Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Rom
Das neue Rom: Seit dritthalb tausend Jahren der Mittelpunkt menschlicher Größe, scheint diese einzige, diese merkwürdige Stadt der Erde selbst bestimmt, auch der Zeit und dem Verhängnisse zu gebieten, und mit unsterblicher Kraft sich den Umwandlungen der einen, und den Verwüstungen der andern zu entschwingen. Nachdem sie über zehn Jahrhunderte den schönsten Theil der Welt durch Waffenglück beherrscht hatte, regierte sie ihn bis auf unsre Tage durch die Allgewalt der Meinung, durch den Zauber der Kunst, durch den Scepter des Priesterthums. – Unzählige große Staaten, einst Roms Nebenbuhlerinnen, sind – einmahl zerstört – nie aus der Asche hervorgegangen, in der selbst ihre Namen verloschen. Rom allein stieg, dem Phönix der Fabel gleich, nach jeder Verwüstung in verjüngter Schönheit aus seinen Trümmern hervor, und erhob sein majestätisches Haupt über Schutt und Ruinen, und trotzte den Verheerungen der Natur und der Barbarei, weil es in jeder Zerstörung den Keim und die Losung zur herrlichern Wiedergeburt fand. – Feuersbrünste und Vertilgungswuth barbarischer Eroberer, der Gallier, der Westgothen, der Vandalen, konnten nicht die Spuren ihrer Größe vertilgen; umgestürzte, aber aus dem Andenken der Jahrhunderte unvertilgbare Denkmähler machten bald neuen Monumenten Platz: eine Periode————
der Größe, der Herrschaft und des Verfalls übergab immer diesen unsterblichen Schauplatz einer andern merkwürdigern Periode, die der Geschichte der Menschheit neue Ruhepunkte anwies.
  Der Umfang Roms – es liegt in Campagna di Roma. oder dem alten Latium, an dem Tiberflusse – entspricht seiner Pracht. Die Stadt hat 15 Italiänische Meilen im Umkreise, 15 Thore öffnen den Eingang in ihre unabsehlichen Straßen, 367 Kirchen und Klöster, 4 Brücken, unzählige Palläste, kunstvolle Wasserleitungen, Prunksäulen, Fontänen, an deren Verschönerung die Kunst alle ihre Kräfte aufbot, vermannigfaltigen ihre Ansichten; 14 Quartiere ( Rioni) – jedes selbst am Umfange einer Stadt gleich – theilen die unermeßliche. Wir zeichnen aus dem Meere von Merkwürdigkeiten nur die folgenden aus: 1) die Engelsburg. Sie hat den Namen von einem Engel, den Gregor der Große während einer Pest auf dem Giebel des Gebäudes wollte gesehen haben, welcher im Begriff war, ein blutiges Schwert in die Scheide zu stecken. Dieses Schloß, merkwürdig durch seine ehernen Thore, enthält den päpstlichen Schatz, das Archiv, die Kleinodien der Kirche, das Zeughaus, die dreifache Krone. 2) Die Peterskirche; der prächtigste Tempel der Christenheit, inwendig und auswendig von Marmor; ein Bau, der alle Künste in Wetteifer, fast übermenschliche Kräfte in Thätigkeit setzte.
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Ihre innre Länge beträgt 575, und ihre ganze Höhe 142 Pariser Schuhe; der Hauptaltar ist 90 Fuß hoch; prächtig sind die Grabgewölbe, und die 1783 von Pius VI. vollendete Sakristei. Ueber die Peterskirche geht noch 3) die Kirche des heil. Johann von Lateran, die nach Constantins des Großen Verordnung Omnium Orbis atque Urbis Ecclesiarum mater et caput sein sollte. Ihre Schutzpatrone (Schirmherren) waren bisher der Römische Kaiser und der König von Frankreich; daher Heinrich IV. ihr die Einkünfte der reichen Abtei Clerac, die sich auf 5000 Thaler belaufen, schenkte. Vor dieser Kirche steht der große Obelisk des Ramesses, den Sixtus V. aufrichten ließ. Hier wird der Papst zum Bischof Roms gekrönt. Man bemerkt die heilige Treppe von 28 Stufen, welche diejenige sein soll, auf der Jesus einst in Caiphas Pallast stieg; Bußfertige rutschen auf den Knien auf und ab. Benedict XIV. hat sie 1750 verschönert und ausgebessert. 4) Die Basilica von St. Paul mit ihrem Benedictinerkloster liegt außerhalb der Ringmauern. 5) Maria Rotonda, aus dem alten Pantheon entstanden, ist ein Gewölbe ohne Pfeiler und Fenster, daher das Regenwasser durch einen trichterförmigen Stein abfließt. Hier liegen Raphael von Urbino, Mengs und Hannibal Caraccio begraben. 6) dreißig Hospitäler, unter denen das zum heil. Geiste, der Dreieinigkeit und das des heil. Jakob
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die 3 merkwürdigsten sind. 7) Der Vatikanische Pallast; ein Gebäude, welches 11tausend Zimmer, 1200 Feuerstellen, 22 Höfe, und besonders die unvergleichliche Büchersammlung enthält, welche von Sixtus V. angelegt, und durch die Heidelberger Bibliothek, die der Königin Christine von Schweden, des Card. Quirini, des Herzogs von Urbino bereichert, in 8 großen Sälen 300,000 Bände und 40,000 Manuscripte verschließt. 8) der Pallast Monte Cavallo Quirinal, die gewöhnliche Residenz des Papstes; durch die schöne Aussicht, die vortreffliche, reine Luft ein reitzender Aufenthalt. 9) der Lateranische Pallast, von Sixtus V. gegründet, von Fontana erbaut. Innocenz XIII. verwandelte ihn 1693 in ein Frauenhospital. 10) der Borghesische, und 11) der Farnesische Pallast beide durch Wunder alter und neuer Kunst geschmückt. 12) der Barberinische Pallast, der größte nach dem Vatikan, enthält 4000 Zimmer, eine Bibliothek und herrliche Antiken. 13) das Campidoglio, auf dem Grunde des alten Capitols von Michael Angelo erbaut, die Wohnung des Senatore, der ein Ausländer sein muß. Man sieht hier das Capitolinische Museum, von Clemens XII. gestiftet. 14) die Collegien. a) della Sapienza; angelegt 1245 von Innocenz IV. geendigt 1311 von Clemens IV. enthält 32 Lehrstühle, eine Bibliothek und Kirche, b) della Propaganda, mit einer Kirche,
