Adelung Wörterbuch
Schauen
, verb. reg. act. et neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und mit sehen einerley Abstammung und Bedeutung hat, nur daß es der Oberdeutschen Mundart, in welcher es eigentlich einheimisch ist, mehr angemessen ist, als den übrigen, welches so wohl aus dem stärkern Zischer, als auch aus dem hohen Doppellaute an erhellet. 1) Mit scharfer Aufmerksamkeit sehen, genau sehen, ingleichen besichtigen; in welcher Bedeutung es eigentlich ein Intensivum von sehen ist, welche Intension von dem stärkern Zischlaute sch herrühret. In dieser Bedeutung ist es besonders in einigen Fällen im Oberdeutschen üblich. Das Fleisch schauen, es besichtigen. Das Brot schauen, besichtigen. In den Niederdeutschen Marschländern hält man ein Schauen, wenn die Deiche von der dazu gesetzten Obrigkeit besichtiget werden. S. auch Schau. 2) In weiterer Bedeutung wird es im Oberdeutschen durchgehends für das Zeitwort sehen gebraucht, es sey nun ein Neutrum oder ein Activum. Ich habe es geschauet, gesehen. Schau, siehe. Abraham wandte sein Angesicht gegen Sodom – und schauete, und siehe, da ging ein Rauch auf, 1. Mos. 19, 28. Schaue gen Himmel, und siehe, und schaue an die Wolken, Hiob 35, 5. Schaut, daß ihr sie bewegt, Opitz; sehet zu.
Die Alten wollten nicht verstehn
Die Wunder im Ägyptenlande,
So sie geschaut durch dich ergehn,
Opitz. Ps. 106.
In der gemeinen Sprechart der Hochdeutschen ist es in keiner von beyden Bedeutungen üblich, wohl aber in der höhern, besonders poetischen, wo es sehr häufig für sehen gebraucht wird.
Auf seinen Wangen ist zu schaun
Anstatt der Jugend Milch, ein lebhaft männlich Braun,
Haged.
Eine bloß biblische, vermuthlich auf eine Morgenländische Figur gegründete Bedeutung ist es, wenn dieses Wort für vorher sehen und vorher verkündigen, weißagen, gebraucht wird. Ihr sollt uns nicht schauen die rechte Lehre, Es. 30, 10. Schauet uns Täuscherey, ebend. Daher Luther auch die Propheten so wohl Schauer als Seher nennet, weil sie gleichsam in die Zukunft schauen oder sehen. Daher das Schauen, und die Schauung, welches letztere doch nur in Zusammensetzungen üblich ist.
Anm. Schon bey dem Kero, Ottfried u.s.f. scouuon, bey dem Willeram skouuen, im Nieders. doch nur in einigen aus dem Oberdeutschen entlehnten Fällen, schauen, im Schwed. mit einem intensiven Endlaute skåda, im Hebr. שעה, im Griech. mit dem gleichbedeutenden th, θεαειν. Kero gebraucht es noch in der ersten intensiven Bedeutung, denn bey ihm ist scauuon forschen. Im Angels. ist sceavian, und im Engl. to shew, factitive, sehen machen, d.i. zeigen.
Die Bedeutung des Sehens ist nur eine von den vielen, welche diesem Zeitworte, wenn es in seiner ursprünglichen Bedeutung und in seinem ganzen Umfange betrachtet wird, zukommt. Der stärkere und schwächere Sibilus s und sch sind in der Natur gegründete Ausdrücke eines zischenden Lautes und der damit verbundenen, gemeiniglich schnellen und gelinden Bewegung, und vermittelst der Endung -en, entstehen daraus die Zeitwörter schaen, scheen, schauen, saen, seen u.s.f. welche ursprünglich gewisse mit diesem Laute verbundene Bewegungen bedeuten und in allen Sprachen noch eine große Menge Nachkommen hinterlassen haben. Davon stammen denn See, Schau, eine Flagge, so, schehen in geschehen u. a. m. her. Mit den gewöhnlichen intensiven und frequentativen Endungen bezeichnen schauern, schaudern, scheuern, schütten, schütteln u.s.f. allerley Abänderungen dieser Bewegung.
