Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Sieben-Inseln-Republik, Die
Die Sieben-Inseln-Republik verdankt, wie so viele andre Republiken am Schlusse des achtzehnten Jahrhunderts, ihre Entstehung dem französischen Revolutionskriege, in dessen Lauf sie aus einem Theile des venetianischen Staates erwuchs. Gerade eilf Jahrhunderte hindurch (seit 697) hatte das einst so mächtige Venedig unter der Regierung der Dogen sich behauptet, als es im Jahr 1797 den französischen Waffen unterlag und durch den Frieden von Campo Formido (am 17ten October 1797) aus der Reihe der Staaten verschwand. (S. den Art. Venedig.) Sein Gebiet wurde, zufolge dieses Friedens, in drei Theile getheilet, von denen einer an Oesterreich, ein zweiter an die cisalpinische, ein dritter an die französische Republik fiel. Der letztere Antheil wurde in dem 5ten Artikel des gedachten Friedens bestimmt. Durch denselben erhielt die Franzosische Republik die Venetianischen Inseln in der Levante, nemlich: Corfu, Zante, Cefalonia, Santa Maura, Cerigo und die übrigen von diesen abhängigen Inseln, so wie Butrinto, Larta, Voinizza und überhaupt alle ehemals Venetianische Niederlassungen in Albanien, die unter dem Meerbusen von Lodrino lagen, mit voller Landeshoheit. Diese Erwerbung war für Frankreich wichtig, indem es dadurch selbst im Türkischen Gebiete festen Fuß hatte, des Handels nach der Levante sich bemeistern, in dem————
adriatischen Meere die bedeutendste Rolle spielen, Neapel und Sicilien in beständiger Furcht erhalten und sein gesunkenes Seewesen durch die Griechischen Matrosen und die großen Eichenwälder in Albanien auf eine bedeutende Höhe bringen konnte. Frankreich ließ daher diese Inseln und Küstenländer, unter Leitung des Generals Gentili, auf Französische Art einrichten und sie wurden unter den Namen: Corcyre, Ithaque und de la Mer Egee, als drei neue Departements, der großen Französischen Republik einverleibt. Allein sehr bald ging diese wichtige Eroberung wieder verloren, da die Pforte, durch die Französische Unternehmung auf Egypten zur Rache gereitzt, sich mit Rußland verband und Frankreich, dessen Seemacht durch die Schlacht bei Abukir (1. Aug. 1798) den letzten Stoß erlitten hatte, auch in Ansehung seiner Landmacht allmählig in Verfall gerieth. Schon im August 1798 gingen zwölf Russische Linienschiffe unter dem Vice-Admiral Utschakow, in Vereinigung mit dem Türkischen Geschwader, durch den Archipelagus, um Frankreich die ihm zugefallenen Venetianischen Inseln wegzunehmen. Cerigo wurde augenblicklich besetzt, und in kurzem auch die Eroberung von Cefalonia, Santa Maura, Zante, so wie der übrigen kleinen Inseln vollendet; nur Corfu wurde erst zu Anfange des Märzes 1799 den Franzosen ganz entrissen. Während dieser Zeit unterwarfen sich auch
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die Türkischen Truppen die übrigen, an Frankreich gefallenen, Venetianischen Besitzungen auf dem festen Lande von Albanien. Alle diese Inseln und Ländereien blieben von jetzt an von den Türkischen und Russischen Truppen besetzt, ohne daß jedoch die Verfassung derselben genau bestimmt wurde, indem das Jahr 1799 die Russen in der Schweitz und Italien, und die Pforte in Aegypten zu sehr beschäftigte. Erst am 21sten März 1800 wurde über dieselben zu Constantinopel ein Vertrag abgeschlossen. In Gemäßheit desselben sollten die obgedachten Inseln, unter denen Corfu, Zante, Cefalonia, Cerigo, Santa Maura, Ithaka und Paxo die sieben vorzüglichsten sind, deshalb den Namen: Republik der sieben vereinigten Inseln führen, und unter dem Schutz der Pforte eine Republik ausmachen. Die Regierung derselben erhielt