Adelung Wörterbuch
Sam
, ein sehr altes Wort, welches die Deutsche Sprache mit vielen andern gemein hat, und welches vornehmlich in einem doppelten Hauptverstande vorkommt. 1. Mit dem Begriffe der Menge, der Vielheit, und deren Verbindung; ein jetzt in dieser Form völlig veraltetes Wort, wovon aber so wohl das Lat. simul, als unser Samen, sammt, sammeln, zusammen, beysammen u.s.f. Abkömmlinge sind. Bey dem Notker ist samoso, zugleich, simul. S. die jetzt angeführten Wörter. Da der Hauch und der Zischlaut mehrmals in einander übergehen, so gehöret auch das Griech. ἁμα, zugleich, mit hierher. Sam ist hier eine unmittelbare Nachahmung des Lautes, welche mehrere neben einander befindliche, oder in einen Punct sich vereinigende Dinge verursachen, und wovon unser summen bloß ein Intensivum ist.
2. Mit dem Begriffe der Gleichheit, der Ähnlichkeit, welcher zunächst eine Figur des Lichtes, des Scheines ist, so wie dieses wieder eine von der schnellen Bewegung übergetragene Bedeutung ist. Zu der Bedeutung des Lichtes, des Scheines, gehöret unser Sommer, und mit dem stärkern Zischlaute das Griech. σχƞμα, unser Schemen, ein Bild, Schein, Schatten, und Schimmer, und zu dem davon abstammenden Bilde der Ähnlichkeit das Griech. ὁμοιος, das Lat. similis, Simia, das Engl. to seem, scheinen, Franz. sembler, u. a. m. Auf unser sam wieder zu kommen, so war es
1) Ehedem als eine Partikel am üblichsten, welche eine Vergleichung bezeichnete, und für als, wie und das nahe verwandte so gebraucht wurde. So samo stehet bey dem Kero für so wie. Ottfried gebraucht sama für so, also, gleichfalls, und Kero sam – sama für so wohl – als auch, Lat. tam – quam.
Ir minneklicher mund
Der duhte mih in solher roete
Sam ein fuirig flammo entzunt,
Markgr. Otto von Brandenburg.
Teurdank saget uns alles sam
Wie im damit wer geschehen,
Theuerd.
Will ich thun sam ich gar nit seh,
Hans Sachs.
Und urtheilt sam sey sie unsinnig,
ebend.
Doch in dieser Gestalt ist es im Hochdeutschen veraltet, und wir gebrauchen es
2) Nur noch in Zusammensetzungen, wo dieses sam gewissen Hauptwörtern, Zeitwörtern und Partikeln angehänget wird, Bey- und Nebenwörter daraus zu bilden, welche eigentlich und zunächst eine Ähnlichkeit mit dem in der ersten Hälfte bezeichneten Subjecte andeuten. Arbeitsam, bedachtsam, genügsam, achtsam, aufmerksam, betriebsam, behuthsam, biegsam, folgsam, gewaltsam, wegsam, grausam, rathsam, sparsam, wachsam, sorgsam, erfindsam, tugendsam, ehrsam, mühsam, heilsam, friedsam, empfindsam, gleichsam, genugsam, langsam, seltsam, sattsam, bey welchen letztern, welche mit Partikeln zusammen gesetzt sind, es zunächst die Art und Weise bezeichnet, welche die Partikel an und für sich allein nicht hätte ausdrucken können. In einsam ist es noch nicht ausgemacht, ob es hierher oder zu einem andern Stamme gehöret, S. dieses Wort.
Ich sage, diese Ableitungssylbe bedeute eigentlich und zunächst eine Ähnlichkeit; denn nach sehr bekannten Figuren, bekommt sie oft andere Bedeutungen. Denn sie bezeichnet zuweilen (1) eine Fertigkeit, dasjenige zu thun, oder eine Fähigkeit dasjenige zu leiden, was das Subject in der ersten Hälfte der Zusammensetzung ausdruckt. Arbeitsam, Fertigkeit besitzend, zu arbeiten, mühsam, Fertigkeit besitzend, keine Mühe zu achten, genügsam, Fertigkeit besitzend, sich genügen zu lassen, erfindsam, geschickt etwas zu erfinden, biegsam, fähig sich biegen zu lassen u.s.f. (2) Dasjenige wirklich habend, mit demselben verbunden, was die erste Hälfte der Zusammensetzung besaget. Mühsam, mit Mühe verbunden, Mühe verursachend, bedachtsam, Bedacht nehmend oder anwendend, sorgsam, Sorge tragend, tugendsam, Tugend besitzend, tugendhaft u.s.f.
