Redensarten Lexikon
Achillesferse
Einen an seiner Achillesferse treffen; Das ist seine Achillesferse: die schwache, verwundbare Stelle eines sonst tüchtigen Menschen.    Nach der griechischen Sage tauchte die Meeresgöttin Thetis ihren Sohn Achilles, um ihn unverletzlich zu machen, in das Wasser des Styx; nur die Ferse, an der sie ihn hielt, blieb unbenetzt und daher verwundbar. Nach der 107. Fabel des Hygin (um 10 v. Chr.) tötete Apollo in der Gestalt des Paris den Achilles durch einen Pfeilschuß in die Ferse. Hier war die »Stelle, wo er sterblich war« (vgl. Schiller ›Don Carlos‹ I,6). Die Redensart ist wohl z.Zt. des Humanismus aufgekommen, aber erst im Anfang des 19. Jahrhunderts literarisch belegt (vgl. französisch ›le talon d'Achille‹; englisch ›the heel of Achilles‹; niederländisch ›Achilleshiel‹ oder ›Achillespees‹).
   Unverwundbarkeit des menschlichen Körpers ist ein Wunschzustand heroisch-kriegerischen, vielleicht auch jägerischen Denkens. Dem entgegen steht die ebenfalls ubiquitäre Erkenntnis, daß nichts unsterblich ist. Mythische und sagenhafte Parallelen zur homerischen Erzählung von der Achillesferse sind zahlreich: Das indische Mahabharata-Epos berichtet von Krischna, daß er, nur an der Fußsohle verwundbar, dort von einem Pfeil getroffen worden sei. Der Siegfried des Nibelungenliedes gewinnt eine unverletzliche Hornhaut durch ein Bad im Blut des von ihm erschlagenen Drachen bis auf eine Stelle zwischen den Schulterblättern, wo ein Lindenblatt gelegen hatte. Dort trifft ihn der tödliche Speer Hagens. Der sarazenische Riese Ferraú in Ariostos ›Orlando Furioso‹ ist nur am Nabel, die indianischen Götter Manitu und Kwa sind nur am Kopf, der Regenbogendämon der ostafrikanischen. Massai nur an einer Stelle im Nacken, der Apachenheld ›Metal Old Man‹ nur unter der Achselhöhle verwundbar etc. Die vergleichende Erzählforschung spricht von ›vulnerable spot‹, vom ›wunden Punkt‹, und hat das Motiv weltweit nachgewiesen.

• O. BERTHOLD: Die Unverwundbarkeit in Sage und Aberglaube der Griechen (Gießen 1911); A. DE COCK: De Achilleshiel, in: Volkskunde 23 (1912), S. 185-193; DERS.: De Onwondbaarheid en de Achilleshiel, in: ders.: Studien en Essays over oude Volksvertelsels (Antwerpen 1919), S. 311; N. NATHAN: On the hip, in: American Notes and Queries 197 (1952), S. 74; K RANKE: Artikel ›Achillesferse‹, in: Enzyklopädie des Märchens I (1977), Spalte 59-61.
Sie können einen Link zu dem Wort setzen

Ansicht: Achillesferse