Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Robespierre, Maximilian
Maximilian Robespierre. Die Begebenheiten aus der frühern Lebensgeschichte dieses Mannes, der in seiner glänzendsten Periode der Gegenstand des allgemeinen Schreckens war, und nach seinem Fall von allen Parteien verwünscht wurde, sind größten Theils unbekannt. Die Stadt Arras, in der ehemahligen Grafschaft Artois, war seine Vaterstadt, wo er um das Jahr 1757 oder 1758 geboren wurde. Sein Vater, Advokat daselbst, verließ aus einer nicht bekannten Ursache Frankreich, und versetzte dadurch die zurückgelaßne Familie in dürftige Umstände. Zu allem Glück nahm sich der Bischof von Arras ihrer an und sorgte vorzüglich mit großmüthiger Uneigennützigkeit für die Erziehung des jungen Robespierre. Es fehlt nicht an solchen, welche die Freigebigkeit dieses Prälaten aus einem geheimen Verständnisse ableiten, das er mit der Mutter des Robespierre gehabt haben soll. Allein dieß kann eben so wenig bewiesen werden, als daß Robespierre ein Verwandter des Königsmörders Damien gewesen sei, und von diesem den Haß gegen das Königthum gleichsam ererbt habe. Bis in das zwölfte Jahr blieb Robespierre auf der Schule in Arras, dann wurde er in das Ludwigs-Collegium nach Paris geschickt, um da die weitere Ausbildung zu erhalten. Man kennt die Fortschritte nicht, die er daselbst in den Wissenschaften machte; indessen gehörte er, wo————
nicht zu den besten, doch auch nicht zu den schlechtesten Schülern. Hätte man aber auch alle Ursache gehabt, seinen Fleiß zu bewundern, so würde man sich doch schwerlich mit seinem heimtückischen Charakter haben aussöhnen können wovon er schon damahls manche unwürdige Probe ablegte. Nachdem er das Collegium verlassen hatte, wählte er anstatt des geistlichen Standes, wozu ihn sein Gönner bestimmte, das Fach der Rechtsgelehrsamkeit, und ward Advokat. Er ging, da er in Paris kein Glück machen konnte, nach Arras zurück. Ob der erste Prozeß, den er daselbst führte, gegen den Bischof, seinen Wohlthäter, gerichtet war, ist eben so zweifelhaft, als die Sage, daß er damahls eine erbärmliche Abhandlung über die neue Erfindung der Blitzableiter geschrieben habe, um damit Aufsehn zu machen. Man verliert ihn in seiner damahligen Laufbahn ganz aus dem Gesicht, und findet ihn erst unter den Deputirten zur ersten National- Versammlung wieder, unter welchen er als Abgeordneter des Bürgerstands von Arras erschien. Da man aber im Jahre 1789 noch nicht ganz von dem Vorurtheile einer adelichen Geburt zurückgekommen war, oder wenigstens persönliche Verdienste ehrte, Robespierre aber weder auf diese, noch auf jene Ansprüche machen konnte, so blieb er ziemlich unbemerkt in der National-Versammlung, und wurde, wenn er ja einmahl die Rednerbühne betrat, immer der Gegenstand
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des allgemeinen Spottes, weil sein Vortrag elend, seine Ideen verwirrt und seicht, und seine Sprache durch barbarische Wörter entstellt war; man verlor ihn unter der Menge der übrigen unbedeutenden Deputirten. Um sich doch etwas bemerklicher zu machen, fing er an ein politisches Tagblatt herauszugeben. Allein auch damit glückte es ihm nicht, weil die Schrift außer unrichtig erzählten Thatsachen und einem frostigen Raisonnement nichts enthielt, was aufmerksame Leser hätte fesseln können. Erst um die Zeit, da der König nach Varennes geflüchtet war, gelangte Robespierre zu einiger politischen Wichtigkeit. Die Jakobiner, welche damahls mächtig