Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Türenne, Heinrich de la Tour Vicomte de
Heinrich de la Tour Vicomte de Türenne, Generalfeldmarschall der königlich Französischen Armeen. Dieser, in der Französischen Kriegsgeschichte unvergeßliche Mann, der nebst dem großen Conde Ludwigs XIV. kriegerischen Ruhm begründete, stammte aus einem, schon seit dem zehnten Jahrhundert berühmten, Französischen Geschlecht, das sich anfangs Tour dʼAnvergne nannte. Sein Vater, Heinrich, General und Staatsmann Heinrichs IV. und durch seine erste Gemahlin souverainer Fürst von Sedan und Herzog von Bouillon, erzeugte mit seiner zweiten Gemahlin, Elisabeth, Prinzessin von Nassau-Oranien, eben den unsrigen 1611. Unter seinem mütterlichen Onkel, dem als Statthalter der vereinigten Niederlande und als General berühmten Heinrich Friedrich, Prinzen von Nassan-Oranien, bildete er sich zum Krieger, und that seinen ersten Feldzug in Holland, trat hierauf in Französische Kriegsdienste, erhielt ein Regiment, und zeigte in dem Laufe des dreißigjährigen Krieges (s. d. Art.) zuerst 1634 seinen Muth und Klugheit durch die Eroberung der damahls für unüberwindlich gehaltenen Festung La Mothe in Lothringen, sodann aber nach und nach bei verschiedenen Belagerungen und Schlachten, besonders bei der 1638 geschehenen Eroberung der Festung Breisach. Da indessen Frankreich, als katholische Macht, noch keinen ernstlichen————
Antheil an dem Kriege nahm, so trat Türenne eigentlich erst nach des Herzogs Bernhard von Weimar Todte (1639) als Feldherr auf. Seine erste große Unternehmung war die Eroberung der Grafschaft Roussillon, des Schlüssels von Spanien, die ihm auch 1643 den Marschallsstab, und darauf das Commando der Französischen Armee in Deutschland verschaffte, mit der er sich dem Churfürsten von Bayern entgegensetzte. Zwar verlor er 1645 eine Schlacht gegen diesen; allein mit Condeʼs Unterstützung machte er diesen Verlust bald wieder gut, zwang den Churfürsten von Bayern – bekanntlich die Hauptstütze Oestreichs in diesem Kriege – mit Frankreich in Friedensunterhandlungen zu treten, und würde ihn vielleicht genöthigt haben, Oestreichs Partei ganz zu verlassen, wenn nicht der Westphälische Friede dem Kriege ein Ende gemacht hätte. Da jetzt durch die Herrschsucht des Cardinals Mazarin in Frankreich selbst innerliche Unruhen ausbrachen (s. d. Art. Conde und die Fronde), so trat Türenne anfangs zur Fronde, erklärte sich aber 1651 für den König, und focht mit vielem Ruhm wider Conde selbst. Seine Siege über Spanien, besonders die Eroberung von Dünkirchen, bewirkten endlich den für Frankreich vortheilhaften Pyrenäischen Frieden zwischen Frankreich und Spanien 1659 (s. Ludwig XIV. Th. II. S. 421.), worauf er im folgenden Jahr die Würde eines Generalfeldmarschalls der
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Französischen Armeen erhielt, beschleunigte auch bei dem 1667 aufs neue ausgebrochenen Kriege mit Spanien den Absch uß eines neuen Friedens 1668 zu Aachen. Doch jetzt dachte Ludwig auf Hollands Eroberung (s. Th. II. S. 422.), das anfangs bloß von dem Churfürsten von Brandenburg einigen Beistand erhielt, aber bei Türenneʼs großen Eroberungen in Holland und seinem Eindringen in des letztern Länder nun auch das Deutsche Reich gegen Ludwig und ihn in Bewegung setzte. Türenne, um der Vereinigung der Deutschen Fürsten zuvor zu kommen, drang nun aus dem Elsaß in die Pfalz ein, die er ganz verwüstete, und dadurch den Churfürsten, Carl Ludwig, so sehr aufbrachte, daß dieser ihm eine Ausforderung zuschickte, die aber Türenne ausschlug, weil, wie er sagte, er nicht sein eigner Herr wäre. Es kam darauf zwischen Türenne und der ihm entgegen stehenden kaiserlichen Armee 1674 (den 6. Juni) zu Sinsheim in der Unterpfalz zur Schlacht; letztere zog sich bis über den Main zurück, und wurde auch nachher, mit Verstärkungen wieder über den Rhein kommend, durch Türenne, der sie bei Mühlhausen und Türkheim schlug, am 6. Jan. 1675 wieder über den Rhein zurück zu gehen genöthiger. Jetzt stellte ihm Oestreich den berühmten Montecuculi (s. d. Art.) entgegen, und beide Feldherren standen mehrere Monate einander am Rheine gegen über. Vergebens suchte Montecu-