ein, aus den Vornehmsten des Landes bestehender Senat, der jedoch von der Pforte abhängen sollte. Auch sollte die neue Republik an letztere alle 3 Jahre 75000 Piaster zahlen, hingegen von allen andren Abgaben frei sein. Die Exvenetianischen Besitzungen in Albanien: Larta, Butrinto, Prevesa und Voinizza, wurden der Pforte eigenthümlich überlassen, jedoch dabei festgesetzt: daß zwar die christlichen Einwohner dieser Orte, so wie in der Wallachei und Moldau, einem Türkischen Befehlshaber unterworfen, den Türken selbst aber nicht erlaubt sein sollte, sich hier Eigen-
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thum anzukaufen. Rußland, das überhaupt die Erhaltung der neuen Republik zusicherte, versprach zugleich seine Sorge dafür zu verwenden: daß bei dem allgemeinen Frieden von den alliirten und den übrigen Mächten alles garantirt würde, was sich auf die politische Existenz derselben beziehe. Bei den zu London zwischen England und Frankreich (am 1ten Oct. 1801) und zu Paris zwischen Frankreich und der Pforte (am 9ten Oct. 1801) abgeschlossenen Fridenspräliminarien (welche denn durch den zu Amiens und Constantinopel erfolgten Definitiv-Frieden 1802 Bestätigung erhielten) wurde auch die gedachte Constitution der neuen Republik anerkannt und von der Pforte zu diesem Zwecke Frankreichs und Rußlands Garantie angenommen. Indeß genoß die neue Republik noch keiner festen innern Ruhe. Der durch die obgedachte Constitution angestellte Senat bestand größtentheils aus Edelleuten und Gutsbesitzern. Kaum hatte sich aber die Russische Flotte aus den Gewässern von Corfu entfernt; so bildeten sich Parteien, welche die Constitution als aristokratisch verwarfen, und eine neue demokratische einführten. In Corfu lief hierbei alles ohne Blutvergießen ab, da hingegen es auf den andern Inseln, besonders auf Zante und Cefalonia, zu blutigen Händeln kam. Diese ohne Vorwissen der Pforte und Rußlands geschehene Abänderung der Constitution wurde von jener durch
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einen Firman gemißbilligt, die neuen Gesetzgeber der sieben Inseln für Aufwiegler erklärt, auch die vorige Regierungsform und der Senat, unter Mitwirkung des Englischen Geschwaders, das am 28. Februar 1802 diesen Firman überbrachte, wieder hergestellt. Da indeß die innern Unruhen noch fortdauerten, so wurde im September desselben Jahres ein anderes Russisches Corps aus Neapel abgesendet, welches sich der in der Republik befindlichen Schwindelköpfe bemächtigte, und alles in vorigen Stand setzte. Auch wurde durch Rußlands Vermittelung das von der Republik an die Pforte zu zahlende Schutzgeld von 75,000 Piastern auf die Hälfte berabgesetzt. Um die Constitution der Republik noch fester zu gründen, machten am 30. December 1802 der Russische Gevollmächtigte, Graf Mocenigo, und der Präsident der Republik, Graf Spiridion-Teotochi, zu Corfu durch zwei Proclamationen bekannt: daß eine neue Nationalversammlung zusammenberufen werden solle, um an der Organisirung der Republik zu arbeiten. Jede Insel solle durch ihre obrigkeitlichen und gerichtlichen Personen dieselbe Anzahl der Repräsentanten wählen, die sie vorher bei dem Senat gehabt, und diese Nationalversammlung, in vier Commissionen getheilt, als provisorische Behörde die Regierungs- und Verwaltungsgeschäfte übernehmen. Es wurde hierauf nach Abgang des alten ein neuer Senat ge-
