Adelung Wörterbuch
* Hêhr
, adj. et adv. welches im Hochdeutschen völlig veraltet ist, aber in den Schriften der mittlern Zeiten so wohl Ober- als Niederdeutschlandes noch häufig vorkommt. Es bedeutet eigentlich hoch und gehöret zu dem Geschlechte des ar, er, or, welches in diesem Verstande in allen Europäischen Sprachen vorkommt; S. 5. Er, Ehre, Herr, Ur und Vor. Im figürlichen Verstande bezeichnete es, 1) erhaben, der Würde, dem Vorzuge nach; daher die hohe Messe ehedem mehrmahls die Hehrmesse genannt wurde. Manige bischof also herin, in dem alten Gedichte auf den heil. Anno V. 104. Heilig und her ist sein Nahme, Ps. 111, 9; wo es Luther durch schrecklich, furchtbar, erkläret. Das Griech. ƞρως, ein Held, scheinet damit verwandt zu seyn. 2) Heilig, wo es mit dem Griech. ἱερος überein kommt. Der here Nahmen Jesu Christ; Mechtildis die here, in den Scriptor. Brunsuic. bey dem Frisch. 3) Werth, lieb, theuer.  
Suesse minne twing die heren
Das sie erkenne minen senden pin,
Walther v. Klingen.
 
Wil de vil here das ich vro beste,
Markgr. Heinrich von Meißen.
 
4) Froh, vergnügt; in welchem Verstande auch heer im Niedersächsischen üblich ist.
Diu machet mich so rehte her,
Reinmar der Alte.
 
Mehrere Beyspiele führen Frisch v. Hehr und Schilter v. Her an, woraus zugleich erhellet, daß so wohl ehe, eher, als Ehre, Herr, Herrlich und andere mehr von diesem alten Worte abstammen.
 
1. Die Heide
, plur. inus. ein besonders in Niedersachsen übliches Wort, das Werrig von dem Haufe und Flachse zu bezeichnen, S. Hede.
Ein anderes Niedersächsisches mit diesem gar nicht verwandtes Wort ist Heide, so fern es etwas bedeutet, welches man zusammen sparet und verstecket. Eine Heide Äpfel oder Birnen, Äpfel oder Birnen, welche man sammelt und heimlich aufhebet. In dem Bremisch-Nieders. Wörterbuche wird es sehr wahrscheinlich von höden, hüden, hüthen, oder auch von hägen, sparen, abgeleitet.
 
2. Die Heide
, plur. inus. eine Pflanze, welche viele holzige, harte, braunrothe Stängel und eine Menge Blätter treibet, welche den Tamarisken-Blättern gleichen, und beständig grün bleiben; Erica L. besonders dessen Erica vulgaris, welche bey uns an unfruchtbaren Örtern, besonders auf den dürren Heiden in großer Menge wächset, und auch Heidekraut, in Niedersachsen auch Brüsch genannt wird. Nieders. Heide, Heede, Heen, Angels. Haeth, Engl. Heath. Vermuthlich hat diese Pflanze den Nahmen von ihrem gewöhnlichsten Aufenthalte, d.i. den unfruchtbaren Heiden, da denn der Nahme Heide aus Heidekraut verkürzet seyn würde; obgleich andere es umdrehen und die Heiden von dieser Pflanze benannt wissen wollen. Indessen stehet es noch dahin, ob nicht die verworren unter einander gewachsenen Stängel zu dessen Benennung Anlaß gegeben, da denn der Deutsche Nahme Heide, zu dem Nieders. Heide oder Hede, (S. Hede,) der Latein. Nahme Erica aber zu unserm Werrig, Werk gehören würde. Auch der wilde Roßmarin, Porsch, Post oder Mutterkraut, welcher in den Sümpfen wächset, Ledum palustre L. wird in einigen Gegenden weiße Heide genannt.
 
3. Die Heide
, plur. die -n, ein sehr altes Wort, welches ehedem so wie das heutige Feld oder Land den Städten und bewohnten Örtern entgegen gesetzet wurde, in welcher jetzt veralteten Bedeutung es in den ältesten und mittlern Zeiten noch häufig vorkommt. So bedeutet Haithi bey dem Ulphilas das Feld; wie Matth. 6, 28, Blomans haithjos, die Blumen des Feldes; V. 30, Havi haithjos, das Heu des Feldes; Marc. 1, 6, Milith haithivisn, wildes Honig. So auch bey den Schwäbischen Dichtern, wo es häufig für Flur gebraucht wird.
 
