Adelung Wörterbuch
Eppich
, des -es, plur. car. S. Äppich und Epheu.  
1. Der Êr
, plur. ut nom. sing. ein Hauptwort, welches eines der ältesten in den Europäischen Sprachen ist, und einen Mann, besonders einen Ehemann bedeutet. Im Hochdeutschen ist es veraltet. Man gebraucht es nur noch in den gemeinen Mundarten so wohl Ober- als Niederdeutschlandes, das männliche Geschlecht mancher Thiere, besonders der Vögel auszudrucken. Ist es ein Er oder eine Sie? ist es ein Männchen oder ein Weibchen? Es ist ein Er.
Anm. Schon bey den alten Scythen bedeutete αορ, dem Herodotus zu Folge, einen Mann, womit das Latein. Vir, das Gothische Vair, das Isländ. Ver, das Finnische Uro, das alt Schwed. Wair, und vielleicht auch der Griechische Nahme des Mars αρƞς, sehr deutlich überein kommen. S. Wärwolf. Obgleich dieses alte Wort in der Gestalt eines Hauptwortes größten Theils bey uns veraltet ist, so lieget es doch in dem folgenden Pronomine, wie auch in der Endsylbe vieler Nennwörter zum Grunde. S. die beyden folgenden Artikel. Im Niedersächsischen heißt das Männchen der Thiere und besonders der Vögel de He, und im Diminut. dat Heken. Daß dieses Wort von dem Oberdeutschen Er nicht verschieden ist, wird bey dem Fürworte gezeiget werden. S. auch Hahn.
 
2. Er
, das persönliche Pronomen der dritten Person im männlichen Geschlechte, welches im Singular auf folgende Art abgeändert wird:
Nom. Er.
Genit. Seiner.
Dat. Ihm.
Accus. Ihn.
Von dem Plural, der allen drey Geschlechtern gemein ist, S. Sie.
Eigentlich ist dieses Pronomen ein beziehendes, welches alle Mahl auf eine vorher genannte Person oder Sache männlichen Geschlechtes deutet, und sich am liebsten zu Zeitwörtern gesellet. Was macht dein Bruder? Antw. Ich weiß nicht, was er macht. Wäre ich doch auch so glücklich wie er! Der Acker ist fruchtbar; allein er liegt mir zu weit. Wenigstens kann die dritte einfache Person der Zeitwörter, wenn sie männlichen Geschlechtes ist, dieses Pronomen nicht entbehren, es müßte denn durch ein anderes Nennwort unnöthig gemacht werden. Er schlägt. Er liebt. Er ging nach Hause. Wir suchten unsern Freund, allein wir fanden ihn nicht. Er bath mich, ich möchte mich seiner annehmen. Wenn mehrere Zeitwörter in der dritten Person zusammen kommen, kann es auch zuweilen verschwiegen werden. Tiren sagte, er wohne auf dem Lande, sey ein Schäfer und brauchte keinen Puder. Den Ton hat dieses Fürwort nie, außer wenn es denselben wegen eines besondern Nachdruckes erfordert. Er hat es gesagt, ér, und niemand anders. Er, dem ich so viele Wohlthaten erwiesen habe, ward mein Feind. Der Genit. seiner wird im Oberdeutschen und in der höhern Schreibart gern in sein abgekürzet. Erbarmen sie sich doch sein. Zuweilen kann dieses Pronomen auch als ein Hauptwort gebraucht werden.
 
Mein ander Ich ist todt; o ich, sein ander Er,
Ich wünschte, daß ich er, er aber ich noch wär,
Logau.
 
Von der Verwechselung dieses Fürwortes mit dem Reciproco sich, S. Sich.
