Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Türgot, Robert Jacob
Robert Jacob Türgot, aus einem edeln Geschlechte aus der Normandie, wurde den 10. Mai 1727 zu Paris geboren. Seine Aeltern erzogen ihn für den geistlichen Stand; allein er hatte bei reifern Jahren keine Neigung, sich durch ein feierliches Gelübde an eine strenge Regel zu binden. Die Liebe zu den Wissenschaften – welche von der frühsten Jugend an so groß bei ihm war, daß er sein Taschengeld unter arme Schüler vertheilte, damit sie sich Bücher kaufen konnten – bewog ihn, eine Stelle bei der Sorbonne anzunehmen. Er schrieb bei dieser Gelegenheit ein Paar kleine Lateinische Schriften, in denen man schon sehr viele Ideen antrifft, die er auf seiner nachherigen ministeriellen Laufbahn bei der Staatsverwaltung anwendete. Nachdem er einige Jahre darauf bei dem Pariser Parlament eine Stelle bekleidet hatte, so wurde er 1761 Intendant der Provinz Limosin, und verwaltete dieses Amt mit solchem Ruhme, daß die Einwohner über seinen Abschied trauerten, anstatt daß sonst die Intendanten der Gegenstand des allgemeinen Abscheus zu sein pflegten. Der König berief ihn 1774 ins Ministerium, und bestimmte ihn zuerst zum Minister des Seewesens. Allein Türgot, welcher nicht hinlängliche Kenntniß davon besaß, war froh, diesen Posten nur auf kurze Zeit bekleiden, und ihn gegen das Finanzfach vertauschen zu dürfen. Der König wählte ihn am————
24. Aug. 1774 zum Finanzminister, und setzte anfangs ein unbegrenztes Zurrauen auf seine Operationen. Türgot vermied, ungeachtet die Staatscasse ganz erschöpft war, einen allgemeinen Bankerott, eröffnete keine Anleihen, und verschonte das Volk mit neuen Auflagen. Die Mittel, wodurch er Einnahme und Ausgabe wieder ins Gleichgewicht zu bringen hoffte, waren Sparsamkeit im Allgemeinen, Aufhebung des Kornwuchers, Beförderung des inn- und ausländischen Handels, und Einschränkung einer Menge überflüßiger Stellen, welche aus der Staatscasse bezahlt werden mußten, ohne dem Staate selbst im geringsten zu nützen. Die Aufbebung der Innungen und Zünfte, und die Abschaffung der Frohndienste bei der Ausbesserung der Wege machten ihn beim Volke beliebt, aber bie den Höflingen verhaßt, weil er ihren unmäßigen Verschwendungen entgegen arbeitete. Sie suchten ihn bei dem Könige anzuschwärzen, und zeigten angebliche Briefe aus den Provinzen vor, worin Türgotʼs Administration verleumdet und als dem Staate höchst gefährlich dargestellt wurde. Der König war schwach genug, dieser elenden Cabale vollen Glauben beizumessen, und entließ den Minister am 12. Mai 1776. Türgot, welcher in Verbindung mit dem würdigen Malesherbes Frankreich vom Untergange hätte retten können, wenn nicht Voßheit und Niederträchtigkeit überall ihre Absichten vereitelt hätten, trat völ-
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lig von dem Schauplatze der öffentlichen Angelegenheiten ab, ergab sich für die übrige Zeit seines Lebens den Wissenschaften, und starb am 20. März 1781. In der großen Französischen Encyclopädie sind einige Artikel von seiner Hand.
Robert Jacob Türgot, aus einem edeln Geschlechte aus der Normandie, wurde den 10. Mai 1727 zu Paris geboren. Seine Aeltern erzogen ihn für den geistlichen Stand; allein er hatte bei reifern Jahren keine Neigung, sich durch ein feierliches Gelübde an eine strenge Regel zu binden. Die Liebe zu den Wissenschaften – welche von der frühsten Jugend an so groß bei ihm war, daß er sein Taschengeld unter arme Schüler vertheilte, damit sie sich Bücher kaufen konnten – bewog ihn, eine Stelle bei der Sorbonne anzunehmen. Er schrieb bei dieser Gelegenheit ein Paar kleine Lateinische Schriften, in denen man schon sehr viele Ideen antrifft, die er auf seiner nachherigen ministeriellen Laufbahn bei der Staatsverwaltung anwendete. Nachdem er einige Jahre darauf bei dem Pariser Parlament eine Stelle bekleidet hatte, so wurde er 1761 Intendant der Provinz Limosin, und verwaltete dieses Amt mit solchem Ruhme, daß die Einwohner über seinen Abschied trauerten, anstatt daß sonst die Intendanten der Gegenstand des allgemeinen Abscheus zu sein pflegten. Der König berief ihn 1774 ins Ministerium, und bestimmte ihn zuerst zum Minister des Seewesens. Allein Türgot, welcher nicht hinlängliche Kenntniß davon besaß, war froh, diesen Posten nur auf kurze Zeit bekleiden, und ihn gegen das Finanzfach vertauschen zu dürfen. Der König wählte ihn am————
24. Aug. 1774 zum Finanzminister, und setzte anfangs ein unbegrenztes Zurrauen auf seine Operationen. Türgot vermied, ungeachtet die Staatscasse ganz erschöpft war, einen allgemeinen Bankerott, eröffnete keine Anleihen, und verschonte das Volk mit neuen Auflagen. Die Mittel, wodurch er Einnahme und Ausgabe wieder ins Gleichgewicht zu bringen hoffte, waren Sparsamkeit im Allgemeinen, Aufhebung des Kornwuchers, Beförderung des inn- und ausländischen Handels, und Einschränkung einer Menge überflüßiger Stellen, welche aus der Staatscasse bezahlt werden mußten, ohne dem Staate selbst im geringsten zu nützen. Die Aufbebung der Innungen und Zünfte, und die Abschaffung der Frohndienste bei der Ausbesserung der Wege machten ihn beim Volke beliebt, aber bie den Höflingen verhaßt, weil er ihren unmäßigen Verschwendungen entgegen arbeitete. Sie suchten ihn bei dem Könige anzuschwärzen, und zeigten angebliche Briefe aus den Provinzen vor, worin Türgotʼs Administration verleumdet und als dem Staate höchst gefährlich dargestellt wurde. Der König war schwach genug, dieser elenden Cabale vollen Glauben beizumessen, und entließ den Minister am 12. Mai 1776. Türgot, welcher in Verbindung mit dem würdigen Malesherbes Frankreich vom Untergange hätte retten können, wenn nicht Voßheit und Niederträchtigkeit überall ihre Absichten vereitelt hätten, trat völ-
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lig von dem Schauplatze der öffentlichen Angelegenheiten ab, ergab sich für die übrige Zeit seines Lebens den Wissenschaften, und starb am 20. März 1781. In der großen Französischen Encyclopädie sind einige Artikel von seiner Hand.