Die Bedeutung des Lichtes ist in allen Sprachen eine Figur der schnellen Bewegung, daher kommt bey den Schwäbischen Dichtern noch schowe für Gestalt, Aussehen, eigentlich Schein vor, welches letztere selbst hierher gehöret, indem es so mit Sonne, Sol, Schemen, Schatten, schier u.s.f. sich nur im Endlaute unterscheidet. Die Bedeutung des Scheines, Leuchtens, gehet sehr leicht in die Bedeutung des Sehens über, welches doch nichts anders ist, als das Scheinen empfinden, und so bekommen wir unser sehen und dessen Oberdeutsches Intensivum schauen, nebst dem Engl. Factitivo to shew, zeigen.
Alle Zeitwörter, welche eine schnelle Bewegung bedeuten, bezeichnen sie auch in engerm Verstande nach verschiedenen Richtungen. So fern schauen auch diese Bewegung in die Tiefe, oder in einem hohlen Raume bedeutet, stammet daher die Bedeutung eines Behältnisses, Gefäßes, einer Bedeckung u.s.f. Daher das veraltete Schauer, ein Becher, Schauer, ein bedeckter Ort, unser Scheuer oder Scheure, und mit verschiedenen Endlauten Schaube, Schutz, Schaff, Schaufel u.s.f.
1. Der Schauer
des -s, plur. ut nom. sing. unmittelbar von dem vorigen Zeitworte, derjenige welcher schauet oder siehet. Es ist nur in einigen Zusammensetzungen üblich, so wohl in der intensiven Bedeutung des Besichtigens, wie Fleischschauer, Brotschauer, Deichschauer u.s.f. als auch für sehen überhaupt, wie in Zuschauer. Luther gebraucht es auch nach einer sonst ungewöhnlicher Morgenländischen Figur von einem Propheten, der die Zukunft siehet und vorher verkündiget, welchen er in andern Stellen einen Seher nennet. Gad der Schauer, 1 Chron. 22, 9. Deine Schauer sollen zu Schanden werden, Mich. 3, 7.
2. Der Schauer
, des -s, plur. ut nom. sing. welches vermittelst der Ableitungssylbe -er von schauen abstammet, so fern es ehedem sich in die Tiefe oder in die Ründe bewegen bedeutete, und einen tiefen oder hohlen Raum, ein Behältniß, und figürlich einen bedeckten Ort, Bedeckung, Schutz, Sicherheit bedeutet. 1. * Einen hohlen Raum, ein Behältniß. Im Griech. ist σειρος eine Höhle. Im Nieders. war Schauer ehedem ein großer Becher, ein Pokal, welches im Hochdeutschen ganz fremde Wort noch Sir. 50, 10 vorkommt, ein güldener Schäuer, wo es von vielen irrig von schauen, sehen, abgeleitet, und durch einen Schaubecher erkläret wird. Schirr in Geschirr ist auf das genaueste damit verwandt, S. Schar. 2. Eine Decke, Bedeckung, und einen bedeckten Ort. 1) * Eine Decke; eine veraltete Bedeutung, in welcher im Nieders. nur noch Schuur, die Haut, das Fell bedeutet, Griech. σκωρ S. Schar. 2) Ein Ort, wo man vor der rauhen Witterung bedeckt ist, in welchem Verstande es noch häufig vorkommt. Im Schauer stehen, an einem Orte, wo die Winde, der Regen u.s.f. ein Ding nicht treffen können, in der Geduld stehen. Die Schauer einladender Schatten, Klopst. Nieders. Schuur, Schwed. Skur. Im mittlern Lateine ist daher Escuare Sicherheit, und selbst unser Schirm ist nahe damit verwandt. In einer Thüringischen Urkunde von 1385 kommen Schur für Schutz und Schürer für Beschirmer, Beschützer, Vogt, vor. 3) In engerer Bedeutung, eine Wetterhütte, Regenhütte, ein leichtes Gebäude, worin man vor den Witterungen in Sicherheit ist, welches auch ein Schuppen genannt wird. Ein Hüther (Wächter) macht sich einen Schauer, Hiob 27, 18. Ein Wagenschauer, ein solcher bedeckter Ort, wo Wagen vor der Witterung bedeckt stehen; so auch Bienenschauer u.s.f. Es ist in dieser Bedeutung im Nieders. am üblichsten, wo es Schuur lautet, Schwed. Skur, Griech. σκιρον. Unser Scheuer oder Scheure ist nahe damit verwandt, so wie das mittlere Lat. Scuria, ein Stall, Franz. Ecurie, eben dasselbe Wort ist.
