Who's who in der antiken Mythologie
Athene
AtheneTochter des Zeus*, die dieser »aus seinem heiligen Haupt hervorgebracht hat, mit kriegerischer Rüstung angetan« (Homerischer Hymnos 28, 4–6). Nach Hesiod ist Athene die Tochter der allwissenden Metis*, die Zeus »in seinen Leib versenkte, als sie die eulenäugige Göttin Athene gebären wollte«. Das hatten ihm Gaia* und Uranos* geraten, damit nicht ein anderer statt Zeus über die Himmlischen herrsche. Es war nämlich vom Schicksal bestimmt, daß Metis überkluge Kinder gebären sollte, als erstes die Jungfrau, die eulenäugige Tritogeneia, mit »gleicher Kraft und Weisheit begabt wie der Vater« (Hesiod, Theogonie 886–896). Der Mythos von der verschlungenen Göttin, die nun im Leib des Göttervaters steckt und ihm das Gute und Böse verkündet, wirkt, genau wie die Geschichte von Kronos* und seinen Kindern, sehr urtümlich, dürfte aber erst von Hesiod mit Athene in Zusammenhang gebracht worden sein, da sich diese mächtige vorgriechische Kriegs-, Stadt- und Hausgöttin nicht ohne weiteres in einen patriarchalischen Götterhimmel einpassen ließ. Bedeutung und Alter der Athene belegen ihre vielen, zum Teil noch nicht zuverlässig gedeuteten Beinamen und ihre zahlreichen Funktionen: Als Pallas (Heldenjungfrau) stürzt sie sich in den Kampf und verbreitet panischen Schrec-
ken, wenn sie ihre Ägis, den Schild mit dem Haupt der Medusa*, schüttelt. Sie hilft Helden, die ihr durch ihre Klugheit sympathisch sind, zum Beispiel dem Odysseus*, und beschirmt die Burgen. Troja kann erst erobert werden, als ihr Bild, das Palladion, von Diomedes* und Odysseus* geraubt ist. Bis dahin steht die Stadt unter dem Schutz der gleichen Göttin, die den Trojanern böse ist, weil Paris* bei jener berühmten Schönheitskonkurrenz gegen sie entschied. Athene ist aber nicht nur schön und ein wenig eitel, sondern auch klug. Sie hat das Leben der Menschen durch Erfindungen bereichert, hat die Zimmerleute den Schiffsbau gelehrt (Ilias XV 412) und die Frauen das Weben und Spinnen. Daß Arachne* sie in dieser Kunst übertrifft, erbittert sie sehr. Auch die Doppelflöte hat Athene erfunden, aber weggeworfen, als sie feststellen mußte, daß ihr die beim Blasen geblähten Backen gar nicht standen. Der Satyr* Marsyas* nahm sich, zu seinem Schaden, das verschmähte Instrument.
Athenes heiliger Vogel ist die Eule, die als besonders klug gilt und damit zur Göttin der Weisheit gut paßt. Die Stadt Athen hat ihren Namen von Athene, die sich das attische Land im Wettstreit mit Poseidon* sicherte. Während dieser auf der Akropolis eine Quelle entspringen ließ, stieß sie ihre Lanze in den Boden – da wuchs ein Ölbaum empor, und die zwölf Götter, die den Streit entscheiden sollten, erkannten Athene
den Sieg zu (Ovid, Metamorphosen VI 70–82). Der Jungfrau (gr. parthenos) Athene war der bedeutendste Tempel auf der Akropolis »ihrer« Stadt geweiht, der Parthenon. In ihm stand das von Pheidias geschaffene, zwölf Meter hohe, goldelfenbeinerne Kultbild, im Ostgiebel war der Wettkampf mit Poseidon geschildert. Vor dem Tempel erhob sich eine von Pheidias in Bronze gegossene Kolossalstatue der »Vorkämpferin«, deren funkelnde Speerspitze die Seefahrer schon von weitem sahen, wenn sie Kurs auf Attika hielten.
Diese in der Antike hochgerühmten Kunstwerke sind verschwunden; Beschreibungen und Kopien vermitteln nur einen ungefähren Eindruck davon, z.B. die um 438 v. Chr. geschaffene, gut einen Meter hohe Marmornachbildung der Parthenos im Nationalmuseum von Athen. Erhalten ist ein reizvolles Marmorrelief, das die Göttin in Gedanken versunken vor einem Grenzstein oder Ähnlichem zeigt (um 460 v. Chr., Athen, Akropolis-Museum). Etwa zur gleichen Zeit entstanden die Metopen des Zeustempels von Olympia, die Athene als Helferin des Herakles* verherrlichen. Sie hilft ihm den Himmel zu tragen und ist sogar bei der Reinigung des Augiasstalls dabei (Olympia, Museum). Die Szene mit dem Satyr Marsyas wurde um 450 v. Chr. von Myron spannungsreich gestaltet: Athene hat eben die Flöte fortgeworfen und
will sich entfernen; Marsyas schleicht heran – da hebt die Göttin, abwehrend und warnend, die Hand (Marmorkopie der Gruppe in Rom, Vatikanische Sammlungen: Musei Ex-Lateranensi; Kopie der Athene im Liebighaus, Frankfurt a. M.). Auf Vasenbildern ist mehrfach die Geburt der Athene aus dem Haupt des Zeus dargestellt, wobei Hephaistos* mit einer soliden Axt Hebammendienste leistet (z.B. auf einer schwarzfigurigen attischen Amphore aus dem 6. Jahrhundert v. Chr.; Boston, Museum of Fine Arts). Daß Zeus solche Hilfe nötig gehabt habe, berichten auch Pindar (Olympien VII 35–38) und Euripides (Ion 454–460). Im Kampf mit dem Giganten* Enkelados, auf den sie der Sage nach die Insel Sizilien schleuderte, finden wir Athene im Archäologischen Museum von Paestum (Elfenbein, um 350 v. Chr.).
Wenn Sandro Botticelli um 1485 Athene malte, wie sie eben einen gewaltigen Kentauren* bändigt (Florenz, Uffizien;), dann wollte er damit die Überlegenheit des Intellekts über rohe Kraft symbolisieren. Spätere Maler brachten nach dem Vorbild Ovids (Metamorphosen V 250ff.) Athene*/Minerva* gern mit den Musen* in Verbindung. Ernst Kreneks Oper ›Pallas Athene weint‹ (1955 in Hamburg uraufgeführt) beginnt und endet mit der Klage der Göttin um ihre Stadt, die von den Spartanern erobert wurde. Im übrigen jongliert das Libretto mit Personen und Ereignis-
sen des Peloponnesischen Kriegs und schiebt ganz unbekümmert die Hinrichtung des Sokrates den Spartanern in die Schuhe.
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Ansicht: Athene