Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Troubadours, Die
Die Troubadours waren im Mittelalter die berühmtesten Dichter der Franzosen, und man muß eine doppelte Art derselben, nemlich die Provenzalischen Dichter oder eigentlichen Troubadours in Südfrankreich von den Ufern der Loire an, bis an die Pyrenäen und das Mittelländische Meer (welches ganze Land damahls Provence hieß), und die Trouvères in Nordfrankreich unterscheiden. 1) Die Provenzalischen Dichter schrieben in ihrer, von der nördlich-Französischen sehr abweichenden und aus Ueberresten der alten Landes- und der Römischen Pöbelsprache gebildeten, weit kraftvollern und lieblichern Mundart seit dem Anfange des 12ten Jahrhunderts, und bildeten sich zum Theil nach den Römischen classischen Dichtern; viele damahls zusammenwirkende Ursachen erhoben ihre Gedichte so sehr, daß sie bald den ausgebreitetsten Ruhm im ganzen westlichen und südlichen Europa erhielten. (So hat man noch Provenzalische Verse von Roger von Neapel, Alfons von Aragonien, Richard Lowenherz, Kaiser Friedrich, auch der Maria Stuart etc.) Denn das herrliche und milde Clima, die Reichthümer der Einwohner, die zunehmende Gewalt und Pracht der Ritter, die aufgekommenen Turnire, der Glanz und Schimmer des Feudalsystems, die Bekanntschaft mit den Italiänern und den dichtenden Arabern in Spanien, endlich die Helden-————
thaten und Abenteuer bei Gelegenheit der damahls eröffneten Kreuzzüge, und die durch dieselben aus fremden Ländern erlangten Kenntnisse entflammten die mit neuen Bildern angefüllte Phantasie der Einwohner; die Regenten selbst fanden Geschmack an der nen aufgekommenen vaterländischen Dichtkunst, und Könige, Fürsten, Edelleute, Knappen, Bürger, Mönche, kurz, die meisten Bewohner fügten ihre Gefühle von allerlei Art in Provenzalische Reime, die nicht nur in Rücksicht des Sylbenmaßes, sondern größten Theils auch der Gedanken neu waren: man nannte sie daher Erfinder (Troubadours, oder Troveres, von tronver, finden, erfinden). Weit entfernt von der erhabenen Poesie der Vorwelt, wählten sie Gegenstände und Ausdruck aus dem gebildetern Conversationston, besonders aus dem des Ritterstandes, weil unter diesen die meisten Troubadours waren, und besangen den Heroismus, Andacht und Religion, vorzüglich aber – Liebe. Ihre Gesänge waren von verschiedener Art, nehmlich Soulas, oder Lieder des fröhlichen und witzigen Scherzes, Lais, d. h. Elegien, oder überhaupt Lieder, Pastoraleʼs, Hirtengesänge, Sirventen, oder Gelegenheitsgedichte zum Lobe oder Tadel einer Person oder Begebenheit, oft voll von Satyre und Schmähungen, Fabliaur, oder Mährchen und Erzählungen, und endlich Tenzonen (Tensons), d. h. witzige Dialogen, meist aus dem
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Stegreif gehalten, über vermischte Gegenstände, die sich aber meist auf Liebe bezogen und in den Gerichtshöfen der Liebe (s. d. Art. Th. II. S. 95.) zum Vergnügen der Anwesenden declamirt wurden. Alle diese Dichtungsarten, besonders die Lieblingslieder und Mährchen, waren allgemein beliebt: jeder Fürst, ja fast jeder Ritter hielt sich, wenn er nicht selbst Troubadour war, seinen Hofpoeten; kein Turnier, kein Fest der Freude konnte ohne ihren Gesang gefeiert werden, und es zogen daher viele derselben umher, und sangen und declamirten ihre Gedichte für Geld unter der Musikbegleitung einer Harfe, Laute, oder gewöhnlicher, einer Violine. Auch hatten diese reisenden Sänger, die, wenn sie nicht selbst dichteten, Menetriers hießen (s. Minstrels), nicht selten ein starkes Gefolge von Jongleurs oder Gauklern, Komikern, Musikern u. s. w. – Diese Dichtkunst, die außer dem südlichen Frankreich noch in Spanien, besonders im Arragonischen Reiche, in Italien, und zum Theil in England blühte, auch in Deutschland unter den Minnesängern (s. dies. Art.) die eifrigsten Verehrer und Nachahmer fand, wurde in Südfrankreich selbst im 12ten und 13ten Jahrhundert mit allgemeinem Enthusiasmus betrieben, sank aber gegen Ende des 14ten (besonders seit 1382, seit dem Todte ihrer letzten Beschützerin, der Königin von Neapel und Sicilien und Gräfin von Provence, Johanna I. aus Französischem
