Adelung Wörterbuch
Lêhnbrêt
, des -es, plur. die -er, ein Bret, woran man sich lehnet, besonders bey den Weißgärbern, woran sie sich bey dem Abschaben der Felle mit dem Leibe lehnen.  
1. Lehne
, (mit einem hellen e,) adj. et adv. welches nur im Landbaue Obersachsens üblich ist. Wenn der Weitzen vor völliger Reife in die Banse gelegt wird, pflegt er sich zu beseichen, oder er wird lehne. Es scheinet hier das auch im Nieders. übliche leen, löne, mager, abgezehrt, zu seyn, Angels. hleane, Engl. lean. Im Schwed. ist len weich, im Isländ. linur, und im Angels. lith, gelinde. Beyde vielleicht gehören zu dem Geschlechte der Wörter linde, lenis, -lein u.s.f.
 
2. Lêhne
, adj. et adv. in den gemeinen Sprecharten, schräge in die Höhe, mit dem Horizonte einen spitzigen Winkel machend; im Gegensatze des steil. Der Berg gehet ganz lehne, erhebt sich ganz sanft. S. 4. die Lehne.
 
1. Die Lehne
, (mit einem hellen e,) plur. die -n, eine Art des Ahorns oder Maßholders, welche in Norden und Niedersachsen häufig wächset, eine weiße und glatte Rinde hat, und zwar zu einem großen Baume in den Wäldern wird, aber doch kleiner bleibt, als der gemeine Ahorn; Acer platanoides L. In den gemeinen Sprecharten heißt er Lenne, Löhne, Leinbaum, Leimbaum, in Sachsen Linbaum, in der Schweiz Leinahre, an andern Orten, wegen seiner breiten Blätter, Breitlaub, Breitblatt, Breitlöber, Weinblatt, und wegen der fünffach gezackten Blätter Gänsebaum. Der Nahme Lehne schient seinen geringern Wachsthum zu bezeichnen, und so viel als kleine Ähre oder kleiner Ahorn zu bezeichnen. S. 1. Lehne Beywort und -Lein. Übrigens wird auch die Ulme in einigen Gegenden Leimbaum genannt.
 
2. Die Lehne
, (auch mit einem hellen e,) plur. die -n, in einigen Gegenden, ein wildes Schwein weiblichen Geschlechtes, welches am häufigsten eine Bache genannt wird. Gewiß nicht, wie Frisch glaubt, weil sich der Eber auf sie lehnet. Schon in dem Capitul. de Villis c. 40 bedeutet Leha, (wo aber für et Lehas unrichtig Etlehas gedruckt ist,) und im Franz. Laye, ein solches wildes Schwein weiblichen Geschlechtes. Das n ist in vielen Wörtern ein Zusatz nieselnder Mundarten.
 
3. Die Lehne
, (mit einem dunkeln e,) plur. die -n, in einigen Gegenden, ein Nahme des Achsnagels, welcher an andern Orten mit der intensiven Endung die Lünse genannt wird, da denn beyde im gemeinen Leben häufig in Lönse, Lünsch, Leine, Lan, Lyn, Lihn u.s.f. verderbt werden. Im Böhmischen heißt dieser Achs- oder Vorstecknagel Launek. Weil an den Rüstwagen dieser Nagel in einer langen Stange befestiget ist, an welche sich die Leitern lehnen, so leitet Frisch es von diesem Worte ab. Allein, da die wenigsten Achsnägel solche Stangen haben, und doch Lehnen heißen, so scheinet dieses Wort zu einem andern Geschlechte zu gehören. Vielleicht zu Lanze. Eine Decklehne ist eine solche Lehne mit einem breiten Bleche, den Koth abzuhalten.
 
4. Die Lehne
, (auch mit einem dunkeln e,) plur. die -n, ein Wort, welches den Begriff der schiefen Richtung, der Abweichung von der senkrechten Linie hat. 1) Die abhängige Seite eines Berges oder Hügels, besonders wenn sie sich sanft, nicht steil erhebt, wird in vielen Gegenden eine Lehne genannt. Die Sommerlehne, die mittägliche Seite eines Berges. Die Winterlehne, die mitternächtliche. Daher denn an einigen Orten auch solche sanft aufsteigende Hügel oder kleine Berge selbst Lehnen, und wenn sie sich auf dem Acker befinden, Ackerlehnen und Feldlehnen genannt werden. Schon bey dem Ulphilas ist Hlains ein Hügel, Schwed. Lena; wohin auch das Griech. κολωνƞ gehöret. 2.) Die schiefe Richtung selbst; im gemeinen Leben einiger Gegenden und ohne Plural. In der Lehne stehen, eine von der senkrechten Richtung abweichende Stellung haben. Ein Mensch lieget in der Lehne, wenn er sich an etwas lehnet. 3) Derjenige Theil an einem Dinge, woran man sich lehnet. Die Lehne an einem Stuhle, an einer Bank. Die Armlehne eines Stuhles, worauf man den Arm lehnet. Die Brustlehne, z.B. an einem Fenster, worauf man sich mit der Brust lehnet. Eine Lehne, so fern dieses Wort unmittelbar von dem Zeitworte lehnen abstammet, bedeutet bloß ein Ding, dessen einzige und nächste Bestimmung ist, sich daran oder darauf zu lehnen. Ist aber ein solches Ding zunächst dazu bestimmt, das Hinunterfallen anderer Körper zu verhindern, so heißt es ein Geländer, welches Wort allem Ansehen nach zu einem ganz andern Stamme gehöret. Indessen werden doch beyde häufig verwechselt; besonders wenn ein solches Geländer auch zugleich zur Lehne dienet. Wenn du ein neu Haus bauest, so mache eine Lehne darum auf deinem Dache, auf daß du nicht Blut auf deinem Hause ladest, wenn jemand herab fiele, 5 Mos. 22, 8; wo eigentlich das Wort Geländer stehen sollte.
Nieders. Läne. Willeram nennt eine Lehne in der letzten Bedeutung Lineberga, von leinen, lehnen. S. das folgende Zeitwort.
 
