Who's who in der antiken Mythologie
Herakles
HeraklesSohn der Alkmene** von Zeus*, der seinem Sprößling die Herrschaft über Mykene zugedacht hatte. Doch die eifersüchtige Hera* machte diesen Plan zunichte: Erst ließ sie Zeus schwören, das Kind aus seinem Blut, das als nächstes geboren werde, solle ein mächtiger König werden; dann hemmte sie Alkmenes Wehen und sorgte dafür, daß die Frau des Sthenelos, eines Sohnes des Perseus* und damit eines Enkels des Zeus, ein Siebenmonatskind zur Welt brachte – eben jenen Eurystheus**, in dessen Dienst sich Herakles später plagen mußte (Ilias XIX 95–133).
Die Jugend des Herakles: Noch als Säugling mußte der kleine Herakles sich zweier Schlangen erwehren, die entweder Hera losgeschickt hatte, um ihn zu töten, oder die sein Stiefvater Amphitryon** in die Wiege geworfen hatte, in der Herakles mit seinem Brüderchen Iphiklos lag, um herauszubekommen, welcher von den beiden sein eigener Sohn sei. Später bewies Herakles seine Kraft und seinen Jähzorn, als er seinen Musiklehrer, einen Sohn Apollons* namens Linos, kurzerhand totschlug, weil der ihn schulmeistern wollte. Er mußte daraufhin aufs Land und Rinder hüten. Bei dieser Gelegenheit ging er zum ersten Mal auf Raubtierjagd, und zwar ins Gebiet des Königs von Thespiai, dessen Herden ein besonders gefräßiger
Löwe dezimierte. Der starke junge Mann wurde freundlich aufgenommen und fand jede Nacht ein hübsches Mädchen in seinem Bett, merkte jedoch nicht, daß es immer wieder ein anderes war – der König, der sich von Herakles reichlich Nachwuchs wünschte, schickte nämlich nacheinander seine fünfzig Töchter (Apollodor, Bibliothek II 62–65). Von einer Begegnung ganz anderer Art erzählte der Sophist Prodikos von Keos um 420 v. Chr. in einer wohl von ihm selbst erfundenen Geschichte: Zu dem jungen Herakles kamen einst zwei Frauen, die ihn für sich gewinnen wollten. Die eine, auffällig herausgeputzt, nannte sich »Lust«, die andere, schlicht und bescheiden gekleidet, gab sich als die »Tugend« persönlich aus. Während die Lust ein Leben in Genuß und Nichtstun pries, versicherte die Tugend, daß wahre Güter nur unter Mühen und Plagen zu gewinnen seien. Herakles wählte daraufhin den steilen Weg zur Vollkommenheit (Xenophon, Memorabilien II 1, 21–23).
Auf der Heimkehr von der Löwenjagd traf er, malerisch mit dem Fell der erlegten Bestie bekleidet, Boten des Königs der Minyer, die aus Theben einen Tribut von hundert Rindern holen wollten. Herakles schnitt ihnen Ohren und Nasen ab und schickte sie gefesselt zu ihrem König zurück, der vor Wut raste und sogleich mit seinem Heer loszog, aber beim Angriff
auf Theben von Herakles erschlagen wurde. Als Preis für seinen Sieg erhielt dieser Megara, die Tochter König Kreons (1)*, zur Frau und bekam drei Söhne von ihr. Doch Hera, die immer noch böse auf ihn war, schlug ihn mit Wahnsinn, so daß er seine eigenen Kinder ins Feuer warf. Er ging daraufhin freiwillig in die Verbannung und fragte beim Orakel von Delphi an, was er weiter tun solle. Das verwies ihn an Eurystheus: Dem müsse er nun zwölf Jahre dienen und zehn von ihm gestellte Aufgaben lösen (Apollodor, Bibliothek II 67–73).
