Adelung Wörterbuch
Reif
, -er, -ste, adj. et adv. 1) Eigentlich von Früchten und Gewächsen, keiner Nahrung von dem Stamme weiter bedürfend; im Gegensatze des unreif. Reifes Obst, reife Äpfel, reife Trauben, reifes Getreide, reifer Samen. Reif seyn, reif werden. S. auch Frühreif und Nothreif. Zuweilen auch von andern Theilen der Gewächse. Die Rinde eines Baumes ist reif, wenn sie ihre gehörige Stärke hat. So auch von dem Holze, den Blättern u.s.f. 2) In weiterer und figürlicher Bedeutung, durch die Länge der Zeit zu seiner Vollkommenheit gediehen. Ein Geschwür ist reif, wenn es aufbrechen will. Ein reifes Geschwür. Reifes Salz, in den Salzhütten, welches lange genug auf den Salzböden gelegen hat, so daß es zum Verführen hinlänglich trocken ist. Ein Mann von reifem Alter. Das wird sich bey reifern Jahren schon ändern. Ein reifer Verstand. Die Sache ist reif, wenn sie zur Ausführung geschickt ist. Reifes Nachsinnen. Eine reife Gelehrsamkeit. Ein reifes Urtheil fällen. Zum Ehestande reif seyn. Alles, alles glänzt in reifer Schönheit, Geßn. Zur Strafe reif seyn. S. Reiflich, Reife und Reifen. Anm. Schon bey dem Kero riif, bey dem Willeram rief, im Nieders. riep, im Angels. und Engl. ripe. Die heutige Bedeutung dieses Wortes ist eine Figur, welche ursprünglich von einer in das Gehör fallenden Eigenschaft entlehnet seyn muß. Welches diese Eigenschaft ist, läßt sich nur muthmaßen. Frisch und andere glauben, daß es von raffen abstamme, so fern es, wie das Angels. ripian, ehedem schneiden, ernten u.s.f. bedeutete, da es denn denjenigen Zustand der Früchte bezeichnen würde, in welchem sie zur Einerntung, zum Abfalle, geschickt sind. Fast sollte es scheinen, daß der Begriff der Zeitdauer in diesem Worte der herrschende sey, und alsdann könnte es eine Figur von den folgenden seyn, so fern diese eine Ausdehnung in die Länge bedeuten.
 
1. Der Reif
, des -es, plur. die -e, Diminut. das Reifchen, Oberd. das Reiflein, ein Wort, welches zunächst eine Ausdehnung in die Länge ohne beträchtliche Breite oder Dicke bezeichnet, aber nur noch in einigen Fällen üblich ist.
1. Ein Tau, ein Seil, ist im gemeinen Leben, besonders Nieder-Deutschlandes, häufig unter dem Nahmen eines Reifes bekannt. Besonders kommt es auf den Schiffen vor, wo es dasjenige Tau ist, welches in der Mitte einer Segelstange gegen den Raak befestiget ist, wodurch das Hauptgatt oben am Maste auf einer Rolle hinläuft. Unten ist es an dem Falle befestiget, und das Segel läuft an demselben herunter und wird auch daran aufgehisset. In weiterer Bedeutung heißt im Niedersächsischen ein jedes Seil, so bald es stärker als eine Schnur ist, ein Reif, daher ein Seiler daselbst auch ein Reeper genannt wird, S. Reifschläger. Eben daselbst ist es auch ein Längenmaß, welches gemeiniglich so viel als eine Klafter ist; ein Reif Holz. In Goßlar ist es, dem Frisch zu Folge, ein Längenmaß von zehen Ellen.
Es ist in dieser Bedeutung ein altes und weit ausgebreitetes Wort. Im Nieders. lautet es Reep und Reip, im Angels. Rap, bey dem Ulphilas Raips, im Dän. Reib, im Schwed. Ref und Rep, im Wallis. Rhaff, im Isländ. Reip, Reifar und Refe, im Engl. Rope, und sogar im Arab. Ruffon, und im Pers. Rifas, alle in der Bedeutung eines Seiles, einige auch eines Riemens und eines Fadens. Raff, ein Balken, Reff, Rübe, Ribbe oder Rippe. Rebe, u.a.m. bedeuten ähnliche lange Körper von unbeträchtlicher Breite und Dicke. Revier scheint gleichfalls damit verwandt zu seyn, eine Ausdehnung in die Länge und Breite, eine Gegend, zu bezeichnen, so wie unser Streif und Streifen sich bloß durch den Vorlaut unterscheiden. Mit andern Endlauten gehören auch Riemen, Reis, Ruthe, Reihe und andere Wörter von verwandter Bedeutung hierher, welche am Ende alle auf den Stammbegriff der Bewegung zurück kommen, deren Laut reben u.s.f. nachahmen. S. Repphuhn und 2 Reif.
2. Ein erhabener Rand. 1) Überhaupt; eine nur noch in einigen Fällen übliche Bedeutung. Bey den Schlössern wird der Rand an dem Barte eines Schlüssels, welcher mit dem Rohre parallel gehet, noch ein Reif genannt. Wenn der Hirsch mit dem hintern Fuße gerade in den vordern eintritt, so entstehet in der Fährte ein Rand, welchen die Jäger das Reifel nennen. Vermuthlich gehöret hierher auch der Gebrauch der Kürschner, da sie die Seite an einem Fuchsbalge den Reif nennen. Mit andern Endlauten gehören hierher das alte Braue und Brähme, der Rand, (S. Augenbraune,) ja Rand und Ranst selbst, ingleichen das in einigen Gegenden übliche Ruf, die Rinde auf einer Wunde. S. Rand. 2) In engerer Bedeutung wird der gefrorne Thau oder Nebel an den Gegenständen der Reif genannt, weil er die Gegenstände gleichsam mit einem Rande versiehet, oder sie mit einem Rufe, mit einer Rinde, überziehet.
 
