Adelung Wörterbuch
Reitel
, des -s, plur. ut nom. sing. ein nur in einigen Gegenden übliches Wort, einen kurzen starken Stock, einen Knüttel, Prügel zu bezeichnen, dergleichen z.B. derjenige ist, mit welchem die Stricke um einen Ballen Waare zusammen gezogen werden, der daher in einigen Gegenden auch der Packreitel, das Ratelscheit heißt, Nieders. Wreil. In einigen Oberdeutschen Gegenden werden die jungen gerade aufgeschossenen Bäume gleichfalls Reitel genannt, da denn diejenigen jungen Bäume, welche man auf den Gehauen zur Fortpflanzung stehen läßt, so wohl Bannreitel als Laßreißer heißen. Es ist mit Reis, dem Lat. Radius, und andern dieser Art Eines Geschlechtes, indem der Begriff der Ausdehnung in die Länge hier der herrschende ist. Das Stammwort ist reisen, in andern Mundarten reiten, so fern es sich in die Länge erstrecken bedeutet. S. auch 1 Reiter.
1. Reiten
, verb. reg. act. welches nur im Oberdeutschen üblich ist, wo es für rechnen gebraucht wird. Daher ist daselbst die Reit oder Reitung die Rechnung, die Reitkammer die Rechnungskammer, der Reitbeamte der Rechnungsbeamte, der Salzreiter, Hüttenreiter, Münzreiter u.s.f. der Rechnungsführer oder Cassierer bey einem Salzwerke, Hüttenwerke, einer Münze u.s.f. von welchen einige auch im Hochdeutschen üblich sind. S. Hüttenreiter.
Anm. Im Oberdeutschen wird es gemeiniglich mit dem dieser Mundart eigenen Doppellaute raiten geschrieben und gesprochen. So fern dieses und die folgenden Zeitwörter insgesammt Nachahmungen eines und eben desselben Schalles sind, sind sie auch Eines Ursprunges, ob sie gleich sehr verschiedene Dinge bezeichnen. Reiten, rechnen, druckt zunächst den Schall des Redens, und in engerer Bedeutung des Zählens aus, und ist mit Rede und reden ursprünglich Ein Wort. Schon Ottfried gebraucht raitan für zählen, und im Schwed. ist råda erklären. Eben so bedeutete das veraltete rechen ehedem so viel als das davon abgeleitete sprechen, und in dem Intensivo rechnen computare. S. dasselbe. So fern man aber ehedem das Rechnen durch gezogene Striche zu erleichtern pflegte, könnte reiten auch von dem vorigen Reit, Reitel, so fern es jede Ausdehnung in die Länge, folglich auch eine Linie bedeutet, abstammen. Die letzte Sylbe in hundert, ehedem hundaret, ist ohne Zweifel aus diesem Rad, Ret entstanden, man mag es nun durch eine Zahl oder durch einen Strich erklären.
2. Reiten
, verb. reg. act. in Ordnung bringen, zu einer gewissen Absicht fertig und geschickt machen, welches aber für sich allein veraltet, und nur noch in dem zusammen gesetzten bereiten üblich ist, S. dasselbe. Es ist auch hier eine Onomatopöie, welche entweder von dem mit dem Bereiten verbundenen Geräusche, oder auch von der Geschwindigkeit hergenommen ist, in welchem letztern Falle es zu dem Schwed. rad, Nieders. drad, geschwinde, hurtig, und zu unserm Rad gehören würde. Bey dem Kero ist Antreiti die Ordnung, im Wend. Riad. Hierher gehöret auch das noch in einigen Gegenden, z.B. in dem Kloster St. Michael in Lüneburg, übliche Ausreiter, welches einen vornehmen Beamten bedeutet, welcher die Aufsicht über die Ökonomie des Klosters führet, und so viel als ein Schaffner oder Großkeller in andern Klöstern ist, welchen man sehr irrig mit einem Ausreiter von dem folgenden Zeitworte verwechseln würde.
3. Reiten
, verb. irreg. ich reite, du reitest, (reitst,) er reitet; Imperf. ich ritt; Conj. ritte; Mittelw. geritten; Imperat. reit. Es ist ursprünglich mit reisen ein und eben dasselbe Wort, indem s und t in den Mundarten beständig mit einander abwechseln, und war, so wie dieses, ehedem in einem weit größern Umfange der Bedeutung üblich, als jetzt. Besonders bedeutete es ehedem,
1. Bewegen, treiben, als eine unmittelbare Nachahmung des mit der Bewegung verbundenen Schalles. Allem Ansehen nach gehören zu dieser jetzt veralteten Bedeutung noch die im gemeinen Leben üblichen Redensarten, der Teufel reitet ihn, das ist, treibt ihn an, beweget ihn, alles Unglück reitet mich, treibt mich herum; wo die Figur von reiten, equo vehi, seltsam und possierlich seyn würde. In engerer Bedeutung ist reiten sich begatten, doch nur von einigen größern Thieren, besonders in den Zusammensetzungen Reithengst und Reitochs, S. dieselben. Von diesem reiten, so fern es bewegen, treiben, überhaupt bedeutete, ist reitzen das Intensivum, so wie reitern, rädern, für sieben, und rütteln die Frequentativa davon sind. S. Reitzen.
