Adelung Wörterbuch
Reichen
, verb. reg. welches in doppelter Gestalt gebraucht wird. I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, sich der Ausdehnung nach erstrecken.
1. Eigentlich, da es denn so wohl von der Ausdehnung in die Höhe, als auch von der Ausdehnung in die Länge gebraucht wird. 1) In weitesten Verstande. Lasset uns einen Thurm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, 1 Mos. 11, 4. Das Wasser reichte mir bis an den Hals. Der Baum reicht bis an das Dach. Die Stange reicht nicht so weit. Daß sein (des Volkes) letztes reichte gegen den Abend der Stadt, bis an die westliche Seite, Jos. 8, 13. Die Mauer reicht bis an den Fluß. Über jemanden reichen, d.i. hervor ragen, ist nur im Oberdeutschen üblich. 2) In engerer Bedeutung, sich mit einem Theile seines Leibes bis an etwas erstrecken, so wohl mit ausdrücklicher Meldung des Gliedes. Mit der Hand an etwas reichen können. Großer Herren Arme reichen weit. Mit dem Fuße an etwas reichen können. Als auch absolute, da denn gemeiniglich die Hand darunter verstanden wird. Ich kann nicht so weit reichen. Hinauf reichen, hinan reichen. Ich kann bis dahin reichen. S. auch Erreichen.
2. Figürlich. 1) Der Menge nach zu etwas hinlänglich seyn. Der Zeug reicht nicht zu dem Kleide. Das Geld reichte, hat gereicht, wird nicht reichen. Das reicht jährlich nicht für den Kaufmann und Schneider, Weiße. Ingleichen mit etwas reichen, daran zu einer gewissen Absicht genug haben. Damit werde ich nicht reichen. Wir haben damit gereicht. S. auch Ausreichen, Hinreichen, Zureichen. 2) Sich der Wirkung nach bis zu etwas erstrecken. Dein Ruhm wird bis an die Nachwelt reichen. Meine Augen reichen nicht so weit, ihr Vermögen zu sehen erstreckt sich nicht so weit. Gottes Güte reicht so weit der Himmel ist, Ps. 108, 5. Die Religion treibt uns zur Liebe gegen die Menschen durch Bewegungsgründe an, die über alle Bewegungsgründe der Vernunft hinaus reichen, Gell. 3) Sich der Dauer, der Zeit nach erstrecken; ein Gebrauch, welcher im Hochdeutschen zu veralten anfängt. Die Dreschzeit soll reichen bis zur Weinernte, und die Weinernte soll reichen bis zur Zeit der Saat, 3 Mos. 26, 5. 4) * Für liegen, der Himmelsgegend nach; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. Ein Stück von den Theilen, so vom Morgen bis gen Abend reichen, Ezech. 48, 8. 5) * Für gereichen; eine gleichfalls veraltete Bedeutung. Das wirt warlich gar zu kleinen Eren reichen meiner Frauen, Theuerd. Das möchte wol zu schaden dir noch reichen in künftige Zeit, ebend. S. Gereichen.
II. Als ein Activum, mit Ausstreckung, mit Ausdehnung in die Länge geben.
1. Eigentlich. Jemanden die Hand reichen. Jemanden das Handwasser reichen. Er reicht ihm das Wasser nicht, figürlich, er ist auf keine Art mit ihm zu vergleichen; eigentlich, er ist nicht werth ihm das Wasser zu reichen. Jemanden hülfliche Hand reichen, ihm beystehen. Jemanden ein Almosen reichen. Einem Kranken das Abendmahl reichen. Die Mutter reicht dem Kinde die Brust. S. auch Darreichen, Hinreichen, Herreichen, Zureichen, Überreichen, Erreichen u.s.f.
2. Figürlich. 1) Für geben überhaupt; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. Im Oberdeutschen sagt man, Zoll, Steuern, Ungeld reichen, für geben. Die Kosten zu etwas reichen. Im Hochdeutschen gebraucht man es noch zuweilen in der R.A. jemanden die nöthige Nahrung reichen, ihn verpflegen. Die Anzahl der Ziegel sollt ihr reichen, 2 Mos. 5, 18, für liefern, abliefern. 2) Ehedem wurde es auch für hohlen und hohlen lassen gebraucht. Athem reichen, Athem hohlen. Jemanden reichen, ihn hohlen lassen.
Daher die Reichung, doch nur in der thätigen Bedeutung.
Anm. Bey dem Kero kerehhan, bey dem Notker reichen, bey dem Willeram rachan, im Nieders. reken und raken, welches letztere auch rühren bedeutet, im Angels. raecan, im Engl. to reach, im Isländ. reikia, im Ital. recare, im Latein. rigere in porrigere, arrigere, erigere, im Griech. ορεγειν, im Arab. rehaek. Es ahmet den damit verbundenen Laut nach, und ist mit ragen, regen u.a.m. genau verwandt. Intensiva davon sind recken und strecken, wie schon aus der Verdoppelung des Gaumenlautes erhellet. S. Recken. Mit einem andern Endlaute gehöret auch rathen hierher, und im Isländ. sind rietta und reikia gleichbedeutend. S. Gerade und Gerecht, Gerathen und Gereichen.
