Adelung Wörterbuch
Verlassen
, verb. irregul. act. S. Lassen, welches in einer doppelten Hauptbedeutung üblich ist. 1. Hinter sich lassen, zurück lassen, daß ver vornehmlich eine intensive Kraft hat, indem das einfache lassen ehedem häufig in diesem Verstande gebraucht wurde, und zum Theil noch gebraucht wird.
(1) Eigentlich, wo es nur noch in einigen einzelnen Fällen gebraucht wird. a. Man verlässet etwas, wenn man es bey seinem Tode auf der Welt zurück läßt, wofür doch hinterlassen edler und üblicher ist. Er verließ drey Söhne und vier Töchter. Er hat kaum so viel verlassen, daß er begraben werden konnte. Ein großes Vermögen verlassen. Einen guten Nahmen, zwey Häuser u.s.f. verlassen. S. auch Verlassenschaft. b. Das Eigenthum eines Dinges für Geld abtreten, nur noch hin und wieder im gemeinen Leben, für die üblichern ablassen und überlassen. Einem etwas verlassen. Das ist nicht zu verlassen, abzulassen. Im Nieders. bedeutet es auch, den Besitz eines unbeweglichen Gutes bestätigen. c. Als Abrede, als einen Befehl zurück lassen. Wir haben es so verlassen, bey unserm Abschiede verabredet. Du weißt, wie wirs mit deinem Vater verlassen haben, Tob. 11, 2. Ich habe es zu Hause verlassen, befohlen. S. der Verlaß.
(2) In weiterer Bedeutung, seine körperliche Gegenwart einem Dinge entziehen, als ein allgemeiner Ausdruck, der die nähere Art und Weise unbestimmt läßt.
a. Eigentlich. Man verläßt einen Ort, wenn man sich von demselben entfernt, es geschehe nun auf kurze Zeit, oder auf immer. Wir verließen Berlin gestern Morgen um acht Uhr, reiseten von Berlin ab. Am Abend, wenn die Sonne den Horizont verläßt. Man verläßt eine Person, wenn man von ihr weggehet, sich von ihr dem Orte nach entfernet. Er verließ uns sehr unwillig, ging voller Unwillen weg, aber auch, er ging von uns weg, da wir sehr unwillig waren; welche Zweydeutigkeit in allen ähnlichen Ausdrücken herrscht, z.B. ich verließ sie weinend. Ein Haus verlassen, sowohl aus demselben weggehen, als auch aus demselben ausziehen. Die Welt verlassen, sterben. Da verließ ihn (Jesum) der Teufel, Matth. 4, 11. Jesus verließ die Stadt Nazareth, V. 13.
b. Figürlich in verschiedenen engern Bedeutungen, und mit allerley Nebenbegriffen. (ά) Einem Dinge seine Gemeinschaft, seinen Einfluß entziehen, auch als ein allgemeines Wort, daher es in manchen Fällen auch hier wieder besondere Nebenbegriffe bekommt. Ein Mann wird seinen Vater und Mutter verlassen, 1 Mos. 2, 24. Eine Geliebte verlassen, ihr die ihr gewidmete Liebe und Treue entziehen. Ein entlaufener Mann verläßt seine Frau. Der Hirt verläßt die Herde, wenn er ihr mit seiner Gegenwart zugleich die schuldige Aufsicht entziehet. Das Gesicht verläßt uns, wenn wir schwache Augen bekommen. Das Fieber hat ihn verlassen. Den Feldbau verlassen, und sich der Handlung widmen. Dahin denn auch die biblischen Ausdrücke gehören, Gott verlassen, Gottes Geboth, die Wahrheit verlassen, den Rath der Ältesten verlassen, die Furcht des Herrn, die heydnische Weise u.s.f. verlassen, von welchen manche auch außer der biblischen Schreibart üblich sind. Den Weg der Tugend verlassen. (β) Mit Entziehung der persönlichen Gegenwart auch den Besitz eines Dinges aufgeben. Die Landleute haben ihre Güter verlassen. Ein verlassenes Haus. Die Fischer verließen ihre Netze, Matth. 4, 20. Haus und Hof verlassen und davon gehen. (γ) Hülflos lassen, einem Dinge seine Hülfe, seinen Beystand entziehen. Von Gott verlassen seyn. Der Herr verläßt seine Heiligen nicht, Ps. 37, 28. Jemanden im Alter, in einer Krankheit verlassen. Eine verlassene Waise. Man soll dich nicht mehr die Verlassene heissen, Es. 62, 4. Von aller Hülfe verlassen seyn. Der Verstand führt uns fehl und verläßt uns zu eben der Zeit, wo wir seines Lichtes am meisten bedürfen, Gell.
