Who's who in der antiken Mythologie
Aineias
AineiasSohn des Anchises* und der Aphrodite*, der tapferste Verteidiger Trojas nach Hektor*, im Zweikampf von Diomedes* durch einen Steinwurf verwundet, aber von seiner göttlichen Mutter und Apollon* gerettet, von Artemis* und Leto* gepflegt (Ilias V 217–448). Als er sich dem Achilleus* entgegenstellt, entrückt ihn Poseidon*, da ihm nur von dessen Hand der Tod drohe (Ilias XX 79–340). Nach dem Willen des Schicksals soll »Aineias kraftvoll die Trojaner beherrschen, Kind und Kindeskinder und spätere Generationen« (Ilias XX 307f.). Daß das Geschlecht des Aineias immerdar blühen werde, verspricht auch Aphrodite im Homerischen Hymnos V 196f., in dem ihre Begegnung mit Anchises ausführlich geschildert wird; daß Aineias aber für den Rest seines Volks eine neue Heimat suchen müsse, ist weder dort noch in der Ilias gesagt. Allerdings scheint ihm bereits gegen Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr. die Gründung von Städten im westlichen Mittelmeerraum zugeschrieben worden zu sein. Warum die Römer ihn zum Ahnherrn nahmen, ist umstritten. Vielleicht spielte die schon in der Ilias betonte Frömmigkeit des Helden eine Rolle, dessen Irrfahrten zuerst Naevius in seinem ›Bellum Poenicum‹ (um 210 v. Chr.) behandelte. Ennius begann eine Generation später seine ›Annales‹ mit dem Fall
Trojas, und Vergil schuf aus dem mittlerweile reich entfalteten Stoff die ›Aeneis‹. In ihr wird die Flotte des Aeneas bei der Abfahrt von Sizilien durch einen von Juno* veranlaßten Sturm an die Küste Afrikas verschlagen, wo die Königin von Karthago, Dido*, die Trojaner freundlich aufnimmt. Aeneas erzählt von der Eroberung seiner Heimatstadt mit Hilfe des Trojanischen* Pferds, von seiner Flucht mit dem alten Vater auf den Schultern und dem Knaben Askanios* an der Hand sowie von den bisherigen Irrfahrten. Dido verliebt sich in den Helden, der ihre Liebe erwidert, aber auf Befehl Jupiters* seinen Weg nach Italien fortsetzen muß. Die Verlassene verflucht den Treulosen und tötet sich – die Feindschaft Karthagos und Roms hat damit ihre mythologische Begründung. Bei einem zweiten Aufenthalt auf Sizilien ehrt Aeneas seinen Vater, den er vor dem verhängnisvollen Sturm dort begraben mußte, durch Leichenspiele. In deren Verlauf stecken die Frauen der Trojaner, der langen Irrfahrt müde, die Schiffe in Brand; Jupiter aber löscht das Feuer durch einen Wolkenbruch. Als Aeneas Italien erreicht hat, will er sich von der Sibylle* von Cumae weissagen lassen. Diese gebietet ihm, einen der Proserpina* heiligen goldenen Zweig zu brechen, und führt ihn, als er die Aufgabe gelöst hat, durch die Unterwelt ins Elysium. Dort zeigt ihm sein Vater die Seelen der Männer, die dereinst Roms Füh-
rer sein werden, darunter auch Caesar und Augustus, und verheißt den Römern die Weltherrschaft. Die Unterwerfung Griechenlands erscheint in diesem Zusammenhang als späte, aber gerechte Rache für den Fall Trojas. Zu den Lebenden zurükkgekehrt, gewinnt Aeneas die Freundschaft des Königs von Latium, Latinus*, der den Trojanern Land zuweist und aufgrund eines Orakels dem Führer der Fremden seine Tochter Lavinia* zur Frau gibt, obwohl sie bereits mit dem Rutulerfürsten Turnus* verlobt ist. In diesem findet Aeneas einen unversöhnlichen Gegner, den er erst nach vielen verlustreichen Schlachten im Zweikampf bezwingen kann. Schwer verwundet, fleht Turnus um Gnade, Aeneas aber stößt ihm das Schwert in die Brust (Aeneis I–XII).