Anm. Ich habe eben gesagt, daß es vermittelst des Endlautes -er von schauen abstamme, so fern es im weitesten Verstande sich schnell bewegen bedeutet; allein es kann auch, wenigstens in einigen Fällen, nur eine Ausdehnung von Schaur seyn, da es denn zunächst zu Schar gehören würde, welches wenigstens alle die Bedeutungen leidet, deren schauen fähig ist. S. das folgende.
3. Der Schauer
, des -s, plur. ut nom. sing. welches mit dem vorigen Eines Geschlechtes ist, aber noch in mehr eigentlicher Bedeutung gebraucht wird. Es bezeichnet eine schnell vorüber gehende, gemeiniglich zitternde oder doch rauschende Bewegung, deren Laut es eigenthümlich nachahmet, und wird noch in folgenden Fällen gebraucht.
1) Ein schnell vorüber gehender Sturm, ein schnell vorüber gehender Platzregen oder Hagel, eine vorüber gehende Erschütterung der Erde, wird noch häufig ein Schauer genannt. Skura windis ist schon bey dem Ulphilas ein Windsturm, und Jeroschin nennet eine vorüber gehende Erschütterung der Erde einen Schauer. Am üblichsten ist es von einem vorüber gehenden Platzregen oder Hagel, welche man so wohl einen Schauer schlechthin, als auch einen Regenschauer, einen Hagelschauer nennet. Der Schaur heißt im andern Teutsch der Hagel, Buch der Natur von 1483.
Eben hatte der weichende Winter von stürmischen Schwingen
Seine letzten Schaure (Schauer) von rieselndem Hagel geschüttelt,
Zachar.
Im Nieders. Schuur, im Angels. Scur, im Engl. Shower, im Schwed. Skur, alle entweder von einem Platzregen, oder von einem Hagel. Das Nieders. Schuur bedeutet auch eine dunkle Regen- oder Gewitterwolke, wo aber auch der Begriff der Dunkelheit, des Schattens, Statt findet. Im Tatian heißt Scouwen der Schatten.
2) Eine schnell vorüber gehende Erschütterung der Haut, dergleichen man bey einem plötzlichen Anfalle der Kälte, bey einem hohen Grade des Schreckens, des Abscheues, der Angst u.s.f. empfindet. Es läuft mir ein Schauer über die Haut. Der Schauer kommt mich an. Überläuft sie nicht ein Schauer bey diesen Frechheiten?
Der Schauer, welcher mich mit kalter Angst durchläuft,
Weiße.
Schon bey dem Stryker ist Schawr Schrecken, Horror, welches letztere selbst hierher gehöret, indem ihm nur der Zischlaut mangelt. Ein höherer Grad des Schauers heißt Schauder, vermittelst des intensiven d, und in Franken hat man das noch mehr verstärkte Schütter für Schauder und Schauer. Oft ist der Schauer eine Wirkung des höchsten Grades der Ehrfurcht, der mit einer Art von Furcht und Schrecken verknüpften Empfindung der Größe, der Majestät, daher es bey den Dichtern häufig für diese Empfindungen gebraucht wird.
Ein mächtiger Schauer rauscht
Durch das erschrockne Thal in dem kein Waldgott lauscht,
Cron.
O, senkt euch herab von rauschenden Wipfeln,
Heilige Schauer, die ganz die Seele des Dichters empfindet!
Zachar.
Wo sich aber auch der Begriff der feyerlichen Stille mit einschleicht, welche eine Figur der vorigen Bedeutung der Bedeckung seyn kann.