2. Sich auf etwas verlassen, als ein Reciprocum, Hülfe, Beystand mit Zuversicht von demselben erwarten. Sich auf Gott, auf seinen Reichthum, auf seine Macht, auf seine Gelehrsamkeit u.s.f. verlassen. Ich verlasse mich in diesem Stücke auf dich. Er verläßt sich auf das Lügen. Man kann sich nicht auf ihn verlassen. Ich verlasse mich auf niemanden. Sich auf sein Recht verlassen. In weiterer Bedeutung ist, sich auf etwas verlassen, mit Zuversicht Wahrheit von demselben erwarten. Sich auf Träume verlassen, zuversichtlich hoffen, daß sie in Erfüllung gehen werden. Man kann sich auf ihn, auf sein Wort, auf sein Versprechen nicht verlassen; im gemeinen Leben auch, es ist sich nicht darauf zu verlassen. Ich verlasse mich darauf, hoffe zuversichtlich, daß es gewiß geschehen werde. Im Oberdeutschen ist daher verlässig und verläßlich, worauf man sich verlassen kann, S. Zuverlässig.
Die Hauptwörter das Verlassen und die Verlassung werden nur in den weitern Bedeutungen des Activi gebraucht. Die bösliche Verlassung seines Ehegatten.
Anm. Dieses alte Zeitwort lautet schon bey dem Kero, Ottfried u.s.f. farlazzan, firlazzan, bey dem Ulphilas fraletan, im Schwed. färlåta, im Nieders. verlaten. Ehedem bedeutete es auch theils zerlassen, d.i. schmelzen, theils erlauben, permittere, theils auch erlassen. In der zweyten Hauptbedeutung scheint es eigentlich sich auf etwas streifen oder stützen, bedeutet zu haben, so daß ver auch hier eine Intension bezeichnet. Wenigstens gebraucht Opitz das einfache lassen noch mehrmals in diesem Verstande.
Gott schützet mich, auf den ich mich darf lassen.
Indessen stehet es dahin, ob verlassen in dieser Bedeutung nicht vielmehr von lassen, scheinen, ehedem auch sehen, abstammet, indem man in ähnlichem Verstande sagt, sich eines Dinges versehen. Das Schwed. förlita, sich auf etwas verlassen, stammet gleichfalls von lita, sehen ab.
(1) Eigentlich, wo es nur noch in einigen einzelnen Fällen gebraucht wird. a. Man verlässet etwas, wenn man es bey seinem Tode auf der Welt zurück läßt, wofür doch hinterlassen edler und üblicher ist. Er verließ drey Söhne und vier Töchter. Er hat kaum so viel verlassen, daß er begraben werden konnte. Ein großes Vermögen verlassen. Einen guten Nahmen, zwey Häuser u.s.f. verlassen. S. auch Verlassenschaft. b. Das Eigenthum eines Dinges für Geld abtreten, nur noch hin und wieder im gemeinen Leben, für die üblichern ablassen und überlassen. Einem etwas verlassen. Das ist nicht zu verlassen, abzulassen. Im Nieders. bedeutet es auch, den Besitz eines unbeweglichen Gutes bestätigen. c. Als Abrede, als einen Befehl zurück lassen. Wir haben es so verlassen, bey unserm Abschiede verabredet. Du weißt, wie wirs mit deinem Vater verlassen haben, Tob. 11, 2. Ich habe es zu Hause verlassen, befohlen. S. der Verlaß.
(2) In weiterer Bedeutung, seine körperliche Gegenwart einem Dinge entziehen, als ein allgemeiner Ausdruck, der die nähere Art und Weise unbestimmt läßt.
a. Eigentlich. Man verläßt einen Ort, wenn man sich von demselben entfernt, es geschehe nun auf kurze Zeit, oder auf immer. Wir verließen Berlin gestern Morgen um acht Uhr, reiseten von Berlin ab. Am Abend, wenn die Sonne den Horizont verläßt. Man verläßt eine Person, wenn man von ihr weggehet, sich von ihr dem Orte nach entfernet. Er verließ uns sehr unwillig, ging voller Unwillen weg, aber auch, er ging von uns weg, da wir sehr unwillig waren; welche Zweydeutigkeit in allen ähnlichen Ausdrücken herrscht, z.B. ich verließ sie weinend. Ein Haus verlassen, sowohl aus demselben weggehen, als auch aus demselben ausziehen. Die Welt verlassen, sterben. Da verließ ihn (Jesum) der Teufel, Matth. 4, 11. Jesus verließ die Stadt Nazareth, V. 13.
