Adelung Wörterbuch
Heucheln
, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert. 1) In der weitesten Bedeutung, schmeicheln, Liebkosungen erweisen, schmeichelnd, liebkosend bitten, sich freundschaftlich stellen, mit der dritten Endung der Person; in welcher Bedeutung es im Hochdeutschen wenig mehr gebraucht wird. Er wird heucheln und gute Worte geben dem Gottlosen, Dan. 11, 32. Und machen ein löblich Bild des – Königes, auf daß sie mit Fleiß heucheln möchten dem Abwesenden, als dem Gegenwärtigen, Weish. 14, 17. Und da er bey dem Könige in Gnaden kam, heuchelte er ihm, und brachte das Hohepriesterthum an sich, 2 Macc. 4, 24. Meinest du, er werde dir viel Flehens machen, oder dir heucheln? Hiob 50, 22. 2) In engerm Verstande, aus Begierde zu gefallen, anders sprechen und handeln als man denkt. Der rechtschaffene Mann heuchelt nicht, sondern spricht, wie es ihm um das Herz ist. Zuweilen auch mit der dritten Endung der Person, einem heucheln, oder mit dem Vorworte gegen, gegen jemanden heucheln; aber nicht mit dem Vorworte mit, wie es Ps. 12, 3, und Sprichw. 29, 5 gebraucht wird. 3) In noch engerer Bedeutung, aus Begierde zu gefallen, sich besser, freundschaftlicher stellen, als man wirklich gesinnt ist; wo es denn so wohl absolute, als auch mit der dritten Endung der Person oder dem Vorworte gegen gebraucht wird. 4) Im engsten Verstande, im Äußern ein besseres Betragen gegen Gott zeigen, als die innere Gesinnung verstattet. Das Hauptwort die Heuchelung ist ungewöhnlich. Siehe Heucheley. Anm. In unsern ältesten Schriften kommt dieses Wort nicht vor, so wie es auch den Niedersachsen unbekannt ist, obgleich die Dänen hykle, und die Schweden hyckla für heucheln, und Hycklare für einen Heuchler und Schmeichler gebrauchen. Dieses Stillschweigen macht dessen Abstammung schwer. Dietrich von Stade leitet es von Gauch, Junius vom Angels. viglian, muthmaßen, errathen, Wachter von εικελος, ähnlich, so wie die Lateiner von similis simulare gebildet haben, und noch andere von dem Griech. αικαλλω, ich schmeichele, ab. Frisch und andere sehen es als das Diminut. von hauchen an, schreiben es daher auch häucheln, und erklären es durch, jemanden einen Bisamhauch zuwehen. Ihre stimmet dem Martinius bey, der es von dem Holländ. Huik, ein Mantel, abstammen lässet, mit welchem Worte man auch im Hochdeutschen figürlich sagt, den Mantel nach dem Winde hängen. Lauter Ableitungen, denen man das Gezwungene und Seltsame bey dem ersten Blicke ansiehet. Ungeachtet dieses Wort in unsern ältesten Denkmählern zur Zeit noch nicht angetroffen worden, so ist es doch vermuthlich sehr alt, und zu einer Zeit gebildet worden, da man in Deutschland von dem Bisamhauche noch nichts wußte, gesetzt man hätte ihn auch jemahls auf diese Art gebraucht, welches in Ansehung der Europäischen Sitten noch ganz unerwiesen ist. Die Meklenburger gbrauchen für heucheln, besonders wenn es durch einen verstellten Beyfall geschiehet, ögeln, Hochd. äugeln, und ein solcher Heuchler heißt bey ihnen Ögler, Schwed. Öglare, Holländ. Ooghler. Eben dieselben gebrauchen heucheln für lächeln, so wie in andern Mundarten schmeicheln in eben diesem Verstande üblich ist. In andern Niedersächsischen Gegenden, besonders um Hamburg, wird für heucheln oder schmeicheln, fiecheln und fucheln gebraucht, welches zu fackeln, fachen Fächer u.s.f. gehöret, und eigentlich sich hin und her schmiegen und biegen bedeutet, welches bey Hunden und zuweilen auch bey Menschen ein Zeichen der Schmeicheley ist. Aus diesem fiecheln, fucheln, muß auch das mittlere Lat. foculare, schmeicheln, hergeleitet werden. Man wähle, welche Abstammung man will, so wird sie allemahl natürlicher seyn, als die von Hauch. Siehe auch Schmeicheln, welches mit diesem Worte so wohl in dessen ersten Bedeutung, als in der Abstammung vieles gemein hat. Aus allem erhellet, daß die Begierde zu gefallen das unterscheidende Merkmahl dieses Wortes ist, welches dasselbe von dem Geschlechtsworte verstellen und Verstellung, und von der Nebengattung gleißen und Gleißnerey unterscheidet.