Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Union
Die Union (Alliance) heißt überhaupt eine Einigung, Vereinigung, ein Vertrag. Besonders hat man gewissen Bündnissen zwischen mehreren Mächten diesen Namen beigelegt: dahin gehört das Bündniß, welches im Jahr 1610 verschiedene protestirende Stände errichteten, um den Augsburgischen Religionsfrieden bei Kräften zu erhalten und deren Stifter Friedrich IV. Churfürst von der Pfalz war. Die deshalb zu Halle in Schwaben gehaltene Versammlung beschloß: daß die Reichsstände einander in Vertheidigung der protestantischen Kirche beistehen; daß sie mit gesammter Hand unter Beihülfe Frankreichs den Churfürst von Brandenburg und den Pfalzgraf von Neuburg beim Besitz der Jülichischen Lande erhalten wollten u. s. f. Wider dieses Bündniß wurde nun von Seiten der Catholischen die sogenannte Ligne unter Maximilian von Baiern geschlossen (s. dies. Art. so wie den Art. Herzog Maximilian I. in d. Nachtr. Th. II. S. 39.). Ob nun zwar gleich Anfangs Frankreich, England und Holland die unirten Fürsten unterstützte, so trennte sich doch, da besonders der neu gewählte König Friedrich V. die Schlacht auf dem weisen Berge bei Prag verlor, die Union wieder.  Eben so ist die Utrechter Union die bekannte Vereinigung der niederländischen Republik, wo 1579 zu Utrecht sich die 5 Provinzen: Seeland, Holland, Ut-
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recht, Geldern und Friesland verbanden, für ihre Religion und ihre Freiheiten Gut und Blut aufzuopfern.
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Die deutsche Union oder die Zwei und Zwanziger ist der Name einer, von dem durch seine Schicksale berühmten und berüchtigten D. Carl Friedrich Bahrdt zu Halle (s. Th. I. S. 109.) seit 1787 projectirten, geheimen Gesellschaft, deren Zweck, Vahrdtʼs ersten Vorspiegelungen nach, Beförderung der Aufklärung sein sollte, bei der er aber seine ökonomischen Umstände zu verbessern suchte und zugleich den Riesenplan hatte, die Direction des Buchhandels in Deutschland in seine Hände zu bringen. – Die äußere Veranlassung zu dieser Gesellschaft gab Friedrichs des Einzigen Tod und der Regierungsantritt seines Nachfolgers. Viele denkende Männer, welche sahen, daß nach Friedrichs Absterben Schwärmerei und Aberglauben in Deutschland immer mehr überhand nahmen, wünschten eine engere Verbindung der hellen und denkenden Köpfe, um diesem Uebel Widerstand zu leisten; sie äußerten solche Wünsche mündlich und schriftlich gegen einander; allein niemand trat auf, um diese Verbindung wirklich zu knüpfen. Endlich verband sich Bahrdt, der schon längst eine Reformation des ganzen theologischen Systems projectirt hatte, mit einigen vertrauten Freunden, welche aus reinen Absichten Aufklärung wünschten und erließ im Jahre 1787 in der Stille und ohne seinen Namen zu nennen, 1) einen Aufruf an die Freunde der Vernunft, Wahr-
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heit und Tugend, in welcher er diese zu einer Verbindung aufforderte, die zum Besten der Menschheit und zur Beförderung der Aufklärung geschlossen werden sollte und über deren Plan, seiner Angabe nach, bereits eine Gesellschaft von 22, theils Staatsmännern, theils öffentlichen Lehrern, theils Privatpersonen sich vereiniget hatte. Diesem Aufruf wurde 2) eine Eidesformel beigefügt, die jeder Empfänger des Aufrufs unterschreiben sollte, wenn er den Zweck der Gesellschaft (die Bahrdt hier die deutsche Union nannte) billigte. Noch wurde 3) ein – ziemlich unbestimmter – Plan der Zwei und Zwanziger beigefügt. Gegen Ende des Jahres 1787 wurde aber schon 4) ein verbesserter Plan ausgegeben, in welchem nochmals: wahre Aufklärung und Entthronung des Fanatismus und moralischen Despotismus als Zweck der Union angegeben wurde, als Mittel aber auch zugleich: ein geheimer Operationsplan, nach welchem es möglich werden sollte, den Buchhandel in die Hände der deutschen Union zu bringen. – Die durch den Aufruf Eingeladenen wurden zugleich angewiesen, ihre Antworten an einige Personen zu senden, die theils von Bahrdt und seinen Freunden unterrichtet waren, theils aber auch von seinem Projecte noch gar keine Kenntniß hatten, um hierdurch den Eingeladenen die Meinung beizubringen, daß diejenigen, an deren Addresse sie gewiesen würden, Mitglieder und Theilnehmer der
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Union wären. Da selbst berühmte Männer, z. B. Baldinger zu Marburg, Knigge (s. Nachtr. Th. I. S. 531.) und andere sich der Union annahmen und Bahrdt anfänglich seinen Einfluß auf die Gesellschaft verschwieg; so erhielt diese immer mehrere Mitglieder. Indessen wünschte jeder, der hinzutrat, zu wissen: wer die Zwei und Zwanziger wären? und doch konnten selbst diejenigen, die neue Mitglieder anwarben, hierüber keine Auskunft geben. Da Bahrdt durch seinen Eigensinn bereits die eigentlichen ursprünglichen Theilnehmer der Union von sich entfernt hatte; so überredete er nun einen Freund in Halle, der ein ansehnliches Amt bekleidete, sich in einem gedruckten Circulare als Geschäftsträger der Union aufführen zu lassen. Durch dieses Circulare schien die Union vollkommene Festigkeit zu erhalten. Allein jetzt erschien folgende Schrift: Mehr Noten als Text, oder die deutsche Union der Zwei uno Zwanziger, eines neuen geheimen Ordens zum Besten der Menschheit. Leipzig, 1789. gr. 8. welche, nebst mehreren Actenstücken (unter diesen den oben gedachten Aufruf, Eidesformel und den ersten und verbesserten Plan), auch die Liste der deutschen Union, oder ein Namensverzeichniß von beinahe dritthalb hundert Personen, die Mitglieder der Gesellschaft sein sollten, enthielt. Sogleich folgten in dem Intelligenzblatte der (damaligen Jenaischen, jetzt Hallischen) Allgemeinen Literatur-Zei-
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tung die Erklärungen mehrerer Gelehrten, deren Namen mit in jenem Verzeichnisse aufgeführt waren: daß sie leine Mitglieder der deutschen Union seien. Schon dieser Umstand wurde der Union sehr nachtheilig; allein nun erklärte auch jener Freund Bahrdts, der durch die gedachte Schrift seine Ehre gekränkt glaubte, sowol in Briefen, als auch öffentlich: daß er von der Union abgegangen sei und die unter seinem Namen herumgesandten Briefe nicht von ihm wären. Durch diese Erklärung wurde die, ihrem öffentlich erklärten Zwecke nach, schätzbare, gesellschaftliche Verbindung, an deren Spitze nur kein Bahrdt stehen durfte, nach und nach völlig aufgelöset, ehe sie noch wirklich gegründet war.
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