b. Figürlich in verschiedenen engern Bedeutungen, und mit allerley Nebenbegriffen. (ά) Einem Dinge seine Gemeinschaft, seinen Einfluß entziehen, auch als ein allgemeines Wort, daher es in manchen Fällen auch hier wieder besondere Nebenbegriffe bekommt. Ein Mann wird seinen Vater und Mutter verlassen, 1 Mos. 2, 24. Eine Geliebte verlassen, ihr die ihr gewidmete Liebe und Treue entziehen. Ein entlaufener Mann verläßt seine Frau. Der Hirt verläßt die Herde, wenn er ihr mit seiner Gegenwart zugleich die schuldige Aufsicht entziehet. Das Gesicht verläßt uns, wenn wir schwache Augen bekommen. Das Fieber hat ihn verlassen. Den Feldbau verlassen, und sich der Handlung widmen. Dahin denn auch die biblischen Ausdrücke gehören, Gott verlassen, Gottes Geboth, die Wahrheit verlassen, den Rath der Ältesten verlassen, die Furcht des Herrn, die heydnische Weise u.s.f. verlassen, von welchen manche auch außer der biblischen Schreibart üblich sind. Den Weg der Tugend verlassen. (β) Mit Entziehung der persönlichen Gegenwart auch den Besitz eines Dinges aufgeben. Die Landleute haben ihre Güter verlassen. Ein verlassenes Haus. Die Fischer verließen ihre Netze, Matth. 4, 20. Haus und Hof verlassen und davon gehen. (γ) Hülflos lassen, einem Dinge seine Hülfe, seinen Beystand entziehen. Von Gott verlassen seyn. Der Herr verläßt seine Heiligen nicht, Ps. 37, 28. Jemanden im Alter, in einer Krankheit verlassen. Eine verlassene Waise. Man soll dich nicht mehr die Verlassene heissen, Es. 62, 4. Von aller Hülfe verlassen seyn. Der Verstand führt uns fehl und verläßt uns zu eben der Zeit, wo wir seines Lichtes am meisten bedürfen, Gell.
2. Sich auf etwas verlassen, als ein Reciprocum, Hülfe, Beystand mit Zuversicht von demselben erwarten. Sich auf Gott, auf seinen Reichthum, auf seine Macht, auf seine Gelehrsamkeit u.s.f. verlassen. Ich verlasse mich in diesem Stücke auf dich. Er verläßt sich auf das Lügen. Man kann sich nicht auf ihn verlassen. Ich verlasse mich auf niemanden. Sich auf sein Recht verlassen. In weiterer Bedeutung ist, sich auf etwas verlassen, mit Zuversicht Wahrheit von demselben erwarten. Sich auf Träume verlassen, zuversichtlich hoffen, daß sie in Erfüllung gehen werden. Man kann sich auf ihn, auf sein Wort, auf sein Versprechen nicht verlassen; im gemeinen Leben auch, es ist sich nicht darauf zu verlassen. Ich verlasse mich darauf, hoffe zuversichtlich, daß es gewiß geschehen werde. Im Oberdeutschen ist daher verlässig und verläßlich, worauf man sich verlassen kann, S. Zuverlässig.
Die Hauptwörter das Verlassen und die Verlassung werden nur in den weitern Bedeutungen des Activi gebraucht. Die bösliche Verlassung seines Ehegatten.
Anm. Dieses alte Zeitwort lautet schon bey dem Kero, Ottfried u.s.f. farlazzan, firlazzan, bey dem Ulphilas fraletan, im Schwed. färlåta, im Nieders. verlaten. Ehedem bedeutete es auch theils zerlassen, d.i. schmelzen, theils erlauben, permittere, theils auch erlassen. In der zweyten Hauptbedeutung scheint es eigentlich sich auf etwas streifen oder stützen, bedeutet zu haben, so daß ver auch hier eine Intension bezeichnet. Wenigstens gebraucht Opitz das einfache lassen noch mehrmals in diesem Verstande.
Gott schützet mich, auf den ich mich darf lassen.
Indessen stehet es dahin, ob verlassen in dieser Bedeutung nicht vielmehr von lassen, scheinen, ehedem auch sehen, abstammet, indem man in ähnlichem Verstande sagt, sich eines Dinges versehen. Das Schwed. förlita, sich auf etwas verlassen, stammet gleichfalls von lita, sehen ab.