2. Den Ort verändern, als ein Neutrum, wo es ehedem theils von einer jeden Veränderung des Ortes, theils aber auch von der Begebung nach einem entfernten Orte üblich war, und so wie reisen als ein allgemeiner Ausdruck gebraucht wurde, der die Art und Weise unbestimmt ließ, welche denn vermittelst des Vorwortes auf ausgedruckt wurde. Auf einem Wagen, auf einem Schiffe reiten, d.i. fahren. So bedeutet riton bey dem Notker auf einem Wagen fahren, und Hornegk gebraucht reiten so wohl für gehen, als für fahren und reisen. Daher ist Reita und Gereite bey dem Notker ein Wagen, Schwed. Reid, welches mit dem Rheda, ein Wagen, der alten Gallier und Römer ein und eben dasselbe Wort ist. Opitz sagt mehrmahls von Gott, er reite auf den Wolken, auf dem Himmel; welches eine sehr unanständige Figur seyn würde, wenn hier nicht die allgemeinere Bedeutung Statt finden sollte. Jetzt ist es bis auf einige wenige Redensarten in diesem Verstande veraltet. So sagt man noch der Maulwurf durchreite das Land, wenn er es im Fortkriechen durchwühlet, die Motten durchreiten die Bücher, wenn sie sie im Fortgehen durchfressen, wo zugleich der Begriff der Länge mit eintritt. Wenn sich die Hunde auf dem Hintern fortbewegen, so sagt man gleichfalls, der Hund reite auf dem Arsche, wo wieder kein Reiten in dem folgenden Verstande Statt findet. S. auch Rad und Reisen.
3. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung, auf einem Thiere sitzend den Ort verändern; auf ähnliche Art ist fahren, welches ursprünglich auch eine jede schnelle Bewegung bezeichnet, zunächst auf die Veränderung des Ortes vermittelst eines Wagens eingeschränket worden. Es ist in dieser Bedeutung in doppelter Gestalt üblich.
1) Als ein Neutrum.
(a) Eigentlich, auf einem Thiere sitzend, besonders mit über dasselbe geschlagenen Beinen auf demselben sitzend, den Ort verändern. Das Thier, auf welchem man sitzet, bekommt sehr häufig Vorwort auf. Auf einem Esel, auf einem Pferde, auf einem Hengste, auf einem Schimmel reiten. Doch gebraucht man in der anständigen Sprechart hier lieber das folgende Activum mit der vierten Endung, ohne Vorwort. Einen Esel reiten, sich desselben zur Veränderung des Ortes bedienen. So auch, ein Pferd, einen Hengst, einen Schimmel, ein gutes Pferd reiten. Ich habe ein wildes Pferd geritten. So sagt schon Notker: du diniu ros ritest, der du deine Rosse reitest.
Wenn reiten absolute stehet ohne Meldung des Thieres, so wird allemahl dasjenige Thier darunter verstanden, dessen man sich in einem Lande gewöhnlich zum Reiten bedienet, welches in den meisten Ländern das Pferd ist. Reiten lernen. Nicht reiten können. Ein reitender Bothe, ein Bothe zu Pferde. Die reitende Post, wo unter dem Worte Post der Postilion verstanden wird. Das Reiten nicht vertragen können. Gut reiten, schlecht reiten. Langsam, geschwinde reiten. Wir müssen morgen reiten, d.i. von hier abreiten. Ohne Sattel reiten. Mit jemanden in Gesellschaft reiten. Der Bediente ist fehl geritten.
Der Ort, welcher das Ziel oder der Gegenstand des Reitens ist, wird durch allerley Vorwörter ausgedruckt. Nach Leipzig, nach Berlin, nach Frankreich, nach Hause reiten. Auf die Jagd, auf die Messe, auf das Land, auf das Dorf reiten. In die Stadt reiten. Um die Stadt reiten. Durch einen Wald, durch das Wasser reiten. Jemanden entgegen reiten. Über Feld, über Land reiten.