Sam hat diese Bedeutungen mit der Sylbe -lich gemein, von welcher es in der Bedeutung nicht verschieden ist, daher es auch häufig für dieselbe gesetzt wird. Friedsam und friedlich sind im Grunde doch einerley, für dienlich sagt man auch diensam, für gemächlich in einigen Bedeutungen gemachsam, für wunderlich in seiner veralteten eigentlichen Bedeutung auch wundersam, für empfindlich, so fern es Leichtigkeit zu empfinden bedeutet, auch empfindsam, für nachdrücklich ist im Oberdeutschen nachdrucksam üblich, für löblich sagte man ehedem lobsam, lobesan u.s.f. Herr Ramler hatte diese Übereinstimmung in seiner Ausgabe des Batteur bereits eingesehen; ein Recensent läugnete dieselbe in der neuen Hamburger Zeitung, und führete z.B. fürchterlich und furchtsam, gräulich und grausam, empfindlich und empfindsam, bildlich und bildsam an. Allein in den beyden ersten Beyspielen ist das Subject verschieden, wie schon aus den verschiedenen Formen erhellet, in dem dritten übersiehet derselbe die erste eigentliche Bedeutung des Wortes empfindlich, welche noch nicht veraltet ist, und im vierten findet wieder eine Verschiedenheit des Subjectes Statt, denn in bildlich ist die erste Hälfte das Hauptwort Bild, in bildsam aber, welches doch wenig gebraucht wird, ist es das Zeitwort bilden. Freylich hat der Gebrauch die mit -lich und -sam gebildeten Wörter auf mancherley Art bestimmt und eingeschränkt, daher man nun nicht allemahl eines für das andere setzen kann; allein in der ersten eigentlichen Bedeutung kommen sie doch mit einander überein.
Eben um deßwillen ist es auch nicht ohne alle Einschränkung erlaubt, neue Wörter vermittelst dieser Ableitungssylbe zu bilden, obgleich solches in einigen Fällen Statt finden kann. So hat das von einigen Neuern gebildete Wort überlegsam nichts, was die Analogie oder das Gehör beleidigte. Übrigens ist diese Sylbe in der Prosodie lang. Die dadurch gebildeten Beywörter leiden die Comparation, und lassen in derselben das a unverändert; mühsamer, mühsamste.
Ehedem bildete man von diesen Beywörtern vermittelst des angehängten e sehr häufig Hauptwörter, das Abstractum, den Zustand, zu bezeichnen, welche denn ganz natürlich weiblichen Geschlechtes waren. Die meisten davon sind veraltet, einige sind im Hochdeutschen ungangbar, aber noch im Oberdeutschen üblich. Die Gerechtsame, die Gewahrsame, das Oberdeutsche Gewaltsame. Diese Hauptwörter kommen mit den auf -schaft überein, und da diese figürlich auch oft ein Concretum bedeuten, so geschiehet solches auch zuweilen mit jenen. Die Bauersame ist im Oberdeutschen die Bauerschaft, die sämmtlichen Bauern eines Dorfes, einer Gegend, die Genossame die Genossenschaft, wohin auch unser Gerechtsame für Befugniß gehöret. Der Gehorsam macht hier jetzt eine Ausnahme von der Regel; allein ehedem war es richtiger im weiblichen Geschlechte üblich, die Gehorsame, welches Geschlecht den Abstractis ihrer Natur nach zukommt. Das Oberd. der Genossam, für ein Genoß, ein Glied einer Genossame, würde eine noch merkwürdigere Ausnahme machen, wenn es nicht verdächtig wäre.