Die Metamorphose des Trojaners Aineias zum Stammvater der Römer, Aeneas, ist ein Musterbeispiel für bewußte Ausgestaltung eines Sagenkerns mit im Lauf der Zeit immer klarer hervortretender politischer Absicht. Anfangs dürfte es den Römern genügt haben, sich durch einen trojanischen Ahnen mit den Griechen, für die sie Barbaren waren, auf eine Stufe zu stellen und in Aeneas die Eigenschaften, die sie über alles schätzten, Frömmigkeit und Pflichtgefühl, besonders ausgeprägt zu sehen. Später fand Roms Imperialismus seine Rechtfertigung im geschickt manipulierten Mythos, und die Familie der Julier legte gro-
ßen Wert darauf, ihren Namen auf den Sohn des Aeneas, Askanios, zurückzuführen, der, solange Troja- Ilion stand, auch Ilos, später jedoch Iulus genannt wurde (Vergil, Aeneis I 267–268). Auf diese Weise gewann das Geschlecht in Venus/Aphrodite zugleich eine göttliche Ahnfrau, worauf Gaius Julius Caesar nicht wenig stolz war.
Die Annahme, daß der Kern der Aeneassage den Römern durch die Etrusker vermittelt wurde, stützen zwei Tonfiguren aus Veji, die einen Krieger mit einem alten Mann auf den Schultern zeigen (um 450 v. Chr.; Rom, Museo Nazionale di Villa Giulia). Die bedeutsame Szene wurde bis in die Neuzeit von Bildhauern und Malern immer wieder dargestellt, z.B. von Lorenzo Bernini (1613, Rom, Galleria Borghese), desgleichen die verschiedenen Akte der Dido-Tragödie, z.B. von Peter Paul Rubens (Dido und Aeneas, um 1630; Städelsches Kunstinstitut Frankfurt/M). Der Freskenzyklus zur Aeneis in Schloß Schleißheim bei München ist insoweit bemerkenswert, als er die Schicksale des Helden mit denen des Bauherrn, des Kurfürsten Max Emanuel, in Beziehung setzt. Dichter wetteiferten nur selten mit der als unerreichbar empfundenen ›Aeneis‹; der anonym überlieferte altfranzösische ›Roman d'Énéas‹ (um 1160) und die darauf fußende ›Eneide‹ des Heinrich von Veldeke (um 1180) übertrugen die Handlung in die ritterliche Welt des
hohen Mittelalters und übten starken Einfluß auf die späteren höfischen Romane aus. Andere setzten sich mit Vergil auseinander, indem sie ihn travestierten, z.B. Giambattista Lalli (L'Eneide travestita, 1634), Paul Scarron (Le Virgile travesti, um 1650) oder Aloys Blumauer (Abentheuer des frommen Helden Aeneas, um 1785), der Aeneas nicht nur Rom, sondern auch gleich den Vatikan gründen läßt und seine Verse mit bissigen Attacken gegen die katholische Kirche spickt. Auf der Opernbühne begegnet man Dido und Aeneas in Henry Purcells gleichnamiger Oper (1689) und in den ›Trojanern‹ von Hector Berlioz (1890), deren erster Teil die Eroberung Trojas schildert.
Trojas, und Vergil schuf aus dem mittlerweile reich entfalteten Stoff die ›Aeneis‹. In ihr wird die Flotte des Aeneas bei der Abfahrt von Sizilien durch einen von Juno* veranlaßten Sturm an die Küste Afrikas verschlagen, wo die Königin von Karthago, Dido*, die Trojaner freundlich aufnimmt. Aeneas erzählt von der Eroberung seiner Heimatstadt mit Hilfe des Trojanischen* Pferds, von seiner Flucht mit dem alten Vater auf den Schultern und dem Knaben Askanios* an der Hand sowie von den bisherigen Irrfahrten. Dido verliebt sich in den Helden, der ihre Liebe erwidert, aber auf Befehl Jupiters* seinen Weg nach Italien fortsetzen muß. Die Verlassene verflucht den Treulosen und tötet sich – die Feindschaft Karthagos und Roms hat damit ihre mythologische Begründung. Bei einem zweiten Aufenthalt auf Sizilien ehrt Aeneas seinen Vater, den er vor dem verhängnisvollen Sturm dort begraben mußte, durch Leichenspiele. In deren Verlauf stecken die Frauen der Trojaner, der langen Irrfahrt müde, die Schiffe in Brand; Jupiter aber löscht das Feuer durch einen Wolkenbruch. Als Aeneas Italien erreicht hat, will er sich von der Sibylle* von Cumae weissagen lassen. Diese gebietet ihm, einen der Proserpina* heiligen goldenen Zweig zu brechen, und führt ihn, als er die Aufgabe gelöst hat, durch die Unterwelt ins Elysium. Dort zeigt ihm sein Vater die Seelen der Männer, die dereinst Roms Füh-
rer sein werden, darunter auch Caesar und Augustus, und verheißt den Römern die Weltherrschaft. Die Unterwerfung Griechenlands erscheint in diesem Zusammenhang als späte, aber gerechte Rache für den Fall Trojas. Zu den Lebenden zurükkgekehrt, gewinnt Aeneas die Freundschaft des Königs von Latium, Latinus*, der den Trojanern Land zuweist und aufgrund eines Orakels dem Führer der Fremden seine Tochter Lavinia* zur Frau gibt, obwohl sie bereits mit dem Rutulerfürsten Turnus* verlobt ist. In diesem findet Aeneas einen unversöhnlichen Gegner, den er erst nach vielen verlustreichen Schlachten im Zweikampf bezwingen kann. Schwer verwundet, fleht Turnus um Gnade, Aeneas aber stößt ihm das Schwert in die Brust (Aeneis I–XII).