1. Eigentlich, da es denn so wohl von der Ausdehnung in die Höhe, als auch von der Ausdehnung in die Länge gebraucht wird. 1) In weitesten Verstande. Lasset uns einen Thurm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, 1 Mos. 11, 4. Das Wasser reichte mir bis an den Hals. Der Baum reicht bis an das Dach. Die Stange reicht nicht so weit. Daß sein (des Volkes) letztes reichte gegen den Abend der Stadt, bis an die westliche Seite, Jos. 8, 13. Die Mauer reicht bis an den Fluß. Über jemanden reichen, d.i. hervor ragen, ist nur im Oberdeutschen üblich. 2) In engerer Bedeutung, sich mit einem Theile seines Leibes bis an etwas erstrecken, so wohl mit ausdrücklicher Meldung des Gliedes. Mit der Hand an etwas reichen können. Großer Herren Arme reichen weit. Mit dem Fuße an etwas reichen können. Als auch absolute, da denn gemeiniglich die Hand darunter verstanden wird. Ich kann nicht so weit reichen. Hinauf reichen, hinan reichen. Ich kann bis dahin reichen. S. auch Erreichen.
2. Figürlich. 1) Der Menge nach zu etwas hinlänglich seyn. Der Zeug reicht nicht zu dem Kleide. Das Geld reichte, hat gereicht, wird nicht reichen. Das reicht jährlich nicht für den Kaufmann und Schneider, Weiße. Ingleichen mit etwas reichen, daran zu einer gewissen Absicht genug haben. Damit werde ich nicht reichen. Wir haben damit gereicht. S. auch Ausreichen, Hinreichen, Zureichen. 2) Sich der Wirkung nach bis zu etwas erstrecken. Dein Ruhm wird bis an die Nachwelt reichen. Meine Augen reichen nicht so weit, ihr Vermögen zu sehen erstreckt sich nicht so weit. Gottes Güte reicht so weit der Himmel ist, Ps. 108, 5. Die Religion treibt uns zur Liebe gegen die Menschen durch Bewegungsgründe an, die über alle Bewegungsgründe der Vernunft hinaus reichen, Gell. 3) Sich der Dauer, der Zeit nach erstrecken; ein Gebrauch, welcher im Hochdeutschen zu veralten anfängt. Die Dreschzeit soll reichen bis zur Weinernte, und die Weinernte soll reichen bis zur Zeit der Saat, 3 Mos. 26, 5. 4) * Für liegen, der Himmelsgegend nach; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. Ein Stück von den Theilen, so vom Morgen bis gen Abend reichen, Ezech. 48, 8. 5) * Für gereichen; eine gleichfalls veraltete Bedeutung. Das wirt warlich gar zu kleinen Eren reichen meiner Frauen, Theuerd. Das möchte wol zu schaden dir noch reichen in künftige Zeit, ebend. S. Gereichen.
II. Als ein Activum, mit Ausstreckung, mit Ausdehnung in die Länge geben.
1. Eigentlich. Jemanden die Hand reichen. Jemanden das Handwasser reichen. Er reicht ihm das Wasser nicht, figürlich, er ist auf keine Art mit ihm zu vergleichen; eigentlich, er ist nicht werth ihm das Wasser zu reichen. Jemanden hülfliche Hand reichen, ihm beystehen. Jemanden ein Almosen reichen. Einem Kranken das Abendmahl reichen. Die Mutter reicht dem Kinde die Brust. S. auch Darreichen, Hinreichen, Herreichen, Zureichen, Überreichen, Erreichen u.s.f.
2. Figürlich. 1) Für geben überhaupt; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. Im Oberdeutschen sagt man, Zoll, Steuern, Ungeld reichen, für geben. Die Kosten zu etwas reichen. Im Hochdeutschen gebraucht man es noch zuweilen in der R.A. jemanden die nöthige Nahrung reichen, ihn verpflegen. Die Anzahl der Ziegel sollt ihr reichen, 2 Mos. 5, 18, für liefern, abliefern. 2) Ehedem wurde es auch für hohlen und hohlen lassen gebraucht. Athem reichen, Athem hohlen. Jemanden reichen, ihn hohlen lassen.
Daher die Reichung, doch nur in der thätigen Bedeutung.
Anm. Bey dem Kero kerehhan, bey dem Notker reichen, bey dem Willeram rachan, im Nieders. reken und raken, welches letztere auch rühren bedeutet, im Angels. raecan, im Engl. to reach, im Isländ. reikia, im Ital. recare, im Latein. rigere in porrigere, arrigere, erigere, im Griech. ορεγειν, im Arab. rehaek. Es ahmet den damit verbundenen Laut nach, und ist mit ragen, regen u.a.m. genau verwandt. Intensiva davon sind recken und strecken, wie schon aus der Verdoppelung des Gaumenlautes erhellet. S. Recken. Mit einem andern Endlaute gehöret auch rathen hierher, und im Isländ. sind rietta und reikia gleichbedeutend. S. Gerade und Gerecht, Gerathen und Gereichen.