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wählt, der an ein besonderes gesetzgebendes Corps über die Lage der Republik berichtete, und zur neuen Einrichtung der Staatsverfassung in ihren verschiedenen Theilen Pläne vorlegte. Im October 1803 eröffnete das gesetzgebende Corps seine Sitzungen, und am 6. Decbr. desselben Jahres wurde die neue Constitution von ihm angenommen, öffentlich bekannt gemacht, auch durch eine Deputation die Acte derselben dem Russischen Minister überschickt. Diese Constitution bestimmte besonders: 1) das Gebiet, 2) die Regierungsform, 3) den Adel, und 4) die Religion der Republik. In Ansehung des ersten Punkts werden zwar die obgedachten sieben Inseln als Hauptinseln bestätigt, jedoch alle übrige Exvenetianische bewohnte und unbewohnte Inseln längs der Küste von Albanien und Morea ebenfalls als Theile der Republik erklärt, nur sollen diese letztern, nach ihrer Lage, einer oder der andern von den sieben Hauptinseln unterworfen sein. 2) Die Regierungsform ist aristokratisch, und die Regierung gehört dem constitutionellen Adel. 3) Dieser Adel, oder das Recht, regierungsfähig zu sein, findet bloß in den sieben Hauptinseln Statt, und wird durch Eintragung in ein besonderes Buch erlangt. Jeder, dessen Name in dem Buche befindlich ist, ist adelich. Eben so kann Jeder, der aus den sieben Inseln gebürtig ist, sich zum Christenthum bekennt, von einem christlichen Vater abstammt und ehelich
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geboren oder legitimirt ist, in dieses Buch eingetragen und unter den Adel aufgenommen werden, wenn er sich nur keines Verbrechens schuldig gemacht, keine Kunst und Handwerk treibt, und keinen offenen Laden, aber bestimmte Einkünfte hat. Doch kann auch jedes Mitglied einer berühmten Academie in Europa, das von den Früchten seiner Talente, als Schriftsteller oder Freikünstler lebt, ebenfalls diesen Adel erlangen. 4) Die herrschende Religion der Republik ist die Griechische; die Römisch-katholische genießt Schutz, alle übrige Religionen werden bloß geduldet. – Allein nicht bloß dieser Constitution, sondern der Republik der sieben Inseln selbst, dürften wohl, nach den wichtigen Vorfällen der neuern Zeit, und besonders seit dem letzten Viertel des Jahres 1805, über lang oder kurz Veränderungen bevorstehen. Zwar erklärte die Republik, nach Wiederausbruch des Krieges zwischen England und Frankreich, ihre Neutralität (am 7. Juli 1803); allein je weniger es Frankreich entgehen kann, wie wichtig für Rußland eine schon längst gesuchte feste Besitzung im Mittelländischen Meere sei, um so weniger kann ihm dessen Einfluß auf die Sieben-Inseln-Republik gleichgültig sein. Dieser wurde aber nicht bloß bei Abfassung der neuen Constitution, sondern besonders dadurch merkbar, daß Rußland immerfort seine Truppen auf diesen Inseln vermehrt, deren Anzahl man zu Anfange des Oc-
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tobers 1805 bereits auf 35,000 Mann schätzte. Es wurden daher, nach Ausbruch der Feindseligkeiten zwischen Frankreich, Oestreich und Rußland, auch gegen die Schiffe der sieben Inseln Französische Kaperbriefe ausgegeben, weil diese Republik unter Russischem Einfluß stehe, und im Preßburger Frieden (27. Dec. 1805) wurde der Eintritt der einen Friedensbedingung – die Trennung der Französischen und Italiänischen Krone – auf den Zeitpunkt gesetzt, wo Rußland diese Republik räumen würde. Da aber dieses nicht geschah, so wurde am 27. Mai 1806 die unter Türkischem Schutz stehende Stadt und Republik Ragusa von einem Französischen Corps unter dem General Lauriston auf so lange besetzt, bis die Russen Albanien, Corfu und die übrigen Exvenetianischen Inseln verlassen würden. Napoleon erwartete solches um so gewisser, je mehr Rußland und Frankreich gegenseitig zum Frieden geneigt schienen; auch hatte er bereits anbefohlen: daß von dem Tage der Friedensunterzeichnung zwischen beiden Mächten die Feindseligkeiten gegen die Republik der sieben Inseln aufhören sollten. Allein, obschon der Russische u. Französische Friedensbevollmächtigte, Oubril und Clarke, am 20. Juli 1806 zu Paris den Frieden abschlossen, so erklärte doch Alexander I. schon am 15. Aug. d. J.: daß er den Frieden mit Frankreich auf die von letzterm angetragenen Bedingungen nicht bestäti-
