Adelung Wörterbuch
Ahn
, des -en, plur. die -en. 1) * Der Großvater; eine im Hochdeutschen veraltete, im Oberdeutschen aber noch völlig gangbare Bedeutung, wo es in Österreich und Baiern Än, Ändel und Andel, am Rheinstrome Anichen und Annichen, lautet. In eben diesen Gegenden heißt die Großmutter die Ahn, und die Ahnfrau. In Oberschwaben heißt der Großvater Ehni, die Großmutter aber Ahna, der Ältervater der Urahn, Urahni, in andern Gegenden Aberahn, Alterenn, und die Großmutter Urahna. In Baiern ist Ähnl der Großvater, Ahnl die Großmutter, und Guckahnl die Urgroßmutter. Was der Ahn zusammen scharrt, heiß es in dem alten Liede: Wohl dem der um den armen Mann. 2) Überhaupt einer von den Vorältern, welche über die Großältern hinauf steigen.  
Hast munter dich geübet
Zu zieren deinen Stand mit etwas, das kein Ahn,
Kein Schild noch offner Helm den Menschen geben kann,
Opitz.
 
Des Ahnen Aberwitz wird auch des Enkels seyn,
Hall.
 
wo es aber zunächst den Großvater zu bezeichnen scheint. Oder nennt ihr diese Vortheile etwas das der Fleiß eures Ahnen verdiente? Dusch.
Sein Ur-Ur – Ur-Ur – Älterahn
War älter noch als unser aller Ahn,
Less.
 
Aller dieser Beyspiele ungeachtet, ist es doch in dieser Bedeutung im Hochdeutschen im Plural am üblichsten, Vorältern, collective ohne Unterschied des Geschlechtes zu bezeichnen, besonders adelige Vorältern. Von adeligen Ahnen entsprossen. Seine acht Ahnen beweisen, beweisen, daß man ehelicher Weise von acht adeligen Vorältern, so wohl von väterlicher als mütterlicher Seite, also auf beyden Seiten von sechzehn adeligen Personen abstamme und also ein achtschildiger Edelmann sey.
Anm. Das Wort ist alt, aber zunächst im Oberdeutschen einheimisch. Schon in den Florent. Glossen ist Ano, avus, Ana, avia, und Altirano, proavus. Bey dem Ottfried sind ira anon, ihre Ahnen, und Altano, einer der Vorältern. In dem Sachsenspiegel wird dieses Wort in allem Ernste von Anus, der Hintere, hergeleitet. Wachter läßt es von der Partikel an, Frisch aber von dem Lat. Avus abstammen; das erste ist zu künstlich, das letztere aber zu unwahrscheinlich. Vermuthlich ist das Angels. eanian, gebären, das Stammwort, und im Türkischen bedeutet Ana wirklich die Mutter. Wahrscheinlich ist auch das Lat. Anus, eine alte Frau, damit verwandt, und in einigen Oberdeutschen Gegenden ist eine Ahne noch jetzt eine alte Frau.
 
1. Ahnden
, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, eine dunkele Empfindung von einer künftigen Sache haben. Es wird auf gedoppelte Art gebraucht. 1) Als ein persönliches Verbum. Was ahnden sie? was sagen sie? Göthe. Ein kleiner Anfangsversuch an dem man aber, was noch dahinten sey, ahnde und rathe, Herd. Daher haben denn auch einige das Particip. Präf. gebraucht. Meine ahnende (andende) Angst hatte nicht falsch geweissaget. Mit ahnender Betrübniß, Schleg. Da diese ganze persönliche Form mehr Nieder- als Hochdeutsch ist, so gilt dieses vornehmlich auch von dem Participio. 2) Am häufigsten unpersönlich, mit der dritten Endung der Person. Es ahndet mir nichts Gutes, oder mir ahndet nichts Gutes. Das hat mir lange geahndet. Meinem Herzen ahndete ein Unglück.
 
Es ahnt mir, Schlesien verliere seine Schwäne;
Ich sah sie, sah ich recht, vorlängst nach Norden fliehn,
Günth.
 
