Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Wicliff, Johann
Johann Wiclef oder Wicliff, ein gelehrter, religöser und Wahrheit liebender Englischer Theolog des 14ten Jahrhunderts, und einer von Luthers Vorgängern, war zu Wicliffe in der Grafschaft York um 1324 geboren, studirte zu Oxford Theologie und Philosophie, und erhielt in beiden Facultäten die Doctorwürde. Er wurde zuerst auf die unerlaubten Mittel aufmerksam, deren sich die Geistlichen bedienten, um zu Aemtern zu gelangen, und trat wider sie 1356 als Schriftsteller auf, vertheidigte auch bald darauf die Rechte der Universität zu Oxford gegen die Anmaßungen der Bettelmönche (s. Th. III. S. 153. 54), die immer mehr die akademischen Stellen an sich zu ziehen suchten. Je mehr er sich dadurch bei der Universität beliebt machte, um desto mehr suchte man ihn zu befördern; und so erhielt er, nachdem er bereits verschiedene Aemter bekleidet hatte, 1365 die Stelle eines Vorstehers bei dem Collegium zu Canterbury. Daß ein solcher Mann den Mönchen äußerst verhaßt war, bedarf keines Beweises, da er ihren Anmaßungen, die damahls in England aufs höchste gestiegen waren, sich so freimüthig widersetzte. Sie bewirkten daher bei dem Papste seine Absetzung. Allein nun trat Wiclef gegen den Papst selbst auf. König Eduard III. von England († 1377) hatte nehmlich im Jahr 1365 den Peterspfennig (s. dies. Art.) eingezogen, und dadurch den übermü-————
thigen Oberpriester in Rom einer großen Einnahme beraubt, in deren Besitz er sich zu behaupten suchte. Man hatte Wiclef durch seine Absetzung zur Ruhe zu bringen geglaubt; allein er ging nach Oxford zurück, hielt dort mit dem größten Beifall theologische Vorlesungen, und vertheidigte nun 1367 in einer besondern Schrift die Rechte des Königs gegen den Papst. Da indeß dieser in seinen Anmaßungen fortfuhr, und behauptete: daß ihm das Recht gehöre, die geistlichen Pfründen in England zu vergeben; so schickte Eduard Wiclefen, der jetzt Professor der Theologie in Oxford war, im Jahr 1374 nebst einigen andern als Gesandten an den Papst, und Wiclef ermangelte nicht, auch gegen ihn mündlich die Rechte seines Königs zu behaupten. Er hatte unterdessen die päpstliche Curie noch besser kennen lernen, und faßte nun erst einen tödtlichen Haß gegen sie, den er in einer seiner vorzüglichsten Schriften bewies, die eine Unterredung zwischen der Wahrheit, einem arglistigen und einem klugen Theologen enthält. Da ihm Eduard, nach Beendigung seiner Gesandtschaft, 1375 auch ein Canonicat an der Collegiatkirche zu Westbury, und die Pfarre zu Lutterworth in der Diöces von Lincoln ertheilte, so suchten die Mönche diesen ihnen immer gefährlicher werdenden Mann auf alle Art zu stürzen. Denn jetzt ging er sogar so weit, den Geistlichen alle weltliche Gerichtsbarkeit abzusprechen. Sie überga-
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ben deßhalb 1377 Papst Gregor XI. († 1378) achtzehn Lehrsätze oder Artikel, die, ihrer Meinung nach, ketzrisch waren, und welche Wiclef vorgetragen haben sollte. So sehr der Hof den Vertheidiger der königlichen Rechte in Schutz nahm, so drohte ihm doch viele Gefahr, da Gregor dem Erzbischof von Canterbury den Auftrag gab, Wiclefen wegen dieser Lehrsätze zur Verantwortung zu ziehen. Allein, obschon der Erzbischof eine Versammlung der Geistlichen in London zusammen berief, vor welcher Wiclef erscheinen mußte, so begleitete ihn doch der Herzog, Johann von Lancaster, mit in die Versammlung, half ihn selbst vertheidigen, und so sahe man sich genöthiget, ihn freizusprechen. Gregor ließ darauf, nach König Eduards Todte, im Juni 1377 eine neue Versammlung der Geistlichen in England zusammen berufen, vor welcher Wiclef sich nochmahls stellen mußte; doch auch jetzt wagte man nicht, ihn zu verurtheilen, sondern man legte ihm bloß Stillschweigen auf. Wiclef fuhr jedoch immer fort, mit Freimüthigkeit seine vorher geäußerten Grundsätze sowohl durch Schriften, als auch mündlich auf der Kanzel und auf dem Lehrstuhle zu verbreiten. Die Geistlichkeit zog endlich Eduards Thronfolger, den schwachen König Richard II. auf ihre Seite; und in einer 1382 zu London gehaltenen Versammlung der Geistlichen wurden mehrere von Wiclefs Lehrsätzen als ketzerisch verdammt, seine
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Anhänger theils zum Widerruf gezwungen, theils ins Gefängniß geworfen. Da jedoch Wiclef selbst, auf Anrathen seiner Freunde, sich vor der Versammlung nicht gestellt hatte, über dieß Urban VI. und Clemens VII. einander seit 1387 den päpstlichen Stuhl streitig machten, und deßhalb zwischen ihren beiderseitigen Anhängern Streitigkeiten waren, so zog sich Wiclefs Prozeß in die Länge, und er starb vor Beendigung desselben, zwar verketzert, aber ruhig zu Lutterworth am 2ten December 1384, oder, wie Andere sagen, erst am 31ten December 1378, ohne daß man an ihn vollständige Rache genommen hatte. Dieß bewog den Papst Martin V. noch im Jahre 1428 eine elende und lächerliche Rache an dessen Leichname auszuüben, indem er denselben ausgraben und verbrennen ließ. Nichts desto weniger lebte Wiclef in seinen Schriften und Schülern fort, die nach und nach das große Werk der Reformation vorbereiteten. Auch bleibt ihm der Ruhm, daß er die Fürsten, besonders die Könige von England, auf ihre Rechte aufmerksam gemacht, und solche selbst für sie gegen die Geistlichen und den päpstlichen Stuhl vertheidiget hat.
