Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Türkei, Die
Die TürkeiOsmannische Pforte – Dieser bei seinen neuesten Revolutionen sowohl, als bei den allgemeinen Veränderungen vielleicht einer ganz neuen Epoche entgegengehende Staat gehört unter diejenigen Artikel unsers Lexikons, über welche wir auf die S. 205 befindliche Note (*) verweisen müssen.————————
Die Türkei, oder die Ottomannische auch hohe Pforte1, begreift einen beträchtlichen Theil der alten Welt. Man rechnet dazu 1) in Europa, in der sogenannten europäischen Türkei die Provinzen: Rum- Ili oder Romanien, Bulgarien, Bessarabien, Griechenland – wozu Macedonien, Albanien, Janna (Janjan) oder Thessalien, Livadien, Morea, die Inseln im Archipelagus, ferner die größern Inseln: Candia, Corfu, Zante u. s. w. gehören – Servien, Bosnien und die tributairen Staaten Moldau, Wallachei und die bisher in Schutz stehende Republick Ragusa; 2) in Asien oder der asiatischen Türkei: Kleinasien, Syrien (worin Palästina liegt), Georgien, Diabekir oder Mesopotamien, Bagdad, Basra, Mosul und außer einigen kleineren Provinzen noch den größten Theil von Armenien und Arabien, welches letztere zwar seine eignen Fürsten oder Emirs hat, aber doch von der Pforte sehr abhängig ist; 3) in Afrika oder der sogenannten afrikanischen Türkei: Egypten und in gewisser Rücksicht auch: die Staaten Algier, Tunis und Tripolis, die zwar für sich bestehen, aber doch unter dem Schutze und einiger Abhängigkeit von dem türkischen Reiche sind.
  Die Türken gehören ihrem Ursprunge nach zum großen tatarischen Völkerstamm. Diese Tatarn breiteten ihre Siege über große Länder aus und stifteten ansehnliche und dauerhafte Reiche. – Bekannt sind die
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Siege des Propheten Mahomeds (s. d. Art.): das von ihm gestiftete Reich breitete sich nach seinem Tode innerhalb zweier Jahrhunderte durch seine Nachfolger, die Chalifen, oder Beherrscher der Gläubigen, über das nördliche Africa und einen großen Theil von Asien aus; auch im Süden von Europa hatten sie reißende Fortschritte gemacht. Allein ihre zu schnell empor gewachsene Macht sollte bald kühneren Mitbewerbern und unter diesen auch jenen tatarischen Nationen, ihren Nachbarn, weichen, von welchen die Turkmanen oder Türken einen Stamm ausmachten. Diese nahmen, unter ihrem Anführer, Tongrul (oder Togrulbey), von dem persischen Reiche im II. Jahrhunderte Besitz (und damals sollen die Türken die mahomedanische Religion angenommen haben), mußten aber dasselbe ums Jahr 1200 den nördlichen Tatarn überlassen, worauf sie sich nach Klein-Asien zogen, wovon sie den größten Theil kurz zuvor besiegt hatten, und nun Iconium in Cicilien (seitdem Caramanien) zum Sitz ihres Reichs machten; doch, auch hier wieder von den Tatarn beunruhiget, mußten sie, da die Wuth der Kreuzzüge wieder ausgebrochen war, den Christen ganz Palästina (1229) überlassen; allein kurz darauf eroberten sie es wieder und nahmen, unter den wüthendsten Metzeleien, Jerusalem (1234) ein. Indessen den Grund zur eigentlichen Macht verdankten die Türken ihrem Beherrscher Osmann (oder Oth-
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mann), welcher zuerst den Titel Sultan annahm und der Stammvater des jetzt regierenden türkischen Hauses ward, auch dem Volke den Namen Osmanen gab. Dieser Fürst († 1326, nach Andern 1328), welcher von dem berühmten Dschingis-Khan (Gengis Khan) abstammte, machte das von ihm eroberte Bursa in Bithynien zum Sitz der ottomannischen Herrschaft, welche er nun über den größten Theil von Klein-Asien ausdehnte. Er, und besonders seine Nachfolger, sein Sohn Orthan I. († 1359 oder 60), der eigentliche wahre Stifter des türkischen Reichs, so wie Murad I., (welcher in dem 1362 eroberten Adrianopel den Sitz seiner neuen Herrschaft in Europa errichtete, sich Servien unterwarf, in Macedonien Eroberungen machte und seine Herrschaft in Klein-Asien überhaupt sehr befestigte, außerdem aber auch das berühmte Corps der Janitscharen (s. d. Art.) errichtete, und endlich in einem Treffen gegen den sich empörenden Despoten von Servien 1389 oder 90 blieb) bezwangen die asiatischen und europäischen Besitzungen des ohnmächtigen griechisch-römischen Kaiserthums, nahmen Macedonien, Griechenland und den Peloponnes, Syrien und Egypten in Besitz und eroberten, obgleich Bajazet I. (s. d. A. i. d. Nachtr.) durch Tamerlan (s. d. Art.) im Jahre 1402 überwältiget worden war, dennoch, nachdem Murad II. durch große Eroberungen und Vergrößerungen des Reichs, eben so wie durch