In einigen, doch wenigen Fällen, wird die Absicht des Reitens mit dem Infinitivo eines andern Zeitwortes ausgedruckt. Wir sind gestern spazieren geritten. Die Truppen werden fouragieren reiten. Schmarotzen reiten. Wenn es mit dem Zeitworte kommen verbunden wird, so stehet es nach dem Muster so vieler andern Zeitwörter dieser Art im Supino. Er kam geritten, für reitend; so wie man auch sagt; gegangen, gefahren, gesprungen, geflogen, geschwommen u.s.f. kommen.
In einigen Fällen wird ein oder der andere Umstand auch vermittelst der vierten Endung des Hauptwortes ausgedruckt, ohne daß reiten dadurch zu einem Activo würde. Einen Trab, einen Galopp reiten. Wir sind beständig einen Schritt geritten. Einen Weg zum ersten Mahle reiten. Diesen Weg bin ich noch nie geritten. Wo man auch nach dem Vorgange der Oberdeutschen in der zweyten Endung sagt, des Weges bin ich noch nie geritten. Er mag seine Straße (oder seiner Straße) reiten. Zehen Meilen in Einem Tage reiten. Wir sind heute nur fünf Meilen geritten.
Dieses Neutrum nimmt, so lange es ein eigentliches Neutrum ist, der Regel nach allemahl das Hülfswort seyn zu sich. Nur der Niederdeutschen Mundart gewohnte Schriftsteller machen hier oft eine Ausnahme, weil man im Niederdeutschen mehrere Neutra mit haben zu verbinden pflegt, welche im Hoch- und Oberdeutschen das seyn bekommen. Deine Eselinn, darauf du geritten hast, 4 Mos. 22, 30, für bist. Hab ich von Jugend auf nicht auf wilden Pferden geritten? Zachar.
(b) In weiterer Bedeutung, mit übergeschlagenen Beinen auf einem leblosen Dinge sitzend den Ort verändern. Auf einem Stecken reiten, wie die Kinder. Auf einem Besen, auf einer Ofengabel nach dem Blocksberge reiten. Auf der Wurst herum reiten, im gemeinen Leben, schmarotzen reiten, wofür man in Niedersachsen sagt, auf der Garbe reiten, S. Wurst. Auch ohne Veränderung des Ortes, bloß in Rücksicht auf die Art und Weise des Sitzens. Die Soldaten müssen zur Strafe auf einem hölzernen Esel reiten. In dieser ganzen Bedeutung, bekommt das Werkzeug, worauf man reitet, allemahl das Vorwort auf.
2) Als ein Activum, welches folglich das Hülfswort haben erfordert, und auch im Passivo gebraucht werden kann, mit verschiedenen thätigen Beysätzen und Nebenbedeutungen. Ein Pferd reiten, sich dessen zur Veränderung des Ortes bedienen. Einen Schimmel, einen Hengst, ein scheues Pferd, einen Esel reiten. Das Pferd ist noch nie geritten worden. Die Post reiten, sie reitend von einem Orte zum andern bringen. Ein Pferd zu Tode reiten, es müde, steif, lahm reiten. Ein Pferd in das Wasser, in den Stall, in die Schwemme, auf die Weide, in die freye Lust reiten, es auf demselben sitzend dahin bringen. Ein Pferd zusammen reiten, bey den Bereitern, es dahin bringen, daß es, mit seinen Theilen wohl vereinigt, den Kopf senkrecht trage. Im gemeinen Leben bedeutet es auch, es im Reiten abmatten. Jemanden zu Boden reiten. Dahin auch die reciproken R.A. gehören. Sich müde reiten, sich einen Wolf reiten, sich aus dem Athem reiten u.s.f. Einen Schriftsteller reiten, figürlich, im gemeinen Leben, ihn ausschreiben, S. Postillen-Reiter, in Postille.
Daher das Reiten, S. auch Ritt.
Anm. In dieser dritten engern Bedeutung schon bey dem Ottfried ritan, im Nieders. riden, und mit Ausstoßung des d, rien, im Angels. ridan, im Engl. to ride, welches aber auch fahren bedeutet, im Schwed. ryda. Härtere Mundarten schreiben und sprechen es auch reuten, welches wider die ganze oben schon bemerkte Abstammung ist, sich aber dessen ungeachtet doch in dem folgenden Hauptworte Reuter für Reiter auch im Hochdeutschen eingeschlichen hat. S. 2 Reiter.