Statt dieser Hauptwörter, welche, wie gesagt, größten Theils veraltet sind, sind die vermittelst der Nachsylbe -keit gebildeten Hauptwörter üblicher, welche die meisten Beywörter auf -sam annehmen können; Achtsamkeit, Aufmerksamkeit, Beobachtsamkeit, Rathsamkeit, Biegsamkeit, Folgsamkeit, Grausamkeit, Arbeitsamkeit, Sparsamkeit, Wachsamkeit, Erfindsamkeit, Empfindsamkeit, Mühsamkeit, Heilsamkeit, Einsamkeit, Langsamkeit, Seltsamkeit u.s.f. Einige wenige verstatten selbige nicht, besonders diejenigen, welche nur als Nebenwörter üblich sind, wie gleichsam, genugsam und sattsam. Von Gelehrsamkeit ist das Beywort gelehrsam ungangbar geworden, es war aber ehedem üblich.
2. Mit dem Begriffe der Gleichheit, der Ähnlichkeit, welcher zunächst eine Figur des Lichtes, des Scheines ist, so wie dieses wieder eine von der schnellen Bewegung übergetragene Bedeutung ist. Zu der Bedeutung des Lichtes, des Scheines, gehöret unser Sommer, und mit dem stärkern Zischlaute das Griech. σχƞμα, unser Schemen, ein Bild, Schein, Schatten, und Schimmer, und zu dem davon abstammenden Bilde der Ähnlichkeit das Griech. ὁμοιος, das Lat. similis, Simia, das Engl. to seem, scheinen, Franz. sembler, u. a. m. Auf unser sam wieder zu kommen, so war es
1) Ehedem als eine Partikel am üblichsten, welche eine Vergleichung bezeichnete, und für als, wie und das nahe verwandte so gebraucht wurde. So samo stehet bey dem Kero für so wie. Ottfried gebraucht sama für so, also, gleichfalls, und Kero sam – sama für so wohl – als auch, Lat. tam – quam.
Ir minneklicher mund
Der duhte mih in solher roete
Sam ein fuirig flammo entzunt,
Markgr. Otto von Brandenburg.
Teurdank saget uns alles sam
Wie im damit wer geschehen,
Theuerd.
Will ich thun sam ich gar nit seh,
Hans Sachs.
Und urtheilt sam sey sie unsinnig,
ebend.
Doch in dieser Gestalt ist es im Hochdeutschen veraltet, und wir gebrauchen es
2) Nur noch in Zusammensetzungen, wo dieses sam gewissen Hauptwörtern, Zeitwörtern und Partikeln angehänget wird, Bey- und Nebenwörter daraus zu bilden, welche eigentlich und zunächst eine Ähnlichkeit mit dem in der ersten Hälfte bezeichneten Subjecte andeuten. Arbeitsam, bedachtsam, genügsam, achtsam, aufmerksam, betriebsam, behuthsam, biegsam, folgsam, gewaltsam, wegsam, grausam, rathsam, sparsam, wachsam, sorgsam, erfindsam, tugendsam, ehrsam, mühsam, heilsam, friedsam, empfindsam, gleichsam, genugsam, langsam, seltsam, sattsam, bey welchen letztern, welche mit Partikeln zusammen gesetzt sind, es zunächst die Art und Weise bezeichnet, welche die Partikel an und für sich allein nicht hätte ausdrucken können. In einsam ist es noch nicht ausgemacht, ob es hierher oder zu einem andern Stamme gehöret, S. dieses Wort.
Ich sage, diese Ableitungssylbe bedeute eigentlich und zunächst eine Ähnlichkeit; denn nach sehr bekannten Figuren, bekommt sie oft andere Bedeutungen. Denn sie bezeichnet zuweilen (1) eine Fertigkeit, dasjenige zu thun, oder eine Fähigkeit dasjenige zu leiden, was das Subject in der ersten Hälfte der Zusammensetzung ausdruckt. Arbeitsam, Fertigkeit besitzend, zu arbeiten, mühsam, Fertigkeit besitzend, keine Mühe zu achten, genügsam, Fertigkeit besitzend, sich genügen zu lassen, erfindsam, geschickt etwas zu erfinden, biegsam, fähig sich biegen zu lassen u.s.f. (2) Dasjenige wirklich habend, mit demselben verbunden, was die erste Hälfte der Zusammensetzung besaget. Mühsam, mit Mühe verbunden, Mühe verursachend, bedachtsam, Bedacht nehmend oder anwendend, sorgsam, Sorge tragend, tugendsam, Tugend besitzend, tugendhaft u.s.f.