Als man vor einigen Jahrhunderten anfing, diejenigen Personen männlichen Geschlechtes, welchen man Achtung schuldig zu seyn glaubte, nicht mehr du und ihr, sondern er zu nennen, so ward aus diesem eigentlich demonstrativo-relativen Pronomine wirklich ein persönliches. Es verdiente untersucht zu werden, wenn und bey welcher Gelegenheit das du und ihr von demselben verdränget worden. Da endlich auch dieses er nicht mehr hinlänglich schien, und man statt dessen die dritte vielfache Person einführete, so bedienet man sich des er jetzt nur gegen geringere Personen, die man aber doch höher achtet, als daß man sie mit ihr und du anreden sollte. Guter Freund, was macht er da? Unter den Landleuten, so wohl Ober- als Niederdeutschlandes, wo die modische Höflichkeit noch nicht hingekommen ist, ist das er noch das einzige bekannte Pronomen, höhere und vornehmere Personen anzureden.
Anm. Bey dem Übersetzer Isidors lautet dieses Wort ir, bey dem Ottfried er, bey andern Oberdeutschen Schriftstellern her. Die Nieders. und die damit verwandten Mundarten verbeißen das r, behalten aber dafür das h, wie das Nieders. he, das Angels. und Engl. he, das Holländ. hy, das Dän. han, und das Schwed. han. Bey dem Oberdeutschen Pöbel lautet es gar nur a oder ä. Dieses er, und das Pronomen der scheinen der Abstammung nach genau mit einander verwandt zu seyn. Unter den Schwäbischen Kaisern wurden er, sie, es sehr häufig nicht nur für derselbe, dieselbe, dasselbe gebraucht,
 
Er sundet swer des niht geloubet,
Kais. Heinrich
 
Ir stirbe twerre mer die niht minnent,
Burggr. von Kilchberg;
 
sondern auch für den bloßen bestimmten Artikel,
 
Si selig wib enspreche sinc
Niemer me gesinc ich liet,
Reinmar der Alte.
Si reiner hort des hat si pris,
Hadloub.
 
S. 1 Der 4. und das folgende – Er II. Im alten Schwed. und Isländ. bedeutet aer welcher, und alsdann ist es eine unveränderliche Partikel. Sa er, derjenige welcher, their er, diejenigen welche. Noch deutlicher erhellet diese Übereinstimmung, wenn man das Nieders. he mit dem Hebr. ארה, ille, dem Pers. ein, an, dem Wallis. hwn, hon, hyn, und yn, und dem Slavonischen on, ona, ono, ille, illa, illud vergleicht. S. 1 Er. Wer, Hahn, Ihr, Sie, Es.
 
3. Êr
, ein Ehrentitel, S. Ehr.
 
4. -Er
, eine Endsylbe der Deutschen Nennwörter, welche theils zu ihrer Bildung, theils zu ihrer Beugung dienet.
I. Was die Bildung betrifft, so ist sie eine derjenigen Endsylben, durch welche die Deutsche Sprache mit einer Menge neuer Wörter bereichert worden, und zum Theil noch bereichert werden kann.
1. Die meisten Wörter dieser Art sind Hauptwörter, doch scheinet die Endsylbe in denselben nicht überall von einerley Ursprung und Bedeutung zu seyn.
1) In einigen ist sie sehr deutlich das alte Hauptwort Er, ein Mann, und alsdann wird sie dem weiblichen oder vielmehr dem gemeinschaftlichen Geschlechte verschiedener Thiere angehänget, das männliche zu bezeichnen. Der Anter, von Änte oder Ant, der Er, oder Mann der Änte. Der Ganser, von Gans. Der Täuber, von Taube. Der Kater, von Katze, Nieders. Kat. Einige Mundarten hängeten dem er noch ihren Hauchlaut an, und da ward aus Anter, Ganser, Täuber u.s.f. Änterich, Gänserich, Täuberich.