1. Lêhnen
, verb. reg. welches in einer doppelten Gestalt üblich ist. 1. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, in der Stellung von der senkrechten Richtung abweichen. Die Säule lehnet, stehet nicht gerade. Besonders und am häufigsten, in solcher Stellung einen andern Körper berühren, der den erstern dadurch in der Bewegung aufhält, einen Theil seiner Schwere träget. Der Stock lehnet an der Wand. Eine Schaufel, so bey der Wand leinet, Theuerd. Er linete uber sine krucke, in dem alten Fragmente auf Carln den Großen bey dem Schilter. Doch in dieser ganzen Form ist es in den gemeinen Sprecharten, besonders Oberdeutschlandes, am üblichsten.
2. Als ein Activum, in einer von der senkrechten Richtung abweichenden Stellung an einen andern Körper legen. Lehne den Schrank an die Wand. Die Götzen, welche sich nicht aufrichten, so man sie lehnet, Baruch 6, 26. Eine jegliche Achse (an den vier Gestühlen) gegen der andern über, unten an den Kessel gelehnet, 1 Kön. 7, 30; wo es für legen zu stehen scheinet. Am häufigsten als ein Reciprocum. Sich auf etwas lehnen. Sich auf das Fenster lehnen. Sich auf einen Sack lehnen. Er lehnete sich an die Wand.
Das Hauptwort die Lehnung ist nicht üblich.
Anm. Bey dem Kero hlinen, im Tatian linen, bey dem Willeram leinen, im Oberd. noch jetzt leinen, im Angels. hlionan, hlynian, im Engl. to lean, im Dän. läne, im Schwed. läne, im Lat. clinare, im Griech. κλινειν, deren Gaumenlaut auch in den alten Deutschen Mundarten nicht selten ist. Es gehöret zu dem Beyworte lehne, abhängig, und scheinet mit legen und liegen Eines Geschlechtes und vielleicht ein Inchoativum von denselben zu seyn, welches vermittelst der Sylbe -nen aus ihnen gebildet worden; lehnen, leinen, für legenen, liegenen, anfangen zu liegen, mit der nicht ungewöhnlichen Ausstoßung des Gaumenlautes. S. -Nen. Bey dem Kero und im Tatian kommt hlinen und linen wirklich für liegen vor, und noch jetzt werden beyde Zeitwörter oft für einander gesetzt. Lehnet euch unter dem (den) Baum, 1 Mos. 18, 4; ruhet euch unter dem Baum aus, Michael. In den Zusammensetzungen ablehnen und auflehnen hat es einige figürliche Bedeutungen, welche dem Zeitworte legen gleichfalls nicht fremd sind.
 
2. Lehnen
, (mit einem hellen e,) verb. reg. welches in einer doppelten Gestalt üblich ist.
1. Als ein Activum. 1) * Geben überhaupt, den Gebrauch oder Besitz einer Sache übertragen, ohne die Art und Weise zu bestimmen; eine im Deutschen veraltete Bedeutung, von welcher sich doch in den verwandten Sprachen häufige Spuren finden. Das Schwed. läna bedeutet geben, bewilligen, und das Finnländ. lahjan schenken. S. Leihen, welches in dieser allgemeinen Bedeutung gleichfalls üblich war. Man gebraucht dieses Wort jetzt nur noch in engerm Verstande, den Gebrauch, Nießbrauch einer Sache auf eine Zeit verstatten, besonders, wenn es unentgeldlich geschiehet; denn wenn etwas dafür entrichtet wird, so sind die Ausdrücke miethen und pachten üblicher, ob es gleich auch, besonders in den Zusammensetzungen, Fälle gibt, wo die Vergütung nicht ausgeschlossen wird. Jemanden ein Buch, sein Pferd, ein Haus lehnen. Cajus bat mich, ihm meinen Wagen zu lehnen.
 