Anm. Bey den Niedersachsen bedeutet es auch Empfindung, Begriffe von etwas haben; z.B. das Kind ahnet die Schläge noch nicht, hat noch keine Begriffe davon. Eben dieselben schreiben und sprechen gern ahnen, und die gröbern Mundarten aunen, so wie sie das d und t in der Mitte vieler andern Wörter aus Trägheit verschlucken; z.B. been, für beden, oder Hochdeutsch bethen, döen, für tödten, höen, für hüten u.s.f. Indessen ist es doch in diesem Worte bey ihnen nicht allgemein, denn man findet bey ihnen auch aanden. Es ist also ein Fehler, wenn manche Hochdeutsche die Niedersächsische Bequemlichkeit nachahmen und gleichfalls ahnen schreiben und sprechen; zumahl da sogleich erhellen wird, daß das d zur Wurzel gehöret. Denn Frischens Ableitung von an, und Ihre's von ohne, so daß die Empfindung des Mangels der Stammbegriff sey, sind viel zu künstlich und unwahrscheinlich. Es ist vielmehr glaublich, daß in dem vorhin gedachten Niedersächsischen aanden, Begriff von etwas haben, empfinden, der Stammbegriff verborgen liegt, und dann kann man mit Wachtern immer das alte Nordische Ande, Aund, Geist, für das Stammwort annehmen, welches noch jetzt im Isländischen Ond, im Dänischen aber Aand lautet. Ahnden kommt in der Bedeutung der dunkeln Empfindung des Zukünftigen bey den Fränkischen und Alemannischen Schriftstellern, so viel ich weiß, nicht vor, wohl aber das gleichbedeutende Suanon, welches noch in Niedersachsen üblich ist, S. Schwanen, ingleichen das folgende.
 
2. Ahnden
, verb. reg. act. sein Mißfallen über eine Sache mit Worten oder mit der That zu erkennen geben, eine Sache bestrafen. Das Böse ahnden. Wollen wir diesen Schimpf nicht ahnden? Der Frevel muß an ihm und an den Seinigen geahndet werden. Es ist hier von sehr weitem Umfange, indem es alle Arten der Bestrafung von dem bloßen Verweise an, unter sich begreift, und im letztern Falle im Oberdeutschen eine gelindere Art des Verweises andeutet, als verweisen, obgleich eine stärkere als vorhalten und ausstellen.
Anm. Das vorhin gedachte Aand, Aund, bedeutet in den alten Mundarten nicht allein den Geist, die Seele, das Gemüth, sondern auch alle stärkere Gemüthsbewegungen, besonders aber, 1) des Zornes, des Eifers. So braucht Kero das Hauptwort der Ando, für Zorn, Eifer. Wanda ih iz andon, wenn ich es ahnde, d.i. bestrafe, Notker.
 
Auf ir drey Haubtlewt tets ir andt,
Theuerd. Kap. 90.
 
war sie zornig. 2) Der Unlust, des Mißfallens.
 
Denn mir das anndt thut,
Theuerd. Kap. 58.
 
es kränket mich.
Herr mich bedünckt euch thu ant
Hierinn also zu liegen still,
Ebend. Kap. 66.
 
In Baiern ist ahnti und ahndig noch jetzt mürrisch, verdrießlich, und in den gemeinen Mundarten, besonders in Oberdeutschland, ist die R.A. sehr gemein: es thut mir ahnd, es schmerzet mich. 3) Der Sehnsucht, wohin die unter dem großen Haufen aller Provinzen Oberdeutschlandes so bekannte R.A. gehöret: es thut mir ahnd um ihn oder nach ihm. Auch bey den alten Isländern findet man, margum war ant heim, viele sehneten sich nach Hause. 4) Des Wohlgefallens, obgleich etwas seltener. Were es unserm herren ande, wäre es unsern Herren lieb, Minnes.
Wachter, der für jede Bedeutung eines Wortes so gern ein neues Stammwort annimt, leitet ahnden in der Bedeutung des Unwillens, der gerechten Bestrafung von and, ent, gegen, wider, ab. Allein man sieht leicht, wie gekünstelt und gezwungen eine solche Herleitung ausfallen muß. Braucht man für Aand, Aund, Geist, Seele, noch ein Stammwort, so kann man es mit Herrn Ihre ganz füglich zu dem Geschlechte des Griechischen αειν und des Deutschen wehen rechnen; indem die Benennungen des Geistes in den meisten Sprachen von dem Winde, und dem Athem hergenommen sind, Aande auch im Dänischen noch jetzt Athem, und aande athemen bedeutet. Da das erste a in allen diesen Wörtern gedehnt ist, und in einigen Mundarten sogar in den Doppellaut an verwandelt worden: so siehet man leicht, daß das h nach demselben nicht füglich weggelassen werden könne.
 
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