Die »Arbeiten« des Herakles: Eurystheus verlangte zuerst das Fell des unverwundbaren Nemeischen* Löwen, den Herakles erwürgte. Dann mußte er die Hydra* von Lernai töten, die windschnelle Kerynitische* Hirschkuh und den Erymanthischen* Eber erjagen, die Ställe des Augeias* reinigen, die Stymphalischen* Vögel vernichten, den Kretischen* Stier einfangen, die menschenfressenden Stuten des Thrakerkönigs Diomedes*, den Gürtel der Amazonenkönigin Hippolyte* und die Rinder des Riesen Geryoneus* holen. Da Herakles sich beim Kampf mit der Hydra von seinem Gefährten Iolaos* hatte helfen lassen und von Augeias Lohn gefordert hatte, ließ Eurystheus diese Taten nicht gelten und verlangte, er solle noch die Äpfel der Hesperiden* und den Höllenhund Kerberos* herbeischaffen. Seine zwölf »Arbeiten« führ-
ten Herakles durch die ganze Welt und gaben ihm Gelegenheit, nebenher noch weitere Abenteuer zu bestehen: Als er den Erymanthischen Eber jagte, kehrte er bei dem Kentauren* Pholos ein und öffnete ein Weinfaß, das allen Kentauren gehörte. Darum kam es zu einem Kampf mit den Roßmenschen, in dessen Verlauf ein verirrter Pfeil des Helden den weisen Chiron* traf. Auf dem Weg nach Thrakien rang er Alkestis* dem Todesgott ab; bei der Rückkehr von den Amazonen* rettete er Hesione*, die Tochter des Königs von Troja; wegen der Rinder des Geryoneus mußte er sich mit Eryx* schlagen. Als er zu den Hesperiden wanderte, geriet er mit Antaios* und Busiris* aneinander und befreite den gefesselten Prometheus*; aus der Unterwelt brachte er nicht nur Kerberos*, sondern auch den dort festgebannten Theseus* mit (Apollodor, Bibliothek II, 74–127). Der Kampf mit Cacus* wurde erst von römischen Erzählern in das Rinderabenteuer eingebaut.
Weitere Abenteuer, Tod und Himmelfahrt: Aus dem Dienst bei Eurystheus entlassen, kam Herakles wieder nach Theben und trat seine Frau Megara, deren Kinder er getötet hatte, an seinen Freund Iolaos ab. Er selbst warb um Iole*, die Tochter des Königs von Oichalia, der sie dem Mann versprochen hatte, der ihm und seinen Söhnen im Bogenschießen überlegen sei. Obwohl Herakles siegte, bekam er die Braut nicht,
denn, so erklärte man ihm, es sei nicht auszuschließen, daß er nächstens wieder seine Kinder umbrächte. Tatsächlich stürzte er bald danach, in einem neuen Anfall von Wahnsinn, einen Bruder der Iole, der ihm bei der Suche nach geraubten Rindern helfen wollte, von den Mauern der Burg Tiryns herab. Zwar ließ er sich von dieser Schuld reinigen, aber eine schwere Krankheit erinnerte ihn daran, daß er eine Buße auf sich zu nehmen habe. Er ging deshalb nach Delphi, um das Orakel zu befragen, doch die Priesterin wies ihn ab. Daraufhin raubte er den heiligen Dreifuß, auf dem jene gewöhnlich saß, in der Absicht, ein eigenes Orakel zu gründen. Apollon* wollte solche Gewalttat nicht dulden und kämpfte mit Herakles um dessen Beute, bis Zeus mit einem Blitzstrahl die beiden trennte und den Streit schlichtete. Der Götterspruch, den Herakles nun erhielt, war hart: Er sollte für drei Jahre in die Sklaverei verkauft werden! Hermes* fungierte als Makler; die Käuferin war Omphale*, Lydiens Königin. In ihrem Dienst bezwang Herakles die Kerkopen*, nahm an der Jagd auf den Kalydonischen* Eber und auch ein Stück am Zug der Argonauten* teil. Als er wieder frei war, erstürmte er mit einem starken Heer Troja, dessen König ihm den versprochenen Lohn für die Rettung der Hesione* vorenthalten hatte. Dann half er den Göttern im Kampf mit den Giganten*, rächte sich an Augeias* und stif-
tete die Olympischen Spiele. Bei einem Überfall auf Pylos tötete er alle Söhne des Neleus* bis auf Nestor*, der noch sehr jung war, und verwundete sogar den Gott Hades*, der den Pyliern zu Hilfe kommen wollte. Während Herakles raubend und plündernd durch Griechenland zog, eroberte er nicht nur Städte wie Sparta oder Kalydon, sondern auch hübsche Mädchen, zum Beispiel Auge*, die Mutter des Telephos*, oder Astyoche, die ihm den Tlepolemos* gebar. Zwischendurch warb er um Deianeira**, die ihm der Flußgott Acheloos* vergebens streitig machte. Deren Eifersucht und die List des Kentauren Nessos* brachten ihm schließlich den Tod, denn als er die noch offene alte Rechnung mit dem König von Oichalia beglich und die schöne Iole, die er seinerzeit beim Bogenschießen gewonnen hatte, als Gefangene wegführte, fürchtete Deianeira, er werde ihr untreu werden, und tränkte, wie einst der sterbende Nessos* ihr geraten hatte, ein Kleidungsstück mit dessen Blut, das sie für ein starkes Liebesmittel hielt. Kaum hatte Herakles das Gewand, das seine Frau ihm sandte, angelegt, da klebte es an seinem Leib, in den sein Gift sich hineinfraß, und als er es wegreißen wollte, da riß er sich zugleich das Fleisch in Fetzen ab. Von schrecklichen Qualen gemartert, ließ er sich auf den Berg Oita bringen und dort einen Scheiterhaufen schichten. Den bestieg er und befahl, ihn anzuzünden, doch keiner
seiner Freunde war dazu bereit. Zufällig kam Poias*, ein Hirt, auf der Suche nach verlaufenen Schafen des Wegs und tat, wie Herakles verlangte. Der gab ihm dafür seinen Bogen samt den vergifteten Pfeilen. Während der Holzstoß brannte, wurde der Held unter Donner und Blitz auf den Olymp entrückt, wo ihn Zeus mit Hera versöhnte und mit Hebe* verheiratete (Apollodor, Bibliothek II 128–167).
