Adelung Wörterbuch
Triefen
, verb. reg. et irreg. im letztern Falle, ich triefe, du triefst, (Oberd. treufst,) er trieft, (Oberd. treuft); Imperf. ich troff; Conj. tröffe; Mittelw. getroffen; Imperat. trief, (Oberd. treuf). Es ist ein Neutrum, welches das Hülfswort haben erfordert, in langsamen Tropfen herab fallen, da es denn eigentlich und zunächst von dem Körper gebraucht wird, welcher auf solche Art herab fällt. Das Blut trieft aus der Wunde. Die Thränen troffen (bey einigen trieften) ihm aus den Augen. Der Regen trieft von den Dächern. Der Regen troff nicht mehr auf Erden, 2 Mos. 9, 33. Aber auch von dem festen, aus oder von welchem der flüssige trieft. Die Augen triefen. Es regnete, daß die Dächer troffen. Durch hinlässige Hände wird das Haus triefend, Pred. 10, 18; d.i. es regnet überall hinein, eine ungewöhnliche Art des Gebrauchs. Wenn der flüssige Körper dabey ausgedruckt wird, so geschiehet solches vermittelst des Vorwortes von. Die Kleider triefen von dem Regen, die Augen von Thränen. Deine Fußstapfen triefen von Fett, Ps. 65, 2. Nicht mit, wie in andern Stellen der Deutschen Bibel. Der Himmel und die Wolken triefen mit Thau, Hiob 33, 28. Die Berge triefen mit süßem Wein, Joel 3, 18. Welche Wortfügung im Hochdeutschen so ungewöhnlich ist, als es die biblischen figürlichen Bedeutungen des Fortdauerns u.s.f. sind. So auch das Triefen. Anm. Bey dem Willeram trieffen, truiffen, im Engl. to drip, im Schwed. drypa. Traufen, träufen, triefen und das veraltete trofen oder troffen, wovon noch das Imperf. und Mittelw. troff, getroffen, abstammen, sind eigentlich nur in der Mundart verschieden; obgleich traufen und triefen mehr als Neutra üblich sind, träufen aber mehr als ein Activum gebraucht wird. In Betriefen kommt jenes aber auch als ein Activum vor. Tropfen ist das Intensivum von beyden, oder vielmehr von dem veralteten troffen, so wie tröpfeln wieder das Diminutivum jenes Intensivi ist. Alle diese Zeitwörter sind unmittelbare Nachahmungen des Lautes, welches ein mit treffen verwandter Laut ist, daher drypa, triefen im Schwedischen auch fallen überhaupt bedeutet. S. Tropfen, Triefeln, das Diminutivum von triefen, ist im Hochdeutschen wenig gangbar. Die Schafe schütteln den Regen von der triefelnden Wolle, Geßn. Lecken, siekern, Nieders. siepen, siepern, sappen, bezeichnen besondere Arten des Triefens. Die irreguläre Conjugation ist im Hochdeutschen am üblichsten, obgleich einige Schriftsteller es regulär gebrauchen. Es triefte, hat getrieft. Im Oberdeutschen verbindet man es gern mit dem Hülfsworte seyn; welches aber im Hochdeutschen ungewöhnlich ist. Die Onomatopöie sticht in diesem Worte noch merklich vor, und alle Neutra, welche eigentlich einen gewissen Laut von sich geben bedeuten, erfordern das Hülfswort haben.
 
1. * Triegen
, verb. reg. recipr. welches nur in einigen Gegenden üblich ist, sich auf etwas triegen, sich darauf verlassen.
 
Als die noch zarte Welt lag gleichsam in der Wiegen,
Durft einer sich auf nichts als auf die Unschuld triegen,
Canitz.
 
Im Hochdeutschen ist es fremd. Es gehöret unmittelbar zu trauen, und scheint ein Intensivum davon zu seyn; wenigstens haben trauen, Treue u.s.f. in mehrern Sprachen und Mundarten einen harten Hauchlaut in der Mitte.
 
2. Triegen
, verb. irreg. ich triege, du triegst, (Oberd. treugst,) er triegt, (Oberd. treugt;) Imperf. ich trog; Conj. ich tröge; Mittelw. getrogen; Imper. triege. Es bedeutet überhaupt, jemandes Erwartung oder Vertrauen zu dessen Nachtheil unerfüllet lassen, und ist in doppelter Gestalt üblich.
1) Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, wo es absolute und ohne Meldung der Person, deren Erwartung unerfüllet bleibt, gebraucht wird, auch nur von Sachen üblich ist. Das Eis triegt, man kann sich nicht darauf verlassen. Das Wetter, die Hoffnung triegt. Die Sinne triegen oft. Wer redlich ist und auf die Götter traut, der wandelt nicht auf triegendem Sumpf, Geßn.
2) Als ein Activum mit der vierten Endung der Person, jemanden triegen, dessen gegründete Hoffnung zu dessen Schaden hintergehen, oder unerfüllet lassen, so wohl von Personen als Sachen. In dieser Bedeutung ist es im Hochdeutschen veraltet, wo Betriegen dafür üblicher ist, S. dasselbe. Man gebraucht es nur noch zuweilen als ein Reciprocum, sich triegen, sich irren. Trieg ich mich oder hör ich den zärtesten Gesang? Geßn.
So auch das Triegen.
Anm. Bey dem Notker in thätiger Form triegen, im mittlern Lat. mit einem andern Endlaute trufare, im Ital. truffare. Da fast alle Zeitwörter, welche eine Hintergehung bedeuten, Figuren der geschwinden Bewegung sind, durch welche solche am ersten und gewöhnlichsten bewerkstelliget wird, so scheinet triegen vermittelst des vorgesetzten intensiven t von regen gebildet zu seyn. Das Hauptwort lautet Trug; viele haben dieses als das Stammwort angesehen, und wollen daher wider alle Aussprache und Gewohnheit trügen, betrügen, Betrüger u.s.f. geschrieben wissen. Allein, die Hauptwörter stammen allemahl von Zeitwörtern her und nicht umgekehrt, und dieses Zeitwort wird im Deutschen sehr bestimmt triegen gesprochen. Die Selbstlaute sind in den Wörtern keinen Regeln unterworfen, und gehen in der Abstammung und Beugung durch alle Schattierungen durch. Wie man sagt, triegen, trog, Trug, so sagt man auch, schließen, schloß, Schluß; fließen, floß, Fluß; fliehen, floh, Flucht; schieben, schob, Schub; siechen, Sucht; ziehen, zog, Zucht u.s.f.
 
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