜPPER: ABC-Komiker bis Zwitschergemüse. Das Bundessoldatendeutsch (Wiesbaden 1978); J. ZINTL: Prosodic Influences on the Meaning of ›Leck mich am Arsch‹ in Bavarian, in: Maledicta 4 (1980), S. 91-95; K. WAGENFELD: Der ›Allerwerteste‹ und der Volksmund des Münsterlandes, in: Ick will di maol wat seggen; Sprichwörter und Redensarten ... des Münsterlandes (Münster 1983), S. 199-224; A. DUNDES: Sie mich auch! Das Hinter-Gründige in der deutschen Psyche (Amer. Titel: ›Life is like a chicken coop ladder‹) (Weinheim – Basel 1985); H.-E. SCHRAMM (Hrsg.): Er kann mich hinden lekhen. Eine ergötzlich-hinterlecktuelle Dokumentation (Reutlingen 1987).
Den nackten Arsch weisen. Holzschnitt von Albrecht Dürer zum ›Ritter vom Turn‹. ›Von den Exempeln der Gotsfurcht un Erberkeit‹. Gedruckt bei Michael Furter, Basel 1493.
Einen am Arsch lecken. Holzschnitzwerk im Friedenssaal, Münster /Westfalen.
Einem in den Arsch kriechen. ›Dem die andere ins Loch kriechen‹, de Bry: Emblemata, Nr. 41.
Jemandem den Arsch versohlen. Miséricorde de Stalle: La Correction, Bourg-en-Bresse (Ain),
Eglise de Brou, 16. Jahrhundert.
Ein Arsch mit Ohren. Pardon-Nationalpreis, Karikatur aus PARDON.
Da leckst du mich am Arsch! kann allerdings auch Ausdruck hoher Verwunderung sein. In der Umgangssprache läßt sich derbe Ablehnung und höchste Verwunderung mit derselben Redensart zum Ausdruck bringen. Als Ausdruck des Staunens, der Verwunderung, ist der ›schwäbische Gruß‹, z.B. unter Bekannten gebräuchlich, die sich lange nicht mehr gesehen haben: ›Jetzt l.m.i.A. – wo kommst du her?‹ Er kann gebraucht werden, um ein Gespräch anzuknüpfen, um eine ins Stocken geratene Unterhaltung wieder in Gang zu bringen, um einem Gespräch eine andere Wendung zu geben, und schließlich, um eine Unterhaltung endgültig abzubrechen.
Lange vor Goethes ›Götz von Berlichingen‹ (III, 4) findet sich die Redensart bei Luther: »Wenn man aber nun den Teufel kennt, so kann man leichtlich zu im sagen: Leck mich im Arsch«. Frühbelege gibt es allenthalben in grobianischer Sprache, z.B. bei Hans Sachs (›Der doctor mit der grosen nasen‹):
Ey wie wol dus getroffen hast,
Peim ars im Schlaff, mein lieber Fricz,
Kump her vnd kües mich, da ich sicz!
Grimmelshausens ›Simplicissimus‹ kennt die Redensart noch als konkrete Demütigung: »Hätten sie ihm Nasen und Ohren abgeschnitten, zuvor aber gezwungen, daß er ihrer Fünfen den Hindern lecken müssen«; oder an anderer Stelle: »Ich sagte: Du Flegel, sie haben dir deine Schafe wollen stehlen. Der Bauer antwortete: So wollte ich, daß sie mich und meine Schafe müßten im Hintern lecken«.
Johann Beer (1655-1700) im ›Narrenspital‹: » ... hinfort sollst du mich nicht mehr streichen, aber wohl im Arsche lecken, du Hundsfutt, hast mich gehalten wie einen jungen Tanzbären, aber nun blase mir ins Loch dafür, du Henkersknecht!« Die frühesten Belege finden sich in Beleidigungsprozessen und -klagen des 14. Jahrhunderts. Nach den Luzerner Ratsprotokollen soll eine Frau, Jenzis Vasbindz Weib, zu ihrem Manne gesagt haben: »Leck den gabelman und fach mir im ars an und kuss mir die mutzen im zünglin«; 1454 in einer Bamberger Beleidigungsklage: »Auch sprache sie, er solle sie im Arse lecken und an ihre Brüche küssen!« Goethe fand die Vorlage in der ›Lebensbeschreibung Herrn Götzens von Berlichingen‹, 1731, wo es u.a. heißt: » ... da schrie der Amtmann oben heraus, da schrie ich wieder zu ihme hinauf, er sollte mich hinten lecken ...«. Kaspar Stieler formulierte 1691 vornehm und lateinisch: »Ich werde dich darumb nicht im Arsche lecken, non supplicabo tibi, nec instar numinis te venerabor ob rem eius modi«.
