Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Schubart, Christian Daniel Friedrich
Christian Daniel Friedrich Schubart, Hof- und Theaterdichter zu Stuttgart, war am 26. März zu Obersontheim in der Grafschaft Limpurg geboren. So wenig er anfangs irgend einige Anlagen zeigte, indem er in seinem siebenten Jahre weder lesen noch schreiben konnte, so schnell entwickelten sich auf einmahl seine Talente und besonders ein großes musicalisches Genie. Schon auf der Schule zu Nördlingen, die er seit 1753 besuchte, componirte er für das Clavier und dichtete Volkslieder, wobei er jedoch außer den Griechen und Römern die besten Deutschen Dichter las. Als Student auf der Universität Erlangen, wo er sich der Theologie widmete, war er sehr unordentlich und machte so vielen Aufwand, daß sein unbegüterter Vater, der Diaconus zu Aalen war, ihn nach Hause kommen lassen mußte. Seine musicalischen Kenntnisse, besonders sein gutes Orgelspiel und seine Gedichte, machten ihn in der dortigen Gegend sehr beliebt; auch seine Predigten – von denen er eine in Versen hielt – gefielen allgemein. Allein außerdem, daß ihm sein feuriger Geist nicht erlaubte, sich einem Fache ausschließlich und gründlich zu widmen, lebte er ausschweifend und neigte sich dessen ungeachtet nach und nach zum Pietismus hin. Er erhielt anfangs die Stelle eines Schullehrers und Organisten in Geißlingen, die er nach einigen Jahren (1768) mit der eines————
Organisten und Musikdirectors zu Ludwigsburg vertauschte. Jetzt trieb er die Musik als sein Hauptgeschäft, gab aber dabei verschiedenen Officieren Unterricht in den Wissenschaften und hielt ihnen Vorlesungen über Geschichte und Aesthetik. Seine freien Urtheile über die Geistlichkeit, seine Ausschweifungen in dem Wein und in der Liebe – ungeachtet er seit 1764 mit einer Gattin verbunden war, die in ihm das einzige Glück ihres Lebens fand – und seine Spöttereien über die Religion machten ihn jedoch bald seinen Vorgesetzten verhaßt. Ein verdächtiger Umgang mit einem Mädchen brachte ihn erst eine Zeit lang ins Gefängniß; bald nachher zog ein satirisches Lied, das er auf einen Hofmann machte, ihm den völligen Verlust seiner Stelle und die Landesverweisung zu. Er ging jetzt nach Heilbronn, Mannheim und Heidelberg, erwarb sich als Gelehrter und als trefflicher Clavierspieler den Beifall vieler Großen, und hatte Hoffnung, von dem Churfürsten von der Pfalz – vor dem er in Schwetzingen spielen mußte und dem sein Spiel gefiel – eine Anstellung zu erhalten; allein ein von ihm gefälltes unüberlegtes Urtheil über die Akademie zu Manheim vereitelte alle Aussichten. Auf Anrathen des Churbaierischen Gesandten, Baron von Leiden, der ihn versicherte, daß, wenn er katholisch würde, er sein Glück in Baiern werde machen können, ging er nach München, wo der geheime Räth Lori väterlich
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für ihn sorgte; aber ehe er in Ansehung seiner Religionsänderung einen Entschluß gefaßt hatte, verlor er durch einen Brief, den ein vornehmer Mann in München aus Stuttgart erhielt, und in dem Schubart besonders als ein großer Religionsspötter geschildert wurde, in München alles Zutrauen, daher er, von dem Churfürsten und einigen Gönnern beschenkt, diese Stadt verließ, um nach Stockholm zu gehen. Er blieb jedoch in Augsburg und sing an ein Volksblatt unter dem Titel Deutsche Chronik zu schreiben, das mit allgemeinem Beifall aufgenommen wurde: seine freien Urtheile über Personen, Einrichtungen, Staatsverfassungen und kirchliche Einrichtungen zogen ihm bald wieder Stubenarrest zu, der zwar gleich wieder aufgehoben wurde; jedoch mußte er Augsburg verlassen. Er ging nun, nachdem er seine Frau und Kinder zu sich genommen, die seit seiner Vertreibung aus Ludwigsburg bei seinem Schwiegervater gelebt hatten, nach Ulm, wo er bis 1776 seine Chronik fortsetzte, überdieß mehrere Aufsätze, Gedichte, auch einige Clavierstücke lieferte; aber auch hier sollte er keiner langen Ruhe genießen. Er hatte den damahligen kaiserlichen Minister in Ulm, General Ried, gegen sich aufgebracht, weil er sich geweigert, ihm auf einem schlecht beschaffenen Flügel vorzuspielen. Ried, der ihn deßhalb aus Rache der Kaiserin Maria Theresia als den frechsten Religionsspötter schilderte, erhielt von die-
