Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Tamerlan
Tamerlan – auch Temur, Timur-Lenk (der Lahme) Timur-Bec genannt – ein berühmter Tartarischer Kaiser im 14. Jahrhundert, und zwar ums Jahr 1336 geboren. Seine Abkunft, die er selbst von dem berühmten Dschingis-Khan (s. d. Art.) ableitete, wird sehr in Zweifel gezogen, und man hat ihn vielmehr für eines Bauers, oder Schäfers Sohn gehalten. Indessen schwang er sich von einem Anführer mehrerer Hirten, mit welchen er nach Persien ging, bald zu einem furchtbaren Heerführer empor; er unterjochte das alte Persien, nahm Bagdad ein, durchstreifte Indien bis an die Mündung des Ganges, stillte eine fürchterliche Unruhe, welche auf 200,000 Rebellen gegen den alten Khan angestiftet hatten; die Parther brachte er zum Gehorsam, ging mit einer ungeheuern Armee über die große Chinesische Mauer, und schlug die Armee des Chinesischen Kaisers, den er selbst gefangen bekam, und ihn zur Abtretung der Hälfte seines Reichs und zu einem jährlichen Tribut von 300,000 Kronen nöthigte. So breitete sich sein Ruhm allenthalben aus; und bald baten ihn die meisten Prinzen des Orients, sich ihrer gegen den damahls furchtbaren Bajazeth, den Ottomanischen Sultan, anzunehmen. Tamerlan zog eine Armee von 300,000 Mann zu Pferde, und 500,000 zu Fuß zusammen, fiel zuerst in Georgien und Circassien ein, die er eroberte, zog dann eine————
noch furchtbarere Armee zusammen, und ging so dem Bajazeth entgegen. Zwar schickte er zuvor noch Gesandte an ihn; allein da Bajazeth sie mit Hohn und Verachtung zurückschickte, so ließ es nun Tamerlan, vor Rache wüthend, zu einer der fürchterlichsten Schlachten auf den Ebenen von Ancyra in Phrygien im J. 1402 kommen, welche drei Tage dauerte. Anfangs schien Bajazeth die Oberhand zu gewinnen; allein Tamerlan brach endlich selbst mit dem Kerne seiner Armee los: das Türkische Glück wendete sich, ein Theil ging zu den Tatarn über; und wenn gleich Bajazeth wie ein Löwe focht, so wurde er doch gänzlich geschlagen und er selbst gefangen genommen. Anfangs behandelte Tamerlan seinen Feind glimpflich; als er aber auf die Frage: was er, Bajazeth, wohl mit Tamerlan würde gethan haben, wenn ihn Gott in seine Hände gegeben hätte? die stolze Antwort erhielt: »Ich wollte Dich in einen eisernen Käfig stecken und so im Lande mit mir herumführen;« so verließ ihn seine Mäßigung. »Wohlan, sprach er, Du sollst Dir Dein Urtheil selbst gefällt haben;« er ließ – so erzählen wenigstens die Türkischen Annalen – wirklich einen eisernen Käfig machen, den Bajazeth darin an eine goldne Kette schmieden, und führte ihn so mit sich in Asien herum, indem er ihn und auch dessen Gemahlin noch mit dem größten Hohn und Schimpf behandelte. Bajazeth ertrug die Schmach nicht lange, und stieß
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sich den Kopf ein. Indessen verwüstete Tamerlan nun das Türkische Gebiet mit Feuer und Schwert, bemächtigte sich Natoliens, setzte hier die kleinen Türkischen Fürsten in ihre Länder ein, indem er sie zugleich, so wie den neuen Ottomannischen und Egyptischen Sultan, nicht minder den Kaiser von Constantinopel zinsbar machte, that einen neuen Zug nach Georgien etc. so, daß er sich endlich auch rühmte, der Herr Dreier Welttheile zu sein; ja er würde vielleicht noch kein Ende gefunden haben, hätte nicht der Tod seiner Eroberungssucht ein Ziel gesteckt. Ueber die Zeit, wo dieser sein Tod erfolgt sein soll, ist keine Gewißheit. Man setzt ihn gewöhnlich ins Jahr 1405, mithin in das 60ste seines Alters. Gelehrsamkeit hat man ihm zum Theil zugeschrieben; allein, daß sein Charakter durch sie nicht milder geworden, und daß er nicht, wie mehrere Geschichtschreiber versichern wollen, ein leutseliger, wohlwollender Herr gewesen, sieht man aus der Behandlung Bajazeths, erkennt man aus mehreren Grausamkeiten, die er sich bei Eroberung mehrerer Städte (z. B. von Sebastos, von Tecrite in Persien etc.) erlaubte. Das Glück war sehr auf seiner Seite; und im Vertrauen auf dasselbe konnte er viel unternehmen, was keinem andern gelungen wär – ein Loos, das er mit so vielen Eroberern gemein hat! Seine Residenz war Samarcand, und seine Gemahlin eine Mongolische Prinzessin. Er soll allein 36 männ-
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liche, und 17 weibliche Abkömmlinge hinterlassen haben.
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