Adelung Wörterbuch
Bescheiden
, -er, -ste, adj. et adv. welches eigentlich das Participium passivum des vorigen Verbi ist, aber außer den daselbst schon angemerkten Bedeutungen noch auf eine besondere thätige Art gebraucht wird. Es bedeutet aber, 1. * Überhaupt, geschickt, einen Unterschied unter den Dingen zu machen, verständig. In dieser im Hochdeutschen veralteten Bedeutung kommt es in der Oberdeutschen Mundart der vorigen Jahrhunderte sehr oft vor. So bedeutet z.B. bey den Schwäbischen Dichtern ein bescheiden man, einen Mann, der alles gehörig zu unterscheiden weiß.
2. Besonders, mäßig in seinen Begierden, Forderungen und Ansprüchen, so wohl, 1) überhaupt. Bescheiden in seinen Wünschen seyn. Mit bescheidenlicher Klage, Reinmar der Alte. Bescheidenliche Froide, Hermann von der Vogelweide. So auch in der höhern Schreibart der Neuern. Die bescheidenen Freuden der Tugend scheinen ihm so abgeschmackt, als eine Spartanische Mahlzeit dem weichlichen Sybariten, Dusch. 2) Als auch in verschiedenen besondern Fällen. (a) Bescheiden in seinen Ansprüchen auf Ehre und Verdienst; im Gegensatze des stolz. Ein bescheidener Mensch. Er ist sehr bescheiden. Ich begreife nicht, wie ein Mann, der so eitel und gebietherisch war, auf ein Mahl so bescheiden werden könne. S. Bescheidenheit. (b) Bescheiden, in Ansehung seines Rechtes, geneigt, sich seines Rechtes nicht nach der Schärfe zu bedienen. So heißt jemand bescheiden, der eine ihm in einem Testamente zum Nachtheile eines Dritten vermachte Summe nicht annimmt.
Anm. Dieses Wort ließe sich in den jetzt angeführten Bedeutungen ganz füglich von der ersten und fünften Bedeutung des Verbi bescheiden herleiten. Allein es scheinet doch immer eine buchstäbliche Übersetzung des Latein. discretus zu seyn, mit welchem es so wohl in der Bedeutung, als auch darin überein kommt, daß beyde eigentliche Participia passiva sind, und doch eine thätige Bedeutung haben. Vossius wollte discretus um deßwillen unter die barbarischen Ausdrücke verweisen; allein Faber hat ihm gezeigt, daß auch suspectus und notus von dem Cato und Plautus in thätiger Bedeutung gebraucht worden; ein Wink für unsere Deutschen Kritikaster, welche dergleichen Participia so gerne verwerfen möchten, ohne zu bedenken, daß ihre Zahl größer ist, als sie vielleicht glauben. S. auch der Bediente. Ehedem war bescheiden auch ein Titel der angesehensten Bürger, und es scheinet, daß es alsdann so viel als verständig, klug, erfahren bedeutet habe. In einem 1501 zu Rom gedruckten Deutsch- Italiänischen Vocabelbuche wird bescheiden durch honesto und cortese, und Bescheidenheit durch honestamento und cortesia erkläret. Wenn in einem noch ältern Deutsch- Lateinischen Vocabelbuche von 1477 astutus durch bescheyde oder listig gegeben wird, so stehet das erstere ohne Zweifel für gescheid. Das Oberdeutsche bescheidentlich, ist im Hochdeutschen veraltet.
 
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