zu werden ansingen, gewannen ein großes Zutrauen zu ihm; und durch sie wurde er auch bei dem Volke beliebt. Da er einmahl sichern Fuß gefaßt hatte, ging er weiter, und erhob sich durch die gewöhnlichen Kunstgriffe der Demagogen bis zu jener fürchterlichen Höhe, von der ihn die vereinte Kraft des Convents am 9. Thermidor kaum herabschleudern konnte. Er ward, nachdem die erste National Versammlung aus einander gegangen war, öffentlicher Ankläger bei dem Criminalgericht des Pariser Departements, und verwaltete diese Stelle zur Verwunderung aller guten Bürger mit vieler Unparteilichkeit und Gerechtigkeitsliebe. Wahrscheinlich wollte er sich dadurch bei allen Parteien einschmeicheln; denn es ist kaum zu bezweifeln, daß er
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auch den Aristocraten würde gedient haben, wenn er dabei auf Ehre und Ruhm hätte rechnen können. Da er aber merkte, daß er unter diesen wegen der Eingeschränktheit seiner Kenntnisse und Plumpheit seiner Sitten keine große Rolle würde spielen können, so blieb er bei der Partei, welche die Herrschaft der Ohnehosen begünstigte. Man sagt, daß ihm der Hof nach der Annahme der Constitution von 1791 eine Ministerstelle habe übertragen wollen; allein es geschah nicht, und Robespierre entwickelte seitdem immer mehr seinen Haß gegen das Königthum, den er schon ehemahls bei Abfassung seiner Vollmacht zur National-Versammlung nicht undeutlich zu erkennen gegeben hatte. Wenn er mehr persönlichen Muth besessen hätte, so würde er sich wahrscheinlich viel früher emporgeschwungen haben; aber er war furchtsam, und verschwand daher vom Schauplatze, so lange es zweifelhaft war, auf welche Partei sich der Sieg neigen würde. Erst nachdem seinen Freunden, einem Danton, Panis und andern die Ausführung der Mordthaten im September geglückt war, bekam er mehr Muth und Selbstvertrauen. Daher schrieb sich auch die unverschämte Frechheit, mit weicher er sich am 5. Nov. 1791 im Convente, wo ihn das Departement von Paris als Deputirten gewählt hatte, gegen Louvet vertheidigte, als dieser mit einer beredten Anklage gegen ihn auftrat, und ihm vorwarf, daß er unter irgend einem
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Titel nach der höchsten Gewalt strebe. Der Sieg, den er an diesem Tage davon trug, war überhaupt für ihn und seine Freunde von der größten Bedeutung; denn von nun an war das Uebergewicht der Bergpartei über die Girondisten entschieden. Man müßte die ganze Geschichte der Revolution im Jahre 1793 und 1794 wiederhohlen, wenn man vollständig zeigen wollte, wie die Macht des Robespierre täglich zunahm, wie er die Partei der Gironde (am 31. Mai 1793) stürzen, die Hebertisten (am 24. März 1794) vernichten und endlich sogar einen Danton (am 4. April 1794) aufs Schaffot bringen konnte. Dessen ungeachtet aber würde man schwerlich bestimmen können, was Robespierre während der langen Zeit, da er die Volksgunst im höchsten Grade genoß, eigentlich für einen Zweck gehabt habe, und ob er aus eignem Antriebe, oder als Werkzeug unbekannter Obern gehandelt habe. Dieses letztere verdient, ungeachtet ein ungenannter Schriftsteller darzuthun bemüht gewesen ist, daß Robespierre von Jugend an in die Tiefen eines geheimen königsmörderischen Bundes eingeweiht worden sei, eben so wenig Glauben, als daß er den Dauphin auf den Thron setzen und sich vielleicht gar mit dessen Schwester habe vermählen wollen. Wiederherstellung der Monarchie im eigentlichen Verstande konnte schwerlich seine Absicht sein; denn sonst würde er unstreitig die Freunde dieser Art von