Herakles und kein Ende: Der halbgöttliche Supermann erfreute sich nicht nur bei den Griechen, sondern, als Herkles oder Hercules, auch bei Etruskern und Römern größter Beliebtheit. Man begeisterte sich daran, wie er, gleich dem Starken Hans im Volksmärchen, die schwersten Aufgaben geradezu spielend löste, man rief ihn aber auch als göttlichen Nothelfer in jeder Bedrängnis an. Sein riesiger Altar in Rom, die ara maxima, galt als uralt; daneben gab es zahlreiche weitere Kultstätten. Hier wie in Hellas war Herakles vor allem ein Gott der kleinen Leute. Vielleicht spielt er deshalb in den homerischen Dichtungen nur eine marginale Rolle. Unter dem Namen des Hesiod überliefert ist ›Der Schild des Herakles‹, eine mit geradezu barockem Wortschwall und mit deutlicher Bevorzugung des Gräßlichen aufgeblähte Kampfszene, deren Mitte eine Schildbeschreibung einnimmt. Von weiteren Herakles-Epen existieren nur Fragmente, so daß sich nicht sagen läßt, ob Sophokles seiner Tragö-
die ›Die Trachinierinnen‹ (um 445 v. Chr.) ein älteres Heldenlied über die Eroberung von Oichalia und deren Folgen zugrunde gelegt hat. Euripides läßt in seinem Trauerspiel ›Herakles‹ (421 v. Chr.) den Helden fast zur gleichen Zeit Frau und Kinder vor der Hinrichtung durch einen grausamen Tyrannen retten und, in plötzlichem Wahn, selbst ermorden. In der attischen Komödie, zum Beispiel in den ›Vögeln‹ des Aristophanes (414 v. Chr.), denkt Herakles vor allem an gutes Essen – es beginnt eine Aufspaltung der Mythengestaltin einen edlen Dulder, der auch das Schwerste ohne Murren trägt, und in einen plumpen Schlagetot, der nur Suff und Fraß und Sex im Kopf hat. Der Römer Seneca hat um 50 n. Chr. im ›Rasenden Herkules‹ das Stück des Euripides nachgestaltet; sein ›Herkules auf dem Öta‹ gilt als das erste Horrordrama der europäischen Literatur. Nach ihm haben zahlreiche Dramatiker, Romanautoren, Opernlibrettisten und Humoristen sich der Taten des Herakles angenommen, ohne daß etwas Eindrucksvolles herausgekommen wäre. Gerade die neueste Zeit tut sich offensichtlich hart mit einem Über-Helden und sucht an ihm vor allem das Derbdrastisch-Komische, wie es Hans Hömberg in seinen ›Memoiren des Herkules‹ (Kufstein, 1950) tat. In ihrer Art reizvoll ist Anton Zinks Verserzählung ›Abenteuer mit Herakles‹ (Bamberg, 1988), zu der Tony Munzinger skurrile Illustra-
tionen geliefert hat. Sie kam, als Zeichentrickfilm, sogar zu Fernsehehren.
