Redensarten Lexikon
anzapfen
Jemanden anzapfen: jemanden um Geld bitten, auch anzüglich anfragen. Hergeleitet vom Anzapfen eines Fasses, um die Flüssigkeit zu entnehmen. Die Redensart begegnet bereits im 16. Jahrhundert in übertragener Bedeutung. In Hans Sachs' bekanntem Fastnachtsspiel ›Das heiß Eisen‹ sagt der betrogene Mann: »mei frau zepfft mich an mit diesen Stücken«.    Angezapft, Halbscheid, ausgeleckt und umgestürzt sagt man in manchen Mundarten (z.B. süddeutsch), wenn man seine Kaffeetasse ausgetrunken hat und nicht mehr weitertrinken will; dabei setzt man die leere Tasse umgekehrt auf den Tisch. Die Redensart gehört eigentlich zu einem Tiermärchen vom Typ Aarne-Thompson 15 (vgl. Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm 2 ›Katze und Maus in Gesellschaft‹). Im Böhmerwald wird sie etwa folgendermaßen erzählt: Dou wor a Bauer, der hot Strah ghockt hinterm Stodl. Dou is a Fichserl kummer. Hot der Bauer gsogt: »No, Fichserl, wou kummst denn du her?« Hot der Fuchs gsogt: »Af der Kindstauf wor ich heint«. »Sue, auf der Kindstauf? Wei hoißt denn offer das Kind?« Hot er gsogt: »Angezapft!«, der Fuchs. Is er wieder weiterzuogn.
   Zum Brauchtum des Münchner Oktoberfestes, dem bekanntesten bayerischen Volksfest, gehört der Anstich des ersten Bierfasses durch den Münchner Oberbürgermeister, eine Amtshandlung, die der damalige OB. Thomas Wimmer vor 40 Jahren zum ersten Mal vollzogen hat. Diese wichtigste Amtshandlung des Stadtoberhauptes wird beendet durch die feierliche Vollzugsmeldung ›O'zapft is!‹

• U. BENZEL: Volkserzählungen aus dem nördlichen Böhmerwald (Marburg 1957); DERS.: Die dörfliche Kultur der sudetendeutschen Gemeinde Roßhaupt (Diss. Marburg 1954), S. 86 f.; L. RÖHRICH: Sprichwörtliche Redensarten aus Volkserzählungen, S. 268; G. MÖHLER: Das Münchner Oktoberfest (München – Wien – Zürich 1981); R. BAUER und F. FENZL: 175 Jahre Oktoberfest (München 1985).
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