Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Zimmermann, Ritter Johann Georg von
Ritter Johann Georg von Zimmermann, geb. 1728 zu Brugg, im Canton Bern, stammte aus einer sehr alten, rechtlichen, angesehenen Familie. In seines Vaters (Rathsherrn zu Brugg) Hause bis in sein 14. Jahr erzogen, kam er nach Bern, studirte hier alte Sprachen, Mathematik, Naturlehre, Philosophie und schöne Wissenschaften, ging dann 1747 nach Göttingen, wo er sich der Arzneikunde widmete, und wo ihn sein Landsmann Haller ganz liebevoll aufnahm, und seine Studien leitete. Vier Jahre lang studirte er nicht blos jene Hauptwissenschaft, sondern auch andere Wissenschaften mit solchem anhaltenden Eifer, und solcher Anstrengung, daß er schon hier die ersten Anfälle einer Hypochondrie empfand, die ihn in der Folge so sehr verfolgte. Mit seiner Inaugural-Dissertation: über die Reitzbarkeit, trat er zuerst und wichtig genug seine schriftstellerische Laufbahn an. Er ging dann einige Zeit nach Holland und Paris und kam 1752 nach Bern zurück, wohin auch bald Haller kam und sich hier niederließ, und von welchem Zimmermann nachher eine Verwandte heirathete. Bald wurde dieser als Physicus in seine Vaterstadt, Brugg, berufen, wo sich sein Ruf als praktischer Arzt immer mehr verbreitete; aber dennoch fühlte er sich hier bald unglücklich, weil er für seinen regsamen Geist nicht Nahrung genug fand, und seine überhandnehmende————
Hypochondrie zog ihn immer mehr zur Einsamkeit hin, über welche er dann sein vortrefliches Werk, voll von den scharfsinnigsten, aus eigner Erfahrung hergeleiteten Wahrheiten zu schreiben vermochte. Sehr viel auswärtige Anträge kamen an ihn; allein, trotz seines lebhaften Verlangens, an einen größern Ort zu kommen, ließ ihn doch seine Unentschlossenheit keinen von den Anträgen ergreifen, bis endlich die im J. 1768 ihm ertheilte Stelle eines königl. Großbritannischen Leibarztes in Hannover ihn von seiner Vaterstadt hinweg brachte. Aber leider! hatte auch hier seine Hypochondrie nur gar zu viel Gelegenheit, sich noch tiefer einzunisten. Mißgunst und Neckereien seiner Collegen, übertriebene Anfoderungen und Dünkel gewisser am Hofe lebenden Personen, zerrüttete Gesundheit seiner Gattin (die auch bald im J. 1770 in seinen Armen verschied) und die nicht minder hinfällige seiner Kinder – das alles waren warlich keine Mittel, sein Hauptübel zu mindern. Ein verwickelter Leibschaden vermehrte seine körperlichen Leiden und er mußte sich 1771, wo er nach Berlin zu dem berühmten Mekkel reiste, der schmerzhaftesten Operation unterwerfen. Indessen fand er doch hier, nachdem er einigermaßen nur wieder hergestellt war, in der allgemeinen Achtung, mit welcher man ihm durchaus entgegen kam, hinlängliche Erholung und die letztere Zeit seines Aufenthaltes zu Berlin war eine der glück-
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lichsten seines Lebens. So kehrte er nach Hannover zurück – aber auch sein Leiden kehrte bald wieder zurück. Eine geliebte Tochter ward, nach fünfjährigen Leiden, eine Leiche – sein übrig gebliebener Sohn verfiel in eine Geisteszerrüttung und Zimmermann stand ganz verwaist, als endlich seine Freunde ihm eine zweite Gattin und mit ihr – obgleich dreißig Jahr jünger als er, einen Schutzengel zuführten. Durch sie und ihre liebevolle Behandlung kam er wieder zu seiner vorigen Heiterkeit zurück; er vollendete nun auch sein Werk: über die Einsamkeit und erwarb sich dadurch Freunde und Verehrer in allen Ständen. Die russische Kaiserin, Catharina II., machte ihm ansehnliche Geschenke, und da er ihre Einladung, nach Petersburg zu kommen, so wie die ihm nachher angebotene Stelle eines Leibarztes mit 10,000 Rubel Gehalt, wegen seiner schwachen Gesundheit nicht annehmen konnte, so erhielt er den Auftrag, ihr junge Aerzte oder Wundärzte zu schicken und bekam dafür den Orden des heiligen Wladimir. Auch Friedrich der Große, mit dem er schon bei jenem Aufenthalt in Berlin eine lange Unterredung gehabt hatte, berief Zimmermann im J. 1786 nach Potsdam, um ihn wegen seines Gesundheit-Zustandes zu Rathe zu ziehen; allein auch seine Kunst war hier verloren und seine Unterredung mit diesem Einzigen Monarchen, so wie die Fragmente, welche er nachher drucken ließ, erregten