3) Eine jede schnell vorüber gehende mit einer Art eines Rauschens verbundene Veränderung. Ein Fieberschauer, ein Fieber-Parorysmus. Im Niederdeutschen heißt der Anfall der Epilepsie der Schauer, welchen Nahmen daselbst auch ein jeder vorüber gehender Anstoß, ja eine jede Zwischenzeit bekommt. Seinen tollen Schauer haben, seinen gewöhnlichen Anfall von Raserey. Der schlafende Schauer, der Anfall der Schlafsucht, der weinende Schauer, der Anfall der Lust zu weinen u.s.f. S. das Bremisch-Niedersächsische Wörterbuch.
Anm. Gleichfalls vermittelst der Endsylbe -er von schauen, so fern es ursprünglich eine schnelle gelinde rauschende Bewegung bezeichnet, deren verstärkte Grade durch schauden, scheiden, schütten, und zitternde Abänderung durch schauern, schäuern, schaudern, schüttern, schütteln u.s.f. ausgedruckt werden. S. Schauen Anmerk und Schauder.
Die Alten wollten nicht verstehn
Die Wunder im Ägyptenlande,
So sie geschaut durch dich ergehn,
Opitz. Ps. 106.
In der gemeinen Sprechart der Hochdeutschen ist es in keiner von beyden Bedeutungen üblich, wohl aber in der höhern, besonders poetischen, wo es sehr häufig für sehen gebraucht wird.
Auf seinen Wangen ist zu schaun
Anstatt der Jugend Milch, ein lebhaft männlich Braun,
Haged.
Eine bloß biblische, vermuthlich auf eine Morgenländische Figur gegründete Bedeutung ist es, wenn dieses Wort für vorher sehen und vorher verkündigen, weißagen, gebraucht wird. Ihr sollt uns nicht schauen die rechte Lehre, Es. 30, 10. Schauet uns Täuscherey, ebend. Daher Luther auch die Propheten so wohl Schauer als Seher nennet, weil sie gleichsam in die Zukunft schauen oder sehen. Daher das Schauen, und die Schauung, welches letztere doch nur in Zusammensetzungen üblich ist.
Anm. Schon bey dem Kero, Ottfried u.s.f. scouuon, bey dem Willeram skouuen, im Nieders. doch nur in einigen aus dem Oberdeutschen entlehnten Fällen, schauen, im Schwed. mit einem intensiven Endlaute skåda, im Hebr. שעה, im Griech. mit dem gleichbedeutenden th, θεαειν. Kero gebraucht es noch in der ersten intensiven Bedeutung, denn bey ihm ist scauuon forschen. Im Angels. ist sceavian, und im Engl. to shew, factitive, sehen machen, d.i. zeigen.
Die Bedeutung des Sehens ist nur eine von den vielen, welche diesem Zeitworte, wenn es in seiner ursprünglichen Bedeutung und in seinem ganzen Umfange betrachtet wird, zukommt. Der stärkere und schwächere Sibilus s und sch sind in der Natur gegründete Ausdrücke eines zischenden Lautes und der damit verbundenen, gemeiniglich schnellen und gelinden Bewegung, und vermittelst der Endung -en, entstehen daraus die Zeitwörter schaen, scheen, schauen, saen, seen u.s.f. welche ursprünglich gewisse mit diesem Laute verbundene Bewegungen bedeuten und in allen Sprachen noch eine große Menge Nachkommen hinterlassen haben. Davon stammen denn See, Schau, eine Flagge, so, schehen in geschehen u. a. m. her. Mit den gewöhnlichen intensiven und frequentativen Endungen bezeichnen schauern, schaudern, scheuern, schütten, schütteln u.s.f. allerley Abänderungen dieser Bewegung.
Die Bedeutung des Lichtes ist in allen Sprachen eine Figur der schnellen Bewegung, daher kommt bey den Schwäbischen Dichtern noch schowe für Gestalt, Aussehen, eigentlich Schein vor, welches letztere selbst hierher gehöret, indem es so mit Sonne, Sol, Schemen, Schatten, schier u.s.f. sich nur im Endlaute unterscheidet. Die Bedeutung des Scheines, Leuchtens, gehet sehr leicht in die Bedeutung des Sehens über, welches doch nichts anders ist, als das Scheinen empfinden, und so bekommen wir unser sehen und dessen Oberdeutsches Intensivum schauen, nebst dem Engl. Factitivo to shew, zeigen.