2) In vielen andern bedeutet sie eine Person männlichen Geschlechtes, die etwas thut, oder ihr Geschäft aus derjenigen Verrichtung macht, die das Wort, dem sie angehänget wird, bezeichnet. Die Wörter dieser Art sind, (a) aus Zeitwörtern gebildet, indem die Endsylbe en des Infinitives weggeworfen, und dafür die Sylbe er angehänget worden. Bader, von baden, Bäcker von backen, Bettler, Bauer, der das Feld bauet, Färber, Henker, Jäger, Lügner, Mahler, Richter, Schneider, Träger, Diener, Läufer, Vater, Lehrer, und tausend andere. Oder (b) aus Nennwörtern, wie Einsiedler, von Einsiedel, Gärtner von Garten, Gesellschafter, Hüter, der Hüte verfertiget, von Hut, Sattler, Riemer, Seiler, Sporer, Thäter, Bothschafter, der Bothschaft bringet, Barfüßer, der barfuß gehet, Schäfer, der die Schafe hüthet, Bürger u.s.f. Ingleichen die Oberdeutschen Eyerer, Hühnerer, Häringer, Schmälzler u.s.f. der Eyer, Hühner, Häringe, Schmalz verkauft. In vielen nimmt die Sylbe er noch das n voran; wie in Schuldner, Bündner, der im Bunde stehet, Büttner, von Butte, Glöckner, Kellner, Zöllner, Mautner, Meßner, Pförtner u.s.f. In einigen schleichet sich auch der vorhin schon gedachte Hauchlaut mit ein, Wütherich, für Wüther, der da wüthet.
Aus allen Wörtern dieser Art kann ein Fämininum durch Anhängung der Sylbe inn gebildet werden. Baderinn, Bäkerinn, Bettlerinn, Lügnerinn u.s.f. Daß die Sylbe er in diesen Wörtern kein anderes Wort ist, als das schon gedachte alte Er, Mann, erhellet unter andern auch daher, daß diesen Wörtern statt der Sylbe er oft auch die Sylbe mann angehänget wird, ohne ihre Bedeutung zu ändern. Bürger und Burgmann, Schuldner und Schuldmann, Reiter ehedem auch Reitmann, Bauer ehedem auch Baumann, Bettler und Bettelmann, Käufer und Kaufmann, Schiffer und Schiffmann, Arbeiter und Arbeitsmann u.s.f. Hierher gehören auch viele Lateinische Wörter auf -er, besonders aber die Verbalia auf -or, wie adulator,apparitor, adorator, amator u.s.f.
3) Eben dieselbe Bedeutung hat diese Sylbe auch, wenn sie den Nahmen der Länder und Städte angehänget wird, die Herkunft einer Person, zuweilen auch eines Thieres und leblosen Dinges anzudeuten. Ein Römer, der aus Rom gebürtig; so auch ein Frankfurter, Hamburger, Holsteiner, Berliner, Leipziger, Österreicher, Schweizer, Engländer, Holländer, Märker, Pfälzer u.s.f. Die sich auf e, en, und n, endigen, werfen solches von dieser Zusammensetzung gemeiniglich weg, wie Lothringer von Lothringen, Spanier, Thüringer; nur Meißen behält solches, ein Meißener oder Meißner. Andere nehmen ein n eigenmächtig an, wie Gothaner, von Gotha, anderer Veränderungen nicht zu gedenken. Indessen darf diese Zusammensetzung nicht willkührlich versucht werden, weil viele Gentilia in andern Formen hergebracht sind; z.B. ein Böhm, Kroat, Däne, Preuße, Pommer, Franke, Franzose, Pohle, Sachse, Schwede, Tartar, Deutscher, nicht Deutschländer, Ungar, Westphale, Indianer, Italiäner, Jenenser, Hallenser u.s.f. Übrigens lassen sich von allen diesen Gentilibus auf -er auch Fäminina auf -inn bilden. Römerinn, Frankfurterinn, Schweizerinn, Tirolerinn u.s.f. Oft werden die Gentilia auf -er wie Beywörter gebraucht; Schweizer Käse, Nürnberger Witz, Straßburger Geschütz, Hamburger Rindfleisch, Leipziger Lerchen, Braunschweiger Würste, Berliner Blau, die Wiener Landwehre. Allein diese Art des Ausdruckes macht die gedachten Wörter gewiß nicht zu wahren Beywörtern. Sie stehen vielmehr nach Art der Lateiner in der unbestimmten zweyten Endung des Plurals, gleichsam Käse der Schweizer, so wie man auch in andern Fällen sagt, wer Menschen Blut vergießt, Weiber Zorn ist heftig, Gottes Güte, Herren Dienst geht vor u.s.f. Daher man sie allenfalls auch mit dem Verbindungszeichen schreiben könnte. Meißner-Porzellän, Berliner-Blau, Berger-Thran, Berger-Fische.