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culi den Türenne zu einer Schlacht zu bewegen; endlich aber ging dieser über den Rhein, und der 27. Juli 1675 sollte bei Sasbach, unweit Strasburg, entscheiden. Allein, da Türenne die Gegend und das kaiserliche Lager recognoscirte, wurde er durch eine Kanonenkugel aus dem Oestreichischen Lager in einem Alter von 64 Jahren auf der Stelle gerödtet. Sein König, um zu beweisen, wie sehr er ihn geschätzt habe, befahl, sein Leichenbegängniß mit allen, nur bei Prinzen vom Geblüte gewöhnlichen, Feierlichkeiten zu veranstalten, ließ seinen Leichnam nach St. Denis in das königliche Begräbniß bringen und ein kostbares Grabmahl errichten, so wie ihm auch auf dem Platze selbst, wo er fiel, der Cardinal von Rohan, Fürstbischof von Strasburg, noch im Jahr 1781 ein prächtiges Monument aufführen ließ. Doch noch mehr Ehre widerfuhr seiner Asche während der wildesten Stürme der Französischen Revolution. Als man 1793 auf Befehl der Municipalität zu St. Denis (damahls Franciade) die dort befindlichen Leichname ausgrub, um das Blei von ihren Särgen und Begräbnissen zu nehmen, so fand man bei Eröffnung des Grabmahls des Türeune seinen Leichnam in dem Zustand einer ausgetrockneten Mumie, von einer hellen Bistenfarbe, so gut erhalten, daß er den von ihm vorhandenen Bildnissen und Münzen vollkommen gleichend, und selbst die Züge seines Gesichts nicht im geringsten –
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bis auf den aufgesperrten Mund – entstellt waren; er wurde sogleich, in einem Kasten von Eichenholz aufbewahrt, in die Sakristei der Kirche gesetzt, wo man ihn länger als acht Monate der neugierigen Menge zeigte, bis er auf Ansuchen des Professor Desfontaines in das National-Museum der Naturgeschichte gebracht wurde. Nach einem Befehl des Vollziehungs-Directoriums wurde er 1799 von dort ins Museum der Französischen Denkmähler geschafft, und in dem Elysium dieses Instituts in einem Sarkophag begraben, allein am 23. September 1800 auf Beschluß der Consuln auch von dort wieder weggenommen und mit großem Pomp in dem Marstempel (der ehemahligen Kirche der Invaliden) im Innern des für ihn in der Abtei St. Denis aufbewahrten Denkmahls beigesetzt. – Ueber Türenne als Krieger herrscht nur eine Stimme des Lobes, ungeachtet er nicht immer Sieger war, auch keine entscheidenden Schlachten lieferte, weil er seine Soldaten liebte und ihr Leben zu schonen suchte; eben so lobt man ihn als einen uneigennützigen und großmüthigen Mann. Nur tadelt man ihn, daß er auf einige Zeit die Waffen gegen seinen König ergriff, und die Pfalz auf unerhörte Art verwüstete. Allein, jenes war Folge von Mazarinʼs grenzenloser Ehr- und Habsucht, dessen Sturz Türenne und seine Anhänger nur beabsichtigten; die Verwüstung der Pfalz geschah wenigstens nicht aus Hang zur Grausamkeit, sondern
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entweder auf Veranlassung des Ministers Louvois (s. Th. II. S. 424.), oder aus beleidigter Eitelkeit (s. Journal v. u. f. Deutschl. 1787. XI. 458.). Noch verdient bemerkt zu werden, daß Türenne, der, wie sein Vater, sich zur reformirten Religion bekannte, und, so wie dieser, unter Heinrich IV. während des dreißigjährigen Krieges für die Protestanten gegen die Katholiken focht, auch hierin seines Vaters Beispiel folgte, daß er – wie man sagt, aus Ehrgeitz – diese Religion abschwur, und zur katholischen übertrat.
