Redensarten Lexikon
Armee
Zur großen Armee abberufen (versammelt) werden, abgehen (auch mundartlich, z.B. schlesisch ›zur grussa Armee geschappert‹), ist einer der vielen verhüllenden Ausdrücke für sterben ( zeitlich).    Die Wendung ist in dieser Form erst im 19. Jahrhundert in militärischen Kreisen aufgekommen. Th. Fontane schreibt z.B. 1894 in ›Meine Kinderjahre‹ (18. Kapitel): »Ja, der alte Flemming ... ist nun auch schon zur großen Armee. Alles marschiert ab ...« Im älteren Neuhochdeutschen findet sich für unsere heutige Redensart wiederholt die Wendung ›zu dem alten Haufen gehen (fahren)‹. Die Verstorbenen werden alle im Jenseits beisammen gedacht, eine zahllose Schar, gegen die die Zahl der Lebenden nur klein ist.
   Der Tod als Anführer eines großen Heeres findet sich schon in der mittelhochdeutschen Umschreibung für sterben: ›in des tôdes schar varn‹. Nikolaus Höningers ›Weltspiegel oder Narren-Schiff‹ (1574) kennt »dem alten hauffen zuschicken«, jemandes Tod herbeiführen. Im ›Buch der Liebe‹ vom Jahre 1587 heißt es: »Euer Vater ist zu dem alten Haufen (gegangen)«; oder in der ›Zimmerischen Chronik‹: »Darauf fuhr der from Künig zum alten Haufen«. Der alte Haufen ist die Totenschar, doch tritt Haufe schon mittelhochdeutsch in der Bedeutung ›Kriegerschar‹ auf.
Später wird der alte Haufen das ›große Heer‹ genannt worden sein, denn das Wort Armee ist erst z.Zt. des Dreißigjährigen Krieges in die deutsche Sprache eingedrungen.
   Die Redensart hat offenbar ursprünglich gelautet ›Zu dem großen (alten) Heere abgehen‹. Der älteste Beleg findet sich bei Hans van Ghetelen ›Dat Narrenschyp‹ (Lübeck 1497), einer niederdeutschen Bearbeitung von Sebastian Brants ›Narrenschiff‹: »in olde heer ghaen«. Heer bezeichnet allerdings nicht bloß eine Armee, sondern ursprünglich auch jede große Menge. Aus der Fassung ›Zu dem großen Heere abgehen‹ ist wohl später, indem man Heer und Armee fälschlich gleichsetzte, die jetzt gebräuchliche Wendung geworden, wozu die Vorstellung vom ›Soldatenhimmel‹ trat.
   Es ist möglich, daß für die Einbürgerung der Redensart das Schicksal der ›großen Armee‹ Napoleons in Rußland 1812 beigetragen hat. Vielleicht besteht auch ein Zusammenhang mit der biblischen Vision in Ez 37, wo es V. 10 in der Sprache der Lutherbibel von den Verstorbenen heißt: »Und ihrer war ein sehr großes Heer«, d.h. eine zahllose Menge. Die Antike hatte übrigens eine ähnliche Redewendung für die gleiche Sache: griechisch oi pleiones, d.h. ›die vielen‹, war eine volkstümlich euphemistische Umschreibung für die Toten, ebenso lateinisch ›plures‹; z.B.
›ad plures abire‹, sterben. Mit dem gleichen Wort ›Die große Armee‹ bezeichnete man in der Inflationszeit nach dem 1. Weltkrieg das ›Heer‹ der Arbeitslosen.

• R. NEUBAUER: ›Er ist zur großen Armee abgegangen‹ – in: Zeitschrift für Volkskunde 14 (1904) S. 313-316; L. GÜNTHER: Wörter und Namen, S. 36; MENGIS: Artikel ›Geisterschlacht, -kampf‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens III, Spalte 546-549; S. BAUM: Plötzlich und unerwartet. Todesanzeigen (Düsseldorf 1980).
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