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schreckliche Grausamkeit sich ausgezeichnet, aber an Scanderbeg (s. d. Art.) einen mächtigen Gegner gesunden hatte, unter Mohamed II. 1453 Constantinopel. Dieser Mohamed II., der Große genannt, ein Fürst von großen Krieger und Regenten-Talenten, die aber durch Wildheit, Grausamkeit, Treulosigkeit entehrt wurden, machte sich außerordentlich furchtbar. Er eroberte während seiner Regierung 200 Städte und 12 (freilich kleine) Königteiche: auch war er Stifter der Osmanischen Seemacht. Jene erwähnte Eroberung von Constanrinopel – die mit den empörendsten, scheußlichsten Grausamkeiten gegen die Christen verbunden war, und mit welcher zugleich das griechische Reich furchtbar genug endete – war der Anfang seiner militairischen Laufbahn, die mit der Einnahme von Ortauto in Apulien 1480 endete. Er selbst starb 1481 mit dem, eines solchen Ungeheuers würdigen Nachruf, über 800,000 Christen beiderlei Geschlechts haben umbringen zu lassen! Unter seinen Nachfolgern siegte Selim I., das größte Ungeheuer, das Vater, Bruder und 5 Söhne ermordete, über die Perser und machte große Eroberungen in Asien († 1520); Soliman II., der an Grausamkeit dem vorigen nicht viel nachgab, führte mit Oestreich lange Kriege, belagerte Wien (welche Belagerung ihm 80,000 Mann kostete), eroberte Bagdad, Assyrien, Mesopotamien, machte Ungarn zu einer türkischen Provinz und starb, nach-
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dem er mehrere seiner Söhne hatte hinrichten lassen, auch als großer Christenfeind 1566. Unter den folgenden Sultans sind bemerkenswerth: Osman I., welcher die allzu furchtbar und aufrührerisch gewordenen Janitscharen, von denen nun schon Leben und Tod des Sultans, Krieg und Frieden abhing, aufzuheben versuchte; allein der dazu angelegte und sehr überdachte Plan wurde entdeckt, es entstand ein Aufruhr, Osman wurde erdrosselt und der vorher abgesetzte Mustafa (I.) wieder eingesetzt. Von jetzt an war dem Aufruhr, den Faktionen der einen Parthei gegen die andre und hauptsächlich der Frechheit der Janitscharen die Bahn geöffnet, welche nun die größten Ausschweifungen und Grausamkeiten begingen, alle einträglichen Aemter für sich verlangten, wenn sie Geld brauchten, das Volk öffentlich plünderten, so daß am Ende bei der allgemeinen Verwirrung der Pascha von Erzerum mit einer Armee auf Constantinopel losging, um die Janitscharen zum Gehorsam zu bringen. Diese, dadurch endlich in Schrecken gesetzt, setzten nun den Sultan wieder ab, und erhoben (1623) Murad IV. im 14. Jahre zum Thron. Dieser zeigte sich ganz jung von mehreren lüderlichen, schlechten Seiten, allein vom 25. Jahre an furchtbar genug, und am strengsten gegen die Soldaten, und ward Einer der grausamsten Despoten. Gegen Pohlen, dem er den Krieg auf eine übermüthige Art erklärte, zog er den Kürzern; gegen
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Persien war er glücklicher: er starb 1640. Unter Muhamed IV., wo unter andern 1656 ein schrecklicher Aufruhr zu Constantinopel entstand, welches mehrere Tage der Plünderung der Soldaten Preis gegeben war, zeichneten sich die berühmten Veziere Kiuperli aus; den Venetianern wurde Candia nach einer langwierigen an 40,000 Christen und gegen 120,000 Türken hinwegraffenden Belagerung, entrissen, gegen das deutsche Reich aufs neue Krieg angefangen, aber durch die Tapferkeit der deutschen Generale der Friede erkämpft, gegen Pohlen (1672) nachdrücklich Krieg geführt, und endlich auf Anregung des neuen Vezirs, Kara Mustapha, ein neuer langwieriger und blutiger Krieg gegen den deutschen Kaiser vorgenommen, in welchem die Türken sogar bis Wien vordrangen und dieses (1683) belagerten, allein durch Sobieski (s. d. Art.) zum Abzug genöthiget wurden. So vom Glücke verlassen, wurde nun Muhamed von den Janitscharen abgesetzt; allein die Nachfolger hatten nicht mehr Glück und Mustapha II., vom Prinz Eugen geschlagen, mußte 1699 den Frieden zu Carlowitz eingehen, durch welchen der deutsche Kaiser Siebenbürgen erhielt: auch Asow, der Schlüssel zum schwarzen Meere, ging an Rußland verloren. Achmet III. (von 1702 bis 30) zwang Peter I. durch den Frieden zu Pruth (1711) viele Festungen abzutreten; allein da sein Ehrgeitz ihn zum Angriff mehrerer christlichen
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Mächte verleitete, mußte er, nach mehreren Niederlagen, dem Passarowitzer Frieden 1718 abschließen, wodurch Oestreich Temeswar, einen Theil von der Wallachei, von Servien und Bosnien erhielt und auch Belgrad demselben verblieb. Gegen Persien lief der Krieg ebenfalls unglücklich ab; eine Empörung brach aus, und Achmet wurde ab- dagegen aber Muhamed V. 1730 auf den Thron gesetzt. Dieser führte gegen Rußland unglücklich, gegen Oestreich glücklicher den Krieg, und der Friede zu Belgrad 1739 brachte die östreichische Wallachei, Servien, Belgrad und Asow wieder an die Pforte. Auf Osmann III. folgte 1757 Mustapha III., welcher unter Frankreichs Mitwirkung 1769 den Krieg gegen Rußland anfing. Dieser wurde auch von Catharina II. mit dem höchsten Nachdruck geführt: der Fürst Gallitzin schlug die Türken 1769 bei Choczim zweimal gänzlich, brachte ihnen auch noch im September desselben Jahres mehrere Niederlagen bei; nicht minder gewann im folgenden Jahre (1770) der General Romanzow, nachdem er die Moldan und Wallachei erobert hatte, zwei glänzende Siege über die Türken. Catharina II. ließ es noch nicht dabei bewenden, sondern schickte sogar eine Flotte nach dem mittelländischen Meere, um das türkische Reich von beiden Seiten anzugreifen, und diese Flotte erhielt auch einen glänzenden Sieg zu Chesme (einem Hafen an der Küste von Natolien), wo die tür-