1. Der Reiter
, des -s, plur. ut nom. sing. ein nur in dem Ausdrucke Spanische oder Friesische Reiter übliches Wort, gewisse große sechseckige Balken im Kriegswesen zu bezeichnen, durch welche mit spitzigen Eisen beschlagene Stäbe gesteckt werden, der Reiterey den Zugang zu einem Orte zu vermehren; Sturmhaspeln. Friesische Reiter sollen sie, dem Carl de Aquino in seinem Lexico militari zu Folge, von ihrem Erfinder, Nahmens Frisius, heißen. Die Benennung Reiter leiten Frisch und andere daher, weil sie zur Auf- und Abhaltung der Reiterey dienen; welche Figur aber zu hart und ungewöhnlich seyn würde. Es scheinet vielmehr, daß dieses Wort mit Reitel Eines Geschlechtes ist, und überhaupt eine Ausdehnung in die Länge bedeutet, da es denn so wohl auf den Balken, als auch auf die spitzigen Querstäbe gehen kann, von reiten, so fern es im weitesten Verstande, sich in die Länge und Höhe ausdehnen, bedeutet hat. Darauf läßt sich auch Carls de Aquino Muthmaßung zurück führen, welcher glaubt, daß sie wegen ihrer Ähnlichkeit mit denjenigen Balken, welche die Firste eines Hauses ausmachen, so genannt worden, welcher Balken im Französ. Chevron, im Ital. aber Cavallo heiße. Dieses Cavallo ist unstreitig unser Giebel, nicht aber Cavallo, ein Pferd, so daß dieses Reiter so wohl als das mittlere Lat. Equus Frisius nur eine ungeschickte Übersetzung davon seyn würde.
2. Der Reiter, des -s, plur. ut nom. sing. von dem Zeitworte reiten, daher es in einem so weiten Umfange der Bedeutung üblich ist, wie dieses.
1. Von reiten, bewegen, ist Reiter in vielen Gegenden ein Sieb, besonders ein stehendes Kornsieb, S. Räder, welche Form gleichfalls üblich ist. So fern reiten ehedem für bereiten üblich war, ist der Reiter in einigen Gegenden so viel wie ein Schaffner, S. 2 Reiten. Im Oberdeutschen bedeutet dieses Wort von reiten, rechnen, in manchen Fällen einen Rechnungsbeamten, S. 1 Reiten. Wenn der schwarze Kornwurm, Curculio Granarius L. von einigen auch Reiter genannt wird, so wird damit entweder auf seine kriechende Bewegung an den Wänden, oder auch auf die Zermalmung des Getreides gesehen. S. Galander.
2. Am üblichsten ist es von reiten, equo vehi, eine Person männlichen Geschlechtes zu bezeichnen, welche reitet.
1) Überhaupt; wo es doch nur in einem doppelten Verhältnisse üblich ist. (a) Im Gegensatze des Pferdes. Das Pferd wirft seinen Reiter ab. Der Reiter fiel vom Pferde. Das Pferd ist klüger als sein Reiter. Wo es auch unverändert von einer Person weiblicher Geschlechtes gebraucht wird. (b) In Rücksicht auf die Art und Weise, wie man zu Pferde sitzt und das Pferd im Reiten zu regieren weiß; auch unverändert von dem weiblichen Geschlechte. Ein guter, ein schlechter, ein mittelmäßiger Reiter. In andern Rücksichten gebraucht man es in dieser weitern Bedeutung nicht. Für, es kommen drey Reiter, drey reitende Personen, sagt man: es kommen drey Personen zu Pferde.
2) Eine Person männlichen Geschlechtes, die ihr Amt, ihre Verrichtung reitend oder zu Pferde verrichtet. (a) Im weitesten Verstande. Dahin gehören die Zusammensetzungen, der Bereiter, der Ausreiter, Geleitsreiter, Strandreiter, Landreiter, Postreiter, Vorreiter, Forstreiter u.s.f. Wo auch das Fämininum die -reiterinn üblich ist, die Gatinn eines solchen Reiters zu bezeichnen. (b) Im engsten Verstande, ein Soldat, welcher zu Pferde dienet, der ehedem ein Reisiger oder ein reisiger Knecht genannt wurde, ein Cavallerist; wo es aber auch nur von den schwer bewaffneten Soldaten dieser Art üblich ist, allenfalls aber auch noch von den Dragonern, aber wohl nicht leicht von den Husaren gebraucht wird, obgleich das davon abstammende Reiterer in weiterer Bedeutung gangbar ist. Ein Regiment Reiter. Das Dorf hat hundert Reiter zu verpflegen. Die Gattinn eines solchen Reiters wird niemahls die Reiterinn, wohl aber zuweilen eine Reitersfrau genannt.
