Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Socrates
Socrates – einer der berühmtesten Philosophen Griechenlands – war der Sohn eines Bildhauers und einer Hebamme zu Athen, geb. im J. 469 vor Chr. G. Anfangs für die Kunst seines Vaters bestimmt, nahm ihn Crito aus dessen Werkstatt heraus, um ihn der Philosophie zu widmen. Dieser, Anaxagoras und Archelaus waren seine Lehrer. Früh schon unter den Waffen – wie alle Athenienser – hatte er sich an ein nüchternes, hartes Leben gewöhnt, und er blieb auch immer arm, wenn gleich so viele angebotene Geschenke, besonders auch vom Archelaus, König von Macedonien, der ihn gern an seinen Hof haben wollte, ihn in weit bessere Umstände hätten versetzen können. Seine innere Ruhe war eben so bewundernswürdig, als seine große Enthaltsamkeit. – »Ich würde Dich schlagen – sagte er einst zu einem Sclaven, der ihn gereitzt hatte – wenn ich nicht im Zorne wäre.« Als man ihm hinterbrachte, daß ein gewisser Mensch schlecht von ihm spräche, sagte er bloß darauf: »Wahrscheinlich hat er nicht gelernt, gut zu reden.« Sehr viel ähnliche Antworten von ihm sind bekannt, die von seiner außerordentlichen Mäßigung und Selbstbeherrschung zeugen. Besonders hatte er in seinem eignen Hause unzählige Gelegenheit, jene Tugenden auszuüben. Seine Hausehre, Xantippe, ist schon hinlänglich als Probirstein jeder ehemännlichen————
Geduld bekannt. Aber auch die fürchterlichsten Launen dieses Weibes brachten ihn nicht aus seiner Fassung. Als sie einst nach dem unbändigsten Lästern ihm endlich einen Topf voll Wasser an den Kopf warf, so lachte er darüber mit den Worten: »Ich dachte es gleich, daß auf ein so heftiges Donnerwetter nun auch ein Regen folgen würde.« –
Socrates hielt keine öffentliche Schule oder bestimmte Vorlesungen, wie die übrigen Philosophen, sondern er ergriff jede Gelegenheit, um seine moralischen Lehren zu geben, die aber weder finster noch rauh waren. Freilich war er in diesen seinen Lehren nicht allemahl behutsam genug: er sprach ziemlich frei über die Religion und über die Regierung seines Vaterlandes. Dieß zog ihm die Persiflage des Aristophanes (m. s. dies. Art.), aber auch größere Feinde zu. Bald trat ein verworfner Mensch, ein gewisser Melitus, auf, der ihn öffentlich des Atheismus beschuldigte, weil er über die Vielheit der Götter gespöttelt hatte. Einfach und edel war seine Apologie, die deutlich genug seine Unschuld zeigte; allein seine Widersacher wußten die Menge zu gewinnen, und die Richter sprachen das Urtheil aus, daß der Philosoph schuldig wäre; überließen ihm aber, sich selbst eine Strafe zu erwählen. »Nun,« sprach er, »so verurtheile ich mich, da ich die Athenienser beständig unterrichtet habe, daß ich Zeitlebens auf Kosten der Republik
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im Prytaneum – (die höchste Ehre in Griechenland) – ernährt werde.« Diese Antwort brachte den Areopagus so auf, daß sie nun seinen Tod, und zwar den Tod durch Schierlingssaft, beschlossen. Mit der bewundernswürdigsten Festigkeit ging er ins Gefängniß, und als ihn einer seiner Schüler, Apollodorus, beklagte, daß er so unschuldig sterben müsse, erwiederte er ihm: »Wolltest Du lieber, daß ich schuldig sterben sollte?« Ungeachtet seine Freunde ihn aus dem Gefängnisse retten wollten, so verweigerte er dieß dennoch: er trank den Giftbecher im 70. Jahre seines Alters (400 J. vor Chr. Geb.). Sein Tod wurde aber sogleich gerächt, denn bald sahen es die Athenienser ein, daß sie einen Unschuldigen gemordet hatten: sie verdammten den Melit zum Tode und die übrigen Ankläger zum Exil; ja, man errichtete nunmehr dem Socrates eine Statüe, welche der berühmte Lysipp gefertigt hatte.