4) Nach sehr gewöhnlichen Figuren bedeutet die jetzt gedachte Endsylbe er, besonders so fern sie eigentlich jemanden ausdruckt, der etwas thut, auch, (a) das Werkzeug, womit etwas gethan wird. Kiefer, maxilla, Bohrer, Schnitzer, Hammer, Klammer, Leuchter, Folter, Halster, Zünder, Klapper, Leyer u.s.f. Daß dieses er in manchen Wörtern in el übergehet, ist schon bey dieser Ableitungssylbe angemerket worden. (b) Dasjenige, was gethan oder hervor gebracht wird. Der Donner, Fehler, Seufzer, Ableger, Absenker, Ausputzer u.s.f. (c) Der Gegenstand, dem etwas gethan wird. Der Ächter, der geächtet wird, Tagelöhner, der Tagelohn empfängt u.s.f. (d) Den Schalt, das Alter u.s.f. besonders bey Zahlwörtern. Ein Zweyer, eine Münze, welche zwey Pfennige hält, ein Dreyer, ein Sechser, ein Siebener, eine Münze von sieben Kreuzern, ein Funfzehner, ein Siebzehner, eine Münze von funfzehen, von siebzehen Kreuzern, ein Achter, von acht Pfennigen; ein Einer oder Einser, die Zahlfigur eins; ein Achtziger, ein Mann von achtzig Jahren; ein Zentner, ein Gewicht von hundert Pfunden u.s.f. Dahin gehören auch die Wörter, ein Achter, ein Vierer, ein Sechziger u.s.f. ein Mitglied einer Gesellschaft von acht, vier, sechzig Personen anzudeuten, wofür an andern Orten Achtmann, Viermann u.s.f. üblich ist. (e) Ein Abstractum. Die Feyer, die Dauer, die Heuer, Miethe u.s.f. (f) In machen Wörtern ist die Bedeutung dieser Sylbe freylich noch dunkel, wenigstens ungewiß, zu welchem der vorhin gedachten Fälle sie zu rechnen ist; wie in das Wetter, der Jammer, der Sommer, das Ufer, das Wasser, die Ader, die Natter, der Hafer, der Schlummer, das Alter u.a.m. gehören. Doch bey einer genauern Untersuchung wird vielleicht noch vieles von der vorgegebenen Dunkelheit verschieden.
5) In einiger Wörtern ist sie aus Aar, ein großer Vogel, entstanden, wie in den Nahmen Adler, Sperber, Reiher, Geyer, für Adelaar, Sperbaar u.s.f. In andern ist sie das verkürzte Herr, wie in Junker, für junger Herr, Pfarrer, für Pfarrherr, Kastener, für Kastenherr. In noch andern ist sie bloß aus der Endung -ern mancher Zeitwörter, mit Wegwerfung des n gebildet worden. Das Geklapper, von klappern, das Geklimper, von klimpern. Endlich gibt es auch viele Wörter, wo sie fremden Ursprunges ist. Dergleichen sind Kaiser von Caesar, Kerker von carcer, Körper von corpus, Priester von Presbyter, Fenster von fenestra, Zepter von sceptrum, Fieber von febris, Pflaster von emplastrum, Pulver von pulvis, Letter von littera u.s.f.
Die meisten Hauptwörter auf er bleiben im Hochdeutschen in der ersten Endung des Plurals unverändert, der Bürger, die Bürger, der Adler, die Adler, außer daß einige den vorher gehenden Selbstlaut verändern, der Bruder, die Brüder, der Vater, die Väter. Einige nehmen im Plural ein n an. Der Vetter, die Vettern, die Schwester, die Schwestern. Im Oberdeutschen hängt man den erstern noch ein e an, vermuthlich um den Plural desto sicherer von dem Singular zu unterscheiden. Die Bürgere, die Bürgermeistere, die Besitzere. Und dieß auch wohl bey solchen Wörtern und in solchen Endungen, wo keine Verwechselung zu befürchten ist. Den Töchteren, die Brüdere. Einige Hochdeutsche Kanzelleyen ahmen solches gleichfalls nach; allein alle Mahl zu einem großen Ärgernisse feinerer Ohren.