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kische Flotte gänzlich zerstöret wurde: ein schimpflicher Friede zu Kutschuk Kainarbschi im J. 1774 war die Folge davon, wodurch die Pforte, in welcher eben erst Abdul Hamid den Thron bestiegen hatte, die Krimm für unabhängig erklären, die zwischen dem Bog und Dnieper liegenden Länder und Städte, nicht minder die Festung Asow an Rußland abtreten und diesem die freie Schiffahrt auf dem schwarzen Meere verstarten mußte. – Durch die im J. 1787 veranstaltete Zusammenkunft der russischen Kaiserin mit Joseph II. zu Cherson (s. d. Art. Catharina II. i. d. Nacht.) bewogen, erklärte die Pforte Rußland den Krieg, an welchem zwar Anfangs Oestreich, als Rußlands Alliirter, auch Theil nahm, welches aber durch einen Separatfrieden zu Szistowe 1790 wieder von dem Kampfplatz abträt: indessen sah sich Selim III. (seit 1789 auf dem türkischen Throne) im J. 1791, nachdem die Türken ansehnliche Schlachten gegen Potemkin verloren hatten, und auch Oczakow, nach 5 monatlicher Belagerung, durch Sturm von Potemkin unter einem schrecklichen Blutbade eingenommen worden, zu einem Frieden zu Jassy mit Rußland genöthiget, wodurch die Pforte Oczakow und das Land zwischen dem Dnieper und Dniester abtreten mußte. Endlich brachten auch Bonaparteʼs Siege und dessen Eroberung von Egypten (im J. 1798), wo schon seit 1780 ohnehin die Kämpfe mit den aufrührerischen
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Beys und mit den unzufriedenen Paschen immer bedenklicher geworden waren, die Pforte zu einer Kriegserklärung gegen Frankreich, und sie ging mit Rußland und England d. 23. Dec. 1798 darüber ein Bündniß ein. Die levantischen Inseln wurden durch eine türkisch-russische Flotte erobert, Ancona blockirt, ja, sie landete auch in Neapel und im Kirchenstaate. Eine türkische Flotte erschien auch im Juli 1798 unter Seid Mustapha vor Abukir, welches sie zwar eroberte, das aber auch bald wieder sich an die Franzosen ergeben mußte. Durch eine im J 1800 (d. 21. März) zwischen Rußland und der Pforte abgeschlossene Convention wurde die Republik der Sieben vereinigten Inseln, welche unter dem Schutz der Pforte stehen sollte etc., festgesetzt (s. d. Art. Th. V. S. 278 ff.). In dem endlich 1801 (d. 9. Oct.) mit Frankreich abgeschlossenen und 1802 (den 25. Jun.) bestätigten Definitiv-Frieden bekam die Pforte Egypten wieder zurück; Frankreich erhielt freie Schiffahrt auf dem schwarzen Meere, jedoch blos für Handelsfahrzeuge; übrigens garantirten sich beide Mächte die Integrität ihrer Besitzungen; auch wurde jene Constitution der 7 Inseln anerkannt etc. In den folgenden Jahren ward indessen die Lage des Türkischen Reichs immer bedenklicher, indem in Egypten die mißlichsten Auftritte zwischen den Truppen-Partheien vorfielen, zu Cairo viele tausend Mann ihren Sold mit Un-
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gestüm foderten, und die Delhis schreckliche Ausschweifungen begingen; wo die asiatische Türkei durch zwei der mächtigsten Statthalter, Paswan Oglu und Tajar Pascha zerrüttet wurde, wo die zu Dämpfung des Aufruhrs der Servier abgesandten Truppen nicht in diese Provinz sich wagten, ja, wo innere Unruhen im Reiche selbst noch verheerendere Zerrüttungen fürchten ließen. Bei den wichtigen Ereignissen in Ansehung Frankreichs weigerte sich die Pforte beharrlich, die Kaiserwürde Napoleons anzuerkennen: dadurch entstand zwischen beiden Staaten eine gewisse Erkältung, die aber endlich durch die Einleitungen des Ministers Talleyrand und bei Gelegenheit des der Pforte mitgetheilten Presburger Friedenstractats 1806 gehoben, von dieser die französische Kaiserwürde anerkannt, dem Kaiser der Titel: Imperator und Padischah von Frankreich zugestanden und das vorige eng freundschaftliche Verhältniß wieder hergestellt wurde. Dagegen kam es mit Rußland, welches zum letztenmale an einer Coalition gegen Frankreich Theil nahm, gegen Ende des Jahrs 1806 zum Bruch, indem jenes ein Heer unter dem General Micholson in die Moldau und Wallachei einrücken ließ und dabei erklärte, daß, weil die hohe Pforte, trotz des letzten Bündnisses, die heiligsten Verträge verletzt und sich durch die listigen Anreitzungen der Franzosen habe verleiten lassen, gegen Rußland Vertragsbrüche aller
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Art sich zu erlauben, dasselbe obige Maasregel ergriffen habe, daß es aber, wenn den Beschwerden abgeholfen und die Partheigänger der Franzosen entfernt, ferner den russischen Schiffen freier Durchgang durch den Canal von Constantinopel bewilliget und zu Vertreibung der Franzosen aus Dalmatien alle Anstrengungen gemacht wurden, die Truppen wieder zurückgehen sollten. Der türkische Kaiser, Selim III. machte in seiner Erklärung nun gleichfalls gegen Rußland Vertragsbrüchigkeit zum Vorwurf, erklärte gegen seine Nation diesen Krieg für einen Religionskrieg; und Kaiser Napoleon nahm sich nun der Pforte an, erklärte, daß es bei der russischen Invasion auf Vernichtung des ottomanischen Reichs angesehen sei, und daß Er die Erreichung dieses gefährlichen Zwecks nicht dulden werde. Indessen hatten die Russen an den Engländern einen mächtigen Beistand: eine englische Kriegsflotte legte sich vor die Residenz des Grossultans: eine russische Escadre durchkreuzte die benachbarten Meere, hielt den Hafen von Venedig fortwährend geschlossen und bemächtigte sich der Dalmatischen Inseln; ja die englische Flotte unter Admiral Duckworth forcirte am 19. Febr. 1807 die Dardanellen, verbrannte einen Theil der türkischen Flotte und langte den 21. Febr. vor dem Eingang des Hafens von Constantinopel an, von wo aus er nun die stärksten Drohungen ergehen ließ. Es wurden Unterhand-