Anm. Bey dem Notker Reitman, im Nieders. Rider, im Angels. Ridda, im Griech. ῥυτωρ. Das Schwed. Ryttare, das Böhm. Rytir, Reythar und Pohln. Raytar, sind nur in der letzten engsten Bedeutung üblich, und allem Ansehen nach aus dem Deutschen entlehnet. S. auch Ritter. Fast durch ganz Hoch- und Oberdeutschland schreibt und spricht man dieses Wort Reuter, ungeachtet reiten, das unmittelbare Stammwort, nur in wenig Gegenden mit einem eu gesprochen wird. Es ist daher nichts billiger, als daß man dieses Wort auf seine richtige Schreib- und Sprechart wieder zurück führe.
1. Reiten
, verb. reg. act. welches nur im Oberdeutschen üblich ist, wo es für rechnen gebraucht wird. Daher ist daselbst die Reit oder Reitung die Rechnung, die Reitkammer die Rechnungskammer, der Reitbeamte der Rechnungsbeamte, der Salzreiter, Hüttenreiter, Münzreiter u.s.f. der Rechnungsführer oder Cassierer bey einem Salzwerke, Hüttenwerke, einer Münze u.s.f. von welchen einige auch im Hochdeutschen üblich sind. S. Hüttenreiter.
Anm. Im Oberdeutschen wird es gemeiniglich mit dem dieser Mundart eigenen Doppellaute raiten geschrieben und gesprochen. So fern dieses und die folgenden Zeitwörter insgesammt Nachahmungen eines und eben desselben Schalles sind, sind sie auch Eines Ursprunges, ob sie gleich sehr verschiedene Dinge bezeichnen. Reiten, rechnen, druckt zunächst den Schall des Redens, und in engerer Bedeutung des Zählens aus, und ist mit Rede und reden ursprünglich Ein Wort. Schon Ottfried gebraucht raitan für zählen, und im Schwed. ist råda erklären. Eben so bedeutete das veraltete rechen ehedem so viel als das davon abgeleitete sprechen, und in dem Intensivo rechnen computare. S. dasselbe. So fern man aber ehedem das Rechnen durch gezogene Striche zu erleichtern pflegte, könnte reiten auch von dem vorigen Reit, Reitel, so fern es jede Ausdehnung in die Länge, folglich auch eine Linie bedeutet, abstammen. Die letzte Sylbe in hundert, ehedem hundaret, ist ohne Zweifel aus diesem Rad, Ret entstanden, man mag es nun durch eine Zahl oder durch einen Strich erklären.
2. Reiten
, verb. reg. act. in Ordnung bringen, zu einer gewissen Absicht fertig und geschickt machen, welches aber für sich allein veraltet, und nur noch in dem zusammen gesetzten bereiten üblich ist, S. dasselbe. Es ist auch hier eine Onomatopöie, welche entweder von dem mit dem Bereiten verbundenen Geräusche, oder auch von der Geschwindigkeit hergenommen ist, in welchem letztern Falle es zu dem Schwed. rad, Nieders. drad, geschwinde, hurtig, und zu unserm Rad gehören würde. Bey dem Kero ist Antreiti die Ordnung, im Wend. Riad. Hierher gehöret auch das noch in einigen Gegenden, z.B. in dem Kloster St. Michael in Lüneburg, übliche Ausreiter, welches einen vornehmen Beamten bedeutet, welcher die Aufsicht über die Ökonomie des Klosters führet, und so viel als ein Schaffner oder Großkeller in andern Klöstern ist, welchen man sehr irrig mit einem Ausreiter von dem folgenden Zeitworte verwechseln würde.
3. Reiten
, verb. irreg. ich reite, du reitest, (reitst,) er reitet; Imperf. ich ritt; Conj. ritte; Mittelw. geritten; Imperat. reit. Es ist ursprünglich mit reisen ein und eben dasselbe Wort, indem s und t in den Mundarten beständig mit einander abwechseln, und war, so wie dieses, ehedem in einem weit größern Umfange der Bedeutung üblich, als jetzt. Besonders bedeutete es ehedem,
1. Bewegen, treiben, als eine unmittelbare Nachahmung des mit der Bewegung verbundenen Schalles. Allem Ansehen nach gehören zu dieser jetzt veralteten Bedeutung noch die im gemeinen Leben üblichen Redensarten, der Teufel reitet ihn, das ist, treibt ihn an, beweget ihn, alles Unglück reitet mich, treibt mich herum; wo die Figur von reiten, equo vehi, seltsam und possierlich seyn würde. In engerer Bedeutung ist reiten sich begatten, doch nur von einigen größern Thieren, besonders in den Zusammensetzungen Reithengst und Reitochs, S. dieselben. Von diesem reiten, so fern es bewegen, treiben, überhaupt bedeutete, ist reitzen das Intensivum, so wie reitern, rädern, für sieben, und rütteln die Frequentativa davon sind. S. Reitzen.