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Hause) und zu Anfang des 15ten ganz von der alten Hoheit herab, und verlosch endlich in und außer Frankreich, da sie nichts als ein geschmackloses, anstößiges Spielwerk niedriger Gaukler und Herumzieher war: nicht allein der Verfall des Ritterwesens, und das Aussterben der den Dichtern günstigen Fürsten, sondern auch die steigende Cultur und der Geschmack an solideren Beschäftigungen, endlich der Ueberdruß und Ekel an den eingeschränkten Gegenständen dieser Gesänge, trugen zu dem gänzlichen Aufhören dieser Dichtungen sehr viel bei. Die Provenzalische Poesie hatte zwar für die Zeitgenossen sehr hohen Werth, indem sie die Sprache, Sitten und Seelenkräfte ausbildete, Liebe zu den Wissenschaften zuerst erweckte, und besonders den Rittern Tapferkeit und Edelmuth, so wie den Frauen die Ausübung weiblicher Tugenden lebhaft anpries: allein für uns ist der Werth dieser Gedichte, wenn sie gleich viele treffliche, feine, witzige Stellen, mit unter einige Meisterstücke enthalten, dennoch im Ganzen viel geringer; die meisten sind, wie es in jenen mehr von Phantasie als von Verstand geleiteten Zeiten fast nicht anders sein konnte, geistlos und ohne Geschmack, die Gedanken alltäglich und ohne Abwechselung, und besonders die Liebeslieder nicht selten in einem unausstehlich zärtlichen, überspannten und winselnden Tone abgefaßt, obgleich manche starke und sogar echt
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Platonische Empfindungen von Liebe bisweilen darin vorkommen. (Ueber den Geist dieser Dichtkunst s. Herders Briefe zur Beförderung der Humanität, 7. Samml). 2) Die Trouvères in Nordfrankreich hatten jedoch noch weit weniger Werth. Ihre Sprache, die alte Französische, ist weit rauher, und dennoch ohne Kraft, ihr Hang zum Abenteuerlichen weit größer, und Geschmack fehlt ganz. Sie hatten, ungeachtet sie die Provenzalen verachteten, doch ziemlich die nehmlichen Dichtungsarten, außerdem aber noch unzähliche Romane, ein Gemengsel von Unsinn, Abenteuern, Feenmährchen und Liebesklagen. Die Trouveres entstanden zu Anfang des 13ten Jahrhunderts, blühten besonders unter Carl VI. fanden in England viele Anhänger, hatten ebenfalls Menetriers und Gaukler in ihrem Gefolge, und erhielten sich das ganze Mittelalter hindurch in großem Flor, besonders durch ihre Romane.
thaten und Abenteuer bei Gelegenheit der damahls eröffneten Kreuzzüge, und die durch dieselben aus fremden Ländern erlangten Kenntnisse entflammten die mit neuen Bildern angefüllte Phantasie der Einwohner; die Regenten selbst fanden Geschmack an der nen aufgekommenen vaterländischen Dichtkunst, und Könige, Fürsten, Edelleute, Knappen, Bürger, Mönche, kurz, die meisten Bewohner fügten ihre Gefühle von allerlei Art in Provenzalische Reime, die nicht nur in Rücksicht des Sylbenmaßes, sondern größten Theils auch der Gedanken neu waren: man nannte sie daher Erfinder (Troubadours, oder Troveres, von tronver, finden, erfinden). Weit entfernt von der erhabenen Poesie der Vorwelt, wählten sie Gegenstände und Ausdruck aus dem gebildetern Conversationston, besonders aus dem des Ritterstandes, weil unter diesen die meisten Troubadours waren, und besangen den Heroismus, Andacht und Religion, vorzüglich aber – Liebe. Ihre Gesänge waren von verschiedener Art, nehmlich Soulas, oder Lieder des fröhlichen und witzigen Scherzes, Lais, d. h. Elegien, oder überhaupt Lieder, Pastoraleʼs, Hirtengesänge, Sirventen, oder Gelegenheitsgedichte zum Lobe oder Tadel einer Person oder Begebenheit, oft voll von Satyre und Schmähungen, Fabliaur, oder Mährchen und Erzählungen, und endlich Tenzonen (Tensons), d. h. witzige Dialogen, meist aus dem
