Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Thun, Franz Joseph, Graf von
Franz Joseph, Graf von Thun – ein bekannter Schwärmer neuerer Zeit, aus Wien gebürtig, spielte eine Zeit lang die Rolle eines wunderthätigen Arztes, der Kranke, die an Gichtschmerzen und Lähmungen der Glieder litten, durch bloßes Verühren mit der Hand heilen wollte. Dadurch, daß er seit 1781 einige Jahre mit Lavater in mystischen Verbindungen stand, war er schon als Schwärmer verdächtig; noch mehr aber wurde er es, als er 1793 Wien verließ, um auch in andern Städten Deutschlands durch die wunderthätige Kraft seiner rechten Hand Kranken beizustehen. Zuerst besuchte er Carlsbad, nachher, 1794, Leipzig, in der Ostermesse, wo er auf ein zahlreiches Publicum rechnen konnte. Angeblich kam er nur deßwegen an den letztern Ort, um von der dasigen medicinischen Facultät die Kräfte seiner Hand untersuchen zu lassen; ehe er aber diesen Bericht abwartete, bewies er durch eine Menge Curen, daß er eigentlich dessen gar nicht bedürfe, sondern, daß seine heilende Kraft außer allem Zweifel sei. Eine Menge Patienten füllten sein Haus, und gingen fast alle gesund davon. Seine Methode bestand darin, daß er die Hand auf den leidenden Theil legte, und so lange liegen ließ, bis der Kranke ein Brennen oder einen Kützel empfand, worauf er mit dem einen Finger im Streichen fortfuhr, und den Schmerz nach einer Extremität des Körpers am————
Kranken abzuleiten suchte. Anfänglich versicherten alle, daß sie keine Spur mehr von ihrem Uebel empfänden; aber nach einigen Tagen änderte sich die Scene. Bei manchen stellte sich der Schmerz wieder ein; bei andern wollte die Cur gar nicht anschlagen: einige hatten aber einen so starken Glauben, daß sie sich geheilt fühlten, nachdem sie mit verbundenen Augen in das Zimmer geführt worden waren, und nicht Graf Thun, sondern eine andre Person die Hand auf sie gelegt hatte. Diese letzte Probe war dem Rufe des Grafen selbst sehr ungünstig; er verließ Leipzig bald darauf, und beklagte sich über kalte Aufnahme und Undank, der ihm daselbst zu Theil worden wäre. Aus seinem übrigen Benehmen konnte man schließen, daß er ein Mann von eingeschränkten Kenntnissen, und mehr selbst Betrogener, als Betrüger war. Er war mildthätig, und verschaffte dadurch den Kranken wahre Erquickung; übrigens vermied er zusammenhängende Gespräche über scientifische Gegenstände, erklärte selbst, daß er von der Arzneikunst nichts verstände, ließ sich aber keineswegs von der Zufälligkeit seiner Curmethoden überzeugen, auf die ihn, seinem Vorgeben nach, ein Ungefahr geführt hatte. Wie lange er noch damit fortgefahren, ist unbekannt; indessen hat man über weit wichtigern Ereignissen die Wunder mit dem Wunderthäter selbst in der Folge fast ganz der Vergessenheit überlassen.
Franz Joseph, Graf von Thun – ein bekannter Schwärmer neuerer Zeit, aus Wien gebürtig, spielte eine Zeit lang die Rolle eines wunderthätigen Arztes, der Kranke, die an Gichtschmerzen und Lähmungen der Glieder litten, durch bloßes Verühren mit der Hand heilen wollte. Dadurch, daß er seit 1781 einige Jahre mit Lavater in mystischen Verbindungen stand, war er schon als Schwärmer verdächtig; noch mehr aber wurde er es, als er 1793 Wien verließ, um auch in andern Städten Deutschlands durch die wunderthätige Kraft seiner rechten Hand Kranken beizustehen. Zuerst besuchte er Carlsbad, nachher, 1794, Leipzig, in der Ostermesse, wo er auf ein zahlreiches Publicum rechnen konnte. Angeblich kam er nur deßwegen an den letztern Ort, um von der dasigen medicinischen Facultät die Kräfte seiner Hand untersuchen zu lassen; ehe er aber diesen Bericht abwartete, bewies er durch eine Menge Curen, daß er eigentlich dessen gar nicht bedürfe, sondern, daß seine heilende Kraft außer allem Zweifel sei. Eine Menge Patienten füllten sein Haus, und gingen fast alle gesund davon. Seine Methode bestand darin, daß er die Hand auf den leidenden Theil legte, und so lange liegen ließ, bis der Kranke ein Brennen oder einen Kützel empfand, worauf er mit dem einen Finger im Streichen fortfuhr, und den Schmerz nach einer Extremität des Körpers am————
Kranken abzuleiten suchte. Anfänglich versicherten alle, daß sie keine Spur mehr von ihrem Uebel empfänden; aber nach einigen Tagen änderte sich die Scene. Bei manchen stellte sich der Schmerz wieder ein; bei andern wollte die Cur gar nicht anschlagen: einige hatten aber einen so starken Glauben, daß sie sich geheilt fühlten, nachdem sie mit verbundenen Augen in das Zimmer geführt worden waren, und nicht Graf Thun, sondern eine andre Person die Hand auf sie gelegt hatte. Diese letzte Probe war dem Rufe des Grafen selbst sehr ungünstig; er verließ Leipzig bald darauf, und beklagte sich über kalte Aufnahme und Undank, der ihm daselbst zu Theil worden wäre. Aus seinem übrigen Benehmen konnte man schließen, daß er ein Mann von eingeschränkten Kenntnissen, und mehr selbst Betrogener, als Betrüger war. Er war mildthätig, und verschaffte dadurch den Kranken wahre Erquickung; übrigens vermied er zusammenhängende Gespräche über scientifische Gegenstände, erklärte selbst, daß er von der Arzneikunst nichts verstände, ließ sich aber keineswegs von der Zufälligkeit seiner Curmethoden überzeugen, auf die ihn, seinem Vorgeben nach, ein Ungefahr geführt hatte. Wie lange er noch damit fortgefahren, ist unbekannt; indessen hat man über weit wichtigern Ereignissen die Wunder mit dem Wunderthäter selbst in der Folge fast ganz der Vergessenheit überlassen.