So lise ich bluomen do rife nun liet,
Walther von der Vogelweide.
 
Es fällt ein Reif. Wenn viele Reife fallen. Schon bey dem Notker Riffo, im Nieders. Riep, im Wallis. Rhew. Im Arab. ist Rafyson ein bereifter Baum. Mit andern Endlauten ist in einigen gemeinen Sprecharten Riem, im Angels. Hrim, im Engl. Rime, im Holländ. Rym, im Schwed. Rim, gleichfalls der Reif, im Lat. mit einem Präfixo Pruina, im Ital. Brina, welche beyden letztern die Verwandtschaft mit Braune, der Rand, ja mit Rand und Rinde selbst, bestätigen. S. Rauhreif, Reifen und Wasserreif.
3. Eine Vertiefung, welche sich in die Länge erstreckt; auch nur noch in einigen Fällen, besonders bey den Schlössern, wo die Reife solche Einstriche in den Bart eines Schlüssels sind, welche ihre Öffnung auf den Seiten haben. Im Holländ. ist Ruyffel und im Engl. Rivel eine Runzel, und im Nieders. riefeln Furchen ziehen. Das Latein. Rivus ist gleichfalls damit verwandt.
Anm. Daß in allen diesen Bedeutungen der Begriff der Bewegung der herrschende ist, erhellet aus den ähnlichen Wörtern Rand, Rinde, Rinne, welche Eines Stammes sind und ähnliche Bedeutungen haben. Im Oberdeutschen hängt man diesem und dem folgenden Hauptworte gern noch ein en an; des Reifen, den Reifen, oder wohl gar in der ersten Endung, der Reifen, welche Form auch in der Deutschen Bibel vorkommt. Welche sich vor dem Reifen scheuen, Hiob 6, 16. Er streuet Reifen, wie Aschen, Ps. 147, 16.
 
2. Der Reif
, des -es, plur. die -e, Diminut. das Reifchen, Oberd. Reiflein, ein Wort, in welchem der Begriff der Ründe der herrschende ist. Es bedeutet, 1) überhaupt, einen jeden Ring oder ringförmigen Körper, in welcher Bedeutung es ehedem sehr üblich war, da denn der Fingerring auch der Fingerreif genannt wurde. Aller Granatäpfel waren hundert, an einem Reife rings umher, Jerem. 52, 23. Jetzt ist es nur noch in einigen einzelnen Fällen gangbar. So wird in der Verzierung der Säulen und anderer Körper ein erhabener halb runder Ring, welcher die Säule, eine Kanone u.s.f. umgibt, der Reif genannt; bey andern heißt er das Städlein. An den Kanonen hat man Mittelreife, Munreife u.s.f. Der Reif an einem Paßglase, ist ein ähnlicher erhabener Ring. Der Stegereif, eine alte Benennung des Steigbügels, vermuthlich weil derselbe ehedem die Gestalt eines Ringes hatte. Bey den Schlössern ist der Reif ein rundes Eisen in dem Eingerichte eines Schlosses, um welches sich der Reif (d.i. der Rand, S. das vorige) des Schlüssels drehet. Pictorius nennt eine Käseform einen Reif, vielleicht auch wegen ihrer Ründe. Wenigstens wird in den Küchen noch ein runder blecherner Rand, die aufgelaufenen Köche damit zu umfassen, wenn sie in dem Ofen gebacken werden sollen, ein Reif genannt. In der Feuerwerkskunst ist der Reif ein Ernstfeuer, welches aus zwey Sturmkränzen in Gestalt einer Kugel zusammen gebunden und unter die Stürmenden geworfen wird. 2) In engerer Bedeutung werden die Ringe, welche die Dauben eines Fasses oder ähnlichen hölzernen Gefäßes zusammen halten, Reife, und zum Unterschiede von den vorigen Arten, Faßreife genannt. Ein hölzerner, ein eiserner Reif. Der Blattreif, Hauptreif, Schraubenreif, Spannreif, Zwingereif u.s.f. Einen Reif um ein Faß legen. Durch einen Reif springen, wie die Gaukler.
Anm. Im Pohln. ist Refa gleichfalls der Fingerring, und im Arab. bedeutet Raeffon einen Bogen, und jede in Gestalt eines Bogens gekrümmte Sache, so wie im Griech. ῥαιβος ein jedes krummes Ding ist. Reif ist in dieser Bedeutung mit dem vorigen ein und eben dasselbe Wort, indem auch hier der Begriff der Bewegung der ursprüngliche ist, nur daß hier zunächst die kreisförmige Bewegung zum Grunde liegt. S. Reiben und Schraube. Die verwandten Rad, Ring, rund, Kreis u.s.f. haben alle einen ähnlichen Ursprung, und bedeuten daher in ihren Verwandten oft auch so wie 1 Reif einen langen dünnen Körper, wie das Latein. Radius, welches zu Rad, Rota, gehöret, geringe, eigentlich dünn und schmächtig, ein Verwandter von Ring, Reis, Surculus, ein Verwandter von Kreis u.s.f.
 
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