Adelung Wörterbuch
Schaquerille
, S. Cascarille.  
1. Schar
, ein uraltes Stammwort, welches unter den gewöhnlichen Veränderungen und mit den gewöhnlichen Endlauten scharb, scherb, schirm, schart, schurz u.s.f. im Deutschen und den verwandten Sprachen in tausend Füllen vorkommt, daher hier etwas davon überhaupt gesagt werden muß, damit man die Verbindung so vieler, dem Anscheine nach sehr verschiedener Bedeutungen, desto besser übersehen könne. Ich setze dabey s, sch und z als gleichbedeutend voraus, obgleich das sch wegen seines vollen Zischers oft eine Intension bezeichnet, welche das z in einem noch höhern Grade ausdruckt.
Schar ist, wie alle Stammwörter, ursprünglich die Nachahmung eines Lautes, welcher Laut mit vielen Arten von Veränderungen verbunden ist. Bey dem Notker ist ohne Zischlaut Char der Ruf, das Geschrey. Sirmen, surmen, sind noch im gemeinen Leben Nachahmungen einer Art eines Murmelns und Summens, wie das Lat. susurrare. Im Schwed. ist Soel das Getöse, und die Sirenen der Alten hatten vermuthlich von ihrem Singen den Nahmen. Aus dem Lat. Sermo, und serere in disserere, asserere u.s.f. erhellet, daß es auch die menschliche Rede, die Sprache, bedeutet habe. Unser zirpen, das Latein. sorbere, das Intensivum scharren, die Scharbe oder Schärbe, ein gewisser Vogel, u. a. m. beziehen sich alle zunächst auf den eigenthümlichen Laut.
Nach einer sehr gewöhnlichen Figur bezeichnet es gewisse, mit diesem Laute verbundene Veränderungen und Bewegungen, welche denn von sehr vielfacher Art sind.
1. In Ansehung der Geschwindigkeit oder des Grades der Stärke.
1) Gewisse schnelle oder heftige Bewegungen und Veränderungen. Daher die im gemeinen Leben üblichen schergen, schürgen, antreiben, forttreiben, siehe Scherge; schüren, scheren, vexare, sehr, schier u.s.f. Im Schwed. ist surra herum treiben, und serda, coire. Das Lat. servire beziehet sich vermuthlich zunächst auf mühsame Handarbeit, wie unser Scharwerk. In der Monseeischen Glosse ist Scara Frohne. Im Mecklenburgischen bedeutet scharwachen sich schlaflos im Bette herum wälzen. Besonders gehöret hierher der Begriff des Gehens, Wanderns, Reisens. Im Hebr. ist ohne Zischlaut ררג wandern, wohin auch unser niedriges sich fortscheren, sich herscheren, sich hinscheren, und das Lat. serere in deserere gehöret.
Besonders des Reißens, Theilens, Schneidens, Grabens u.s.f. eine in allen Sprachen sehr häufige und fruchtbare Bedeutung. Es gehören dahin unser Saraß, versehren, Schere, scheren, Scharte, scharben, schürfen, Scharte, Scherbe, ein zerbrochenes Stück, zerren, Sarter, Zerter, die Schwed. skada, verletzen, Skåra, eine Kerbe, Skärf, ein Stückchen, Scherf, die Französ. dechirer, Serpe u.s.f. die Lat. Scarabaeus, von dem Scharben oder Nagen, wie Käfer von kauen, Kiefer; Serra, eine Säge, sarpere, schneiteln, sarrire, ausreißen, Hebr. שרש; das Griech. κειρειν, schneiden; das Oberdeutsche Schar, ein Maulwurf, Latein. Sorex, Griech. υραξ, Schwed. Sork, Wend. Kart; das Scheren oder Theilen der Weber, Schar, ein Theil in Heimschar und Überschar, vermuthlich auch das Latein. Sors, unser Sorts, und hundert andere mehr.
Das Licht ist in allen Sprachen und in allen Fällen eine Figur der schnellen Bewegung. Daher das Niedersächs. schier, hell, Schwed. skär, das Lat. serenus, unser Zier, das Französ. Charbon, Kohle, eigentlich glühende Kohle, Sirius, der Hundsstern, wegen seines hellen Lichtes, vielleicht auch die erste Sylbe von Scharlach u. a. m.
Eine andere eben so gewöhnliche Figur ist die Bedeutung der unangenehmen Empfindung; daher unser sauer, so fern man es als eine Erweiterung von saur ansiehet, das veraltete Sehr, Seer, der Schmerz, unser Sorge, das Hebr. ףרש, brennen, u.s.f.
2) Gewisse langsame Bewegungen. Besonders des Kriechens; daher das Lat. serpere, kriechen, Siro, eine Filzlaus, serus, langsam, wovon vielleicht vermittelst einer neuen Figur serius, ernsthaft, ist.
2. In Ansehung der Leichtigkeit der Bewegung, wo es in manchen Fällen ein Ausdruck der Flüssigkeit ist; wie das Lat. Serum, vielleicht auch das alte Schor, Hor, Gohr, Koth, Schwed. Skarn, Griech. σκωρ, und das Lat. Sordes. Der Begriff der weichen Beschaffenheit läßt sich als eine Figur der Flüssigkeit ansehen; daher σαρξ, das Fleisch, vielleicht auch sericus, seiden.
3. In Ansehung der Menge der in Bewegung befindlichen Theile; wo es vornehmlich ein Ausdruck des sirmenden Lautes vieler um und neben einander in Bewegung befindlicher Theile ist. Dahin das Latein. serere, säen, ingleichen, ordnen, zusammen setzen, unser 2 Schar, und ohne Zischlaut das Hebräische ררג, versammeln.
Figuren davon sind die Begriffe des Gewinnens, Vereinigens und Verbindens; wie sarcire, nähen, flicken, Soror, die Schwester, das Schwed. skära, gerinnen, vielleicht auch Sera, ein Schloß, und serare, aufschließen. Ingleichen der Begriff der Masse, wovon die Härte, Schwere, und vielleicht auch die Trockenheit neue Figuren sind. Daher das Schwed. svår, schwer, welches aber auch zu der Bedeutung der unangenehmen Empfindung gehören kann, Skara, harter, fest gefrorner Schnee, das Nieders. sor, trocken, Griech. σειρειν, trocknen.
4. In Ansehung der Richtung der Bewegung oder Ausdehnung. 1) In die Länge; wie Series, eine Reihe, Sarmentum, die Rebe, Surus, ein Pfahl, Sorex, die Spitzmaus, Scirpus, die Binse, das veraltete Seyle, ein langer Balken. 2) In die Höhe. Im mittlern Lat. ist Essarum ein Damm, im Hebr. חרז aufgehen, im Schwed. Skär ein Felsen; wo aber auch die Bedeutung der Masse, ingleichen der senkrechten Richtung mit eintritt, wie in dem veralteten scharf, für schroff. Eine Figur davon ist das in so vielen Sprachen übliche Sir, ein Herr, Hebr. רם, und הרש, ein Fürst. 3) In die Länge und Breite, eine Fläche, Gegend zu bezeichnen; wie Schar in Oberschar, siehe dasselbe. 4) In die Ründe; wie Sertum, ein Kranz, und unser Schurz, so fern es auch eine Art des Kranzes ist. 5) In die Tiefe; daher die Bedeutung eines hohlen Raumes, eines Gefäßes. Wie Sarg, Geschirr, Scherben, ein Gefäß, das Lat. Seria, ein Faß, und Sarracum, ein Lastwagen, welches aber auch mit dem Französ. Charrue und unserm Karren zu der Bedeutung des Reisens, Gehens, gehören kann; die Zarge, der Scharren, für Schranne, das Griech. σειρος, eine Höhle, Sirus, u.s.f. Die Decke, Bedeckung ist eine gewöhnliche Figur des hohlen Raumes. Ehedem war Särge eine Tapete, Latein. ist Scortea eine lederne Decke, Schwed. Särk ein Weiberhemd, unser Schürze, Schaur oder Schauer u.s.f. Nach einer noch weitern Figur gehöret auch Schirm hierher. Im Hebr. ist דרס ein Schild. Und so noch andere Bedeutungen mehr, welche in obige Hauptclassen leicht einzuschalten sind.
 