Unerschüttert von solcher Spielerei steht auch uns Heutigen der Name Herkules für Großes, Starkes, Unverwüstliches, ob nun ein Fahrzeughersteller seine Produkte so nennt, ob man besonders eindrucksvolle tropische Insekten als Herkuleskäfer oder Herkulesspinner bezeichnet, ob eine Gestalt »herkulisch« heißt. Der muskelbepackte Held selbst hat Künstler aller Zeiten angezogen, so daß wir wieder einmal die Qual der Auswahl haben: Auf einem bronzenen Dreifußbein aus Olympia (8. Jahrhundert v. Chr.; gegossenes Relief; Olympia, Museum) ist wohl der Streit des Herakles mit Apollon um den Dreifuß von Delphi zu sehen, ein seltenes Beispiel figürlicher Darstellung in der archaischen Erzgießerei. Einen etruskischen Tempel in Veji schmückte eine heute aus Fragmenten rekonstruierte Terrakottagruppe: Herakles setzt den Fuß auf eine erjagte Hirschkuh – vermutlich die Kerynitische* –, während Apollon sich finster blickend nähert (um 500 v. Chr., Rom, Museo Nazionale di Villa Giulia). Aus derselben Zeit stammen die Metopen vom Schatzhaus der Athener in Delphi (Delphi, Museum). Um 450 v. Chr. wurden die West- und Ostseite der Cella des Zeustempels von Olympia mit Metopen geschmückt, auf denen die zwölf »Arbeiten« des Herakles dargestellt sind (Olympia, Museum, und
Paris, Louvre). Seine Taten waren auch ein ungemein beliebtes Thema der Vasenmaler: Aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. stammt eine 1,22 m hohe Amphore, die an ihrem Hals Herakles und Nessos zeigt und durch Beischrift nennt (Athen, Nationalmuseum). Auf einer Hydria aus Caere (um 530 v. Chr., Rom, Museo Nazionale di Villa Giulia) bringt Herakles den Erymanthischen Eber angeschleppt, während Eurystheus angstvoll aus einem Faß herausguckt, in dem er sich versteckt hat. Im Kampf mit dem Nemeischen* Löwen sieht man den Helden auf einer archaischen Vase (um 500 v. Chr., New York, Metropolitan Museum of Art), bei den Hesperiden auf einer attischen Hydria (um 350 v. Chr., London, British Museum); wie er im Kreis der Götter von seinen Taten ausruht, zeigt eine Bauchamphore des Andokidesmalers (Herakles auf dem Ruhebett, um 520 v. Chr., München, Antikensammlungen). Bemerkenswert an dieser Vase ist, daß ihre eine Seite im rot-, die andere im schwarzfigurigen Stil ausgeführt ist. Den kleinen Herakles als Schlangenwürger treffen wir im Haus der Vettier in Pompeji (das Original des Wandgemäldes befindet sich in Neapel, Museo Archeologico Nazionale), und sogar in den Katakomben Roms kann man ihn finden (Katakombe an der Via Latina: Herakles holt die Äpfel der Hesperiden, 4. Jahrhundert n. Chr.); offensichtlich vermochte sich der populäre Nothelfer sogar
neben Christus und seinen Heiligen noch einige Zeit zu behaupten.
Die Renaissance griff die alten Themen wieder auf: Antonio del Pollaiuolo malte um 1460 für Piero de. Medici drei große – heute verlorene – Leinwandbilder mit ›Taten des Herkules‹, 1598 gestaltete Giorgio Vasari die Decke des Herkulessaals im Palazzo Vecchio zu Florenz. Etwa zur gleichen Zeit malte Annibale Carracci im Palazzo Farnese zu Rom ›Herakles am Scheideweg‹. Der Barock in seiner Freude am Ungewöhnlichen steckte Herakles in Frauenkleider (Bartholomäus Spranger, Herkules und Omphale, um 1600, Malerei auf Kupfer, Wien, Kunsthistorisches Museum) oder gab ihm gar den Spinnrocken in die Hand (Charles Antoine Coypel, Herakles als Sklave der Omphale, 1731, München, Alte Pinakothek). Unter den antiken Bronzestatuen wurde der riesenhafte ›Ruhende Herakles‹ des Lysippos (um 330 v. Chr.) besonders gerühmt. Eine Marmorkopie, die Glykon aus Athen signierte, den sogenannten Farnesischen Herkules, besitzt das Nationalmuseum in Neapel. Ebenfalls von Lysippos ist der viel kleinere ›Tafelnde Herakles‹ (Herakles epitrapezios), der wohl als Tischaufsatz für Alexander den Großen gegossen wurde (Marmorkopie in London, British Museum); Lysipps ›Trauernder Herakles‹ wurde von Kaiser Konstantin aus Rom nach Konstantinopel gebracht, wo er bis
zum 4. Kreuzzug stand. Dann schmolzen ihn die fränkischen Plünderer ein. Berühmt, obwohl arg verstümmelt, ist der Torso eines sitzenden Herakles (Torso von Belvedere) in den Vatikanischen Sammlungen zu Rom. Um 1600 hat Adriaan de Vries den Herkulesbrunnen in Augsburg geschaffen, zehn Jahre später der eigenwillige norddeutsche Bildhauer Ludwig Münstermann einen expressiven Herkules, den man ohne weiteres für ein Spätwerk Michelangelos halten könnte (Bremen, Focke-Museum). Beenden wollen wir die Reihe der Beispiele mit einem Superlativ: Eine fast zehn Meter hohe, um 1710 in Kupfer getriebene Kopie des Farnesischen Herkules bekrönt den Obelisken über dem Oktogon der Großen Kaskade von Kassel!
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Ansicht: Herakles