2. Es gibt aber auch Beywörter, die sich in der ersten Staffel mit dieser Sylbe endigen, wie bitter, finster, sauer, sauber, u.s.f. wo aber der eigentliche Sinn derselben nicht so leicht mit Gewißheit zu bestimmen seyn möchte.
3. Hier muß auch des Oberdeutschen Gebrauches gedacht werden, wo man sich dieser Sylbe bedienet, Nebenwörter aus Bey- und Mittelwörtern zu bilden. Er ist so kranker fortgereiset, für krank. Er hat mich unbekleideter angetroffen. Sie wurde todter hinaus getragen. Wir haben ihm die Nothdurft wiederhohlter zu erkennen gegeben. Die Hochdeutschen kennen dergleichen Nebenwörter nicht. S. -en, wo einer ähnlichen Bildung der Nebenwörter gedacht worden.
II. In Ansehung der Beugung ist diese Endung bey den Nennwörtern von einem großen Gebrauche.
1. Die Beywörter nehmen sie an, wenn sie ohne den bestimmten Artikel stehen, und zwar das männliche Geschlecht in der ersten Endung des Singulars, großer Mann, weißer Zucker, ein junger Mensch, das weibliche aber in der zweyten und dritten des Singulars, meiner Seele, eitler Ehre Tand, zu großer Ehre. Alle drey Geschlechter aber bekommen sie in der zweyten Endung des Plurals, wenn selbige keinen Artikel vor sich hat, grüner Gärten Pracht, voller Fluren Reitz, frommer Kinder Wohlergehen. Es ist wohl gewiß, daß er hier der alte Articulus postpositivus er ist, der statt des präpositivi der in den nordischen Sprachen noch merklicher ist, bey und aber nur noch einige wenige Spuren zurück gelassen hat. S. 1 Der 4. und 2 Er. 2. Ist diese Endung ein allgemeiner Comparativ aller Adverbien, welche dieselbe dem Positivo anhängen, und dadurch den Comparativ bilden; klein, kleiner, arm, ärmer, groß, größer. In der Declination bekommt dieses er allerley Zusätze. Der größere Mann, dein ärmerer Bruder, ein feinerer Leib, eine bessere Gestalt. Bey den Griechen lautet diese vergleichende Endung ερος, bey den Lateinern or, und bey den Angelsachsen er, era, or. Woher dieses er abstamme, und was es eigentlich bedeute, will ich hier nicht untersuchen; sie scheinet das alte Nebenwort er, eher, zu seyn, S. Ehe.
3. Wenigstens eben so wichtig ist das Amt dieser Endung, wenn sie bey vielen Hauptwörtern den Plural bilden hilft. Bad, Bäder, Glied, Glieder, Bild, Bilder, Kind, Kinder, Loch, Löcher, Reis, Reiser. Dieser Plural stammet ohne Zweifel zunächst aus den nördlichen Gegenden her, indem er die gewöhnliche Endung des Plurals im Dänischen und Schwedischen ist. Unter den Deutschen Mundarten ist er in der Sächsischen und ihren Töchtern am häufigsten, und aus derselben auch in die Hochdeutsche gekommen. Daher rühret es denn, daß viele Wörter, die im Hochdeutschen Plural ein -er bekommen, bey den ältern und mittlern Oberdeutschen ein bloßes -e haben. Die Manne, die Wibe oder Weibe, die Pfande, die Wälde, die Würme, die Zelte, die Fasse, die Rinde, die Leibe, die Orte u.s.f. welches e auch wohl weggeworfen wurde, die Thal, die Gemüth, die Geist, die Licht u.s.f.
Die Hochdeutschen haben diesen verkürzten Plural in vielen Wörtern beybehalten, welche ein Maß, Gewicht, Zahl u.s.f. bedeuten. Sechs Faß Wein, für Fässer. Hundert Mann, für Männer. Zwanzig Pfund, für Pfunde. Dreyßig Ahm Wein u.s.f.
