Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Tilly, Johann Tzerclas, Graf von
Johann Tzerclas, Graf von Tilly, einer der berühmtesten Feldherren des 17. Jahrhunderts und der furchtbarsten Helden im 30jährigen Kriege. Er, geboren 1559, stammte aus einer edlen Familie in Lüttich, wurde, als der jüngste in seiner Familie, zum geistlichen Stande bestimmt, und kam zu den Jesuiten. Allein seine Neigung hieß ihn den Degen vorziehen: so ging er anfangs in Spanische Dienste, und mit dem Herzog von Mercoeur als Obristlieutenant nach Ungarn, wo er unter Kaiser Rudolph II. immer mehr sich hervorthat. Nach erfolgtem Frieden kam er in die Dienste Maximilians von Bayern, der ihn zum Oberfeldherrn mit unumschränkter Gewalt ernannte; und so ward er durch seine trefflichen Einrichtungen der Schöpfer der Bayerischen Kriegsmacht. Nach geendigtem Böhmischen Kriege kam er als Generallieutenant zur katholischen Ligue, focht unter dem Oberbefehl des Herzogs Maximilian, und zeichnete sich besonders in der Schlacht aufm weißen Berge vor Prag (28. Oct. 1620) aus, von wo an er die ligistische Armee allein anführte. Er erfocht (1622) die Siege bei Wimpfen und Höchst, eroberte Heidelberg und Manheim, so daß die ganze Pfalz ihm in die Hände fiel, und wurde sogar 1623 auf dem Reichstage zu Regensburg in den Grafenstand erhoben. Endlich, nach noch mehreren berühmten Siegen, ward er, mit Ver-————
tauschung des Bayerischen Dienstes gegen den Oestreichischen, an Wallensteins Stelle Generalissimus der Armeen des Kaisers und des Deutschen Reichs. Als solcher nahm er nun Brandenburg in Besitz, eroberte durch einen General-Sturm, und unter Ausübung vieler Grausamkeiten, Magdeburg (10. Mai 1631), fiel in die Sächsischen Länder ein, und eroberte nun zwar auch Leipzig im September desselben Jahres, machte sich auch allenthalben furchtbar genug: allein, so wie ihn seit dem Blutbade zu Magdeburg das Glück immer mehr und mehr geflohen hatte, so wurde er auch jetzt, 3 Tage nach Leipzigs Eroberung, (7. Sept. 1631) in der merkwürdigen Schlacht bei Breitenfeld, wo ihn seine sonstige Entschlossenheit so ganz zu verlassen schien, vom König Gustav Adolph von Schweden gänzlich geschlagen; ja, er selbst, von Wunden ermattet, war in Gefahr, von einem Schwedischen Rittmeister, dem er sich nicht ergeben wollte, getödtet zu werden, als ein Pistolenschuß diesen gerade noch zu Boden streckte. Mit wenigen Ueberbleibsein seines Heeres – kaum 600 Mann – mußte er über Halle und Halberstadt nach der Weser flüchten, und den Siegern den offnen Weg ins Reich sowohl, als in die kaiserlichen Erblande Preis geben. Seinen Ruhm hatte er überlebt: ein einziger Tag entriß ihm die Arbeiten und die – wenn gleich blutigen – Lorbeeren seines ganzen langen Le-
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bens! Von den Flüchen der Menschheit begleitet, kehrte ihm das Glück den Rücken ganz. An der Weser zog er die Reste seiner Armee zusummen, und brannte vor Begierde, jenen Schimpf wieder auszulöschen; allein er konnte sie nicht befriedigen. Er richtete seinen Marsch, nachdem er über den Main gesetzt hatte, nach der Bergstraße zu, wüstete dann noch in Franken, und als er endlich Befehl erhielt, Bayerns Grenzen mit seiner Macht zu vertheidigen, so machte er alle mögliche Versuche, um Gustav Adolph den Uebergang über den Lech zu verwehren; er wagte das Aeußerste: aber er fand den Tod, den er vielleicht gesucht hatte; eine Falkonetkugel verwundete ihn tödtlich, und bald darauf endete er zu Ingolstadt (30. April, 1632) seine Laufbahn. Mit ihm verlor die Armee des Kaisers sowohl als der Ligue einen unersetzlichen Führer, so wie Maximilian von Bayern den treusten Dinner. List und Behutsamkeit paarten sich bei ihm mit einem hohen Grade von Stolz; und zu der natürlichen Wildheit seines Charakters kamen noch blinder Religionseifer – die katholische Religion hatte in ihm einen ihrer eifrigsten Vertheidiger, und an äußerlichen Andachtsbezeigungen ließ ers nicht fehlen – und blutdürstiger Verfolgungsgeist. Nicht mit Unrecht hat man ihm auch Grausamkeit, besonders wegen der so berüchtigten, schauderhaft gräßlichen Eroberung von Magdeburg, zugeschrieben, obgleich
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er sich immer damit entschuldigte, daß er seinen erbitterten Soldaten nicht habe Einhalt thun können. – In seinem Aeußerlichen zeichnete er, von Natur schon klein, hager, mit spitzem Gesichte und starkem Knebelbarte, sich noch obendrein durch seine Tracht ganz vorzüglich aus. Auf einem kleinen weißen Klepper reitend – so traf ihn der nachherige Herzog von Grammont, der eben über diesen Aufzug eine sehr belustigende Erzählung macht –, in einem kurzen Spanischen Wämschen von grünem Atlas mit aufgeschlitzten Aermeln, ein kleines Hütchen mit vier Krempen, aber einer langen rothen Feder, die ihm bis in die Lenden hing, auf dem Kopfe tragend; übrigens führte er ein kleines Degengehenke mit einem Schlachtschwerte, und in dem Sattel eine kleine Pistole. (S. übrigens den Art. Dreißigjähriger Krieg, Th. I. S. 362–64.)
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