Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Roland
Angelique Francoise Roland, die Gattin des Ministers, hat in der Französischen Revolution beinahe noch größeres Aufsehen erregt, als ihr Gemahl. Ihr Vater hieß Philipon, und war Kupferstecher zu Paris. Er gab seiner Tochter eine gute Erziehung, und ließ sie in verschiednen Wissenschaften und Künsten unterrichten. Sie fand selbst so viel Geschmack an Leetüre und wissenschaftlichen Beschäftigungen, daß sie den jugendlichen Vergnügungen ganz entsagte, sich in die Einsamkeit zurückzog, und unaufhörlich mit Büchern beschäftigt war. Sie studirte Geschichte, Theologie und Philosophie, las Dichter und löste mathematische Aufgaben. Ihre Aeltern wünschten sie bald verheirathet zu sehen; allein sie verwarf, ungeachtet ihre schöne Bildung eine Menge Bewerber herbeiführte, alle Anträge, weil sie ihren hohen Erwartungen nicht entsprachen. Die Lectüre einiger Werke über Griechenland und Nom hatte ihr ein großes Interesse für die republikanische Verfassung eingeflößt, und sie beseufzte daher schon lange vor der Revolution die despotische Verfassung ihres Vaterlandes. Nachdem sie sich endlich zu der Verbindung mit dem schon bejahrten Roland, dessen düstern Mienen keinen gemeinen Mann ankündigten, entschlossen hatte, verließ sie Paris auf einige Zeit, und lebte mit ihrem Mann auf einem Dorfe unweit Lyon ganz eingezogen.————
Die häuslichen Geschäfte, die sie mit aller Pünktlichkeit verwaltete, ließen ihr doch noch Zeit, um die gelehrten Beschäftigungen nicht ganz zu vernachläßigen. Sie schrieb Briefe, historische Aufsätze, Gedichte und sogar eine Predigt. Ohne Zweifel wünschte sie sich eine Gelegenheit, wo ihre Verdienste in einem hellern Licht glänzen könnten; und diese fand sich, als ihr Mann Minister ward. Sie half ihm mit unermüdendem Eifer in den Geschäften seines Departements, schrieb die öffentlichen Anschläge, fertigte Adressen aus, hatte ein wachsames Auge auf seine Untergebnen, und beobachtete die Schritte der übrigen Minister. Mit dem Hofe scheint sie nie in näherer Verbindung gewesen zu sein. Der Patriotismus des Königs war ihr immer sehr verdächtig; und mit der Eitelkeit der Königin konnte sich ihre eigne nicht vertragen. Wöchentlich ein Mal war in Rolands Hotel eine Zusammenkunft von Gelehrten, Conventsmitgliedern und Ministern, wobei Madame Roland den Vorsitz führte, und ihre Ideen über Staatssachen bekannt machte. Ihr Gemahl verlangte, daß ihr alles mitgetheilt werden möchte, was im Staatsrath vorfiel; allein Dümouriez, dem man doch gewiß die Artigkeit gegen Damen nicht absprechen kann, fand diese Anmaßung so übertrieben, daß er deßwegen mit Roland uneins wurde. Madame Roland ließ sich dadurch nicht abschrecken, sondern verschaffte sich vielmehr in der
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Zeit, da ihr Mann zum zweiten Mahle Minister war, einen noch größern Einfluß auf die Staatsgeschäfte; der hämische Brief, den sie im Namen des Französischen Staatsraths an den Papst schrieb, ist ein Beweis davon. Sie war eigentlich anstatt ihres Mannes Minister, und fühlte diese polltische Wichtigkeit so sehr, daß sie sich in ihren Schriften mit vielem Vergnügen an die Zeit erinnert, wo sie (wie sie selbst sagt) im Ministerium saß. Der Fall ihres Mannes zog den ihrigen nach sich. Sie wurde verhaftet, und endlich von dem Revolutionsgericht zur Guillotine verurtheilt. Sie starb am 5. Dez. 1793 im neun und dreißigsten Jahre ihres Alters mit der größten Standhaftigkeit. Noch im Kerker schrieb sie ihr eignes Leben auf und verfaßte mehrere Aufsätze über die Revolution. Im erstern erzählt sie mit scharfem Beobachtungsgeist, aber auch mit ungemeiner Selbstgefälligkeit, die Geschichte ihrer Bildung und die Entwicklung ihres Geistes; in den letztern liefert sie treue Charakterschilderungen der damahls besonders merkwürdigen Personen. Ungerne übergeht sie eine Gelegenheit, wobei sie die Verdienste ihres Mannes bemerkbar machen kann, mit Stillschweigen; aber dieses geschieht nur deßwegen, damit ihre eignen desto mehr glänzen sollen, weil ihr Mann kein wichtiges Unternehmen ausführte, ohne es ihr vorher mitgetheilt und sie um Rath gefragt zu haben. Ein gewisser gelehrter Stolz, und die Eitelkeit,
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welche aus dem Bewußtsein ihrer körperlichen Schönheit entsprang, erzeugten ein sonderbares Gemisch in ihrem Charakter, und verdunkelten ihre übrigen unläugbaren Vorzüge.