Sam hat diese Bedeutungen mit der Sylbe -lich gemein, von welcher es in der Bedeutung nicht verschieden ist, daher es auch häufig für dieselbe gesetzt wird. Friedsam und friedlich sind im Grunde doch einerley, für dienlich sagt man auch diensam, für gemächlich in einigen Bedeutungen gemachsam, für wunderlich in seiner veralteten eigentlichen Bedeutung auch wundersam, für empfindlich, so fern es Leichtigkeit zu empfinden bedeutet, auch empfindsam, für nachdrücklich ist im Oberdeutschen nachdrucksam üblich, für löblich sagte man ehedem lobsam, lobesan u.s.f. Herr Ramler hatte diese Übereinstimmung in seiner Ausgabe des Batteur bereits eingesehen; ein Recensent läugnete dieselbe in der neuen Hamburger Zeitung, und führete z.B. fürchterlich und furchtsam, gräulich und grausam, empfindlich und empfindsam, bildlich und bildsam an. Allein in den beyden ersten Beyspielen ist das Subject verschieden, wie schon aus den verschiedenen Formen erhellet, in dem dritten übersiehet derselbe die erste eigentliche Bedeutung des Wortes empfindlich, welche noch nicht veraltet ist, und im vierten findet wieder eine Verschiedenheit des Subjectes Statt, denn in bildlich ist die erste Hälfte das Hauptwort Bild, in bildsam aber, welches doch wenig gebraucht wird, ist es das Zeitwort bilden. Freylich hat der Gebrauch die mit -lich und -sam gebildeten Wörter auf mancherley Art bestimmt und eingeschränkt, daher man nun nicht allemahl eines für das andere setzen kann; allein in der ersten eigentlichen Bedeutung kommen sie doch mit einander überein.
Eben um deßwillen ist es auch nicht ohne alle Einschränkung erlaubt, neue Wörter vermittelst dieser Ableitungssylbe zu bilden, obgleich solches in einigen Fällen Statt finden kann. So hat das von einigen Neuern gebildete Wort überlegsam nichts, was die Analogie oder das Gehör beleidigte. Übrigens ist diese Sylbe in der Prosodie lang. Die dadurch gebildeten Beywörter leiden die Comparation, und lassen in derselben das a unverändert; mühsamer, mühsamste.
Ehedem bildete man von diesen Beywörtern vermittelst des angehängten e sehr häufig Hauptwörter, das Abstractum, den Zustand, zu bezeichnen, welche denn ganz natürlich weiblichen Geschlechtes waren. Die meisten davon sind veraltet, einige sind im Hochdeutschen ungangbar, aber noch im Oberdeutschen üblich. Die Gerechtsame, die Gewahrsame, das Oberdeutsche Gewaltsame. Diese Hauptwörter kommen mit den auf -schaft überein, und da diese figürlich auch oft ein Concretum bedeuten, so geschiehet solches auch zuweilen mit jenen. Die Bauersame ist im Oberdeutschen die Bauerschaft, die sämmtlichen Bauern eines Dorfes, einer Gegend, die Genossame die Genossenschaft, wohin auch unser Gerechtsame für Befugniß gehöret. Der Gehorsam macht hier jetzt eine Ausnahme von der Regel; allein ehedem war es richtiger im weiblichen Geschlechte üblich, die Gehorsame, welches Geschlecht den Abstractis ihrer Natur nach zukommt. Das Oberd. der Genossam, für ein Genoß, ein Glied einer Genossame, würde eine noch merkwürdigere Ausnahme machen, wenn es nicht verdächtig wäre.
Statt dieser Hauptwörter, welche, wie gesagt, größten Theils veraltet sind, sind die vermittelst der Nachsylbe -keit gebildeten Hauptwörter üblicher, welche die meisten Beywörter auf -sam annehmen können; Achtsamkeit, Aufmerksamkeit, Beobachtsamkeit, Rathsamkeit, Biegsamkeit, Folgsamkeit, Grausamkeit, Arbeitsamkeit, Sparsamkeit, Wachsamkeit, Erfindsamkeit, Empfindsamkeit, Mühsamkeit, Heilsamkeit, Einsamkeit, Langsamkeit, Seltsamkeit u.s.f. Einige wenige verstatten selbige nicht, besonders diejenigen, welche nur als Nebenwörter üblich sind, wie gleichsam, genugsam und sattsam. Von Gelehrsamkeit ist das Beywort gelehrsam ungangbar geworden, es war aber ehedem üblich.