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lungen gepflogen, die sich in die Länge zogen und nachdem sich diese zerschlagen hatten und die Pforte in der größten Geschwindigkeit die Festungswerke, welche die Meerenge der Dardanellen vertheidigen, in den besten Vertheidigungsstand hatte setzen lassen, zog die englische Flotte nach dem 4. März ohne weite Feindseligkeiten wieder ab. Auch konnten bei der Fortdauer des französischen Kriegs die Russen nicht ganz die Aufmerksamkeit auf den Krieg mit den Türken wenden und diese überließen ihnen ruhig die Moldau und Wallachei. Fürchterlich aber waren die nun wirklich im Innern des Reichs und zu Konstantinopel ausgebrochenen Unruhen, indem die Janitscharen sich theils wegen Mangel an Lebensmitteln, theils und vorzüglich aber wegen der neuen auf europäischen Fuß eingeführten Miliz, welche den Namen Nizam Ghedid führt, förmlich empörten: mehrere Befehlshaber, selbst der Reis Effendi, Ghalib, wurde ermordet, und als nun der Sultan erklärte, daß er nicht mehr die Janitscharen, sondern die auf europäischem Fuß exercirten Truppen zur Wache haben wollte, so beschleunigte dies den Ausbruch. Die Janitscharen marschirten den 29. Mai gegen Constantinopel; der Großherr, der zwar mehrere der vornehmsten Minister, aber vergebens, enthaupten und ihre Kopfe vorzeigen ließ, dachte auf Vertheidigung; allein da die wuthendsten Ermordungen von Seiten der Janitscha-
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ren immer weiter um sich griffen, so erließ er, aber leider! zu spät, ein Schreiben (Hatti Scherif), wodurch er jene Neuerung für ewig aufhob; aber umsonst – man hatte schon seine Absetzung beschlossen, und Sultan Selim mußte nach einer 18jährigen Regierung, trotz seiner standhaften Verweigerung, vom Throne, auf welchem er die Bekanntmachung dieser Entsetzung von dem Mufti und den Ulemas vernahm, herabsteigen und seinem Neffen Mustapha IV. den Thron überlassen, der nun am 29. Mai zum Großherrn feierlich ausgerufen wurde. Aber noch war dadurch die Ruhe keinesweges hergestellt. Im folgenden Jahre 1808 brachen wieder neue Unruhen aus, und mehrere Bewegungen schienen die Mißbilligung von Selims Absetzung zu verrathen. Nach einer von den vornehmsten Reichsbeamten zu Adrianopel gehaltenen Berathschlagung gab man dem Sultan Mustapha Nachricht von einer zu Gunsten des Selim vorhandenen Faction; Mustapha Bairaktar, Pascha von Ruschtschuk, erbot sich, zum Schein, nach Constantinopel zu des Mustapha Schutz zu kommen, marschirte hierauf, zu Folge getroffener Uebereinkunft, so wie auch der Großwessir mit ihren Truppen auf Constantinopel zu, umzingelten sofort das Serail und forderten Selims Auslieferung. Selim wurde auch alsbald – aber leider! todt – über die Mauer herausgeworfen, denn Mustapha hatte ihn sogleich erdrosseln lassen.
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Sofort erklärte Bairaktar den Mustapha für unfähig zum Regieren und vielmehr dessen jüngeren Bruder, Muhamed, zum Sultan. Das Serail wurde gesprengt, alle Höfe erstürmt; Bairactar drang in des Sultans Zimmer, entwaffnete ihn, da er eben den jungen Muhamed niederhauen wollte, und Mustapha wurde sogleich eingesperrt, indem sich Bairaktar auch zugleich selbst zum Großwessir ernannte. Dies geschah den 28. Jul. 1808. Allein auch diese Empörung war noch nicht die letzte. Zu sehr hatte Mustapha Bairaktar, der als ein Mann von Muth und Entschlossenheit auch zugleich wegen seiner Gewalt und seiner Reichthümer in großem Ansehen stand, die Janitscharen gegen sich aufgebracht, als daß er nicht jetzt, wo er als Großwessir sein System mit Kraft und Kühnheit durchsetzen wollte, schnell seinem eignen Untergange entgegen gegangen wäre. Am 14. Nov. brach eine neue, tief angelegte, aber sehr geheim gehaltene Empörung der Janitscharen aus: die neu organisirten Seymens wurden überfallen, niedergehauen, die Casernen in Brand gesteckt. Zwar sendete der Großwessir mehrere Verstärkungen, allein die wüthenden Janitscharen hieben alles nieder, und rückten endlich vor das Serail. Der Großwessir, Mustapha Bairaktar, war entschlossen genug, auf eine seiner würdige Art zu sterben. Nachdem er den abgesetzten eingesperrten Sultan und dessen Mutter hatte ermorden lassen, sprengte er sich
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selbst durch Anzündung eines Pulvermagazins in die Luft. Die im Hafen liegende türkische Flotte, welche immer für den Großwessir war, beschoß nun das zunächst liegende Stadtquartier und steckte selbst den Pallast des Großherrn durch Granaten in Brand, welcher darauf durch eine Deputation den Janitscharen alle ihre Forderungen bewilligte. So wurde denn nach und nach die Ruhe wieder hergestellt.
