Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Tippu Saheb
Tippo Saib (Tippu Saheb), Sultan von Mysore in dem süd-westlichen Theile von Decan (oder dem südlichen Hindostan), geboren 1750, war der Sohn des tapfern Hyder Aly (s. dies. Art.), Usurpateurs des Königreichs Mysore. Schon in seinen frühern Jahren als Statthalter an der Spitze ansehnlicher Heere seines Vaters, stritt er gegen die Engländer, Maratten und andre Ostindische Völker mit dem glücklichsten Erfolge, und bewährte sich als eben so großer Feldherr, wie sein Vater. Tapferkeit, tief durchdachte und schnell ausgeführte Plane, so wie außerordentliche Kriegslist machten ihn zum Schrecken des ganzen südlichen Ostindiens. In dem Kriege, den sein Vater von 1780 an mit der Englisch-Ostindischen Compagnie führte, war er einer ihrer hartnäckigsten Gegner: und als er nach jenes Todte 1782 zur Regierung kam, endigte er den Krieg mit ihnen 1784 durch den Frieden zu Mangalore, blieb aber der gefürchteste Feind der Engländer im südlichen Ostindien; denn er besaß nicht nur ein vortreffliches Heer, das im Nothfall auf mehrere Hunderttausende vergrößert werden konnte, sondern auch unermeßliche Reichthümer und Einkünfte (die letzteren sollten 20 Mill. Thaler sein) und ein ausgebreitetes von Hyder Aly sehr vergrößertes Konigreich, das aus dem eigentlichen Mysore, Coimbettore, Bednur, Cananoe, Canara, Calicut (von ihm————
abhängig) und vielen andern Provinzen in Decan bestand, und bis dicht an die Englische Präsidentschaft Madras reichte. Indessen kam es, da er unaufhörlich seine Nachbarn, besonders die so sehr gefürchteten Maratten und die eben so mächtigen Engländer, welche er ganz aus Madras zu verdrängen wünschte, befeindete, zu einem gefährlichen und sehr nachtheiligen Kriege, besonders da er 1790 den Rajah von Travancore, einen Bundsgenossen oder vielmehr Unterthanen der Engländer, verrätherisch überfallen und unterjocht hatte. Seine Feinde, die Maratten, und der Subah von Decan (s. Ostindien) vereinigten sich mit den Engländern, die diesen Krieg mit der äußersten Anstrengung ihrer Kräfte und mit großem Verlust an Mannschaft und Geld führten, aber doch unter den Generalen Medows und Abercromby mit abwechselndem, und nachher unter dem Obercommando des Lords Cornwallis, Generalgouverneurs von Bengalen, mit überwiegendem Glücke stritten. Tippo Saib, dem zugleich ungeheure Heere und Schätze zu Gebote standen, zeigte sich zwar als einen der größten, tapfersten und verschlagensten Feldherrn; allein er mußte, bis auf seine Hauptstadt, Seringapatnam, zurückgedrängt, endlich doch (17. März 1792) einen äußerst nachtheiligen Frieden eingehen, wodurch er die Hälfte seiner Länder (nicht nach ihrem Umfang, sondern nach dem Ertrag gerechnet) an die Engländer und
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ihre Bundesgenossen abtreten, eine ungeheure Summe Geldes an dieselben zahlen, und über dieß seine beiden Söhne, bis zu gänzlicher Erfüllung aller Bedingungen, nach Madras mit dem Lord Cornwallis als Geißeln schicken mußte. Diesen Verlust konnte er freilich nicht vergessen, und er sann von jetzt an nur auf Rache. Er suchte Hindostans Fürsten in sein Interesse zu ziehen, auch mit Frankreich die alte Verbindung wieder anzuknüpfen, um die Vertreibung der Engländer aus Ostindien zu bewerkstelligen. Allein die Englische Regierung, von seinen Plänen hinlänglich unterrichtet, suchte zwar noch 1798 in Güte mit ihm zu unterhandeln; allein, da er immer einer freundschaftlichen Verständigung auszuweichen suchte, so wollten nun die Engländer ihm zuvorkommen: sie brachen, zu Anfange des J. 1799 mit ihrer gesammten Armee von Madras, unter freilich sehr großen Schwierigkeiten und Gefahren, nach der Hauptstadt von Mysore, Seringapatnam, auf, fingen die Belagerung derselben am 1. Mai an, und schon am 4. wurde, nach dem fürchterlichsten Gemetzel von beiden Seiten, diese durch das ganze Morgenland für unüberwindlich gehaltene Festung mit Sturm erobert, wobei Tippo Saib selbst blieb. In diesem Palaste fand man einen ungeheuern Schatz von Gold, Juwelen, Silbergeschirr, Stoffen, wovon fast alle Zimmer angefüllt waren. So endete dieser merkwürdige Eroberer, der
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furchtbarste Feind der Engländer, seine Lausbahn, die er allerdings unter großen Erwartungen, die man sich von ihm als Prinz machte, begann, welche er aber nicht so ganz erfüllte, da, hauptsächlich seitdem er zum Thron gelangte, Ehrgeitz, Stolz und Grausamkeit ihn leiteten. »Ich will lieber, pflegte er öfters zu sagen, zwei Tage wie ein Tieger, als 200 Jahr wie ein Schaf leben.« Indessen war er unstreitig einer der ausgezeichnetsten Krieger und tapfersten Feldherren; Krieg und Feldzüge waren seine Lieblingsgegenstände, und von seiner Verachtung des Todtes zeigt seine oft wiederhohlte Aeußerung: »da man nur einmahl leben kann, so liegt wenig daran, ob es früher oder später geschieht.« – Die von einem Französischen Schriftsteller, Fantin-Desodoards, herausgegebenen Memoiren des Tippo Saib, von ihm selbst geschrieben, a. d. Indischen ins Französische übersetzt (Paris 1796), sind nicht nur ganz untergeschoben, sondern auch ohne allen historischen Werth.