thigen Oberpriester in Rom einer großen Einnahme beraubt, in deren Besitz er sich zu behaupten suchte. Man hatte Wiclef durch seine Absetzung zur Ruhe zu bringen geglaubt; allein er ging nach Oxford zurück, hielt dort mit dem größten Beifall theologische Vorlesungen, und vertheidigte nun 1367 in einer besondern Schrift die Rechte des Königs gegen den Papst. Da indeß dieser in seinen Anmaßungen fortfuhr, und behauptete: daß ihm das Recht gehöre, die geistlichen Pfründen in England zu vergeben; so schickte Eduard Wiclefen, der jetzt Professor der Theologie in Oxford war, im Jahr 1374 nebst einigen andern als Gesandten an den Papst, und Wiclef ermangelte nicht, auch gegen ihn mündlich die Rechte seines Königs zu behaupten. Er hatte unterdessen die päpstliche Curie noch besser kennen lernen, und faßte nun erst einen tödtlichen Haß gegen sie, den er in einer seiner vorzüglichsten Schriften bewies, die eine Unterredung zwischen der Wahrheit, einem arglistigen und einem klugen Theologen enthält. Da ihm Eduard, nach Beendigung seiner Gesandtschaft, 1375 auch ein Canonicat an der Collegiatkirche zu Westbury, und die Pfarre zu Lutterworth in der Diöces von Lincoln ertheilte, so suchten die Mönche diesen ihnen immer gefährlicher werdenden Mann auf alle Art zu stürzen. Denn jetzt ging er sogar so weit, den Geistlichen alle weltliche Gerichtsbarkeit abzusprechen. Sie überga-
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ben deßhalb 1377 Papst Gregor XI. († 1378) achtzehn Lehrsätze oder Artikel, die, ihrer Meinung nach, ketzrisch waren, und welche Wiclef vorgetragen haben sollte. So sehr der Hof den Vertheidiger der königlichen Rechte in Schutz nahm, so drohte ihm doch viele Gefahr, da Gregor dem Erzbischof von Canterbury den Auftrag gab, Wiclefen wegen dieser Lehrsätze zur Verantwortung zu ziehen. Allein, obschon der Erzbischof eine Versammlung der Geistlichen in London zusammen berief, vor welcher Wiclef erscheinen mußte, so begleitete ihn doch der Herzog, Johann von Lancaster, mit in die Versammlung, half ihn selbst vertheidigen, und so sahe man sich genöthiget, ihn freizusprechen. Gregor ließ darauf, nach König Eduards Todte, im Juni 1377 eine neue Versammlung der Geistlichen in England zusammen berufen, vor welcher Wiclef sich nochmahls stellen mußte; doch auch jetzt wagte man nicht, ihn zu verurtheilen, sondern man legte ihm bloß Stillschweigen auf. Wiclef fuhr jedoch immer fort, mit Freimüthigkeit seine vorher geäußerten Grundsätze sowohl durch Schriften, als auch mündlich auf der Kanzel und auf dem Lehrstuhle zu verbreiten. Die Geistlichkeit zog endlich Eduards Thronfolger, den schwachen König Richard II. auf ihre Seite; und in einer 1382 zu London gehaltenen Versammlung der Geistlichen wurden mehrere von Wiclefs Lehrsätzen als ketzerisch verdammt, seine
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Anhänger theils zum Widerruf gezwungen, theils ins Gefängniß geworfen. Da jedoch Wiclef selbst, auf Anrathen seiner Freunde, sich vor der Versammlung nicht gestellt hatte, über dieß Urban VI. und Clemens VII. einander seit 1387 den päpstlichen Stuhl streitig machten, und deßhalb zwischen ihren beiderseitigen Anhängern Streitigkeiten waren, so zog sich Wiclefs Prozeß in die Länge, und er starb vor Beendigung desselben, zwar verketzert, aber ruhig zu Lutterworth am 2ten December 1384, oder, wie Andere sagen, erst am 31ten December 1378, ohne daß man an ihn vollständige Rache genommen hatte. Dieß bewog den Papst Martin V. noch im Jahre 1428 eine elende und lächerliche Rache an dessen Leichname auszuüben, indem er denselben ausgraben und verbrennen ließ. Nichts desto weniger lebte Wiclef in seinen Schriften und Schülern fort, die nach und nach das große Werk der Reformation vorbereiteten. Auch bleibt ihm der Ruhm, daß er die Fürsten, besonders die Könige von England, auf ihre Rechte aufmerksam gemacht, und solche selbst für sie gegen die Geistlichen und den päpstlichen Stuhl vertheidiget hat.