2. Die Schar
, plur. die -en, ein Collectivum, mehrere bey und neben einander befindliche Dinge Einer Art; wo es doch nur von lebendigen Dingen gebraucht wird. Eine große Schar, eine kleine Schar. Der Herr gibt das Wort mit großen Scharen Evangelisten. Ps. 68, 12. Sie, die Würmchen, fliegen zu Scharen, empor, Geßn. Bey den Jägern sind Schar, Trupp und Rudel gleichbedeutende Wörter. Die Schar der Musen, die Musenschar, bey den Dichtern. Gemeiniglich schleicht sich bey diesem Worte der Begriff der Menge, der Vielheit mit ein; allein für Zahl oder Menge überhaupt, wie Apostg. 1, 15: die Schar der Nahmen war bey hundert und zwanzig, ist es im Hochdeutschen veraltet. In engerer Bedeutung war 1) die Schar ehedem ein Haufe Soldaten von einer bestimmten Anzahl. Die Kinder Israel sollen sich lagern, ein jeder bey das Panier seiner Schar, 4 Mos. 1, 52. Notker nennt eine Legion Scara. Gottsched that den Vorschlag, ein Regiment im Deutschen eine Schar, und das Bataillon eine halbe Schar zu nennen. Ehedem wurde es aber 2) auch von kleinern Haufen Soldaten, Wächtern u.s.f. gebraucht. Luc. 22, 47 nahm die Schar Christum gefangen, wo es bloß einen abgeordneten Haufen bedeutet, S. Scharwache. In beyden Fällen ist es heut zu Tage veraltet.
Anm. Bey dem Ottfried Skara, im Schwed. Skare, im Ital. Sciera. Es druckt das Geräusch aus, welches mehrere bey und neben einander befindliche lebendige Dinge machen, welche Bedeutung auch in dem Lat. serere, säen, zum Grunde liegt. Siehe 1 Schar und Scharen. Ohne Zischlaut gehöret auch unser Heer, die letzte Hälfte des Lat. Cohors und das Hebr. ררו hierher. Gemeiniglich schreibt man dieses Wort Schaar. Allein die Verdoppelung des Selbstlauters ist das unschicklichste Mittel, welches man nur hat, einen langen Selbstlaut zu bezeichnen, und da man viele der folgenden Verwandten dieses Wortes von je her nur mit einem a geschrieben, so ist dasselbe auch hier hinreichend.
 