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Bibliothek und einer Druckerei, die in 30 verschiednen Alphabeten druckt, c) Collegio Romano, worin das Kircherische Museum, die Bibliothek. die Apotheke, das Cabinet der Jesuiten zu bemerken sind, d) das Clementinische, e) das Hungarische, f) das Deutsche Collegium. 15) die Akademien der Künste, vornehmlich a) die des heil. Lucas, wo Mahler, Architekten, Bildhauer, Kupferstecher aus allen Nationen ihre Talente ausbilden, und ohne Unterschied der Religion sich um den Preis bewerden können, b) die der Römischen Geschichte, c) der Kirchengeschichte, d) der Geographie, e) der Kupferstecher, f) die Akademie der Arkadier, g) die der Alterthumsforscher. 16) Gallerien und Museen, worunter sich das Clementinische auszeichnet. Man besucht sie unter der Leitung der sogenannten Ciceroni, welche auch die Fremden zu den übrigen Merkwürdigkeiten führen, und mit mechanischer Beredsamkeit ihre Schönheiten entwickeln. 17) die Theater; das Hauptmoment des Carnevals. Zwei sind für die große, ernste Oper, und 6 kleinere für die Opera Buffa bestimmt. 18) der Corso; eine prächtige, breite Straße, in welcher besonders zur Carnevalszeit Spazierfahrten, Wettrennen und dergleichen angestellt werden. 19) der Ghetto oder das Quartier der Juden, deren Zahl 7000 Köpfe, also ungefähr den 23sten Theil der ganzen Volksmenge (die man auf
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162,000 anschläst), ausmacht. Sie müssen sich durch einen Lappen von rothem Tuche, den sie am Huthe tragen, auszeichnen; und vermöge einer Verordnung Gregors XII. müssen alle Sonnabende 100 Juden männlichen und 50 weiblichen Geschlechts eine Bekehrungspredigt im Oratorio der Trinität anhören. Des Nachts ist der Ghetto verschlossen.
  Die Polizei, von 300 Sbirren bedient, ist fast mehr mit Ausspähen grober Verbrecher, die denn auch in Kirchen und Klöstern sichre Freistätten finden, und oft entdeckt ungestraft bleiben, als mit positiven Anstalten für das Wohlsein und die Bequemlichkeit der Einwohner Roms beschäftigt. – Die Stadt, die mit den schönsten Werken der Baukunst prangt, hat schlecht gepflasterte Gassen, und ist voll Schmutz und Unrath; Wind und Regen sind fast die einzigen Reinigungsmittel der Straßen. Der Handel ist ohne Leben und Kraft. Die heil. Geistbank die ihn mit Papiergelde überstuthet, vermag den Credit nicht zu stützen. Die Industrie Roms treibt sich in einem engen Kreise herum, und ihre Hauptproducte sind Essenzen, Pomaden, Paternoster, Reliquien, künstliche Blumen, Haarpuder, Gypsabgüsse, Legenden und Andachtsbücher. Die neuen Römer sind ein feiges, träges, sinnliches, betrügerisches, faules Völkchen, das Gegenspiel ihrer großen Vorfahren – ein Gemisch von Stolz und Elend, Hang zu Müßiggang und zu Schauspielen, ein
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feines Gefühl für Kunst, mit roher Unsittlichkeit gepaart, sind die Grundzüge ihres ausgearteten Charakters. – Eine Legion von Aebten und Mönchen entweiht die Religion, verpestet die Sittlichkeit und giebt sich, von Müßiggang und Armuth getrieben, den niederträchtigsten Gewerben hin. Der Zufluß von Fremden, eine Nahrungsquelle der verschmitzten Römer, reicht nicht hin, einen gründlichen Wohlstand und eine edle Nacheiferung zu erzeugen; sie dient jedoch zur Verfeinerung der äußern Sitten und der Toleranz, welche in diesem Hauptsitze der katholischen Kirche größer ist, als in irgend einer Stadt der Welt. – Obwohl die cultivirte Raubsucht der Franzosen Rom einige seiner schönsten Zierden, seiner vollkommensten Kunstwerke entwendet hat, so konnte sie doch die Meisterstücke der Baukunst und den Zauber der Geschichte von ihrem geheiligten Boden nicht leicht vertilgen; und so lange nicht physische Revolutionen die letzten Spuren dieses Eigenthums verlöschen, wird Rom immer für den gebildeten Menschen eine der interessantesten Städte der Welt sein.
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Rom. Mit Recht müssen wir hier das alte Rom von dem neueren scheiden. Zuförderst also:
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* Rom. Die Veränderungen, die sich mit dieser, einst ersten, Stadt der Welt zugetragen, s. i. d. Art. Italien Nachtr. I. S. 485 u. 86.
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