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Jean Baptiste Roland, wurde zu Villefranche unweit Lyon geboren, und verließ im 19. Jahre das väterliche Haus, um sich dem geistlichen Stande zu entziehen, wozu ihn seine Aeltern bestimmt hatten. Er ging nach Nantes in der Absicht, die Handlung daselbst zu erlernen, und nachher nach Indien zu gehen. Seine schwächliche Gesundheit hinderte ihn jedoch an der Ausführung dieses Entschlusses; er begab sich nach Rouen, wurde bei den dasigen Manufacturen angestellt, machte nachher verschiedne Reisen nach Italien, England und der Schweiz, und kam zuletzt als Aufseher der Handlung und Manufakturen nach Lyon. Diese Stadt wählte ihn in der Folge zu ihrem Deputirten bei der constituirenden National-Versammlung; und diesem Umstande verdankte er die wichtige, wiewohl für ihn endlich unglückliche Rolle, die er bei der Revolution spielte. Da Ludwig XVI. im Frühjahr 1792 das Ministerium mit Männern besetzte, welche bei dem Volke beliebt waren, so erhielt Roland die Stelle des Ministers der innern Angelegenheiten. Er erschien in einer ganz einfachen Kleidung, ohne allen Prunk am Hofe. »Es ist alles verloren, sagte dabei der königliche Cerimonienmeister; der neue Minister trägt Schuhe ohne Schnallen.« Dümouriez, dem er diese schreckende Neuigkeit mittheilte, gab ihm lächelnd Recht. – Roland besorgte die Geschäfte seines Depar-
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tements mit vieler Pünktlichkeit und Treue, gab sich aber dabei wenig Mühe, seine persönliche Abneigung gegen den König zu verbergen. Er schrieb ihm einst einen Brief voll von Wahrheiten und Bitterkeiten, und war eitel genug, diesen Brief in Gegenwart des Königs und der übrigen Minister vorzulesen. Dieser Zug wirft ein nachtheiliges Licht auf Rolands Charakter, und beweist seinen kleinlichen Ehrgeitz. Auf keinen Fall konnte durch die Ablesung dieses Briefs etwas Gutes bewirkt werden, und bei seinen Collegen brauchte Roland seine Grundsätze nicht erst zu rechtfertigen. Der König, welcher der Neckereien seines Ministeriums müde war, entfernte Roland mit zwei seiner Collegen am 13. Juni; allein nach der Entthronung des Königs wurde er abermahls als Minister angestellt. Er machte bald nachher wichtige Papiere bekannt, die er in einem eisernen Wandschranke der Tuilerien aufgefunden haben wollte, und zog dadurch den Haß vieler Familien auf sich, die durch die Bekanntmachung dieser Papiere verdächtig wurden. Die Beförderer der Anarchie vergrößerten die Anzahl seiner Feinde, weil sie es ihm nicht vergeben konnten, daß er Ruhe und Ordnung in Paris wieder herzustellen versuchte, und den unruhigen Pöbel der Herrschaft der Gesetze unterwerfen wollte. Am Tage nach der Hinrichtung des Königs (22. Jan. 1793) legte er seine Stelle freiwillig nieder, gleichsam als hätte er durch
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den Tod Ludwigs XVI. das Ziel aller seiner Bemühungen erreicht. Nachher wurde er zugleich mit den Girondisten geächtet (m. vergl. dies. Art.). Zwar rettete er sich durch die Flucht nach Bretagne; man fand aber bald seinen Körper auf einer Landstraße, wo er sich wahrscheinlich selbst entleibt hatte. Dieß war das Ende eines Mannes, der bei allen seinen Kenntnissen nicht das beste Herz hatte, und, ungeachtet er aus dem reinsten Patriotismus zu handeln vorgab, und auch überall die strengen Grundsätze einer beinahe stoischen Sittenlehre verbreitete, doch den Eingedungen der Eitelkeit und Rachsucht folgte, und sich ganz besonders geschmeichelt fand, für einen Cato der neuern Zeit gehalten zu werden.
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Roland (Rutland), ein berühmter Feldherr und Schwestersohn Carls des Großen, aus dem achten Jahrhunderte nach Chr. Geb. der bei dem Rückzuge des Kaisers aus Spanien auf dem Pyrenäischen Gebirge von den Vasken erschlagen wurde. Unter vielen fabelhaften Erzählungen will man auch
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