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zwar großes Aufsehen, zogen ihm aber eine Menge Streitigkeiten zu, welchen er allerdings, wär er nicht hier als Politiker aufgetreten, ganz entgangen wäre. Er, dessen Blicke durch Hypochondrie ganz getrübt und fehl geleitet waren, fing an, verdienstvolle rechtschaffene Gelehrte und geschätzte Männer aufs unverantwortlichste zu befeinden und zu beschuldigen; sein Ton ward unanständig und grob; seine Fragmente über Friedrich den Großen, welche zugleich unschickliche, ja ganz unwahre und erdichtete Dinge von diesem einzigen Monarchen enthielten, brachten jeden Leser wider den Verfasser auf. Die Nothwehr, die nun jedem von ihm Gemißhandelten zustand, und der Widerspruch, den Zimmermann durchgängig jetzt erfuhr, vermehrten seine Galle und nun – ließ er sich sogar mit dem berüchtigten Aloysius Hofman zu der famösen Aufklärer-, Illuminaten- und Jakobiner-Jagd ein, sendete an den Kaiser Leopold einen langen Aufsatz, um die Verfolgung der Illuminaren zu einer Angelegenheit des Reichs zu machen; allein der Tod des Kaisers, der wirklich die Sache beim Reichstag vorbringen wollte, vereitelte seine Hofnungen. Dennoch fuhr er in seinen Invectiven fort; seine Melancholie stieg höher und höher: er mußte alle Geschäfte aufgeben; sein Verstand litt immer mehr; Medicamente ließ er nicht mehr zu und so starb er (1795) in einem höchst beklagenswürdigen Zustande und unter der
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höchsten Angst in seinem 67. Jahre. Wer hatte wol eine glänzendere Aussicht, als er, da seine schöne Laufbahn begann? und so traurig, so ganz verlassen von seinen ältesten Freunden, die er so heftig angegriffen hatte, so ganz hingegeben dem schwarzen Genius seiner furchtbaren Hypochondrie, mußte er diese Laufbahn enden! Als Arzt, als Philosoph, als scharfsinniger Beobachter hatte er sich so fest in der Achtung des Publikums gesetzt; aber seitdem er, von einem sonderbaren Dünkel verleitet, sich seiner unglücklichen Neigung zur Politik überließ und zu ungerechten hämischen Beschuldigungen gegen die verdienstvollsten Männer hingerissen wurde, zog er das allgemeine Mißfallen auf sich, trübte sich selbst den letzten Theil seines Lebens und vernichtete so die Ansprüche, die die Welt auf die hohe Nützlichkeit eines Gelehrten hatte, der gewiß als einer der Ersten von der Bühne abtreten konnte. Seine vorzüglichsten Werke: über die Einsamkeit (Anfangs als einzelne Abhandlung, Zürich 1756, dann als größeres Werk, besonders gegen den unbändigen Angriff eines der bekanntesten Schwärmer, Obereits, in 4 Theilen, Leipz. 1784 und 85 herausgegeben); über den Nationalstolz (die 6. Auflage, Zürich 1789), das auch in mehrere fremde Sprachen übersetzt worden; von der Erfahrung in der Arzneikunst, 2 Theile. Zürich (2. Auflage) 1787, haben ihn als Weltweisen, als Arzt, als wit-
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zigen Schriftsteller eben so hervorgehoben, und ausgezeichnet, als freilich leider! nachher seine Schrift: über Friedrich den Großen und meine Unterredung mit ihm kurz vor seinem Tode (Leipz. 1788) und seine Fragmente über Friedrich den Großen etc. (Lpz. 1790) seinen großen Ruf geschmälert und ihn dem gerechten Unwillen und Tadel seiner Freunde, so wie den heftigsten Angriffen und Ausfällen seiner Gegner preis gegeben haben!