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gen könne. Alle Umstände lassen daher vermuthen, daß das künftige Schicksal dieser Republik noch nicht entschieden sei. – Uebrigens ist solche – abgesehen von den schon erwähnten Ursachen, die ihren Besitz sowohl für Frankreich, als für Rußland, wichtig machen – schon an sich keine unbedeutende Besitzung, jedoch und die einzelnen Theile derselben, in Ansehung der Größe, Volksmenge und übrigen Beschaffenheit sehr verschieden. Die Größe und Volksmenge der sieben Hauptinseln ist folgende: 1) Corfu hat auf ungefähr 30 Deutschen Meilen 59 – 60,000 Einwohner; 2) Zante 13 – 14 d. M. und 35,000 Einw.; 3) Cerigo 13–14 d. M. und 7100 E.; 4) Santa Maura 13 – 14 d. M. 15,000 E.; 5) Cefalonia 35 d. M. 69 – 70,000 E.; 6) Ithaka 6 – 7 d. M. 7500 E.; endlich 7) Paro auf 4 d. M. gegen 5000 Einwohner. Außer diesen Hauptinseln sind, als Nebeninseln, besonders Cerigotto, zu Cerigo gehörig, nur seit ungefähr zwanzig Jahren von etwa 100, sämmtlich Griechischen, Familien bewohnt, und Strivali (oder die Strophaden), aus zwei kleinen Inseln bestehend, die südöstlich von Zanta liegen, von denen die kleinste gar nicht bewohnt ist, zu bemerken. Die Einwohner der sieben Inseln sind größten Theils Griechen, daher auch die Sprache Neugriechisch ist; außerdem giebt es auch viele Venetianer. Das Clima derselben ist sehr heiß, und man kennt dort keinen Herbst; auch fällt nie
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Schnee, sondern bloß die zu Ende des Octobers bis Ende Decembers einfallende Regenzeit macht den Winter. Erdbeben sind, besonders auf Zante und Cefalonia, sehr häufig. Man hatte auf der erstern Insel im Juni 1804 seit einem Zeitraume von fünf Vierteljahren über hundert verspürt, unter denen aber nur vier oder fünf heftig waren. Die vorzüglichsten Landesproducte sind Obst, Wein, Oel, Corinthen und Baumwolle, von denen die vier letztern auch die vorzüglichsten Handelsartikel sind. Getreide wächst nicht hinreichend, und die Viehzucht ist bei der Dürre des Bodens nicht beträchtlich; nur die Strophaden haben gute Weideplätze. Auch herrscht an manchen Orten Mangel an Wasser. So hat z. B. die Hauptstadt Corfu, nebst der Insel gleiches Namens, keinen einzigen Brunnen, sondern bloß Cisternen, die ein ungesundes und nicht einmal hinreichendes Wasser liefern; daher das nöthige Wasser aus einem Flusse in die Stadt gebracht und verkauft wird. Die Insel Cefalonia hat gar keine Flüsse. Unstreitig kann jedoch die gegenwärtige Beschaffenheit dieser Inseln, besonders in Ansehung des Ackerbaues und der Viehzucht, durch großern Fleiß und Arbeitsamkeit der Einwohner sehr verbessert werden. Allein bisher zogen, besonders die Einwohner von Zante und Cefalonia, ihr Getreide, Vieh und andere Bedürfnisse aus Morea, deren Einwohnern sie in der Ernte beistehen, und nach deren
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Beendigung mit ihren dort angeschafften Vorräthen zurückkehren. Viele Einwohner von Cefalonia leben sogar 20, 30 Jahre an fremden Orten, sammeln sich einiges Vermögen, und verzehren es sodann in ihrem Vaterlande in Unthätigkeit. (M. s. die Republik der sieben Inseln in Archenholz Minerva von 1805 u. 1806.)
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