Viele Wörter sind im Hochdeutschen mit einem doppelten Plural üblich. Bande und Bänder, Lande und Länder, Lichte und Lichter, Mahle und Mähler, Worte und Wörter, Orte und Örter, Dornen und Dörner, Sträuche und Sträucher. Der ganze Unterschied bestehet zunächst in der Mundart, obgleich nunmehr bey manchen Wörtern jede Art des Plurals durch den Gebrauch genau bestimmt ist. Ein Mehreres ist bey jedem dieser Wörter besonders gesagt worden.
Ob nun gleich der Plural auf -er in den ältesten Oberdeutschen, besonders Alemannischen Schriften sehr sparsam vorkommt, so ist er ihnen doch nicht ganz fremd; vermuthlich weil die Deutschen Mundarten schon in den ältesten Zeiten manches von einander entlehnet haben. In den mittlern Zeiten kommt er öfter vor; ja man findet bey neuern Oberdeutschen Schriftstellern diesen Plural bey Wörtern, die ihn nicht einmahl im Hochdeutschen haben. Bether, Betten, Gesänger, Gesänge, Bluntschli. Schon in dem Salischen Gesetze findet man Spuren dieses Plurals; aber bey dem Ottfried und andern Schriftstellern, zu deren Zeit die Fränkische Mundart schon fast ganz Oberdeutsch geworden war, ist er seltener. Die Longobarden, ein Niederdeutsches Volk, brachte diesen Plural mit nach Italien, und hängte ihn sogar vielen Lateinischen Wörtern an; pratora, gradora, fundora, arcora, campora, censora u.s.f. für prata, gradus, fundi, arcus, campi, census.
 
5. Êr-
, eine untrennbare Partikel, welche nur in der Zusammensetzung mit Zeitwörtern üblich ist, außer dem aber nicht mehr vorkommt. Sie ist von mannigfaltiger Bedeutung.
1. Bedeutet sie so viel als auf, eine Bewegung in die Höhe anzudeuten. Erheben, in die Höhe heben, erstehen, aufstehen, erhöhen, erbauen, aufbauen, erhängen, aufhängen, errichten, aufrichten, ersprießen, aufsprießen, erwachsen, groß wachsen, erziehen, aufziehen, groß ziehen, erschrecken, aufschrecken, ernähren, eigentlich groß nähren. Auf ähnliche Art sagten die Lateiner irritare, irrogare, arrigere u.s.f. Ar, er, ist ein altes Wort, welches in vielen Sprachen nicht nur hoch, sondern auch auf, über u.s.f. bedeutet. Im Wallisischen hat ar noch die beyden letzten Bedeutungen.
2. In andern, obgleich nur wenigen, hat sie die Bedeutung des Nebenwortes offen oder auf. Erbrechen, aufbrechen, eröffenen. Ehedem sagte man auch irbaren, für offenbaren, eigentlich entblößen.
3. Etwas größer ist die Anzahl derjenigen Zeitwörter, in welchen diese Partikel so viel als aus bedeutet. Dahin gehören erwählen, auswählen, erkiesen, erlesen, sich ergießen, ermessen, ersehen, ertheilen, ernennen, gleichsam unter mehrern auswählen und nennen. Ingleichen in einer andern Rücksicht, erschöpfen, ganz ausschöpfen, erfüllen, ausfüllen. Er, ir, yr, war noch bis nach des Ottfried Zeiten ein bekanntes Vorwort, welches aus bedeutete, und auch außer der Zusammensetzung gebraucht wurde. Ir themo riche, aus dem Reiche, Ottfr. Ehedem gab es auch noch weit mehrere Zeitwörter, in welchen das er diese Bedeutung hatte. Aruuorzalen, auswurzeln, Tatian. Armeinsamen, excommunicare, Kero. Irrofzen, eructare, Notker. Arscutten, ausschütten, Tatian. Athenon, ausdehnen, ebend. Aruuurphen, auswerfen, ebend. Irbannen, ausschließen, verbannen, Ottfr. Irdriban, ausstreiben, vertreiben, ebend.