Hierzu nun sollen uns auch ihre Stimmen lehnen
Die welschen Druides und indischen Bramenen,
Opitz.
 
In dieser Bedeutung ist es, so wie borgen, obgleich dieses von weiterm Umfange der Bedeutung ist, im gemeinen Leben und der vertraulichen Sprechart der Ober- und Niedersachsen am üblichsten; dagegen im Oberdeutschen und in der edlern Sprech- und Schreibart der Hochdeutschen leihen gangbarer ist. S. dieses Wort. Nach einer andern Einschränkung bedeutete es, so wie leihen ehedem auch, als ein Lehen geben, überlassen; jemanden ein Gut lehnen oder leihen, wofür man doch jetzt lieber sagt, es ihm zu Lehen geben. Nur das zusammen gesetzte belehnen, wofür man wohl nicht leicht beleihen finden dürfte, erhält dieses Wort noch. 2) Nehmen, empfangen, doch gleichfalls nur noch in der vorigen engern Bedeutung, eine Sache zum Gebrauche, besonders zum unentgeldlichen Gebrauche, auf eine Zeit verlangen und bekommen; entlehnen, borgen, leihen. Es ist nicht mein eigen, es ist nur gelehnet. Etwas von einem lehnen. Geld von seinem Freunde lehnen.
2. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben. 1) Bey jemanden zu Lehen gehen, als ein Lehen, Feudum, von ihm abhängen, bey den Schriftstellern des Lehnrechtes. Das Gut lehnet dem Fürsten, rühret als ein Lehen von ihm her. 2) Zur Lehenware verpflichtet seyn, es auch von Erbzinsgütern gebarucht wird, wenn diese den Nahmen der Lehen führen. So viel der Acker zinset, so viel lehnet er auch. Aus welchem Grundsatze es vermuthlich herrühret, daß lehnen oft auch für zinsen überhaupt gebraucht wird. Der Acker lehnet zwölf Gulden, gibt so viele Erbzinsen; wenn anders nicht hier noch die obige allgemeinere Bedeutung zum Grunde lieget.
Das Hauptwort die Lehnung ist in den Zusammensetzungen üblicher als in dem einfachen.
Anm. In den Greifswaldischen kritischen Versuchen, und in dem Hamburgischen gemeinnützigen Magazine wird behauptet, daß lehnen in der ersten thätigen Bedeutung unrichtig sey, indem der Geber leihe, der Nehmer aber nur lehne. Dieser Unterschied müßte doch einen Grund haben, wenn er nicht bloß willkührlich seyn soll; allein der Gebrauch, so wohl der Deutschen, als aller verwandten Sprachen, die Analogie der Wörter leihen und borgen, und selbst die Abstammung beweisen gerade das Gegentheil. Dieses Wort lautet im Nieders. und Holländ. leenen, im Angels. hlaenan und laenan, im Dän. laane, im Schwed. läna oder låna, im Finnländischen lainan; alle so wohl von dem Geben, als auch von dem Nehmen, in welchem doppelten Verstande sogar schon das einfachere lewjan und lechwan bey dem Ulphilas, und הול im Hebräischen, vorkommen. Warum sollte denn lehnen allein im Deutschen so eingeschränkt seyn? Forschen wir dem Ursprunge dieses Wortes weiter nach, so ist es vermittelst der Ableitungssylbe -nen unstreitig aus leihen, ehedem lehen gebildet, und lehnen, stehet für lehenen. Noch im Schwabenspiegel wird Lehenung durch locatio et conductio erkläret. Die Endsylbe -nen, welche Ihre in diesem Worte sehr unwahrscheinlich für das Zeitwort na, nehmen, und aus diesem Grunde die Bedeutung des Nehmens für die eigentlichste hält, bezeichnet theils einen Anfang, wie vielleicht in dem vorigen 1. Lêhnen und in den Latein. Zeitwörtern auf sco, theils eine Verursachung, wie in öffnen, offen machen, warnen, wahrnehmen machen, festenen, fest machen u.s.f. theils eine bloße Intension, wie in sehnen, von sehen, u.a.m.S. -Nen. Man nehme hier welche Bedeutung man will, so wird man nichts für den behaupteten Unterschied daraus schließen können, und lehnen kann so gut von dem Geber gesagt werden, als das einfachere leihen, und in belehnen ist diese gebende Bedeutung unstreitig. Es kommt hier also bloß auf den Gebrauch an, und dieser beweiset weiter nichts, als daß lehnen bey den Oberdeutschen am sparsamsten vorkommt, in Niederdeutschland und den nördlichern Sprachen aber einheimisch ist, und vermuthlich aus dem Niedersächsischen in die vertrauliche Sprechart der Hochdeutschen aufgenommen worden. S. Leihen und Lohn.
 
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