Adelung Wörterbuch
Rêcht
, adj. welches so wie das vorige Nebenwort gleichfalls nicht compariret wird, und in einer doppelten Hauptbedeutung üblich ist. 1. Die rechte Hand, diejenige, welche gemeiniglich am stärksten, zu den Verrichtungen am geschicktesten ist, und daher auch zu den Handarbeiten am meisten gebraucht wird; im Gegensatze der linken Hand. Daher auch alles, was sich an dieser Seite des menschlichen Leibes und figürlich auch an den thierischen Körpern befindet, mit diesem Beyworte bezeichnet wird. Die rechte Seite, das rechte Auge, der rechte Fuß. Ingleichen was sich auch außer dem menschlichen Körper auf dieser Seite befindet. Der rechte Flügel einer Armee, im Gegensatze des linken. Rechter Hand, d.i. zur rechten Hand, auf die Seite, nach der Richtung der rechten Hand. Sich rechter Hand wenden. Das Dorf liegt rechter Hand. Einen Weg rechter Hand liegen lassen. Jemanden die rechte Hand lassen, ihn oben an, zur rechten Hand gehen lassen. Jemandes rechte Hand seyn, figürlich, ihm mit Rath und That unentbehrliche Dienste leisten. Die rechte Hand, oder Rechte Gottes, in der Deutschen Bibel, dessen unumschränkte Macht. Auch in der höhern Schreibart wird das Beywort in Gestalt eines Hauptwortes gebraucht, die Rechte für die rechte Hand. So bald der Speer der schrecklichen Minerva seine Rechte füllte, Ramml.
Im Oberdeutschen ist auch dafür gerecht üblich. Und trat gleich darein mit dem gerechten Fueßlein sein, Theuerd. Kap. 63. Das Nebenwort von recht in dieser Bedeutung lautet rechts, S. dasselbe.
Es hat alles Ansehen, daß recht in dieser Bedeutung nicht unmittelbar von der folgenden Bedeutung des gerade, der Richtung nach, oder einer ihrer Figuren abstammet, sondern zu rechen, reichen, in der weitesten Bedeutung der Bewegung, oder auch des Darreichens, an sich Nehmens u.s.f. gehöret, weil die rechte Hand zu diesen und andern ähnlichen Handlungen am häufigsten gebraucht wird. Das Lat. dexter leidet eine ähnliche Ableitung von δεικειν, δεικνυειν, zeigen, δειξις, das Zeichen, der Beweis, und unserm Intensivo zeichnen, Nieders. tekenen, Angels. taccan, bey dem Ulphilas taiknan. In unsern alten Oberdeutschen Schriftstellern kommt für recht in dieser Bedeutung beständig zesun, zeso, zeswa, zeseswa, zeschwa u.s.f. vor, und es scheint in dieser Bedeutung in einigen Oberdeutschen Gegenden noch üblich zu seyn. So viel ich weiß, hat noch niemand dessen Ableitung versucht; allein, wenn man erwäget, daß dieses Wort bey dem Ulphilas taihswo lautet, und das s und t in den Mundarten beständig in einander übergehen, wie auch hier aus dem Hochd. zeichnen und Niederd. tekenen erhellet, so siehet man bald, daß es mit diesen Wörtern gleichfalls zu dexter, δεικειν, u.s.f. gehöret. In den gemeinen Sprecharten sagt man für rechter Hand oder zur rechten Hand, von der Hand, von sich, im Gegensatze des zu der Hand, zu sich, d.i. linker Hand. S. auch Link.
2. Gerade, so wie das Nebenwort recht, Lat. rectus, Ital. retto und mit vorgesetztem d dritto, Franz. droit. Im Hochdeutschen ist es im eigentlichen Verstande auch hier veraltet; aber in einigen Oberdeutschen Gegenden sagt man noch eine rechte Linie, für eine gerade. Indessen stammen von dieser eigentlichen Bedeutung noch verschiedene figürliche ab, von welchen einige auch zu der vorigen ersten Bedeutung gehören können. Überhaupt scheinen sich alle diese figürlichen Bedeutungen, so wie bey dem Nebenworte, auf den Begriff der Gemäßheit, der Übereinstimmung, zu gründen, und nur in Ansehung des Gegenstandes derselben verschieden zu seyn. Merkwürdig ist indessen, daß das Bey- und Nebenwort hier nicht allemahl in einerley Fällen gebraucht werden, ob sie gleich in einigen zusammen treffen. Ohne Zweifel ist hiervon noch derjenige Gebrauch ein Überbleibsel, da man einen von einer perpendiculären auf einer horizontalen Linie gemachten Winkel, oder einen Winkel von 90 Graden, einen rechten Winkel, angulum rectum, zu nennen pflegt, im Gegensatze eines schiefen Winkels.
1) In Ansehung der Richtung, so wie das Nebenwort; doch hier auch nur in den Zusammensetzungen scheitelrecht, wagerecht, senkrecht, wasserrecht u.s.f. Wo es im Nothfalle auch die Comparation leidet.
2) Dem körperlichen Umfange nach; doch nur in einigen gemeinen Sprecharten, wofür im Hochdeutschen gerecht vorkommt. Ein rechtes Kleid, ein gerechtes. Ein in alle Sättel rechter, gerechter Mann. S. Gerecht.
3) Mit der Sache selbst genau überein stimmend, wie das Nebenwort recht 2. 4).
(a) In mehr eigentlichem Verstande, wo es für wahr, im Gegensatze des falsch, gebraucht wird, aber in dieser Bedeutung doch nur im gemeinen Leben und in der vertraulichen Sprechart gangbarer ist, als in der edlen und anständigen Schreibart. Der rechte Gott, besser der wahre, im Gegensatze falscher Gottheiten. Die rechte Bedeutung eines Wortes, die wahre. Es ist mein rechter Ernst. Der rechte Glaube, der wahre. Warum tadelt ihr die rechte Rede? Hiob 6, 25. Eine Sache aus dem rechten Gesichtspuncte ansehen. Der rechte Erbe, im Gegensatze des falschen, angeblichen Erben. Klugheit ist das rechte graue Haar, Weish. 4, 9; welches ganz etwas andres ist als recht graues Haar, S. das Nebenwort Recht 2. 4) (c). Den rechten Grund wissen wollen. Da nennt man doch ein Verbrechen bey seinem rechten Nahmen, Weiße. Eine Stelle im Zuchthause muß dagegen eine rechte Glückseligkeit seyn, Gell.
Der rechte Vater, die rechte Mutter, der rechte Bruder, die rechte Schwester, im Gegensatze des Stiefvaters, der Stiefmutter u.s.f. Rechte Kinder, leibliche Kinder, im Gegensatze der Stiefkinder. In einem andern Verstande sind rechte Kinder rechtmäßige, eheliche; da gehöret es aber zur folgenden sechsten Bedeutung.
(b) Nach einer noch weitern Figur bekommt das Beywort, so wie das Nebenwort, sehr oft eine intensive Bedeutung, für vorzüglich, groß u.s.f. in welchem Verstande es aber auch nur in der vertraulichen Sprechart üblich ist. Das ist eine rechte Plage, eine wahre, große Plage. Das ist ja eine rechte Hofsprache, Gell. Ich habe noch nicht rechte Lust zu gehen. Ich habe eine rechte Freude darüber. Er ist ein rechter Narr. Er ist ein rechter Medicus, ein überaus geschickter. Welche eine gräuliche und rechte Nacht war, Weish. 17, 14. Das war ein rechter Lärm. Nun geht erst die rechte Schwierigkeit an.
 