Hypochondrie zog ihn immer mehr zur Einsamkeit hin, über welche er dann sein vortrefliches Werk, voll von den scharfsinnigsten, aus eigner Erfahrung hergeleiteten Wahrheiten zu schreiben vermochte. Sehr viel auswärtige Anträge kamen an ihn; allein, trotz seines lebhaften Verlangens, an einen größern Ort zu kommen, ließ ihn doch seine Unentschlossenheit keinen von den Anträgen ergreifen, bis endlich die im J. 1768 ihm ertheilte Stelle eines königl. Großbritannischen Leibarztes in Hannover ihn von seiner Vaterstadt hinweg brachte. Aber leider! hatte auch hier seine Hypochondrie nur gar zu viel Gelegenheit, sich noch tiefer einzunisten. Mißgunst und Neckereien seiner Collegen, übertriebene Anfoderungen und Dünkel gewisser am Hofe lebenden Personen, zerrüttete Gesundheit seiner Gattin (die auch bald im J. 1770 in seinen Armen verschied) und die nicht minder hinfällige seiner Kinder – das alles waren warlich keine Mittel, sein Hauptübel zu mindern. Ein verwickelter Leibschaden vermehrte seine körperlichen Leiden und er mußte sich 1771, wo er nach Berlin zu dem berühmten Mekkel reiste, der schmerzhaftesten Operation unterwerfen. Indessen fand er doch hier, nachdem er einigermaßen nur wieder hergestellt war, in der allgemeinen Achtung, mit welcher man ihm durchaus entgegen kam, hinlängliche Erholung und die letztere Zeit seines Aufenthaltes zu Berlin war eine der glück-
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lichsten seines Lebens. So kehrte er nach Hannover zurück – aber auch sein Leiden kehrte bald wieder zurück. Eine geliebte Tochter ward, nach fünfjährigen Leiden, eine Leiche – sein übrig gebliebener Sohn verfiel in eine Geisteszerrüttung und Zimmermann stand ganz verwaist, als endlich seine Freunde ihm eine zweite Gattin und mit ihr – obgleich dreißig Jahr jünger als er, einen Schutzengel zuführten. Durch sie und ihre liebevolle Behandlung kam er wieder zu seiner vorigen Heiterkeit zurück; er vollendete nun auch sein Werk: über die Einsamkeit und erwarb sich dadurch Freunde und Verehrer in allen Ständen. Die russische Kaiserin, Catharina II., machte ihm ansehnliche Geschenke, und da er ihre Einladung, nach Petersburg zu kommen, so wie die ihm nachher angebotene Stelle eines Leibarztes mit 10,000 Rubel Gehalt, wegen seiner schwachen Gesundheit nicht annehmen konnte, so erhielt er den Auftrag, ihr junge Aerzte oder Wundärzte zu schicken und bekam dafür den Orden des heiligen Wladimir. Auch Friedrich der Große, mit dem er schon bei jenem Aufenthalt in Berlin eine lange Unterredung gehabt hatte, berief Zimmermann im J. 1786 nach Potsdam, um ihn wegen seines Gesundheit-Zustandes zu Rathe zu ziehen; allein auch seine Kunst war hier verloren und seine Unterredung mit diesem Einzigen Monarchen, so wie die Fragmente, welche er nachher drucken ließ, erregten