Wie ich danne sunge von den vogellinen
Von der Heide und von den bluomen,
Walther von der Vogelweide.
 
Eine schoene wol gezieret Heide
Dar abe man bluomen bricht wunder,
Walther von der Vogelweide.
 
Da singe ich von der Heide und von dem gruenen kle,
der von Singenberg.
 
Und so in vielen andern Stellen mehr, wovon einige auch die folgende Bedeutung eines Waldes leiden. Über Heide und über Wiese, hieß ehedem so viel als über Stock und Stein, über Berg und Thal. Noch jetzt heißt im Niedersächsischen Heide und Weide in verschiedenen sprichwörtlichen R.A. so viel als alles mit einander, wo es in Hamburg Hey und Wey lautet; einem Heide und Weide vorrücken, alle genossene Wohlthaten. Auch im Wallis. bedeutet Haithio den Acker, S. Heideschwamm. In dieser weitern Bedeutung ist es im Hochdeutschen veraltet, wo man es nur noch in folgenden zwey Fällen gebraucht, welche Überbleibsel derselben zu seyn scheinen. 1) Ein großer mit Tangel- oder schwarzem Holze bewachsener Wald, in welchem Verstande es in Ober- und Niedersachsen häufig ist. In dem Sachsenspiegel heißt es B. 2, Art. 61: Drey Heiden sint binnen Sachsen, do den wilden thieren fride gemacht ist by Königsbann, ane den beeren, wolffen, füchsen. Die Heiden heissen Bannförste. daz eyne ist die Heide zv Koyne. der ander ist der Harz. der dritte di Meideheide. Die Dübensche Heide, die Torgauische Heide, sind noch jetzt in Sachsen bekannt und ansehnliche Wälder, so wie die Brandsheide, im Zerbstischen, die Gardelegische Heide in der Altmark, die Mosikauer und Qualendorfische Heide im Dessauischen u.a.m. Indessen gebraucht man doch in der edlen Schreibart statt dieses Ausdruckes lieber das Wort Wald, ungeachtet es auch an Beyspielen des Gegentheiles nicht fehlet.
 
Gehabt euch wohl ihr Nymphen in der Heide,
O Pan, ich muß von dir,
Opitz.
 
Nur der güldne Hämmerling sitzt im Haselgebüsche
Auf dem schwankenden Ast, und singt den ruhigen Heiden
Stets eintönig sein Lied,
Zachar.
 
Im alt Schwedischen war Id, Ed gleichfalls ein Wald. S. Hain, welches vielleicht mit diesem Worte verwandt ist. 2) Ein unfruchtbares ebenes Feld, welches ungebauet lieget, weil es weder Getreide noch brauchbares Gras, sondern nur Heidekraut, Geniste und anderes Gesträuch träget, und in Obersachsen eine Lehde, in Oberdeutschland eine Ägerte, Egerte, Egde, (vielleicht von Ericetum, und dieß von Erica, Heidekraut,) und in Rußland eine Steppe genannt wird. Im Nieders. gleichfalls Heide, wo vornehmlich die Lüneburgische Heide, so wie die Rastätter Heide in der Markgrafschaft Baden, in diesem Verstande bekannt sind. Der wird seyn, wie die Heide in der Wüsten, Jer. 17, 6; Kap. 48, 6. David war in der Wüsten Siph in der Heide, 1 Sam. 23, 15, 19. Wie der Löw das Wild frißt in der Heide, Sir. 13, 23. Im Angels. Haeth, im Engl. Heath, im Schwed. Hed, im Dän. Heede. Wachter leitet es in dieser Bedeutung von haed, ha, hoch, ab, und will, daß es eigentlich ein hoch gelegenes Land bedeute; andere von dem Heidekraute, S. 2. Heide. Man könnte auch leicht auf das Deutsche Öde fallen, wenn es nicht glaublicher wäre, daß es in diesem Verstande ein Überrest der allgemeinen Bedeutung eines Feldes, im Gegensatze der bewohnten Städte und Örter wäre. Werden doch von unserm Deutschen Land wüste und unbebauete Gegenden im Französischen les Landes und im Ital. le Lande genannt, wenn nicht diese Wörter durch das von nieselnden Mundarten eingeschobene n aus unserm Lehde gebildet worden. S. dasselbe. Auf der Insel Madagascar heißt eine Wüste gleichfalls Heta.
 
