Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Tezel, Johann
Johann Tezel, dieser berüchtigte Ablaßkrämer, war ein geborner Leipziger, und hieß eigentlich (nach seinem Vater, einem Goldschmit) Dietze, woraus man nachher Ditzel, oder Tetzel (der kleine Dietz) gemacht hat. Geboren in der zweiten Hälfte des 15ten Jahrhunderts, ging er, von Natur mit glücklichen Anlagen versehen, auf die Leipziger Akademie, widmete sich hauptsächlich dem theologischen Studium, wurde auch 1487 Baccalaureus der Philosophie, und kam 1489 in das Dominicaner-Kloster. Der Prior, von seinem Eifer und seiner Geschicklichkeit eingenommen, gab ihm die Freiheit, aus dem Kloster zu gehen und zu predigen. Von dem Bischof zu Merseburg nun zum Priester geweiht, las er seine erste Messe zu Leipzig, wurde dann 1500 nach Zwickau gesendet, wo er unter großem Zulauf und Beifall des Volks die nachdrücklichsten Strafpredigten hielt, und durch seine Beredsamkeit es dahin brachte, daß ihm der Romische Stuhl 1502 u. 4 zum Ablaßprediger bestellte. Bei dieser Gelegenheit nun verkündigte er nicht nur zu Zwickau, sondern auch in Meißen, Thüringen, der Oberlausitz etc. von den Kanzeln herab das Jubeljahr dergestalt, daß man ins Künftige den Ablaß der Sünden nicht allein zu Rom, sondern auf des Papsts Alexander VI. Erlaubniß überall, wo man ihn suchen würde, erlangen sollte. So trieb er nun in der Folge diesen————
Handel mit seinen Ablaßbriefen allenthalben, durchzog mehrere Länder und brachte ungeheure Summen zusammen, obgleich hie und da manche sich diesem schändlichen Unternehmen widersetzten (z. B der Bischof von Meißen, ein Priester in Ulm etc.). In Inspruk, wohin er auf diesen speculativen Reisen auch gekommen war, trieb er mit einer Ehefrau unerlaubten Umgang: und es kam dahin, daß er gesäckt und ersäuft werden sollte; indessen wurde ihm, auf Vorbitten des Churfürst Friedrichs des Weisen von Sachsen, vom Kaiser Maximilian I. das Leben geschenkt und er zu ewigem Gefängniß verdammt, das ihm auch zu Leipzig in dem Grimmaischen Thurme (den man daher auch bisweilen den Tezelsthurm genannt hat) zu Theil ward. Bald aber stellte man ihn wieder auf freien Fuß; und da er beim Papste völligen Ablaß für seine Unthaten suchen sollte, so machte er sich zuerst den Erzbischof von Mainz durch den Vorschlag, sein erschöpftes Aerarium durch einzutreibende Ablaßgelder zu bereichern, sehr zum Freunde und Patron, ging dann mit ansehnlichen Empfehlungsbriefen nach Rom, wo er ohnehin schon wegen der ungeheuern Summen, die er dem päpstlichen Stuhle durch seine Ablaßbriefe verschafft hatte, in hoher Gunst stand. Leo X. ertheilte ihm nicht nur den Ablaß, sondern erklärte ihn zugleich zum apostolischen Commissarius. Vom Erzbischof zu Mainz zugleich zum Ketzermei-
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ster (hereticae pravitatis inquisitor) ernannt, trat er nun jenes Amt, den Sünden Ablaß – auch selbst für Todte – zu predigen, aufs neue und mit noch größerer Unverschämtheit an, indem er zugleich die ihm deßhalb ertheilte Bulle auf einem in Sammt gebundenen und mit Golde beschlagenen Buche vor sich hertragen ließ, wenn er in einen Ort kam, wo er denn von den Ordensleuten, dem Rathe etc. mit Fackeln und brennenden Kerzen, auch unter dem Geläute der Glocken eingehohlt wurde. Wider diesen schändlichen Mißbrauch trat nun zuerst Luther 1517 öffentlich auf, indem er am 31. Oct. die bekannten 95 Theses an die Schloßkirche in Wittenberg wider ihn anschlug. (S. den Art. Luther, Th. II. S. 439. und Reformation, Th. IV. S. 100.) Dagegen schrieb Tezel, als er 1518 in Frankfurt zum Doctor promoviret wurde, 106 Sätze, welche die Studenten zu Wittenberg aufkauften und auf öffentlichem Markte verbrannten. Der Papst Leo X. suchte nun durch einen Abgeordneten, den Kammerherrn von Miltiz, den Streit zu schlichten. Dieser, da er sich unterwegs selbst überzeugte, daß Tezel an allem Schuld sei, überhäufte ihn in Leipzig mit den empfindlichsten Vorwürfen, ja, er drohte ihn mit dem Verluste der päpstlichen Gnade. Dieß soll so heftig auf den Ablaßkrämer gewirkt haben, daß er kurz darauf, im Monath Juli 1519, und zwar gerade an dem Tage, wo Luther
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die Disputation mit D. Eck hielt, starb. Sein Leichnam liegt in der Paullinerkirche zu Leipzig begraben. – Viel grobe Laster und Vergehungen werden dem Tezel noch außer dem, was schon aufgeführt worden, Schuld gegeben: indessen kann man ihm wohl Talente, besonders in der Redekunst, auch selbst Gelehrsamkeit nicht absprechen; und es ist wohl mehr dem damahligen heiligen Eifer, oder dem allgemeinen Vorurtheil, das man einmahl wider diesen Ablaßprediger gefaßt hat, zuzuschreiben, wenn man ihn als einen dummen, unwissenden Tropf – mit noch weit derberen Ausdrücken – ausgeschrieen hat. Daß ein schändlicher Handel mit den Ablaßbriefen den Abscheu aller Vernünftigen nach sich ziehen mußte, ist wohl natürlich; und er hatte schon damahls, wo man erst durch Luthers Aufklärung anfing, ernsthafter über die Sache nachzudenken, doch sehr heftige Gegner. Daß er aber auch selbst für seine Person dadurch in Gefahr kam, beweist die List des Edelmannes, welcher sich wegen einer noch zukünftig zu begehenden Sünde von Tezeln den Ablaß für 30 Thaler erkaufte, dann in dem Waide zwischen Jüterbogk und Trebbin ihm aufpaßte, ihm, nach derben Prügeln, das viele gesammlete Ablaßgeld abnahm, und dann am Ende entdeckte, daß dieß eben die Sünde gewesen wär, für welche er sich den Ablaß erkauft habe. Tezels Beschwerden keim Herzog George von Sachsen konnten
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ihm auch, da der wahre Verlauf der Sache an den Tag kam, nicht wieder zu dem Genommenen verhelfen.
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Ansicht: Tezel, Johann