Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Tasso, Torquato
Torquato Tasso – ein Dichter, welcher in der Geschichte der Italiänischen Poesie eine wichtige Epoche macht – wurde 1544 zu Sorrento (im Neapolitanischen) unter den günstigsten Umständen geboren. Schon sein Vater, Bernardo Tasso, hatte als Dichter einen Ruf: dieser übergab den Sohn (der schon im dritten Jahre zu studiren angefangen und im siebenten schon Verse gemacht, auch öffentlich perorirt haben soll) zuerst dem Jesuitercollegium in Neapel, und dann einem Verwandten zu Rom. Für die Rechtsgelahrheit von seinem Vater bestimmt, kam unser Tasso im 13. Jahre auf die Universität zu Padua, wo er in allen Studien solche Fortschritte machte, daß er nach vier Jahren von den drei Facultäten der Theologie, der Jurisprudenz und der Philosophie mit einem Lorbeerkranze geziert wurde. Auch seine Verse machten schon Epoche, ob sie gleich ihm auch schon zeitig Verdruß zuzogen. Kaum 19 Jahre alt, trat er (1562) mit seinem Rinaldo in 12 Gesängen auf. Dieß Gedicht brachte ihm den Ruf an den Hof des Herzogs Alfons II. von Ferrara zu wege, welcher nebst seinem Bruder, dem Cardinal von Este, (dem jenes Gedicht zugeeignet war) in ihm einen zweiten Ariost heranreifen sah. Tasso lebte hier ganz auf Kosten des Herzogs, ohne Geschäfte dagegen zu haben, und legte hier schon den Plan zu seinem befreiten Jerusalem.————
Allein auch zu seinem Unglück wurde schon hier der Grund gelegt, besonders durch seine leidenschaftliche Liebe, die er gegen des Herzogs Schwester, Eleonore, zu fassen wagte, so wenig er auch vielleicht, da er nicht schön, und überdieß kränklich und hypochondrisch war, auf die Gunst der Damen Ansprüche machen konnte. Von einer Reise, die er 1572 mit dem päpstl. Nuntius nach Frankreich machte, kehrte er bald wieder nach Ferrara zurück; aber nun konnte es auch bei den Begünstigungen des Hofs an Neidern nicht fehlen: und bald brach der erste Sturm über ihn aus, als er (1577) gegen einen Hofcavalier in den fürstlichen Zimmern den Degen zog; eine Unbesonnenheit, die ihm zwar von Seiten des Herzogs blos einen Stubenarrest zuzog, durch welche gelinde Strafe aber er sich so gekränkt und gemißhandelt glaubte, daß er heimlich vom Schlosse entwich und nach Turin ging. Aber auch von hier, ob er gleich gut aufgenommen wurde, trieb ihn bald seine Hypochondrie, und er irrte unter dem Namen Omero fuggiguerra (der den Streit fliehende Homer) nach Rom, dann als Schäfer verkleidet nach Sorrento zu seiner Schwester; doch auch von hier zog ihn seine Sehnsucht wieder nach Ferrara: er bat um die Erlaubniß, zurückkehren zu dürfen, erhielt sie, wurde mit Feierlichkeit empfangen, und doch fand er selbst in dieser Aufnahme Kälte und Spott, und – entwich aufs neue. Auf Zureden des
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Herzogs von Urbino kehrte er nun zwar noch einmahl zurück, allein jetzt zu seinem Verderben. Der schwärmerische Tasso – so wird es wenigstens gewöhnlich erzählt, obgleich über diesen Umstand noch ein undurchdringliches Dunkel schwebt – ließ seine heftige Leidenschaft zur Prinzessin Eleonore in einem wahnsinnigen Anfalle zu sehr ausbrechen, indem er sie wie wüthend in seine Arme schloß; und nun ließ ihm der Herzog als wirklich Wahnsinnigen im S. Annen-Hospital eine Wohnung anweisen. Diese sechsjährige Gefangenschaft des berühmten Dichters war zwar gelind genug: er hatte seine Zimmer, konnte schreiben, was und an wen er wollte, er foderte auch