4. Der Heide
, des -n, plur. die -n, Fämin. die Heidinn, plur. die -en, eine Person, welche außer der Erkenntniß des wahren Gottes lebet, ein Ungläubiger in weitern Verstande; daher im alten Testamente alle Völker außer den Juden, heut zu Tage aber alle außer den Juden, Christen und Türken, Heiden genannt werden, ob man gleich in den mittlern Zeiten auch die Türken mit zu den Heiden zu zählen pflegte. In einigen Gegenden sind sie Zigeuner unter dem Nahmen der Heiden in engerer Bedeutung bekannt. Auch ein noch ungetauftes Kind wird im gemeinen Leben häufig ein Heide genannt, weil es noch nicht auf eine sichtbare Art in die Gemeinschaft des wahren Gottes aufgenommen ist. S. Heidenhaut und Heidenhaar.
Anm. Man hat von diesem dunkeln Worte allerley Ableitungen versucht. Schilter leitet es von Heide, Hain, ein Wald, her, weil die abgöttischen Deutschen ihren Götzendienst vornehmlich in den Wäldern zu verrichten pflegten; Gudmund Andreä von dem alten Schwed. Heid, Reichthum, weil sie diesen als das höchste Gut verehret; Wachter von αθεος; Frisch und andere von εθνƞ, εθνικος, welche Ableitung dadurch einigen Schein erhält, daß in dem Angelsächsischen Gesetze das Griech. εθνƞ ausdrücklich durch Haethne gegeben wird, anderer Versuche zu geschweigen. Allein, wenn man die alte Schreibart dieses Wortes und dessen Gestalt in den verwandten Sprachen betrachtet, so wird man auf eine weit wahrscheinlichere Spur gerathen. Bey dem Ottfried heißt der Heide Heithiner, in den Monseeischen Glossen Heidaner, bey dem Notker, in dem Schwabenspiegel, bey den Schwäbischen Dichtern und fast bey allen Schriftstellern des mittlern Zeitalters, und selbst noch jetzt im Oberdeutschen der Heiden, im Engl. Heathen, im Holländ. Heyden, im Dän. und Schwed. Hedning, im Isländ. Heidin, im Goth. bey dem Ulphilas Haithns. Diese Endung -ner, -ning und verkürzt -n, beweiset deutlich, daß unser Heide eigentlich ein abgeleitetes Wort ist, welches von Heide, das Feld, das Land, im Gegensatze der Stadt (S. 3. Heide,) gerade auf eben die Art gebildet worden, wie das spätere Lat. Paganus von Pagus. Es ist bekannt, daß, als Constantin und dessen Söhne die Götzendiener aus den Städten verbanneten, sich diese auf das Land und in die Dörfer, in Pagos, begaben, und daselbst ihren Götzendienst in der Stille fortsetzten, daher sie von den Lateinischen Christen gegen das Ende des vierten Jahrhundertes Pagani genannt wurden. Als die Deutschen sich zur christlichen Religion bekannten, übersetzten sie nebst vielen andern christlichen Kunstwörtern auch dieses wörtlich, und nannten einen Götzendiener einen Heidener, einen Bewohner des flachen Landes, woraus mit der Zeit der Heiden, und noch kürzer der Heide geworden. Hieraus erhellet zugleich, woher das n in den übrigen Endungen außer der ersten kommt. In den mittlern Zeiten wurden in Schweden die Adeligen Hedin genannt; allein dieses Wort hat allem Ansehen nach einen andern Ursprung, und stammet mit unserm Adel vermuthlich von Aet, Geschlecht, her, so wie das mittlere Lat. Gentilis, von Gens, in eben dieser Bedeutung gebraucht wurde.
Gottsched, der alle gleichlautende Wörter von verschiedener Bedeutung auch durch die Schreibart unterschieden wissen wollte, schrieb Hayde, ein Wald, Heide, ein unfruchtbares Stück Land, und Heyd, paganus; allein zum Unglücke war er in Ableitung der Wörter, die doch hier den Ton angeben sollte, fast alle Mahl unglücklich, daher diese und andere Neuerungen auch nur bey einigen wenigen seiner nächsten Anhänger Beyfall gefunden haben.
 
Sie können einen Link zu dem Wort setzen

Ansicht: * Hêhr