Da mit zunehmender Verfeinerung die Redensart als zu anstößig empfunden wurde, hat sich in der Umgangssprache eine große Zahl von umschreibend-beschönigenden Redensarten entwickelt, z.B. die Abkürzung ›L.m.a.‹, die wiederum als ›Laß mich allein!‹ ausgedeutet wird; ›Leck mich am Ärmel‹; ›Du kannst mich‹; ›Du kannst mich am Abend besuchen‹; ›Du kannst mir im Mondschein begegnen‹; ›Götz von Berlichingen, III. Akt, 4. Szene!‹; ›Bei mir Götz von Berlichingen!‹, indem man also statt des Zitates selbst nur die Stelle nennt. Als euphemistische Umschreibung für diese Aufforderung kennt der Volkswitz noch viele Redensarten, z.B. ›Küß mir den Ellenbogen‹; ›Kannst mi auf den Bank hinauflupfen, ro kann i selber‹; ›Kannst mir den Buckel küssen, wo die Haut ein Loch hat‹; ›Kannst mir den Buckel 'runterrutschen (oder: hinaufsteigen)‹; ›Du kannst mir auf die Kirbe (Kirchweih) kommen‹; ›Kannst mi fünfern, hast um sechs Feierabend‹; ›Kannst mir sonst was tun‹; ›Kannst mi gern haben‹ (Wien); ›Kannst mir den Zucker vom Kuchen lecken‹; ›Kannst mich küssen, wo ich schön bin (wo der Buckel ein Ende hat)‹; ›Blas mir den Hobel aus‹; ›Leck oich der Geer‹; ›Kannst mich neunundneunzigmal ungeschoren lassen‹. ›Leck mich am Auspuff‹; eine mundartliche Variante aus Schleswig lautet: ›Klei mi an Mors‹. Vgl. auch französisch ›Mon cul!‹, umgangssprachlich als Ausdruck der Empörung.
Die tabuierte Redensart ist u.a. durch folgende ebenfalls redensartliche Umschreibungen paraphrasiert worden: ›Du kannst mich ergötzen‹ – ›Am Ärmel küssen‹ – ›Im Adler treffen‹ – ›Von hinten beriechen‹ – ›Als Briefmarke betrachten‹ – ›Am Marschieren nicht hindern‹ – ›Zu einer intimen Goethefeier begleiten‹ – ›Du kannst mir gewogen bleiben, am Hahnen riechen‹ – ›Am Ammersee ein Haus kaufen‹ – ›Meine Naturbrille putzen‹ – ›In die Tasche steigen‹ – ›Du kannst mir den Buckel runterrutschen und dort, wo er den anständigen Namen verliert, mit der Zunge bremsen!‹ Auf die redensartlichen Aufforderungen gibt es auch eine ganze Anzahl redensartlich witziger Erwiderungen, wie z.B.: ›Vor meinem ist auch kein Gitter!‹; ›Das tät' ich nicht, und wenn er mit Zucker bestreut wär!‹ – ›Das hab' ich schon einer anderen Sau versprochen!‹ – ›Bedauere, ich bekomme Sodbrennen davon!‹ – ›Säue werden nicht geleckt, sie werden geschruppt!‹ – ›Häng deinen Arsch zuerst ein halb's Jahr in den Neckar!‹ – ›Schade, daß ich mir das Naschen abgewöhnt habe!‹ – ›Tut mir leid, der Arzt hat mir Diät verordnet!‹ – ›Wenn du deine Hose so schnell herunterziehst, wie ich die Zunge herausstrecke, warum nicht?‹ – ›Recht gern, wenn ich wüßte, welches dein Arsch und welches dein Gesicht wäre!‹
In einer großen Zahl von vulgären Volksliedern spielt das bekannteste aller Goethe-Zitate ebenso eine Rolle wie in einer Reihe von Spruchprägungen, z.B.