  Soviel indessen den Krieg mit Rußland anlangt, so änderte allerdings der Tilsiter Friede das Verhältniß der Türkei und es kam zwischen beiden Mächten, unter Frankreichs Vermittelung, am 24. Aug. 1807. zu Slobosia zu einem Waffenstillstand, dem zu Folge binnen 35 Tagen die Moldau und Wallachei von beiderseitigen Truppen geräumet und die Bestimmung derselben bis nach dem Frieden ausgesetzt sein sollte. Allein da die Räumung der Moldau und Wallachei von Seiten Rußlands schlechterdings nicht erfolgte, auch die Friedensunterhandlungen zu Paris sich immer mehr in die Länge zogen, so wurden die Kriegsrüstungen von Seiten des Großherrn mit beispielloser Thätigkeit fortgesetzt, so mißlich auch auf der andern Seite die politische Lage der Pforte in Ansehung Frankreichs und Englands war, indem die Annäherung zu letzterm offenbar Trennung von dem erstern zur Folge haben mußte, gleichwol man von Seiten des Divans wieder sich an England anschließen,
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und auch für dieses fast in allen Provinzen eine große Vorliebe herrschen zu wollen schien. Eine englische Eskadre kreuzte zwar immer vor den Dardanellen, ohne jedoch den türkischen Handel zu stören. – Auch der Krieg mit den Serviern wurde von der Pforte mit großer Anstrengung geführt. Lange hatte dies Land von den Deys alle Bedrückungen erfahren müssen: ein Aufstand war die Folge davon, und ihr Anführer Czerny Georg machte sich furchtbar genug, um den Verlust dieses Landes für die Türkei ahnden zu lassen. (S. d. Art. Servien.)
  So haben denn nun die Türken, die im 15., 16., zum Theil auch noch im 17. Jahrhunderte das Schrekken des ganzen Europaʼs waren, viel, sehr viel von ihrem Uebergewicht verloren, da sie, während die übrigen Staaten in der Kriegskunst die ansehnlichsten Fortschritte machten, auf dem einmal erreichten Punkte stehen blieben. Von Natur aber sind die Türken allerdings zum Kriege geneigt, persönlich tapfer, stark und schön gebildet, außerdem mäßig, dem Luxus wenig ergeben, rechtschaffen und gutmüthig; aber beinahe eben so stolz (denn alle andre Nationen betrachten sie nur mit Geringschätzung) und träge (oft sitzen sie ganze Tage mit über einander geschlagenen Beinen, Tabak tauchend, vor den Thüren und sehen in einer Art von Erstarrung gerade vor sich hin), wie alle Morgenländer; und das Vorurtheil, als ob sie das voll-
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kommenste Volk unter der Sonne wären und der Koran alles Wissenswürdige hinlänglich enthalte, hält sie von jeder Verbesserung ihres politischen und wissenschaftlichen Zustandes2 ab. Die Verhältnisse zwischen Mann und Weib bei den Türken zeigen ebenfalls, wie so ganz jeder Sinn für edlere Verhältnisse von ihnen verbannt ist. Ein Türke darf nach dem Koran vier rechtmäßige Frauen nehmen, außerdem kann er sich nebenbei noch so viel halten, als er will und zu ernähren vermag. Das weibliche Geschlecht hat hier wenig Antrieb, ihre edleren Anlagen auszubilden, und als Frau in den Harem ihres Gebieters eingesperrt, wird sie noch geistloser und dümmer, als sie vorher war. – Ungeachtet die vorzüglichsten Flüsse dreier Welttheile, die Donau, der Tigris, Euphrat und Nil, nebst dem mittelländischen, schwarzen, rothen und persischen Meere, innerhalb der Türkei liegen, oder an sie anstoßen; ungeachtet ihr Reich Baumwolle, Seide, Wein, Mais, Safran, Tabak, Siegelerde, levantischen Kaffee und andre vortrefliche Producte in Menge liefert, so hat doch das tuckische Reich, welches einer der größten handelnden Staaten sein könnte, immer noch einen sehr eingeschränkten Handel (der sich großentheils auf einen Verkehr zwischen den verschiedenen Provinzen beschränkt: Credit, Wechselbriefe u. dergl. sind aber den Türken ganz fremde Dinge), und die Einfuhr ist ungleich stär-
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ker, als die Ausfuhr; den deutschen Handel nach der Türkei (levantischer Handel genannt) schätzt man jährlich auf 5 Mill. Piaster, die meisten Geschäfte aber sind in den Händen der Griechen, Armenier, Arnauten und Juden, denn die Osmanen haben zum Handel kein Geschick. Die Manusakturen überlassen sie meistens christlichen und jüdischen Einwohnern. Trägheit, Despotismus und angeerbte Vorurtheile, wozu ein hoher Grad von Aberglauben3 kommt, ersticken jeden Keim des Kunstfleißes, und selbst der Ackerbau wird bei dem äußerst fruchtbaren Boden schlecht betrieben, so daß man bei weitem nicht genug Getreide erzielt, sondern durch Zufuhr aus Egypten, der Moldau und Wallachei, der Krimm, Pohlen und Preußen einer Hungersnoth vorbeugen kann. – Noch uncultivirter ist das Feld der Wissenschaften und Künste: die höhern Wissenschaften sind ihnen völlig fremd, blos vaterländische Geschichte und Baukunst, worin sie blos nur die allgemeinen Formen von den Arabern angenommen haben, werden mit einigem Eifer bearbeitet und selbst die Griechen, die gelehrtesten Einwohner der Pforte, und in Absicht auf Kenntniß und Geschicklichkeit ihren Unterdrückern weit überlegen, haben kaum noch einen Schatten des Ruhms übrig behalten, den ihre Ureltern in den früheren Zeiten, wo ihr Vaterland in der Blüthe der Künste und Wissenschaften stand, durch Geistescul-
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tur errangen. – Die Bevölkerung des Staats nimmt von Jahr zu Jahr ab, theils durch die Vielweiberei, theils durch die Pest, welche beinahe unaufhörlich wüthet, und deren Fortdauer weit weniger vom Clima, als von den schlechten medicinischen Polizeianstalten4 und dem falschen Religionsprincip herrührt, daß man den von Ewigkeit vorher bestimmten Tag des Todes durch keine künstlichen Mittel weiter hinausschieben könne; theils aber durch den Mangel an Betriebsamkeit und an Gelegenheit zum Er werb.
