Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Shaftesbury, Anton Asthley Cooper, Graf von
Anton Asthley Cooper, Graf von Shaftesbury, ein Enkel des in Englands Geschichte genug bekannten Ministers (der aber mit jenem sehr oft verwechselt wird), wurde zu London 1671 geboren, und genoß eine seiner Geburt würdige Erziehung. Schon früh erlernte er die Griechische und Römische Sprache, und erhielt so auch den Geschmack an den Alten: an einem Xenophon, Plato, Epictet, Horaz und Lucian. Er besuchte früh schon die cultivirtesten Länder Europas, gewann in Italien mehrere Jahre hindurch eine reifere Bildung, und kam denn endlich nach England zurück, wo er bald seine Stärke in der Beredtsamkeit im Parlament zeigte; bei dem berühmten Locke nahm er noch Unterricht. 1698 begab er sich nach Holland, wo er einen Bayle, einen le Clerc und mehrere Philosophen aufsuchte. Nachdem er das Staatssecretariat, welches ihm der König Wilhelm antrug, ausgeschlagen hatte, starb er endlich 1713 zu Neapel, wohin er sich schon einige Jahre vorher, seiner Gesundheit wegen, begeben hatte. – Mit Recht nahm er den Ruf eines Weisen – in jedem Sinne des Worts – mit sich: bloß seinen Freunden und seinen Büchern, die er beide sehr gut zu wählen wußte, lebte er, gleich edel am Herzen, als aufgeklärt am Geiste. Schon im 20. Jahre schrieb er eine Untersuchung über die Tugend (die nachher 1700 wider seinen Willen erschien),————
worin er das Schöne einer sittlichen Gemüthsfassung der Tugend zum Grundgesetz machte – Lehren trug er hier vor, deren Anwendung die feinste Schule des Lebens ist. Seine erste Schrift, die er selbst herausgab, war über den Enthusiasmus, wo er als Schüler Lockeʼs das große Wort Duldung predigte. Auch seine übrigen Schriften: über die Freiheit des Witzes und Frohsinus; seine Moralisten etc. sind voll Witz und guter Laune. »Seine Miscellaneen« – so lautet das Urtheil des verehrungswürdigen Herder in seiner Adrastea – »sind Spiegel der Seele, ernste Prüfungen des Verstandes und Geschmacks, ja der Grundsätze des Lebens selbst, mit feinen Vorschriften für Wissenschaft und Kunst begleitet, dazu in der Methode des Frohsinns verfaßt, die seine eigne ernste Gedankenform, seine Muse und Grazie war.« – Spät erst sind seine Schriften in Deutschland bekannt geworden. Spalding übertrug seine Untersuchung über die Tugend und die Sittenlehrer (1745), und Voß die übrigen philosophischen Werke erst 30 Jahre später (1777) in unsere Sprache.
Anton Asthley Cooper, Graf von Shaftesbury, ein Enkel des in Englands Geschichte genug bekannten Ministers (der aber mit jenem sehr oft verwechselt wird), wurde zu London 1671 geboren, und genoß eine seiner Geburt würdige Erziehung. Schon früh erlernte er die Griechische und Römische Sprache, und erhielt so auch den Geschmack an den Alten: an einem Xenophon, Plato, Epictet, Horaz und Lucian. Er besuchte früh schon die cultivirtesten Länder Europas, gewann in Italien mehrere Jahre hindurch eine reifere Bildung, und kam denn endlich nach England zurück, wo er bald seine Stärke in der Beredtsamkeit im Parlament zeigte; bei dem berühmten Locke nahm er noch Unterricht. 1698 begab er sich nach Holland, wo er einen Bayle, einen le Clerc und mehrere Philosophen aufsuchte. Nachdem er das Staatssecretariat, welches ihm der König Wilhelm antrug, ausgeschlagen hatte, starb er endlich 1713 zu Neapel, wohin er sich schon einige Jahre vorher, seiner Gesundheit wegen, begeben hatte. – Mit Recht nahm er den Ruf eines Weisen – in jedem Sinne des Worts – mit sich: bloß seinen Freunden und seinen Büchern, die er beide sehr gut zu wählen wußte, lebte er, gleich edel am Herzen, als aufgeklärt am Geiste. Schon im 20. Jahre schrieb er eine Untersuchung über die Tugend (die nachher 1700 wider seinen Willen erschien),————
worin er das Schöne einer sittlichen Gemüthsfassung der Tugend zum Grundgesetz machte – Lehren trug er hier vor, deren Anwendung die feinste Schule des Lebens ist. Seine erste Schrift, die er selbst herausgab, war über den Enthusiasmus, wo er als Schüler Lockeʼs das große Wort Duldung predigte. Auch seine übrigen Schriften: über die Freiheit des Witzes und Frohsinus; seine Moralisten etc. sind voll Witz und guter Laune. »Seine Miscellaneen« – so lautet das Urtheil des verehrungswürdigen Herder in seiner Adrastea – »sind Spiegel der Seele, ernste Prüfungen des Verstandes und Geschmacks, ja der Grundsätze des Lebens selbst, mit feinen Vorschriften für Wissenschaft und Kunst begleitet, dazu in der Methode des Frohsinns verfaßt, die seine eigne ernste Gedankenform, seine Muse und Grazie war.« – Spät erst sind seine Schriften in Deutschland bekannt geworden. Spalding übertrug seine Untersuchung über die Tugend und die Sittenlehrer (1745), und Voß die übrigen philosophischen Werke erst 30 Jahre später (1777) in unsere Sprache.