Antheil an dem Kriege nahm, so trat Türenne eigentlich erst nach des Herzogs Bernhard von Weimar Todte (1639) als Feldherr auf. Seine erste große Unternehmung war die Eroberung der Grafschaft Roussillon, des Schlüssels von Spanien, die ihm auch 1643 den Marschallsstab, und darauf das Commando der Französischen Armee in Deutschland verschaffte, mit der er sich dem Churfürsten von Bayern entgegensetzte. Zwar verlor er 1645 eine Schlacht gegen diesen; allein mit Condeʼs Unterstützung machte er diesen Verlust bald wieder gut, zwang den Churfürsten von Bayern – bekanntlich die Hauptstütze Oestreichs in diesem Kriege – mit Frankreich in Friedensunterhandlungen zu treten, und würde ihn vielleicht genöthigt haben, Oestreichs Partei ganz zu verlassen, wenn nicht der Westphälische Friede dem Kriege ein Ende gemacht hätte. Da jetzt durch die Herrschsucht des Cardinals Mazarin in Frankreich selbst innerliche Unruhen ausbrachen (s. d. Art. Conde und die Fronde), so trat Türenne anfangs zur Fronde, erklärte sich aber 1651 für den König, und focht mit vielem Ruhm wider Conde selbst. Seine Siege über Spanien, besonders die Eroberung von Dünkirchen, bewirkten endlich den für Frankreich vortheilhaften Pyrenäischen Frieden zwischen Frankreich und Spanien 1659 (s. Ludwig XIV. Th. II. S. 421.), worauf er im folgenden Jahr die Würde eines Generalfeldmarschalls der
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Französischen Armeen erhielt, beschleunigte auch bei dem 1667 aufs neue ausgebrochenen Kriege mit Spanien den Absch uß eines neuen Friedens 1668 zu Aachen. Doch jetzt dachte Ludwig auf Hollands Eroberung (s. Th. II. S. 422.), das anfangs bloß von dem Churfürsten von Brandenburg einigen Beistand erhielt, aber bei Türenneʼs großen Eroberungen in Holland und seinem Eindringen in des letztern Länder nun auch das Deutsche Reich gegen Ludwig und ihn in Bewegung setzte. Türenne, um der Vereinigung der Deutschen Fürsten zuvor zu kommen, drang nun aus dem Elsaß in die Pfalz ein, die er ganz verwüstete, und dadurch den Churfürsten, Carl Ludwig, so sehr aufbrachte, daß dieser ihm eine Ausforderung zuschickte, die aber Türenne ausschlug, weil, wie er sagte, er nicht sein eigner Herr wäre. Es kam darauf zwischen Türenne und der ihm entgegen stehenden kaiserlichen Armee 1674 (den 6. Juni) zu Sinsheim in der Unterpfalz zur Schlacht; letztere zog sich bis über den Main zurück, und wurde auch nachher, mit Verstärkungen wieder über den Rhein kommend, durch Türenne, der sie bei Mühlhausen und Türkheim schlug, am 6. Jan. 1675 wieder über den Rhein zurück zu gehen genöthiger. Jetzt stellte ihm Oestreich den berühmten Montecuculi (s. d. Art.) entgegen, und beide Feldherren standen mehrere Monate einander am Rheine gegen über. Vergebens suchte Montecu-