Der Teufel! seht, das war ein rechtes Rad,
Gell.
 
Das war ein rechter Staar, ich hatt ihn aufgezogen,
ebend.
 
Da es denn im ironischen Verstande auch ohne Hauptwort gebraucht wird. Du bist mir auch der rechte. Er ist der rechten einer. Da sind sie zum rechten gekommen. Ihr seyd die rechten.
Wenn es aber im ungewissen Geschlechte als ein Hauptwort gebraucht wird, so bedeutet es, doch immer noch im gemeinen Leben, etwas Vorzügliches, Wichtiges. Er hat was Rechtes gelernet. Mir haben was Rechtes gelacht, gar sehr. Das wäre auch was Rechtes! Sie wissen doch nichts Rechtes mit dem Briefe anzufangen. Es ist nichts Rechtes, niemand von Bedeutung.
4) Der Vollkommenheit gemäß; wo es nur in einigen gemeinen Sprecharten für echt, im Gegensatze des falsch oder unecht, gebraucht wird. Rechte Perlen, echte, wahre. Rechtes Gold, echtes.
5) Dem Endzwecke, der Absicht, der Bestimmung, den Umständen gemäß, im Gegensatze des unrecht. Das sind nicht die rechten Mittel. Den rechten Weg gehen. Das ist nicht der rechte Schlüssel. Die rechte Seite eines Tuches, im Gegensatze der unrechten. Etwas an dem rechten Orte angreifen. Zur rechten Zeit kommen. Vor die rechte Schmiede gehen. Die rechte Weite, Größe, Höhe haben. Ein Ding liegt an seiner rechten Stelle, an seinem rechten Orte, der ihm zukommt oder der unserer Absicht nach der bequemste ist. Der rechte Gebrauch der Sache, der ihrem Zwecke gemäß ist. Ihm stehet das Maul auf dem rechten Flecke, in der niedrigen Sprechart. Die Wissenschaft zu rechter Zeit ein Thor zu seyn, ist noch die einträglichste unter allen.
 
Ruh etwas aus und iß dich satt,
Und warte bis dein Fuß die rechten Kräfte hat,
Gell.
 
6) Dem Gesetze gemäß, für rechtmäßig; doch in den meisten Fällen auch nur im gemeinen Leben. Die rechte Frau, die eheliche, im Gegensatze einer Beyschläferinn. Rechte Kinder, eheliche, im Gegensatze unehelicher. Das gehet nicht mit rechten Dingen zu, nicht auf eine rechtmäßige, erlaubte Art, nicht durch rechtmäßige Mittel. Rechte Wage, rechte Pfunde, rechte Scheffel, rechte Kannen sollen bey euch seyn, 3 Mos. 19, 36; im Gegensatze der falschen. Zu rechter Vormittagszeit vor Gerichte erscheinen, in der Gerichtssprache, zu der gehörigen, in den Rechten bestimmten.
In noch weiterer Bedeutung wurde es ehedem auch für gerecht gebraucht, in welcher im Hochdeutschen veralteten Bedeutung es noch in der Deutschen Bibel vorkommt. Ein rechtes Gericht, 5 Mos. 16, 18. Der rechte Richter, Ps. 7, 12; Ps. 9, 5. Eine rechte Sache, Richt. 15, 3.
Siehe die Anmerkung zu dem folgenden Hauptworte Recht.
 
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