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zwar großes Aufsehen, zogen ihm aber eine Menge Streitigkeiten zu, welchen er allerdings, wär er nicht hier als Politiker aufgetreten, ganz entgangen wäre. Er, dessen Blicke durch Hypochondrie ganz getrübt und fehl geleitet waren, fing an, verdienstvolle rechtschaffene Gelehrte und geschätzte Männer aufs unverantwortlichste zu befeinden und zu beschuldigen; sein Ton ward unanständig und grob; seine Fragmente über Friedrich den Großen, welche zugleich unschickliche, ja ganz unwahre und erdichtete Dinge von diesem einzigen Monarchen enthielten, brachten jeden Leser wider den Verfasser auf. Die Nothwehr, die nun jedem von ihm Gemißhandelten zustand, und der Widerspruch, den Zimmermann durchgängig jetzt erfuhr, vermehrten seine Galle und nun – ließ er sich sogar mit dem berüchtigten Aloysius Hofman zu der famösen Aufklärer-, Illuminaten- und Jakobiner-Jagd ein, sendete an den Kaiser Leopold einen langen Aufsatz, um die Verfolgung der Illuminaren zu einer Angelegenheit des Reichs zu machen; allein der Tod des Kaisers, der wirklich die Sache beim Reichstag vorbringen wollte, vereitelte seine Hofnungen. Dennoch fuhr er in seinen Invectiven fort; seine Melancholie stieg höher und höher: er mußte alle Geschäfte aufgeben; sein Verstand litt immer mehr; Medicamente ließ er nicht mehr zu und so starb er (1795) in einem höchst beklagenswürdigen Zustande und unter der
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höchsten Angst in seinem 67. Jahre. Wer hatte wol eine glänzendere Aussicht, als er, da seine schöne Laufbahn begann? und so traurig, so ganz verlassen von seinen ältesten Freunden, die er so heftig angegriffen hatte, so ganz hingegeben dem schwarzen Genius seiner furchtbaren Hypochondrie, mußte er diese Laufbahn enden! Als Arzt, als Philosoph, als scharfsinniger Beobachter hatte er sich so fest in der Achtung des Publikums gesetzt; aber seitdem er, von einem sonderbaren Dünkel verleitet, sich seiner unglücklichen Neigung zur Politik überließ und zu ungerechten hämischen Beschuldigungen gegen die verdienstvollsten Männer hingerissen wurde, zog er das allgemeine Mißfallen auf sich, trübte sich selbst den letzten Theil seines Lebens und vernichtete so die Ansprüche, die die Welt auf die hohe Nützlichkeit eines Gelehrten hatte, der gewiß als einer der Ersten von der Bühne abtreten konnte. Seine vorzüglichsten Werke: über die Einsamkeit (Anfangs als einzelne Abhandlung, Zürich 1756, dann als größeres Werk, besonders gegen den unbändigen Angriff eines der bekanntesten Schwärmer, Obereits, in 4 Theilen, Leipz. 1784 und 85 herausgegeben); über den Nationalstolz (die 6. Auflage, Zürich 1789), das auch in mehrere fremde Sprachen übersetzt worden; von der Erfahrung in der Arzneikunst, 2 Theile. Zürich (2. Auflage) 1787, haben ihn als Weltweisen, als Arzt, als wit-
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zigen Schriftsteller eben so hervorgehoben, und ausgezeichnet, als freilich leider! nachher seine Schrift: über Friedrich den Großen und meine Unterredung mit ihm kurz vor seinem Tode (Leipz. 1788) und seine Fragmente über Friedrich den Großen etc. (Lpz. 1790) seinen großen Ruf geschmälert und ihn dem gerechten Unwillen und Tadel seiner Freunde, so wie den heftigsten Angriffen und Ausfällen seiner Gegner preis gegeben haben!