2. Den Ort verändern, als ein Neutrum, wo es ehedem theils von einer jeden Veränderung des Ortes, theils aber auch von der Begebung nach einem entfernten Orte üblich war, und so wie reisen als ein allgemeiner Ausdruck gebraucht wurde, der die Art und Weise unbestimmt ließ, welche denn vermittelst des Vorwortes auf ausgedruckt wurde. Auf einem Wagen, auf einem Schiffe reiten, d.i. fahren. So bedeutet riton bey dem Notker auf einem Wagen fahren, und Hornegk gebraucht reiten so wohl für gehen, als für fahren und reisen. Daher ist Reita und Gereite bey dem Notker ein Wagen, Schwed. Reid, welches mit dem Rheda, ein Wagen, der alten Gallier und Römer ein und eben dasselbe Wort ist. Opitz sagt mehrmahls von Gott, er reite auf den Wolken, auf dem Himmel; welches eine sehr unanständige Figur seyn würde, wenn hier nicht die allgemeinere Bedeutung Statt finden sollte. Jetzt ist es bis auf einige wenige Redensarten in diesem Verstande veraltet. So sagt man noch der Maulwurf durchreite das Land, wenn er es im Fortkriechen durchwühlet, die Motten durchreiten die Bücher, wenn sie sie im Fortgehen durchfressen, wo zugleich der Begriff der Länge mit eintritt. Wenn sich die Hunde auf dem Hintern fortbewegen, so sagt man gleichfalls, der Hund reite auf dem Arsche, wo wieder kein Reiten in dem folgenden Verstande Statt findet. S. auch Rad und Reisen.
3. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung, auf einem Thiere sitzend den Ort verändern; auf ähnliche Art ist fahren, welches ursprünglich auch eine jede schnelle Bewegung bezeichnet, zunächst auf die Veränderung des Ortes vermittelst eines Wagens eingeschränket worden. Es ist in dieser Bedeutung in doppelter Gestalt üblich.
1) Als ein Neutrum.
(a) Eigentlich, auf einem Thiere sitzend, besonders mit über dasselbe geschlagenen Beinen auf demselben sitzend, den Ort verändern. Das Thier, auf welchem man sitzet, bekommt sehr häufig Vorwort auf. Auf einem Esel, auf einem Pferde, auf einem Hengste, auf einem Schimmel reiten. Doch gebraucht man in der anständigen Sprechart hier lieber das folgende Activum mit der vierten Endung, ohne Vorwort. Einen Esel reiten, sich desselben zur Veränderung des Ortes bedienen. So auch, ein Pferd, einen Hengst, einen Schimmel, ein gutes Pferd reiten. Ich habe ein wildes Pferd geritten. So sagt schon Notker: du diniu ros ritest, der du deine Rosse reitest.
Wenn reiten absolute stehet ohne Meldung des Thieres, so wird allemahl dasjenige Thier darunter verstanden, dessen man sich in einem Lande gewöhnlich zum Reiten bedienet, welches in den meisten Ländern das Pferd ist. Reiten lernen. Nicht reiten können. Ein reitender Bothe, ein Bothe zu Pferde. Die reitende Post, wo unter dem Worte Post der Postilion verstanden wird. Das Reiten nicht vertragen können. Gut reiten, schlecht reiten. Langsam, geschwinde reiten. Wir müssen morgen reiten, d.i. von hier abreiten. Ohne Sattel reiten. Mit jemanden in Gesellschaft reiten. Der Bediente ist fehl geritten.
Der Ort, welcher das Ziel oder der Gegenstand des Reitens ist, wird durch allerley Vorwörter ausgedruckt. Nach Leipzig, nach Berlin, nach Frankreich, nach Hause reiten. Auf die Jagd, auf die Messe, auf das Land, auf das Dorf reiten. In die Stadt reiten. Um die Stadt reiten. Durch einen Wald, durch das Wasser reiten. Jemanden entgegen reiten. Über Feld, über Land reiten.
In einigen, doch wenigen Fällen, wird die Absicht des Reitens mit dem Infinitivo eines andern Zeitwortes ausgedruckt. Wir sind gestern spazieren geritten. Die Truppen werden fouragieren reiten. Schmarotzen reiten. Wenn es mit dem Zeitworte kommen verbunden wird, so stehet es nach dem Muster so vieler andern Zeitwörter dieser Art im Supino. Er kam geritten, für reitend; so wie man auch sagt; gegangen, gefahren, gesprungen, geflogen, geschwommen u.s.f. kommen.