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Stegreif gehalten, über vermischte Gegenstände, die sich aber meist auf Liebe bezogen und in den Gerichtshöfen der Liebe (s. d. Art. Th. II. S. 95.) zum Vergnügen der Anwesenden declamirt wurden. Alle diese Dichtungsarten, besonders die Lieblingslieder und Mährchen, waren allgemein beliebt: jeder Fürst, ja fast jeder Ritter hielt sich, wenn er nicht selbst Troubadour war, seinen Hofpoeten; kein Turnier, kein Fest der Freude konnte ohne ihren Gesang gefeiert werden, und es zogen daher viele derselben umher, und sangen und declamirten ihre Gedichte für Geld unter der Musikbegleitung einer Harfe, Laute, oder gewöhnlicher, einer Violine. Auch hatten diese reisenden Sänger, die, wenn sie nicht selbst dichteten, Menetriers hießen (s. Minstrels), nicht selten ein starkes Gefolge von Jongleurs oder Gauklern, Komikern, Musikern u. s. w. – Diese Dichtkunst, die außer dem südlichen Frankreich noch in Spanien, besonders im Arragonischen Reiche, in Italien, und zum Theil in England blühte, auch in Deutschland unter den Minnesängern (s. dies. Art.) die eifrigsten Verehrer und Nachahmer fand, wurde in Südfrankreich selbst im 12ten und 13ten Jahrhundert mit allgemeinem Enthusiasmus betrieben, sank aber gegen Ende des 14ten (besonders seit 1382, seit dem Todte ihrer letzten Beschützerin, der Königin von Neapel und Sicilien und Gräfin von Provence, Johanna I. aus Französischem
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Hause) und zu Anfang des 15ten ganz von der alten Hoheit herab, und verlosch endlich in und außer Frankreich, da sie nichts als ein geschmackloses, anstößiges Spielwerk niedriger Gaukler und Herumzieher war: nicht allein der Verfall des Ritterwesens, und das Aussterben der den Dichtern günstigen Fürsten, sondern auch die steigende Cultur und der Geschmack an solideren Beschäftigungen, endlich der Ueberdruß und Ekel an den eingeschränkten Gegenständen dieser Gesänge, trugen zu dem gänzlichen Aufhören dieser Dichtungen sehr viel bei. Die Provenzalische Poesie hatte zwar für die Zeitgenossen sehr hohen Werth, indem sie die Sprache, Sitten und Seelenkräfte ausbildete, Liebe zu den Wissenschaften zuerst erweckte, und besonders den Rittern Tapferkeit und Edelmuth, so wie den Frauen die Ausübung weiblicher Tugenden lebhaft anpries: allein für uns ist der Werth dieser Gedichte, wenn sie gleich viele treffliche, feine, witzige Stellen, mit unter einige Meisterstücke enthalten, dennoch im Ganzen viel geringer; die meisten sind, wie es in jenen mehr von Phantasie als von Verstand geleiteten Zeiten fast nicht anders sein konnte, geistlos und ohne Geschmack, die Gedanken alltäglich und ohne Abwechselung, und besonders die Liebeslieder nicht selten in einem unausstehlich zärtlichen, überspannten und winselnden Tone abgefaßt, obgleich manche starke und sogar echt
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Platonische Empfindungen von Liebe bisweilen darin vorkommen. (Ueber den Geist dieser Dichtkunst s. Herders Briefe zur Beförderung der Humanität, 7. Samml). 2) Die Trouvères in Nordfrankreich hatten jedoch noch weit weniger Werth. Ihre Sprache, die alte Französische, ist weit rauher, und dennoch ohne Kraft, ihr Hang zum Abenteuerlichen weit größer, und Geschmack fehlt ganz. Sie hatten, ungeachtet sie die Provenzalen verachteten, doch ziemlich die nehmlichen Dichtungsarten, außerdem aber noch unzähliche Romane, ein Gemengsel von Unsinn, Abenteuern, Feenmährchen und Liebesklagen. Die Trouveres entstanden zu Anfang des 13ten Jahrhunderts, blühten besonders unter Carl VI. fanden in England viele Anhänger, hatten ebenfalls Menetriers und Gaukler in ihrem Gefolge, und erhielten sich das ganze Mittelalter hindurch in großem Flor, besonders durch ihre Romane.