sehr viele Große auf, zu Erlangung seiner Freiheit mitzuwirken; allein, da sich der Herzog durch keine Vorbitten bewegen ließ, so litt Tasso, der zugleich auch von hier aus seine literarische Thätigkeit fortsetzte, nicht nur durch Kränklichkeit und Melancholie außerordentlich, sondern er wurde auch noch durch die Angriffe seiner Feinde auf sein befreites Jerusalem in hohem Grade beunruhigt. Zwischen Tassoʼs Verehrern und seinen Feinden entstand der heftigste Federkrieg, welcher seit 1584 mit der größten Erbitterung geführt wurde, und besonders durch das Urtheil der Akademie della Crusca gegen Tasso sehr bedenklich ausfiel, so daß am Ende dieser selbst auf eine Umarbeitung seines Werks dachte. Er erhielt nun zwar auch endlich auf
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die Verwendung des Prinzen Vincenz Gonzaga von Mantua 1586 seine Befreiung; allein er war zu sehr niedergedruckt worden, als daß er sein Talent wieder so ganz hätte erheben können. Ein Jahr in Mantua bei jenem seinem Befreier, ging er dann nach Bergamo, Neapel, Rom, vollendete auch seine Umarbeitung des (nun von ihm so überschriebenen) eroberten Jerusalems. 1590 wurde er von Ferdinand v. Medicis nach Florenz geladen, wo er nicht nur von dem Großherzog, sondern auch selbst von der Akademie della Crusca, mit welcher er vorher so sehr im Streite gelegen hatte, mit der größten Achtung und Verehrung behandelt wurde. Indessen mußte er, der nie zu wirthschaften gelernt hatte, in seinen alten Tagen noch die bitterste Armuth leiden, in welcher er auch 1595 im 51. Jahre zu Rom als ein Märtirer der Poesie und der Liebe starb, und nicht einmahl die Ehre erlebte, die ihm einer seiner letzten Gonner, der Cardinal Aldobrandini, zubereitet hatte, nehmlich auf dem Capitol feierlich mit dem Lorbeer gekrönt zu werden. War er auch – betrachtet als Mensch – schwach, oft thöricht, so entehrte er doch nie seinen Ruhm durch irgend eine schlechte Handlung; und schwärmte er auch schon zu sehr, so war doch gewiß seine Seele groß und gut. Was er aber als Dichter war, das hat die Nachwelt gekannt, und gewürdigt. Ohne Widerrede hat ihm seine Nation den Platz neben Petrarch und Ariost angewie-
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sen. Als Epopöen-Dichter hat er in seinem befreiten Jerusalem – einem Gedichte, worin er eine große, ritterliche und religiöse Unternehmung in dem Vaterlande der christl. Wunder dargestellt, und Religion, Heroismus und Schwärmerei der Liebe in demselben aufs trefflichste mit den anziehenden Schönheiten der Darstellung, den interessantesten Charakterschilderungen und dem innigsten Ausdruck des Gefühls vereint – sich ganz als Meister gezeigt, und eben dieß hat auch seinen Ruhm so allgemein verbreitet. Aber auch als Lyrischer Dichter ragt er sehr hervor, weil gerade diese Poesie ihm die natürlichste war: an Sonnetten hat man von ihm über 1000, an Madrigalen – das schönste vielleicht, was es in dieser Art geben kann – über 300. Sein Schäferdrama, Amynt, (worin ein Theil aus des Dichters Lebensroman vorkommen soll) rechnet man auch zu seinen classischen Werken. Einem andern Gedichte, die Schöpfung, welches er in seiner letzten Zeit bearbeitete, konnte er, vom Tode verhindert, nicht ganz seine Vollendung geben. – Uebrigens bedarf wohl das treffliche dramatische Gedicht, das Göthe in seinem Torquato Tasso gegeben hat, keiner besondern Erwähnung.
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Ansicht: Tasso, Torquato