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ser den Befehl, ihn heimlich aufzuheben und nach Ungarn in ewige Gefangenschaft zu bringen; Ried theilte diesen Befehl dem Herzog von Wirtemberg mit, der sogleich versprach, für Schubarts Gefangenschaft selbst zu sorgen. Man lockte den bedauernswürdigen Mann, weil er in Ulm zu viele Freunde hatte, am 13. Januar 1777 durch eine Einladung nach Blaubeuern, von da er sogleich nach der Festung Hohen-Asperg gebracht wurde, wo der Herzog bei seiner Ankunft selbst zugegen war und den Kerker bezeichnete, in dem man ihn verwahren sollte. In der Wand desselben war ein eiserner Ring eingemauert, um ihn nach Befehl des Fürsten daran zu ketten, wenn er nur im Geringsten etwas versähe. Dagegen setzte der Herzog Schubarts Gattin einen Jahrgehalt von 200 Gulden aus und ließ dessen Kinder in die Akademie zu Stuttgart aufnehmen. Die schreckliche Langeweile, die Schubarten in seinem Kerker plagte, wurde ihm durch den Commandanten Rieger erleichtert, der, so wie er überhaupt für Schubarts Bedürfnisse sorgte, ihm auch Bücher zukommen ließ, die aber geistlichen Inhalts und in dunklem und schwärmerischem Style geschrieben waren. Bei seiner Hypochondrie und feurigen Einbildungskraft fand Schubart an diesen Büchern Gefallen und bekam dadurch eine andächtelnde Stimmung, die bis an sein Ende blieb. Am 3. Februar 1778 erhielt er auf Befehl des Herzogs, statt seines
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zeitherigen Kerkers, ein gutes Zimmer, und empfing nun auch Besuche von seinem Bruder, von Lavater und besonders von dem damahligen Pfarrer zu Kornwestheim, Philipp Matthäus Hahn († 1790), der zwar als ein guter Mechaniker aber auch als ein theologischer Schwärmer bekannt ist; auch machte er mit einem Herrn von Scheidlin, der in einem neben dem seinigen befindlichen Zimmer gefangen saß, Bekanntschaft, und dictirte diesem durch eine Oeffnung unter seinem Ofen seinen Lebenslauf. Erst im Jahre 1787 ward er so glücklich, nicht allein seine Freiheit wieder zu erhalten, sondern auch als Hof- und Theater-Dichter zu Stuttgart angestellt zu werden, starb aber, da sein Schicksal nunmehr günstiger zu werden anfing, schon am 10. Oct. 1790. Der Ruhm, den er sich zuerst durch seine Deutsche Chronik erwarb – die manche nützliche Kenntnisse unter den ungelehrten Ständen verbreiten half – ist durch seine Gedichte fester gegründet: und die gerechte Nachwelt wird zwar Schubarten, sobald seine Aeußerungen die Religion betreffen, für einen Schwärmer erklären; allein sie wird auch nicht anstehen, dem Verfasser der Fürstengruft, des Hymnus auf Friedrich den Großen und mehrerer meisterhaften Gedichte unter Deutschlands unvergeßlichen und kraftvollen Dichtern eine Stelle anzuweisen.
Organisten und Musikdirectors zu Ludwigsburg vertauschte. Jetzt trieb er die Musik als sein Hauptgeschäft, gab aber dabei verschiedenen Officieren Unterricht in den Wissenschaften und hielt ihnen Vorlesungen über Geschichte und Aesthetik. Seine freien Urtheile über die Geistlichkeit, seine Ausschweifungen in dem Wein und in der Liebe – ungeachtet er seit 1764 mit einer Gattin verbunden war, die in ihm das einzige Glück ihres Lebens fand – und seine Spöttereien über die Religion machten ihn jedoch bald seinen Vorgesetzten verhaßt. Ein verdächtiger Umgang mit einem Mädchen brachte ihn erst eine Zeit lang ins Gefängniß; bald nachher zog ein satirisches Lied, das er auf einen Hofmann machte, ihm den völligen Verlust seiner Stelle und die Landesverweisung zu. Er ging jetzt nach Heilbronn, Mannheim und Heidelberg, erwarb sich als Gelehrter und als trefflicher Clavierspieler den Beifall vieler Großen, und hatte Hoffnung, von dem Churfürsten von der Pfalz – vor dem er in Schwetzingen spielen mußte und dem sein Spiel gefiel – eine Anstellung zu erhalten; allein ein von ihm gefälltes unüberlegtes Urtheil über die Akademie zu Manheim vereitelte alle Aussichten. Auf Anrathen des Churbaierischen Gesandten, Baron von Leiden, der ihn versicherte, daß, wenn er katholisch würde, er sein Glück in Baiern werde machen können, ging er nach München, wo der geheime Räth Lori väterlich