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culi den Türenne zu einer Schlacht zu bewegen; endlich aber ging dieser über den Rhein, und der 27. Juli 1675 sollte bei Sasbach, unweit Strasburg, entscheiden. Allein, da Türenne die Gegend und das kaiserliche Lager recognoscirte, wurde er durch eine Kanonenkugel aus dem Oestreichischen Lager in einem Alter von 64 Jahren auf der Stelle gerödtet. Sein König, um zu beweisen, wie sehr er ihn geschätzt habe, befahl, sein Leichenbegängniß mit allen, nur bei Prinzen vom Geblüte gewöhnlichen, Feierlichkeiten zu veranstalten, ließ seinen Leichnam nach St. Denis in das königliche Begräbniß bringen und ein kostbares Grabmahl errichten, so wie ihm auch auf dem Platze selbst, wo er fiel, der Cardinal von Rohan, Fürstbischof von Strasburg, noch im Jahr 1781 ein prächtiges Monument aufführen ließ. Doch noch mehr Ehre widerfuhr seiner Asche während der wildesten Stürme der Französischen Revolution. Als man 1793 auf Befehl der Municipalität zu St. Denis (damahls Franciade) die dort befindlichen Leichname ausgrub, um das Blei von ihren Särgen und Begräbnissen zu nehmen, so fand man bei Eröffnung des Grabmahls des Türeune seinen Leichnam in dem Zustand einer ausgetrockneten Mumie, von einer hellen Bistenfarbe, so gut erhalten, daß er den von ihm vorhandenen Bildnissen und Münzen vollkommen gleichend, und selbst die Züge seines Gesichts nicht im geringsten –
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bis auf den aufgesperrten Mund – entstellt waren; er wurde sogleich, in einem Kasten von Eichenholz aufbewahrt, in die Sakristei der Kirche gesetzt, wo man ihn länger als acht Monate der neugierigen Menge zeigte, bis er auf Ansuchen des Professor Desfontaines in das National-Museum der Naturgeschichte gebracht wurde. Nach einem Befehl des Vollziehungs-Directoriums wurde er 1799 von dort ins Museum der Französischen Denkmähler geschafft, und in dem Elysium dieses Instituts in einem Sarkophag begraben, allein am 23. September 1800 auf Beschluß der Consuln auch von dort wieder weggenommen und mit großem Pomp in dem Marstempel (der ehemahligen Kirche der Invaliden) im Innern des für ihn in der Abtei St. Denis aufbewahrten Denkmahls beigesetzt. – Ueber Türenne als Krieger herrscht nur eine Stimme des Lobes, ungeachtet er nicht immer Sieger war, auch keine entscheidenden Schlachten lieferte, weil er seine Soldaten liebte und ihr Leben zu schonen suchte; eben so lobt man ihn als einen uneigennützigen und großmüthigen Mann. Nur tadelt man ihn, daß er auf einige Zeit die Waffen gegen seinen König ergriff, und die Pfalz auf unerhörte Art verwüstete. Allein, jenes war Folge von Mazarinʼs grenzenloser Ehr- und Habsucht, dessen Sturz Türenne und seine Anhänger nur beabsichtigten; die Verwüstung der Pfalz geschah wenigstens nicht aus Hang zur Grausamkeit, sondern
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entweder auf Veranlassung des Ministers Louvois (s. Th. II. S. 424.), oder aus beleidigter Eitelkeit (s. Journal v. u. f. Deutschl. 1787. XI. 458.). Noch verdient bemerkt zu werden, daß Türenne, der, wie sein Vater, sich zur reformirten Religion bekannte, und, so wie dieser, unter Heinrich IV. während des dreißigjährigen Krieges für die Protestanten gegen die Katholiken focht, auch hierin seines Vaters Beispiel folgte, daß er – wie man sagt, aus Ehrgeitz – diese Religion abschwur, und zur katholischen übertrat.