Wenn jeder wüßte,
Was er mich könnte,
Und es auch täte –
Nie käme ich zum Sitzen.
Sage mir, was Du von mir willst,
Und ich sage Dir, was Du mich kannst.
Wenn Dich Haß und Neid umringen,
Denk an Götz von Berlichingen!
Trost gibt Dir in allen Dingen
Ritter Götz von Berlichingen.
Einem in den Arsch kriechen (z.T. mit dem witzigen Zusatz: ›Sich darin umdrehen und den Eingang verteidigen‹): sich jemandem kriechend unterwürfig zeigen; sich bis zu schimpflicher Selbstaufgabe erniedrigen. Ihm geht der Arsch (auf) mit Grundeis: er hat große Angst, bange Befürchtungen. Wenn nach starkem Frost das Grundeis losbricht, so entsteht polternder Lärm. Wegen dieses Geräusches und seiner Tiefenlage meint Grundeis hier den Durchfall, der als Begleiterscheinung von Angst und Feigheit auftritt. Die Redensart ist seit etwa 1760 belegt, aber sicher mündlich älter. Scheffel ersetzt sie in dem Gaudeamuslied ›Der erratische Block‹ von 1864 durch die gemilderte Form:
Und der spielt die traurigste Rolle,
Dem die Basis mit Grundeis ergeht.
Sich etwas am Arsch abfingern (abklavieren) können: etwas Selbstverständliches mit Leichtigkeit begreifen können. Die Redensart ist eine Groteskbildung zur Redensart ›Sich etwas an den fünf Fingern abzählen können‹.
Am Arsch der Welt: in abgelegener Gegend; soldatensprachlich seit dem 2. Weltkrieg.
Den Arsch betrügen: sich erbrechen. Betrogen wird er, weil aus dem Munde hervorkommt, was normalerweise den Weg durch den After nimmt; soldatensprachlich seit dem 1. Weltkrieg.
In zahlreichen anderen Redewendungen ist das anstößige Wort Arsch durch verhüllende Umschreibungen ersetzt worden (z.B. Sitzfläche, die vier oder fünf Buchstaben, Allerwertester, Erziehungsfläche, Hinterer, Südpol, Hintergestell, Hinterviertel, Podex, Popo, wo der Rücken seinen ehrlichen Namen verliert. Verlängerung des Rückens, Armloch, Armleuchter).
Jemandem den Arsch versohlen: ihn prügeln, schlagen.
Den Arsch zukneifen: sterben, ähnlich Die Arschbacken zusammenkneifen, ebenfalls metaphorisch in gleicher Bedeutung, aber auch im Sinne von genau achtgeben, mutig sein. Die Wendung galt im 2. Weltkrieg als Ermahnung der Soldaten, tapfer zu sein und nicht vor Angst zu ⇨ scheißen.
Der Arsch hat Feierabend: (derb) jemand ist gestorben, ⇨ zeitlich.
Der Arsch ist ab: eine Sache ist erledigt.
Sich den Arsch abfrieren: unter sehr großer Kälte leiden müssen. Arbeiten, daß einem das Wasser im Arsch kocht: hart arbeiten müssen, ⇨ malochen.
Im bremisch-niederdeutschen Raum heißt es scherzhaft: ›Loop to, so schimmelt di de Eers nich‹, um jemand zum hurtigen Laufen aufzufordern.
Im (am) Arsch sein: erschöpft, kaputt sein.
Im (am) Arsche des Propheten! Beteuerungsformel, entstellt aus: ›Beim Barte des Propheten‹ ⇨ Bart.
Sich vor Ärger in den Arsch beißen können: sich sehr ärgern, etwas zutiefst bereuen.
Jemand hat den Arsch offen: er ist blöd.