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für ihn sorgte; aber ehe er in Ansehung seiner Religionsänderung einen Entschluß gefaßt hatte, verlor er durch einen Brief, den ein vornehmer Mann in München aus Stuttgart erhielt, und in dem Schubart besonders als ein großer Religionsspötter geschildert wurde, in München alles Zutrauen, daher er, von dem Churfürsten und einigen Gönnern beschenkt, diese Stadt verließ, um nach Stockholm zu gehen. Er blieb jedoch in Augsburg und sing an ein Volksblatt unter dem Titel Deutsche Chronik zu schreiben, das mit allgemeinem Beifall aufgenommen wurde: seine freien Urtheile über Personen, Einrichtungen, Staatsverfassungen und kirchliche Einrichtungen zogen ihm bald wieder Stubenarrest zu, der zwar gleich wieder aufgehoben wurde; jedoch mußte er Augsburg verlassen. Er ging nun, nachdem er seine Frau und Kinder zu sich genommen, die seit seiner Vertreibung aus Ludwigsburg bei seinem Schwiegervater gelebt hatten, nach Ulm, wo er bis 1776 seine Chronik fortsetzte, überdieß mehrere Aufsätze, Gedichte, auch einige Clavierstücke lieferte; aber auch hier sollte er keiner langen Ruhe genießen. Er hatte den damahligen kaiserlichen Minister in Ulm, General Ried, gegen sich aufgebracht, weil er sich geweigert, ihm auf einem schlecht beschaffenen Flügel vorzuspielen. Ried, der ihn deßhalb aus Rache der Kaiserin Maria Theresia als den frechsten Religionsspötter schilderte, erhielt von die-
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ser den Befehl, ihn heimlich aufzuheben und nach Ungarn in ewige Gefangenschaft zu bringen; Ried theilte diesen Befehl dem Herzog von Wirtemberg mit, der sogleich versprach, für Schubarts Gefangenschaft selbst zu sorgen. Man lockte den bedauernswürdigen Mann, weil er in Ulm zu viele Freunde hatte, am 13. Januar 1777 durch eine Einladung nach Blaubeuern, von da er sogleich nach der Festung Hohen-Asperg gebracht wurde, wo der Herzog bei seiner Ankunft selbst zugegen war und den Kerker bezeichnete, in dem man ihn verwahren sollte. In der Wand desselben war ein eiserner Ring eingemauert, um ihn nach Befehl des Fürsten daran zu ketten, wenn er nur im Geringsten etwas versähe. Dagegen setzte der Herzog Schubarts Gattin einen Jahrgehalt von 200 Gulden aus und ließ dessen Kinder in die Akademie zu Stuttgart aufnehmen. Die schreckliche Langeweile, die Schubarten in seinem Kerker plagte, wurde ihm durch den Commandanten Rieger erleichtert, der, so wie er überhaupt für Schubarts Bedürfnisse sorgte, ihm auch Bücher zukommen ließ, die aber geistlichen Inhalts und in dunklem und schwärmerischem Style geschrieben waren. Bei seiner Hypochondrie und feurigen Einbildungskraft fand Schubart an diesen Büchern Gefallen und bekam dadurch eine andächtelnde Stimmung, die bis an sein Ende blieb. Am 3. Februar 1778 erhielt er auf Befehl des Herzogs, statt seines
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zeitherigen Kerkers, ein gutes Zimmer, und empfing nun auch Besuche von seinem Bruder, von Lavater und besonders von dem damahligen Pfarrer zu Kornwestheim, Philipp Matthäus Hahn († 1790), der zwar als ein guter Mechaniker aber auch als ein theologischer Schwärmer bekannt ist; auch machte er mit einem Herrn von Scheidlin, der in einem neben dem seinigen befindlichen Zimmer gefangen saß, Bekanntschaft, und dictirte diesem durch eine Oeffnung unter seinem Ofen seinen Lebenslauf. Erst im Jahre 1787 ward er so glücklich, nicht allein seine Freiheit wieder zu erhalten, sondern auch als Hof- und Theater-Dichter zu Stuttgart angestellt zu werden, starb aber, da sein Schicksal nunmehr günstiger zu werden anfing, schon am 10. Oct. 1790. Der Ruhm, den er sich zuerst durch seine Deutsche Chronik erwarb – die manche nützliche Kenntnisse unter den ungelehrten Ständen verbreiten half – ist durch seine Gedichte fester gegründet: und die gerechte Nachwelt wird zwar Schubarten, sobald seine Aeußerungen die Religion betreffen, für einen Schwärmer erklären; allein sie wird auch nicht anstehen, dem Verfasser der Fürstengruft, des Hymnus auf Friedrich den Großen und mehrerer meisterhaften Gedichte unter Deutschlands unvergeßlichen und kraftvollen Dichtern eine Stelle anzuweisen.