Noch wird es hier nicht am unrechten Orte sein, etwas über den Genius, oder Dämon, zu erwähnen, welchen Socrates, wie er selbst sehr oft seine Schüler versicherte, um Rath fragte. Man hat viel darüber gestritten, was wohl dieß eigentlich gewesen sei? Aller Wahrscheinlichkeit zu Folge war wohl dieser Schutzgeist, oder diese göttliche Stimme, nichts anders, als seine eigne richtige Urtheilskraft, die, durch lange Erfahrung unterstützt, ihm im Voraus sagte, wie der Er-
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folg dieser und jener Angelegenheit, worüber man ihn fragte, ausfallen würde. Um seinen mit Klugheit und richtiger Ansicht der Dinge minder begabten Schülern und Freunden vielleicht eine gewisse Ehrfurcht für seine Urtheile dadurch beizubringen, gab er bloß jedesmahl vor, daß er erst seinen Genius fragen wollte. – Unter seinen vielen Schülern, die er hinterließ, war einer der berühmtesten Plato (s. dies. Art.).
Geduld bekannt. Aber auch die fürchterlichsten Launen dieses Weibes brachten ihn nicht aus seiner Fassung. Als sie einst nach dem unbändigsten Lästern ihm endlich einen Topf voll Wasser an den Kopf warf, so lachte er darüber mit den Worten: »Ich dachte es gleich, daß auf ein so heftiges Donnerwetter nun auch ein Regen folgen würde.« –
Socrates hielt keine öffentliche Schule oder bestimmte Vorlesungen, wie die übrigen Philosophen, sondern er ergriff jede Gelegenheit, um seine moralischen Lehren zu geben, die aber weder finster noch rauh waren. Freilich war er in diesen seinen Lehren nicht allemahl behutsam genug: er sprach ziemlich frei über die Religion und über die Regierung seines Vaterlandes. Dieß zog ihm die Persiflage des Aristophanes (m. s. dies. Art.), aber auch größere Feinde zu. Bald trat ein verworfner Mensch, ein gewisser Melitus, auf, der ihn öffentlich des Atheismus beschuldigte, weil er über die Vielheit der Götter gespöttelt hatte. Einfach und edel war seine Apologie, die deutlich genug seine Unschuld zeigte; allein seine Widersacher wußten die Menge zu gewinnen, und die Richter sprachen das Urtheil aus, daß der Philosoph schuldig wäre; überließen ihm aber, sich selbst eine Strafe zu erwählen. »Nun,« sprach er, »so verurtheile ich mich, da ich die Athenienser beständig unterrichtet habe, daß ich Zeitlebens auf Kosten der Republik
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im Prytaneum – (die höchste Ehre in Griechenland) – ernährt werde.« Diese Antwort brachte den Areopagus so auf, daß sie nun seinen Tod, und zwar den Tod durch Schierlingssaft, beschlossen. Mit der bewundernswürdigsten Festigkeit ging er ins Gefängniß, und als ihn einer seiner Schüler, Apollodorus, beklagte, daß er so unschuldig sterben müsse, erwiederte er ihm: »Wolltest Du lieber, daß ich schuldig sterben sollte?« Ungeachtet seine Freunde ihn aus dem Gefängnisse retten wollten, so verweigerte er dieß dennoch: er trank den Giftbecher im 70. Jahre seines Alters (400 J. vor Chr. Geb.). Sein Tod wurde aber sogleich gerächt, denn bald sahen es die Athenienser ein, daß sie einen Unschuldigen gemordet hatten: sie verdammten den Melit zum Tode und die übrigen Ankläger zum Exil; ja, man errichtete nunmehr dem Socrates eine Statüe, welche der berühmte Lysipp gefertigt hatte.
Noch wird es hier nicht am unrechten Orte sein, etwas über den Genius, oder Dämon, zu erwähnen, welchen Socrates, wie er selbst sehr oft seine Schüler versicherte, um Rath fragte. Man hat viel darüber gestritten, was wohl dieß eigentlich gewesen sei? Aller Wahrscheinlichkeit zu Folge war wohl dieser Schutzgeist, oder diese göttliche Stimme, nichts anders, als seine eigne richtige Urtheilskraft, die, durch lange Erfahrung unterstützt, ihm im Voraus sagte, wie der Er-
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folg dieser und jener Angelegenheit, worüber man ihn fragte, ausfallen würde. Um seinen mit Klugheit und richtiger Ansicht der Dinge minder begabten Schülern und Freunden vielleicht eine gewisse Ehrfurcht für seine Urtheile dadurch beizubringen, gab er bloß jedesmahl vor, daß er erst seinen Genius fragen wollte. – Unter seinen vielen Schülern, die er hinterließ, war einer der berühmtesten Plato (s. dies. Art.).