  Religionen findet man in der Türkei vielerlei: die eigentlichen Türken sind der Muhamedanischen, von der Sekte der Sunniten (s. d. Art. Muhamedaner) zugethan; außerdem sind die Griechen die zahlreichsten, welche vier Patriarchen haben (worunter der zu Constantinopel der angesehenste ist), von den Osmanen geschützt, aber zu keinem Staatsamte gewählt und mit einem starken Kopfgelde, das jeder Nichtmuhamedaner zahlen muß, belegt werden. Noch giebt es hier Armenier, eine besondre christliche Secte (s. d. Art.), Juden und Christen, welche letztere, weil die ersten Kreuzfahrer Franken, d. i. Franzosen waren, den gemeinschaftlichen Namen Franken führen und Toleranz nebst vielen bürgerlichen Vortheilen genießen. Uebrigens aber ist die Unduldsamkeit der Türken gegen Nichtmuhamedaner empörend, und nach den Gesetzen ihrer Religion halten sie sich befugt, jeden
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Christen zu tödten. Durch das Kopfgeld, welches diese entrichten, erkaufen sie sich mehr die Duldung ihrer Existenz. Der Hochmuth und die Verachtung der Türken gegen alle Christen u. a. äußert sich bei allen Gelegenheiten.
  Die Regierung in geistlichen Dingen ist, ungeachtet der Sultan sich Chalif nennt, dennoch ganz in den Händen des Mufti und der Geistlichkeit oder Ulema (s. d. beiden Art.). Die weltliche Herrschaft ist ganz despotisch und in den Händen des Sultans (s. d. Art.), der zwar nicht durch Staatsgrundgesetze, wol aber durch die Geistlichkeit, die auch das richterliche Amt verwaltet, durch den Großwessir und Divan, ja selbst durch die Janitscharen (wie die vorausgeschickte kurze Geschichte dieses Staats zeigt) eingeschränkt ist. Allein diese Beschränkung bringt eine Menge sich durchkreuzender Staatsgewalten und selbst Empörungen hervor und richtet, da sie sich wenig auf Gesetze gründet und da alle großen und kleinen Herren nach Willkühr herrschen, weit mehr Schaden als Nutzen an. Jeder Staatsdiener erpreßt, so viel er nur kann, sucht den Sultan durch ungeheure Geschenke in Gnade zu erhalten und wenn er auch, wie dies gewöhnlich geschieht, zum Lohn für seine Thaten strangulirt wird, so zieht nicht der gekränkte Unterthan, sondern die Privatkasse des Sultans sein unermeßliches Vermögen. Diese und andere Hülfequellen ma-
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chen denn auch den Privatschatz des Sultans zu dem reichsten in ganz Europa; seine Einkünfte bestehen mehr in außerordentlichen Erpressungen und Geschenken, als in festgesetzten Abgaben (denn die letztern berechnet Dallaway in seiner Beschreibung von Constantinopel nur zu 16 Mill. Piaster) und die Kasse des Staats selbst ist immer so leer, daß sie aus der Kasse des Regenten Zuschuß erhalten muß, um nicht gar zu Grunde zu gehen. Doch haben beide in den neuesten Zeiten durch neue Auflagen einen beträchtlichen Zuwachs erhalten. Uebrigens rechnet man die Staatseinkünfte, welche Miri heißen, auf 45 Millionen Piaster (27 Millionen Thaler); die Chatoullen Einkünfte des Großherrn (Hasne) sind nicht zu berechnen. (Der dahin fließende Tribut von Egypten soll allein 600,000 türkische Piaster betragen.)