Von diesen drey Bedeutungen, besonders der ersten und dritten, sind die folgenden vermuthlich bloße Figuren. Denn er bezeichnet zuweilen auch,
4. Eine Annäherung, wie in erreichen, erstrecken, erbiethen, eigentlich anbiethen, offerre, sich ergeben, erleben, ereilen, ermahnen, admonere adhortari, jemanden erschreyen, errufen, etwas erlangen. Ingleichen eine Bemächtigung, ergreifen, erhaschen, erschnappen, ertappen, erwischen, erschleichen. Ferner, die Überkommung des Besitzes, eine Erwerbung, deren Art und Weise durch das Zeitwort bestimmt wird. Erwerben, ersparen, erflehen, erschwingen, erbetteln, erpressen, ertränmen, erschiffen, ersiegen, erfahren, erarbeiten, erbeuten, erborgen, ergeitzen, erhandeln, erobern, erkaufen, erringen, erschmeicheln, erzwingen, erwarten, erübrigen, ererben, ertauschen, erjagen, erkargen. Ingleichen überhaupt die Erreichung einer Absicht mit Überwindung der Hindernisse, welche Zeitwörter im Oberdeutschen sehr häufig sind. Ich kann es nicht erbeißen, durchbeißen, jemanden erbitten der Ast läßt sich nicht erbiegen, im Oberdeutschen. Auch die Lateiner sagten accipere, arripere, acquirere, arrogare u.s.f. und die ältern Sprachlehrer versichern uns, daß das Vorwort ad in den ersten Zeiten Roms ar gelautet habe.
5. In andern Zeitwörtern scheinet es für her, dar, zu stehen. Geld erlegen, darlegen, herlegen, erzählen, herzählen, der Ertrag, reditus, ertragen, eintragen, erscheinen, erzeigen, erweisen, ergehen das Neutrum, erfolgen, erfordern, erklingen erschallen, erklecken. Irholon stehet bey dem Ottfried für herholen.
6. Oft deutet es die Hervorbringung einer Sache an, die vorher nicht da war, wie das Vorwort aus. Erdichten, erdenken, ersinnen, erfinden, erlogen, ergrübeln, erkünsteln, erschaffen, errathen. Noch öfter eine Bewerkstelligung, die Versetzung ein einen Zustand, der durch das Zeitwort näher bestimmt wird, in welchem Falle die meisten Zeitwörter dieser Art aus Bey- und Nebenwörtern gebildet sind. Erlängen, verlängern, länger machen, erleichtern, ermüden, müde machen, ermuntern, erniedrigen, ersättigen, erwärmen, erweichen, erweitern, ergänzen, ereifern, erfrischen, erschweren, ergetzen, erlustigen, erhellen, erklären, erläutern, erleuchten, erledigen, erzürnen, erheitzen, erhitzen, erkälten, erquicken, erschüttern, erbittern, erfreuen u.s.f.
7. Mit diesen sind die Neutra genau verwandt, die ein Kommen oder Gerathen in einen Zustand andeuten, und oft auch aus Bey- und Nebenwörtern gebildet werden. Erwarmen, warm werden, erschlaffen, schlaff werden, erstarren, erstummen, erkranken, erblassen, erbleichen, erarmen, erblinden, sich erboßen, ergrimmen, erhärten, erkalten, erlahmen, ermüden, ernüchtern, im Oberdeutschen nüchtern werden, erröthen, erstaunen, erwachen, ermatten u.s.f. Alle Neutra dieser Art nehmen, wenn sie nicht Reciproca sind, das Hülfswort seyn zu sich. Sie gleichen den Lateinischen Zeitwörtern dieser Art mit in- und ir-, inarescere, bey dem Ottfried irdorren, incalescere, erwarmen, incanescere, im Oberdeutschen ergrauen, incedere, ergehen, einher gehen, inclarescere, incurvescere, im Oberd. erkrummen, indurescere, erharten, ingrandescere, ingravescere, innotescere, integrascere, sich erneuen, inveterascere, im Oberdeutschen erhalten, veralten, irraucescere, irrugare u.s.f.