In einigen Fällen wird ein oder der andere Umstand auch vermittelst der vierten Endung des Hauptwortes ausgedruckt, ohne daß reiten dadurch zu einem Activo würde. Einen Trab, einen Galopp reiten. Wir sind beständig einen Schritt geritten. Einen Weg zum ersten Mahle reiten. Diesen Weg bin ich noch nie geritten. Wo man auch nach dem Vorgange der Oberdeutschen in der zweyten Endung sagt, des Weges bin ich noch nie geritten. Er mag seine Straße (oder seiner Straße) reiten. Zehen Meilen in Einem Tage reiten. Wir sind heute nur fünf Meilen geritten.
Dieses Neutrum nimmt, so lange es ein eigentliches Neutrum ist, der Regel nach allemahl das Hülfswort seyn zu sich. Nur der Niederdeutschen Mundart gewohnte Schriftsteller machen hier oft eine Ausnahme, weil man im Niederdeutschen mehrere Neutra mit haben zu verbinden pflegt, welche im Hoch- und Oberdeutschen das seyn bekommen. Deine Eselinn, darauf du geritten hast, 4 Mos. 22, 30, für bist. Hab ich von Jugend auf nicht auf wilden Pferden geritten? Zachar.
(b) In weiterer Bedeutung, mit übergeschlagenen Beinen auf einem leblosen Dinge sitzend den Ort verändern. Auf einem Stecken reiten, wie die Kinder. Auf einem Besen, auf einer Ofengabel nach dem Blocksberge reiten. Auf der Wurst herum reiten, im gemeinen Leben, schmarotzen reiten, wofür man in Niedersachsen sagt, auf der Garbe reiten, S. Wurst. Auch ohne Veränderung des Ortes, bloß in Rücksicht auf die Art und Weise des Sitzens. Die Soldaten müssen zur Strafe auf einem hölzernen Esel reiten. In dieser ganzen Bedeutung, bekommt das Werkzeug, worauf man reitet, allemahl das Vorwort auf.
2) Als ein Activum, welches folglich das Hülfswort haben erfordert, und auch im Passivo gebraucht werden kann, mit verschiedenen thätigen Beysätzen und Nebenbedeutungen. Ein Pferd reiten, sich dessen zur Veränderung des Ortes bedienen. Einen Schimmel, einen Hengst, ein scheues Pferd, einen Esel reiten. Das Pferd ist noch nie geritten worden. Die Post reiten, sie reitend von einem Orte zum andern bringen. Ein Pferd zu Tode reiten, es müde, steif, lahm reiten. Ein Pferd in das Wasser, in den Stall, in die Schwemme, auf die Weide, in die freye Lust reiten, es auf demselben sitzend dahin bringen. Ein Pferd zusammen reiten, bey den Bereitern, es dahin bringen, daß es, mit seinen Theilen wohl vereinigt, den Kopf senkrecht trage. Im gemeinen Leben bedeutet es auch, es im Reiten abmatten. Jemanden zu Boden reiten. Dahin auch die reciproken R.A. gehören. Sich müde reiten, sich einen Wolf reiten, sich aus dem Athem reiten u.s.f. Einen Schriftsteller reiten, figürlich, im gemeinen Leben, ihn ausschreiben, S. Postillen-Reiter, in Postille.
Daher das Reiten, S. auch Ritt.
Anm. In dieser dritten engern Bedeutung schon bey dem Ottfried ritan, im Nieders. riden, und mit Ausstoßung des d, rien, im Angels. ridan, im Engl. to ride, welches aber auch fahren bedeutet, im Schwed. ryda. Härtere Mundarten schreiben und sprechen es auch reuten, welches wider die ganze oben schon bemerkte Abstammung ist, sich aber dessen ungeachtet doch in dem folgenden Hauptworte Reuter für Reiter auch im Hochdeutschen eingeschlichen hat. S. 2 Reiter.