  Der höchste Staatsbeamte ist der Großvezier (s. d. Art.), dem im Divan oder höchsten Staatsrathe sechs Räthe oder Vezirs zur Seite sitzen und der auch das höchste Gericht hält, welches gleichfalls Divan heißt, und nicht im Serail, sondern in seinem Palaste seine Sitzungen hält. Andre hohe Personen oder Minister sind: der Staatskanzler oder Reis-Effendi (s. d. Art. Effendi), der Schatzmeister oder Tefterdar (s. d. Art.), der Großadmiral oder Kayudan-Pascha (s. d. Art.), welcher auch zuweilen Feldherr der Landarmee ist, der Janitscharen-Aga, Spahilar-Aga u. s. w. Die
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Hofbedienten führen gewöhnlich den Titel Aga. Der Adel ist hier ganz unbekannt und selbst die Emirs haben, ungeachtet sie beim Volke in dem höchsten Ansehen stehen, dennoch keine bürgerlichen Vorrechte. Die Justizpflege ist schleunig und nicht verwickelt, aber sehr der Bestechung unterworfen (s. d. Art. Molla); die Polizei sehr gut, wenn man die medicinische ausnimmt.
  Die Kriegsmacht der Pforte besteht zu Lande aus Janitscharen, Spahis (s. d. Art.), Provinzialsoldaten und Serhädkulys (s. d. Art. Spahis). Obgleich die Türken eine Armee von 2 bis 300,000 Mann ins Feld stellen können, die dem Feinde durch Verwüstungen, schnelle Ueberfälle und besondre bei den übrigen europäischen Armeen nicht gebräuchlichen Manöuvres und Stratageme viel Abbruch thun; so ist doch die innere Einrichtung derselben ganz schlecht. Die Hälfte einer türkischen Armee besteht aus Bedienten, Kaufleuten und andern Nichtsoldaten; jeder Anführer oder Pascha hat beständig ein zahlreiches Gefolge bei sich, und nach der Stärke desselben wird auch das Ansehn des Pascha geschatzt. Durch diese Menge unnützer Menschen werden die Verpflegungen, die Märsche und überhaupt alle Kriegsoperationen äußerst gehemmt. Auch ist die Lage eines solchen Pascha äußerst unsicher und gefährlich; denn durch Auszeichnung zieht er sich den Haß seiner Obern zu und wird
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ein Opfer seines erworbenen Ruhms, oder beim Mislingen seiner Unternehmungen wird er abgesetzt, sein Vermögen confiscirt und glücklich – wenn er noch mit dem Leben davon kommt. Ueberdies sind Disciplin und Subordination schlecht: ein mißlungener Angriff benimmt den Soldaten den Muth, eine einzige verlorne Schlacht kann das größte Heer gänzlich zerstreuen und auflösen; und die Folge der Niederlage ist gewöhnlich, daß die türkischen Provinzen selbst geplündert werden. Die Verbesserungen, welche verschiedene Europäer z. B. der Graf Bonneval u. a. in Rücksicht des Militairs gemacht haben, fanden wenig Fortgang, ja man hat in den neusten Zeiten gesehen, welchen gefährlichen Aufstand Neuerungen in der Miliz bei den Janitscharen hervorgebracht haben! Auch die Seemacht ist in schlechtem Zustande: sie war blos im 16. und 17. Jahrhundert furchtbar. Bei diesem schwachen Zustande der Streitkräfte muß der Sultan, wenn er in einen Krieg geräth, sich besonders auf die Unterstützung der Paschas verlassen; aber diese Hülfe ist denn auch sehr prekär: denn manche entziehen sich ganz der Unterwürfigkeit unter dem Sultan, andre kehren wohl gar die Waffen gegen diesen selbst. So hat der Pascha von Bagdad sich schon lange unabhängig gemacht, der von Acre nicht minder. In Egypten, Arabien und Syrien ist die Macht des Sultans gering, und die Moldau und Wallachei haben
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nur noch (wie in der kurzen Geschichtsdarstellung bemerkbar gemacht worden) sehr lockern, vielleicht nie wieder einen förmlichen Zusammenhang mit der Pforte. Morea, Albanien, Epirus, Scutari, Bosnien etc. sind öfters der Schauplatz von Insurrectionen, und daß die Servier jetzt für die Pforte beinahe so gut wie verloren seien, ist schon bei dem Art. Servien angedeutet worden.
  So ist die Schilderung, welche im Allgemeinen die meisten und bedeutendsten Schriftsteller über die Türkei, namentlich Eton, von dieser wichtigen Nation machen, und sie stimmt auch allerdings mit der gewöhnlichen Meinung, die man heut zu Tage über dieses sonst so furchtbare Volk hegt, überein. Indessen giebt es doch Schriftsteller, die auch als Männer von Gewicht Gehör verdienen, welche das politische Verhältniß des türkischen Reichs in Schutz nehmen, und bei der Behauptung, daß die Pforte wegen ihrer Hülfsquellen mächtig genug, auch der Großsultan einer der reichsten Fürsten der Erde sei, der allgemeinen Meinung von der politischen Schwäche der Pforte, und zwar aus folgenden Gründen widersprechen: »Der National-Charakter der Türken – sagen sie – verbunden mit seiner Selbstständigkeit und Gründlichkeit, ferner ihre männliche Ruhe und ihr ernstes Wesen macht sie zu Männern und zum Kriegsdienst höchst tauglich, zumal da ihre Religion und Staatsverfassung
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durchaus kriegerisch sind; und obgleich diese Verfassung despotisch ist und gegen sich selbst verheerend wirkt; so ist doch jeder Krieg gegen auswärtige Feinde für sie ein heiliger, ein Religionskrieg, dem sich kein Muselmann entziehen darf. Der heiligen Fahne müssen sie durch das ganze Reich folgen, und das giebt dann eine ungeheure Land-Miliz; auch sind die stehenden Truppen nicht so ganz ungeübt, wie man glaubt, und ihre Kriege pflegen sie sehr methodisch zu führen. Auch bieten ihre Länder, die zu den herrlichsten des Erdbodens gehören, unerschöpfliche Hülfsquellen dar u. s. f.« Dies Urtheil, so sehr es mit den oben beigebrachten jetzt allgemein angenommenen Bemerkungen im Widerspruch steht, scheint zum mindesten auf ganz eigne Resultate zu führen, wenn man es denn doch als auffallend zugestehen muß, daß bei den merkwürdigen Revolutionen, welche die meisten europäischen Staaten betroffen haben, wo alte Staaten ihrer Unabhängigkeit beraubt, alte Dynastien vom Throne gestürzt und andre an ihre Stelle gesetzt wurden, die Pforte gleichwol trotz ihrer anscheinenden Ohnmacht, sich noch immer in der Reihe selbstständiger Mächte Europas erhalten hat.
