Redensarten Lexikon
Aas
(toter, in Verwesung übergehender Tierkörper). Wird in seiner wörtlichen Bedeutung noch in dem stehenden redensartlichen Vergleich Stinken wie ein Aas gebraucht. Bildlich auf Personen übertragen ist Aas als Schimpfwort seit dem späten Mittelalter belegt. Rüdiger von Müner nennt den Druckgeist Mahr »ein elbischez âz« (GSA. III, 60), und Hans Sachs gebraucht: »Du Aas! (vgl. französisch ›Charogne!‹) Ihr Äser! Du faules Aas!« In der ›Rockenphilosophie‹ (1705-06, Bd. 3, S. 264) wird gerügt: »Es ist nicht fein, wenn sie die Kinder wohl gar Donner-Ässer, Hagel-Ässer nennen«. Sehr gebräuchlich sind noch heute die Verstärkungen ›Rabenaas‹ und ›Schindaas‹ (mundartlich rheinisch ›Schinoos‹), eigentlich ein für den Schinder reifes Tier.    Ein Kuriosum in der Geschichte der Kirchenlieder ist die sogenannte ›Rabenaas-Strophe‹: »Ich bin ein rechtes Rabenaas, ein wahrer Sünden-Krüppel« erschienen seit 1840 in kirchl. Gesangbüchern. Man nimmt heute an, daß sie den parodierten Kirchenliedern der Barockzeit angehört. Der mit Friedrich Engels befreundete Fr. W. Wolff veröffentlichte diese Rabenaas-Strophe als angebliche Probe »aus einem alten Gesangbuche« ohne Verfasserangabe 1840 in den ›Schlesischen Provinzialblättern‹. Populär wurde die Strophe wieder durch Thomas Mann, der sie in den ›Buddenbrooks‹ vollständig in einer Andacht »zu einer feierlichen, glaubensfesten und innigen Melodie« (I, S. 352) singen läßt:

   Ich bin ein rechtes Rabenaas,
   Ein wahrer Sündenkrüppel,
   Der seine Sünden in sich fraß,
   Als wie der Rost den Zwippel.
   Ach Herr, so nimm mich Hund beim Ohr,
   Wirf mir den Gnadenknochen vor
   Und nimm mich Sündenlümmel
   In deinen Gnadenhimmel.

Berlinisch wird Aas aber heute auch im Sinne von ›tüchtig‹ gebraucht: ›Er is'n Aas uf de (Baß-) Jeije‹, ein Hauptkerl ( Baßgeige). Vielleicht ist die Wertwandlung von der Schelte zum Lob unter dem Einfluß von französisch ›un as‹ (ein tüchtiger Kerl, ursprünglich As im Kartenspiel) vor sich gegangen. Jemand, der alles besser weiß, ist ein ›Kluges Aas‹; ein Belesener ein ›Gelehrtes Aas‹; ein elegant Gekleideter ein ›Feines Aas‹, mecklenburgisch gilt ›sötes Aas‹ auch als Bezeichnung eines netten Mädchens oder eines reizenden Kindes. Schließlich bedeutet Aas auch allgemein der Mensch, besonders in der Wendung ›Kein Aas‹, niemand, Rabe.
• TH. MANN: Buddenbrooks. Verfall einer Familie (Berlin 1926); P. KLEMM: Art. ›Rabenaasstrophe‹, in: Religion in Geschichte und Gegenwart V (3. Auflage 1960), Spalte 760.
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