Ein Arsch mit Ohren sein: ein häßliches (nichtssagendes) Gesicht haben, dumm sein. In vielen Volkserzählungen bewirkt die (angebliche) Identifizierung vom Gesäß mit dem Gesicht große Lächerlichkeit: »Den Lehrjungen, der den Arsch zum Fenster hinaushängt, grüßen die Passanten: ›Guten Tag, Meister!‹«. Der Spottvogel fragt den das Kreuz grüßenden Pfarrer: »Warum nicht den Galgen, es ist das gleiche Holz?« Der Pfarrer: »Warum küßt ihr eure Frau auf den Mund und nicht auf den Arsch? Es ist doch die gleiche Haut?«
Schütze Arsch im (dritten) letzten Glied sein: soldatensprachlich: unterster Mannschaftsdienstgrad sein. Im (dritten) letzten Glied stehen die Soldaten, von denen zu befürchten ist, daß sie das Bild der ganzen Mannschaft ungünstig beeinflussen.
Sich den Arsch vergolden lassen: pejorativ für: Einen Orden, eine Auszeichnung annehmen.
Sich den Arsch versilbern lassen: ein Strichjunge sein (Sprache der Homosexuellenszene).
Eine modische Überbetonung des Hinterteils in der Damenmode in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts hieß ›cul de Paris‹.
Das Arschloch schonen: sich erbrechen.
Jemanden verarschen: jemanden zum besten, zum Narren halten; vgl. englisch ›You're having me on‹ oder: ›You're putting me on‹.
• G.V. BERLICHINGEN: Lebens-Beschreibung (Nürnberg 1731, Nachdr. Hildesheim 1977); J. WEGELI: Das Gesäß im Völkerglauben: ein Beitrag zur Gluteralerotik, in: Anthropophyteia 9 (1912), S. 209-243; M. MÜLLER-JABUSCH: Götzens grober Gruß (München 1956); Die Eiserne Hand. Intelligenzblatt der Götz von Berlichingen Academie z. Erforschung und Pflege des Schwäbischen Grusses (Tübingen 1964-76); M.A. CRANE: You're having me on, in: American Speech 40 (1965), S. 159-160; H.E. SCHRAMM: LMIA. Des Ritters Götz von Berlichingen denkwürdige Fensterrede (GerlingenWürtt. 1967); T. BUDENZ: Götz tut immer gut! Anekdoten, Aussprüche, Kuriositäten, Witze, Begebenheiten, die das Götzwort bewirkte (Offen-
bach 1968); K. RANKE: Artikel ›Arsch‹, in: Enzyklopädie des Märchens I (1977), Spalte 823-827; Artikel ›Arsch‹, in: Goethe-Wörterbuch I (1978), Spalte 832; H. KÜPPER: ABC-Komiker bis Zwitschergemüse. Das Bundessoldatendeutsch (Wiesbaden 1978); J. ZINTL: Prosodic Influences on the Meaning of ›Leck mich am Arsch‹ in Bavarian, in: Maledicta 4 (1980), S. 91-95; K. WAGENFELD: Der ›Allerwerteste‹ und der Volksmund des Münsterlandes, in: Ick will di maol wat seggen; Sprichwörter und Redensarten ... des Münsterlandes (Münster 1983), S. 199-224; A. DUNDES: Sie mich auch! Das Hinter-Gründige in der deutschen Psyche (Amer. Titel: ›Life is like a chicken coop ladder‹) (Weinheim – Basel 1985); H.-E. SCHRAMM (Hrsg.): Er kann mich hinden lekhen. Eine ergötzlich-hinterlecktuelle Dokumentation (Reutlingen 1987).
Den nackten Arsch weisen. Holzschnitt von Albrecht Dürer zum ›Ritter vom Turn‹. ›Von den Exempeln der Gotsfurcht un Erberkeit‹. Gedruckt bei Michael Furter, Basel 1493.
Einen am Arsch lecken. Holzschnitzwerk im Friedenssaal, Münster /Westfalen.
Einem in den Arsch kriechen. ›Dem die andere ins Loch kriechen‹, de Bry: Emblemata, Nr. 41.
Jemandem den Arsch versohlen. Miséricorde de Stalle: La Correction, Bourg-en-Bresse (Ain),
Eglise de Brou, 16. Jahrhundert.
Ein Arsch mit Ohren. Pardon-Nationalpreis, Karikatur aus PARDON.