Alle Zeitwörter, welche eine schnelle Bewegung bedeuten, bezeichnen sie auch in engerm Verstande nach verschiedenen Richtungen. So fern schauen auch diese Bewegung in die Tiefe, oder in einem hohlen Raume bedeutet, stammet daher die Bedeutung eines Behältnisses, Gefäßes, einer Bedeckung u.s.f. Daher das veraltete Schauer, ein Becher, Schauer, ein bedeckter Ort, unser Scheuer oder Scheure, und mit verschiedenen Endlauten Schaube, Schutz, Schaff, Schaufel u.s.f.
1. Der Schauer
des -s, plur. ut nom. sing. unmittelbar von dem vorigen Zeitworte, derjenige welcher schauet oder siehet. Es ist nur in einigen Zusammensetzungen üblich, so wohl in der intensiven Bedeutung des Besichtigens, wie Fleischschauer, Brotschauer, Deichschauer u.s.f. als auch für sehen überhaupt, wie in Zuschauer. Luther gebraucht es auch nach einer sonst ungewöhnlicher Morgenländischen Figur von einem Propheten, der die Zukunft siehet und vorher verkündiget, welchen er in andern Stellen einen Seher nennet. Gad der Schauer, 1 Chron. 22, 9. Deine Schauer sollen zu Schanden werden, Mich. 3, 7.
2. Der Schauer
, des -s, plur. ut nom. sing. welches vermittelst der Ableitungssylbe -er von schauen abstammet, so fern es ehedem sich in die Tiefe oder in die Ründe bewegen bedeutete, und einen tiefen oder hohlen Raum, ein Behältniß, und figürlich einen bedeckten Ort, Bedeckung, Schutz, Sicherheit bedeutet. 1. * Einen hohlen Raum, ein Behältniß. Im Griech. ist σειρος eine Höhle. Im Nieders. war Schauer ehedem ein großer Becher, ein Pokal, welches im Hochdeutschen ganz fremde Wort noch Sir. 50, 10 vorkommt, ein güldener Schäuer, wo es von vielen irrig von schauen, sehen, abgeleitet, und durch einen Schaubecher erkläret wird. Schirr in Geschirr ist auf das genaueste damit verwandt, S. Schar. 2. Eine Decke, Bedeckung, und einen bedeckten Ort. 1) * Eine Decke; eine veraltete Bedeutung, in welcher im Nieders. nur noch Schuur, die Haut, das Fell bedeutet, Griech. σκωρ S. Schar. 2) Ein Ort, wo man vor der rauhen Witterung bedeckt ist, in welchem Verstande es noch häufig vorkommt. Im Schauer stehen, an einem Orte, wo die Winde, der Regen u.s.f. ein Ding nicht treffen können, in der Geduld stehen. Die Schauer einladender Schatten, Klopst. Nieders. Schuur, Schwed. Skur. Im mittlern Lateine ist daher Escuare Sicherheit, und selbst unser Schirm ist nahe damit verwandt. In einer Thüringischen Urkunde von 1385 kommen Schur für Schutz und Schürer für Beschirmer, Beschützer, Vogt, vor. 3) In engerer Bedeutung, eine Wetterhütte, Regenhütte, ein leichtes Gebäude, worin man vor den Witterungen in Sicherheit ist, welches auch ein Schuppen genannt wird. Ein Hüther (Wächter) macht sich einen Schauer, Hiob 27, 18. Ein Wagenschauer, ein solcher bedeckter Ort, wo Wagen vor der Witterung bedeckt stehen; so auch Bienenschauer u.s.f. Es ist in dieser Bedeutung im Nieders. am üblichsten, wo es Schuur lautet, Schwed. Skur, Griech. σκιρον. Unser Scheuer oder Scheure ist nahe damit verwandt, so wie das mittlere Lat. Scuria, ein Stall, Franz. Ecurie, eben dasselbe Wort ist.
Anm. Ich habe eben gesagt, daß es vermittelst des Endlautes -er von schauen abstamme, so fern es im weitesten Verstande sich schnell bewegen bedeutet; allein es kann auch, wenigstens in einigen Fällen, nur eine Ausdehnung von Schaur seyn, da es denn zunächst zu Schar gehören würde, welches wenigstens alle die Bedeutungen leidet, deren schauen fähig ist. S. das folgende.