abhängig) und vielen andern Provinzen in Decan bestand, und bis dicht an die Englische Präsidentschaft Madras reichte. Indessen kam es, da er unaufhörlich seine Nachbarn, besonders die so sehr gefürchteten Maratten und die eben so mächtigen Engländer, welche er ganz aus Madras zu verdrängen wünschte, befeindete, zu einem gefährlichen und sehr nachtheiligen Kriege, besonders da er 1790 den Rajah von Travancore, einen Bundsgenossen oder vielmehr Unterthanen der Engländer, verrätherisch überfallen und unterjocht hatte. Seine Feinde, die Maratten, und der Subah von Decan (s. Ostindien) vereinigten sich mit den Engländern, die diesen Krieg mit der äußersten Anstrengung ihrer Kräfte und mit großem Verlust an Mannschaft und Geld führten, aber doch unter den Generalen Medows und Abercromby mit abwechselndem, und nachher unter dem Obercommando des Lords Cornwallis, Generalgouverneurs von Bengalen, mit überwiegendem Glücke stritten. Tippo Saib, dem zugleich ungeheure Heere und Schätze zu Gebote standen, zeigte sich zwar als einen der größten, tapfersten und verschlagensten Feldherrn; allein er mußte, bis auf seine Hauptstadt, Seringapatnam, zurückgedrängt, endlich doch (17. März 1792) einen äußerst nachtheiligen Frieden eingehen, wodurch er die Hälfte seiner Länder (nicht nach ihrem Umfang, sondern nach dem Ertrag gerechnet) an die Engländer und
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ihre Bundesgenossen abtreten, eine ungeheure Summe Geldes an dieselben zahlen, und über dieß seine beiden Söhne, bis zu gänzlicher Erfüllung aller Bedingungen, nach Madras mit dem Lord Cornwallis als Geißeln schicken mußte. Diesen Verlust konnte er freilich nicht vergessen, und er sann von jetzt an nur auf Rache. Er suchte Hindostans Fürsten in sein Interesse zu ziehen, auch mit Frankreich die alte Verbindung wieder anzuknüpfen, um die Vertreibung der Engländer aus Ostindien zu bewerkstelligen. Allein die Englische Regierung, von seinen Plänen hinlänglich unterrichtet, suchte zwar noch 1798 in Güte mit ihm zu unterhandeln; allein, da er immer einer freundschaftlichen Verständigung auszuweichen suchte, so wollten nun die Engländer ihm zuvorkommen: sie brachen, zu Anfange des J. 1799 mit ihrer gesammten Armee von Madras, unter freilich sehr großen Schwierigkeiten und Gefahren, nach der Hauptstadt von Mysore, Seringapatnam, auf, fingen die Belagerung derselben am 1. Mai an, und schon am 4. wurde, nach dem fürchterlichsten Gemetzel von beiden Seiten, diese durch das ganze Morgenland für unüberwindlich gehaltene Festung mit Sturm erobert, wobei Tippo Saib selbst blieb. In diesem Palaste fand man einen ungeheuern Schatz von Gold, Juwelen, Silbergeschirr, Stoffen, wovon fast alle Zimmer angefüllt waren. So endete dieser merkwürdige Eroberer, der
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furchtbarste Feind der Engländer, seine Lausbahn, die er allerdings unter großen Erwartungen, die man sich von ihm als Prinz machte, begann, welche er aber nicht so ganz erfüllte, da, hauptsächlich seitdem er zum Thron gelangte, Ehrgeitz, Stolz und Grausamkeit ihn leiteten. »Ich will lieber, pflegte er öfters zu sagen, zwei Tage wie ein Tieger, als 200 Jahr wie ein Schaf leben.« Indessen war er unstreitig einer der ausgezeichnetsten Krieger und tapfersten Feldherren; Krieg und Feldzüge waren seine Lieblingsgegenstände, und von seiner Verachtung des Todtes zeigt seine oft wiederhohlte Aeußerung: »da man nur einmahl leben kann, so liegt wenig daran, ob es früher oder später geschieht.« – Die von einem Französischen Schriftsteller, Fantin-Desodoards, herausgegebenen Memoiren des Tippo Saib, von ihm selbst geschrieben, a. d. Indischen ins Französische übersetzt (Paris 1796), sind nicht nur ganz untergeschoben, sondern auch ohne allen historischen Werth.