1. Der Reiter
, des -s, plur. ut nom. sing. ein nur in dem Ausdrucke Spanische oder Friesische Reiter übliches Wort, gewisse große sechseckige Balken im Kriegswesen zu bezeichnen, durch welche mit spitzigen Eisen beschlagene Stäbe gesteckt werden, der Reiterey den Zugang zu einem Orte zu vermehren; Sturmhaspeln. Friesische Reiter sollen sie, dem Carl de Aquino in seinem Lexico militari zu Folge, von ihrem Erfinder, Nahmens Frisius, heißen. Die Benennung Reiter leiten Frisch und andere daher, weil sie zur Auf- und Abhaltung der Reiterey dienen; welche Figur aber zu hart und ungewöhnlich seyn würde. Es scheinet vielmehr, daß dieses Wort mit Reitel Eines Geschlechtes ist, und überhaupt eine Ausdehnung in die Länge bedeutet, da es denn so wohl auf den Balken, als auch auf die spitzigen Querstäbe gehen kann, von reiten, so fern es im weitesten Verstande, sich in die Länge und Höhe ausdehnen, bedeutet hat. Darauf läßt sich auch Carls de Aquino Muthmaßung zurück führen, welcher glaubt, daß sie wegen ihrer Ähnlichkeit mit denjenigen Balken, welche die Firste eines Hauses ausmachen, so genannt worden, welcher Balken im Französ. Chevron, im Ital. aber Cavallo heiße. Dieses Cavallo ist unstreitig unser Giebel, nicht aber Cavallo, ein Pferd, so daß dieses Reiter so wohl als das mittlere Lat. Equus Frisius nur eine ungeschickte Übersetzung davon seyn würde.
2. Der Reiter, des -s, plur. ut nom. sing. von dem Zeitworte reiten, daher es in einem so weiten Umfange der Bedeutung üblich ist, wie dieses.
1. Von reiten, bewegen, ist Reiter in vielen Gegenden ein Sieb, besonders ein stehendes Kornsieb, S. Räder, welche Form gleichfalls üblich ist. So fern reiten ehedem für bereiten üblich war, ist der Reiter in einigen Gegenden so viel wie ein Schaffner, S. 2 Reiten. Im Oberdeutschen bedeutet dieses Wort von reiten, rechnen, in manchen Fällen einen Rechnungsbeamten, S. 1 Reiten. Wenn der schwarze Kornwurm, Curculio Granarius L. von einigen auch Reiter genannt wird, so wird damit entweder auf seine kriechende Bewegung an den Wänden, oder auch auf die Zermalmung des Getreides gesehen. S. Galander.
2. Am üblichsten ist es von reiten, equo vehi, eine Person männlichen Geschlechtes zu bezeichnen, welche reitet.
1) Überhaupt; wo es doch nur in einem doppelten Verhältnisse üblich ist. (a) Im Gegensatze des Pferdes. Das Pferd wirft seinen Reiter ab. Der Reiter fiel vom Pferde. Das Pferd ist klüger als sein Reiter. Wo es auch unverändert von einer Person weiblicher Geschlechtes gebraucht wird. (b) In Rücksicht auf die Art und Weise, wie man zu Pferde sitzt und das Pferd im Reiten zu regieren weiß; auch unverändert von dem weiblichen Geschlechte. Ein guter, ein schlechter, ein mittelmäßiger Reiter. In andern Rücksichten gebraucht man es in dieser weitern Bedeutung nicht. Für, es kommen drey Reiter, drey reitende Personen, sagt man: es kommen drey Personen zu Pferde.
2) Eine Person männlichen Geschlechtes, die ihr Amt, ihre Verrichtung reitend oder zu Pferde verrichtet. (a) Im weitesten Verstande. Dahin gehören die Zusammensetzungen, der Bereiter, der Ausreiter, Geleitsreiter, Strandreiter, Landreiter, Postreiter, Vorreiter, Forstreiter u.s.f. Wo auch das Fämininum die -reiterinn üblich ist, die Gatinn eines solchen Reiters zu bezeichnen. (b) Im engsten Verstande, ein Soldat, welcher zu Pferde dienet, der ehedem ein Reisiger oder ein reisiger Knecht genannt wurde, ein Cavallerist; wo es aber auch nur von den schwer bewaffneten Soldaten dieser Art üblich ist, allenfalls aber auch noch von den Dragonern, aber wohl nicht leicht von den Husaren gebraucht wird, obgleich das davon abstammende Reiterer in weiterer Bedeutung gangbar ist. Ein Regiment Reiter. Das Dorf hat hundert Reiter zu verpflegen. Die Gattinn eines solchen Reiters wird niemahls die Reiterinn, wohl aber zuweilen eine Reitersfrau genannt.
Anm. Bey dem Notker Reitman, im Nieders. Rider, im Angels. Ridda, im Griech. ῥυτωρ. Das Schwed. Ryttare, das Böhm. Rytir, Reythar und Pohln. Raytar, sind nur in der letzten engsten Bedeutung üblich, und allem Ansehen nach aus dem Deutschen entlehnet. S. auch Ritter. Fast durch ganz Hoch- und Oberdeutschland schreibt und spricht man dieses Wort Reuter, ungeachtet reiten, das unmittelbare Stammwort, nur in wenig Gegenden mit einem eu gesprochen wird. Es ist daher nichts billiger, als daß man dieses Wort auf seine richtige Schreib- und Sprechart wieder zurück führe.