3. Der Schauer
, des -s, plur. ut nom. sing. welches mit dem vorigen Eines Geschlechtes ist, aber noch in mehr eigentlicher Bedeutung gebraucht wird. Es bezeichnet eine schnell vorüber gehende, gemeiniglich zitternde oder doch rauschende Bewegung, deren Laut es eigenthümlich nachahmet, und wird noch in folgenden Fällen gebraucht.
1) Ein schnell vorüber gehender Sturm, ein schnell vorüber gehender Platzregen oder Hagel, eine vorüber gehende Erschütterung der Erde, wird noch häufig ein Schauer genannt. Skura windis ist schon bey dem Ulphilas ein Windsturm, und Jeroschin nennet eine vorüber gehende Erschütterung der Erde einen Schauer. Am üblichsten ist es von einem vorüber gehenden Platzregen oder Hagel, welche man so wohl einen Schauer schlechthin, als auch einen Regenschauer, einen Hagelschauer nennet. Der Schaur heißt im andern Teutsch der Hagel, Buch der Natur von 1483.
Eben hatte der weichende Winter von stürmischen Schwingen
Seine letzten Schaure (Schauer) von rieselndem Hagel geschüttelt,
Zachar.
Im Nieders. Schuur, im Angels. Scur, im Engl. Shower, im Schwed. Skur, alle entweder von einem Platzregen, oder von einem Hagel. Das Nieders. Schuur bedeutet auch eine dunkle Regen- oder Gewitterwolke, wo aber auch der Begriff der Dunkelheit, des Schattens, Statt findet. Im Tatian heißt Scouwen der Schatten.
2) Eine schnell vorüber gehende Erschütterung der Haut, dergleichen man bey einem plötzlichen Anfalle der Kälte, bey einem hohen Grade des Schreckens, des Abscheues, der Angst u.s.f. empfindet. Es läuft mir ein Schauer über die Haut. Der Schauer kommt mich an. Überläuft sie nicht ein Schauer bey diesen Frechheiten?
Der Schauer, welcher mich mit kalter Angst durchläuft,
Weiße.
Schon bey dem Stryker ist Schawr Schrecken, Horror, welches letztere selbst hierher gehöret, indem ihm nur der Zischlaut mangelt. Ein höherer Grad des Schauers heißt Schauder, vermittelst des intensiven d, und in Franken hat man das noch mehr verstärkte Schütter für Schauder und Schauer. Oft ist der Schauer eine Wirkung des höchsten Grades der Ehrfurcht, der mit einer Art von Furcht und Schrecken verknüpften Empfindung der Größe, der Majestät, daher es bey den Dichtern häufig für diese Empfindungen gebraucht wird.
Ein mächtiger Schauer rauscht
Durch das erschrockne Thal in dem kein Waldgott lauscht,
Cron.
O, senkt euch herab von rauschenden Wipfeln,
Heilige Schauer, die ganz die Seele des Dichters empfindet!
Zachar.
Wo sich aber auch der Begriff der feyerlichen Stille mit einschleicht, welche eine Figur der vorigen Bedeutung der Bedeckung seyn kann.
3) Eine jede schnell vorüber gehende mit einer Art eines Rauschens verbundene Veränderung. Ein Fieberschauer, ein Fieber-Parorysmus. Im Niederdeutschen heißt der Anfall der Epilepsie der Schauer, welchen Nahmen daselbst auch ein jeder vorüber gehender Anstoß, ja eine jede Zwischenzeit bekommt. Seinen tollen Schauer haben, seinen gewöhnlichen Anfall von Raserey. Der schlafende Schauer, der Anfall der Schlafsucht, der weinende Schauer, der Anfall der Lust zu weinen u.s.f. S. das Bremisch-Niedersächsische Wörterbuch.
Anm. Gleichfalls vermittelst der Endsylbe -er von schauen, so fern es ursprünglich eine schnelle gelinde rauschende Bewegung bezeichnet, deren verstärkte Grade durch schauden, scheiden, schütten, und zitternde Abänderung durch schauern, schäuern, schaudern, schüttern, schütteln u.s.f. ausgedruckt werden. S. Schauen Anmerk und Schauder.