  Die Bevölkerung des türkischen Reichs ist schwer, auch nur mit einiger Gewißheit anzugeben, da die Berechnungen und Auszählungen der Einwohner gar zu verschieden und widersprechend sind. Gewöhnlich
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hat man die Zahl der Einwohner des ganzen türkischen Reichs auf 49, wol auch nur 39 Millionen angegeben, ja Eton schätzt gar nur die ganze Bevölkerung nicht viel über 10 Millionen Individuen; allein es läßt sich hier nichts mit Sicherheit bestimmen; auch hat allerdings wol die Abnahme immerwährend einen höhern Grad erreicht (so z. B. hatte Diarbkir, eine der ersten Städte, im Jahr 1756 gegen 400,000 Einw. und um 1800 nur 50,000; Bagdad, sonst 130,000, jetzt nicht viel mehr als 30,000 Einwohner. – Dagegen behauptet nun freilich wieder jener Vertheidiger der türkischen Kräfte, daß, wenn auch die Türken durch den gegenwärtig noch mit Rußland bestehenden Krieg wirklich gezwungen würden, der Moldau und Wallachei, ja selbst Servien zu entsagen, dennoch die Türkei – deren Verlust, seit Einem Jahrhunderte gegen Rußland erlitten, er zusammen ungefähr auf 13,300 Quadrat Meilen und 3,710,000 Seelen angiebt – in Europa, Asien und Afrika immer noch an 50,000 Quadrat-Meilen mit wenigstens 40 Millionen Einwohner übrig bleiben.
  Den Schluß dieser Skizze – deren Länge der gewiß nicht unwichtige Gegenstand entschuldigen muß – mögen einige Schriften über das türkische Reich machen: Baron Tott (der sich beinahe 30 Jahr in der Türkei aufhielt) Mémoires sur les Turcs et Tartares 1785. 3 T. (deutsch: Nürnb.
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1787 und 88) – Muradgea dʼOhsson Tableau gen. de lʼempire othoman etc. 2 T. in Fol. 1787 u. 89. (deutsch übers. v. Beck, Leipz. 1788 u. 93 in 8.) – Will. Eton, Esq. (lange Zelt brittischer Consul in der Türkei) a survey of the turkish Empire etc. 3. Ed. 1801. (deutsch übers. v. Bergk, Leipz. 1805.): aus dessen, hie und da vielleicht etwas zu tief heruntersetzenden Schilderung (die aber von einem solchen Augenzeugen, der überall selbst Untersuchungen anstellte, doch in sehr vielen Angaben Glauben verdient) die obige Darstellung zum Theil entlehnt ist. – Thomas Thornton das türkische Reich in allen seinen Beziehungen a. d. Engl. von Fr. Herrmann, Hamb. 1808.
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Fußnoten
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1 Dieser letztere Name bedeutet eigentlich einen Pallast, ein königliches Schloß, wird aber von der Benennung des großen Thors des kaiserlichen Pallasts zu Constantinopel dem ganzen Reiche beigelegt.
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2 Eine Folge ihrer Unwissenheit ist die Abneigung gegen Druckereien. Die mit vieler Mühe zu Anfang des vorigen Jahrhunderts gestiftete Druckerei ging bald zu Grunde und erst 1796 ließ der französische Gesandte, Berninac, zum Behuf einer politischen Zei-
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tung, in Constantinopel eine neue Druckerei anlegen.
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3 Von ihrem Aberglauben mögen hier nur einige Beispiele zum Beweise dienen: Die Türken haben einen ganz eignen Abschen gegen Abbildungen menschlicher Gesichter, und sie hegen die abergläubische Meinung: es könne kein Engel in ein Haus kommen, worin sich Hunde oder – menschliche Abbildungen befinden. Ein blinder Fanatism erklärt, es überhaupt für gottlos, die Werke der Gottheit nachzuahmen. Dahin gehört auch der Glaube, der den Türken von Kindheit auf beigebracht wird, an eine alte Prophezeihung, die sich vor uralten Zeiten auf den Gräbern ihrer Heiligen (Santoras) gefunden haben soll, nämlich: daß die Pforte durch die Russen gesprengt und in Europa vernichtet werde: die türkischen Heere sollen zweimal, erst am Ufer des Duiesters und dann nahe bei Constantinopel gänzlich geschlagen, und die letzte Schlacht so entscheidend werden, daß der Halbmond in Europa auf immer verlöschen und die Großsultane das Reich der Gläubigen nach Asien verlegen sollen. Daher wol auch der tiefe Nationalhaß zwischen Türken und Russen!
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4 In Constantinopel herrscht die Pest bisweilen mehrere Jahre lang fort und in den meisten Gegenden Asiens wüthet sie alle 10 oder 12 Jahre und rast ein 10tel, 8tel, ja wohl ein 4tel der Einwohner weg. Ge-
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meiniglich kommt sie aus Egypten über Smirna nach Constantinopel, wo man sie fälschlich der schlechten Luft zuschreiben will, welche aber rein und gesund ist.
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Ansicht: Türkei, Die