Die Metamorphose des Trojaners Aineias zum Stammvater der Römer, Aeneas, ist ein Musterbeispiel für bewußte Ausgestaltung eines Sagenkerns mit im Lauf der Zeit immer klarer hervortretender politischer Absicht. Anfangs dürfte es den Römern genügt haben, sich durch einen trojanischen Ahnen mit den Griechen, für die sie Barbaren waren, auf eine Stufe zu stellen und in Aeneas die Eigenschaften, die sie über alles schätzten, Frömmigkeit und Pflichtgefühl, besonders ausgeprägt zu sehen. Später fand Roms Imperialismus seine Rechtfertigung im geschickt manipulierten Mythos, und die Familie der Julier legte gro-
ßen Wert darauf, ihren Namen auf den Sohn des Aeneas, Askanios, zurückzuführen, der, solange Troja- Ilion stand, auch Ilos, später jedoch Iulus genannt wurde (Vergil, Aeneis I 267–268). Auf diese Weise gewann das Geschlecht in Venus/Aphrodite zugleich eine göttliche Ahnfrau, worauf Gaius Julius Caesar nicht wenig stolz war.
Die Annahme, daß der Kern der Aeneassage den Römern durch die Etrusker vermittelt wurde, stützen zwei Tonfiguren aus Veji, die einen Krieger mit einem alten Mann auf den Schultern zeigen (um 450 v. Chr.; Rom, Museo Nazionale di Villa Giulia). Die bedeutsame Szene wurde bis in die Neuzeit von Bildhauern und Malern immer wieder dargestellt, z.B. von Lorenzo Bernini (1613, Rom, Galleria Borghese), desgleichen die verschiedenen Akte der Dido-Tragödie, z.B. von Peter Paul Rubens (Dido und Aeneas, um 1630; Städelsches Kunstinstitut Frankfurt/M). Der Freskenzyklus zur Aeneis in Schloß Schleißheim bei München ist insoweit bemerkenswert, als er die Schicksale des Helden mit denen des Bauherrn, des Kurfürsten Max Emanuel, in Beziehung setzt. Dichter wetteiferten nur selten mit der als unerreichbar empfundenen ›Aeneis‹; der anonym überlieferte altfranzösische ›Roman d'Énéas‹ (um 1160) und die darauf fußende ›Eneide‹ des Heinrich von Veldeke (um 1180) übertrugen die Handlung in die ritterliche Welt des
hohen Mittelalters und übten starken Einfluß auf die späteren höfischen Romane aus. Andere setzten sich mit Vergil auseinander, indem sie ihn travestierten, z.B. Giambattista Lalli (L'Eneide travestita, 1634), Paul Scarron (Le Virgile travesti, um 1650) oder Aloys Blumauer (Abentheuer des frommen Helden Aeneas, um 1785), der Aeneas nicht nur Rom, sondern auch gleich den Vatikan gründen läßt und seine Verse mit bissigen Attacken gegen die katholische Kirche spickt. Auf der Opernbühne begegnet man Dido und Aeneas in Henry Purcells gleichnamiger Oper (1689) und in den ›Trojanern‹ von Hector Berlioz (1890), deren erster Teil die Eroberung Trojas schildert.