8. In manchen bedeutet diese Partikel so viel als wieder, und die Zeitwörter dieser Art scheinen nach dem Lat. mit re- zusammen gesetzten gebildet zu seyn. Ersetzen, reddere, erstatten, restituere, erlassen, remittere, erneuern, renovare, erinnern, reminiscere, sich erhohlen, recolligere, erquicken, recreare, reficere. Erkeban, wiedergeben, reddere, Kero. Arwegen, wieder kommen, redire, Isidor.
9. Ehedem wurde diese Partikel auch häufig gebraucht, eine Entfernung von einem ausdrücklich genannten, oder auch als bekannt voraus gesetzten Gegenstande auszudrucken, in welchem Verstande noch heut zu Tage das ent- üblich ist. Arfirran, Tat. eruirran, Kero, entführen, arfaran, Tat. entfahren, arwizin, entwischen, ebend. ercheren, entrücken, Kero, erfliuhan, entfliehen, ebend. erkezzan, vergessen, ebend. Daher rühret es auch daß die mit ent und er zusammen gesetzten Zeitwörter ehedem so oft mit einander verwechselt wurden, und im Oberdeutschen noch jetzt verwechselt werden. Erlösen, erretten u.a. scheinen noch diese Bedeutung zu haben. Figürlich bedeuteten dergleichen Zeitwörter oft eine Zerstörung, eine Aufhebung des Daseyns einer Sache; welchen Sinn auch die Partikeln ver- und zer- ausdrucken. Irfullun, verfaulen, Ottfried, arqueman, ans sich selbst kommen, Tat. ardilen, vertilgen, Isidor, ergehan, vergehen, Tat. aritalen, vereiteln, ebend. Unter den noch gangbaren gehören dahin, erschlagen, erstechen, erfrieren, ersterben, erliegen, das Oberdeutsche sich erfallen, sich zu Tode fallen, erlöschen, ermorden, ersaufen, ersäufen, erschießen, ersticken, ertränken, ertrinken, erworgen, erwürgen, erdrosseln, erdrücken, u.s.f.
10. Bey dem so mannigfaltigen Gebrauche dieser Partikel ist es kein Wunder, daß ihre eigentliche Bedeutung in manchen Fällen zweifelhaft wird. Dahin gehören diejenigen Zeitwörter, wo man ihr eine bloß intensive und verstärkende Kraft beyleget, welche sie mit der Griech. Partikel ερ gemein haben würde. Dergleichen sind vielleicht erachten, erlauben, erkennen, erhören, ertragen, erdulden, erleiden, erlaben, erwägen, erlernen, erkühnen, sich ermannen, erbeben, erschüttern u.s.f. welche wenigstens zum Theil nach Latein. mit per- zusammen gesetzten Zeitwörtern gebildet sind, percipere, permittere, perferre, perpeti, perpendere u.s.f.
Anm. Aus demjenigen, was bisher gesaget worden, erhellet, daß diese Partikel bereits sehr alt ist. Der Selbstlaut in derselben ist von den ältesten Zeiten an durch alle übrigen Selbstlaute durchgegangen, und noch jetzt lautet sie in einigen Wörtern ur, S. Ur. – Im Engl. ist for daraus geworden, und selbst das Deutsche ver- und zer- gehören zum Theil hierher. Zur Erläuterung des letztern dienet, daß noch in einigen rauhen, besonders Alemannischen Mundarten für er, der üblich ist, derfüllen, derschlagen, derkennen. Von dem d zum z aber ist der Übergang sehr leicht und gewöhnlich. Wenn er in der Zusammensetzung auf und aus bedeutet, so nimmt es in einigen Zeitwörtern auch noch diese Vorwörter vor sich an, wovon die Ursache schon bey den Wörtern Auferbauen und Auferkiesen angezeiget worden. Übrigens ist noch dieses zu bemerken, daß die mit er- zusammen gesetzten Zeitwörter edler und anständiger sind, als die mit andern gleich bedeutenden Partikeln. Erbauen ist edler als aufbauen und bauen, erlesen edler als anslesen und aussuchen, erlöschen edler als auslöschen, erschlagen edler als todt schlagen u.s.f. Auch bekommt diese Partikel, die an sich kurz ist, und niemahls ohne Mißklang lang gebraucht werden kann, nie den Ton.
 
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