3. Die Schar
, plur. die -en, von Schar, ein schneidendes Werkzeug, und scheren, schneiden. 1) Ein breites, vorn spitzig zulaufendes Eisen, welches die Gestalt einer umgekehrten 4 hat, und das vornehmste Stück an einem Pfluge ist, indem es die Furche von unten aus los schneidet und sie aufhebet, die Pflugschar, und wenn sie sich an einem Haken befindet, die Hakenschar; zum Unterschiede von dem Seche, welches sie auf der Seite abschneidet. 2) Im Bergbaue wird der Einschnitt an einem Schacht- oder Tragestämpel die Schar genannt.
Anm. In beyden Fällen ist die Bedeutung des Schneidens die herrschende, S. 1 Schar. Dem Ital. Curetta, die Pflugschar, fehlet nur der Zischlaut. Auch das Latein. Securis scheinet hierher zu gehören. Daß der Maulwurf wegen seines Wühlens noch in einigen Gegenden Schar genannt werde, ist schon oben bemerket worden. Am Ober-Rheine wird das Wort Schar noch in einer andern Bedeutung gebraucht, welche gleichfalls hierher zu gehören scheinet. So heißt es z.B. in einer Nasserischen Verordnung: Einem jeden soll vergönnet seyn, die Schaar und Abnutzung der besamten Äcker mit der Sensen einzusammeln, und nach eingebrachter Schaar dieselbe offen liegen zu lassen; wo es das abgeschnittene oder abzuschneidende Getreide zu bezeichnen scheinet.
 
1. Die Scharbe
, plur. die -n, ein nur im Bergbaue in dem zusammen gesetzten Korbscharbe übliches Wort, einen der starken, senkrechten Stäbe zu bezeichnen, aus welchen der Korb am Güyel bestehet. Die erste Hälfte gehöret vermuthlich zu Schar, so fern die Ausdehnung in die Länge der herrschende Begriff daselbst ist. S. 1 Schar. Das Lat. Scirpus leidet eben dieselbe Ableitung.
 
2. Die Scharbe
, plur. die -n, 1) Eine Art Pelikane, welche in andern Gegenden Wasserrabe genannt wird; Pelecanus Carbo L. Französ. Cormoran, in Norwegen Skarv. Schon Notker nennt den Pelikan Scarba, der noch ältere Rabin Maurus gebraucht Scarba von einem Taucher, und in der Monseeischen Glosse wird Ibis durch Scariba übersetzt. Auch Geßner beschreibt unter dem Nahmen Scharb einen Wasservogel, welchen er Tauchreiber nennet. Dem Lateinischen Nahmen Carbo fehlet nur der Zischlaut. 2) Eine Art wilder Änten, welche auch Baumänte, Eisänte und goldäugige Änte genannt wird, Anas claugula L. führet in einigen Gegenden gleichfalls den Nahmen der Scharbe.
Anm. In beyden Fällen ist es vermuthlich eine Nachahmung des natürlichen Geschreyes dieser Vögel, um welches willen auch das Bläßhuhn, Fulica atra L. in einigen Gegenden Kritschschärbe genannt wird, es müßte denn seyn, daß die kohlschwarze Farbe eines oder des andern dieser Vögel zu ihrer Benennung Anlaß gegeben, da denn Schärbe, Carbo und das Französ. Charbon zusammen gehören würden. S. 1 Schar.
 
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