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Verfassung nicht so muthwillig hingeopfert haben. Wahrscheinlich wollte er bloß dem Wohlfahrtsausschuß alle Macht in die Hände spielen, und zu dem Ende den Convent vernichten oder doch zum schweigenden Organ des erstern herabwürdigen. Was alsdann geschehen sein würde, wenn ihm dieses Project gelungen wäre, wußte er damals, als er es ausbrütete, vielleicht selbst noch nicht. Auf jeden Fall konnte dieses nicht sogleich bewirkt werden; und hatte er nur erst alle Macht in den Händen, so stand es ja hernach ohnedieß in seinem Willen, ob er der Republik als Tribun oder Dictator vorstehen, oder sie in eine Monarchie umformen, und dann nach dem Beispiele eines Sulla gänzlich vom Schauplatze der Begebenheiten abtreten wollte. Ohne jetzt weiter seine Absichten zu verfolgen, wollen wir, da es ohnedieß nicht möglich ist, durch den Schleier zu sehen, welcher die damahligen Begebenheiten jetzt noch deckt, nur noch die Umstände, die seinen Fall herbeiführten, kürzlich aufführen. Die große Vorliebe, welche die niedere Volksclasse gegen ihn hegte, und welche bisweilen in eine schwärmerische Verehrung seiner Person ausartete, erweckte ihm unter den übrigen Demagogen zahlreiche Neider. Der größte Theil der Bergpartei hatte nach und nach einsehen lernen, daß er nur als Werkzeug gebraucht werde, und daß außer Robespierre höchstens einige Mitglieder des Wohlfahrtsausschus-
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ses die eigentliche Gewalt in Händen hätten. Natürlich entstand daher ein gegenseitiges Beobachten und eine geheime Eifersucht im Convent und im Wohlfahrtsausschuß. Barrere, Billaud de Varennes und Collot dʼHerbois auf der einen, Robesvierre, Couthon und St. Just auf der andern Seite, bildeten zwei fürchterliche Triumvirate, die einander zu stürzen drohten. Robespierre hatte den Gemeinderath und die gewaffnete Macht auf seiner Seite; der Sieg würde sich daher unbezweifelt für ihn erklärt haben, wenn nicht einige andre Umstände dazu gekommen wären, welche die öffentliche Meinung gegen ihn stimmten. Man wußte, daß Robespierre, Couthon und St. Just im Wohlfahrtsausschuß das Departement der allgemeinen Polizei besorgten; daher hielt man sie für die alleinigen Urheber der zahllosen gesetzlichen Hinrichtungen, welche in den Frühlings- und Sommermonathen des Jahres 1794 auf einen schauderhaften Grad vermehrt wurden. Zwar lähmte das Schrecken die Thätigkeit der Bürger; und sie durften nicht wagen, ihren Unwillen darüber zu äußern. Robespierreʼs Gegner im Convent konnten jedoch bei einer gewissen Versammlung, wo beinahe alle Einwohner von Paris gegenwärtig waren, den allgemeinen Unwillen sehr deutlich auf dem Gesichte eines jeden lesen. Diese Versammlung war an dem Tage, wo Robespierre das Fest des höchsten Wesens feiern ließ. Er
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hatte sich (am 4. Juni 1794) zum Präsidenten des Convents ernennen lassen, und eröffnete als solcher die Feierlichkeit mit einer schwülstigen und schwärmerischen Rede, worin er sich rühmte, der Wiederhersteller des Glaubens an Gott und sittlichen Gefühls zu sein. Es mußte die Herzen aller Anwesenden empören, einen solchen Mann über Moralität und Tugend declamiren zu hören, die er selbst muthwillig unter die Füße trat. Sein Ansehen fing seitdem allgemein an zu sinken, und er konnte sich nur noch durch das Schrecken der Proscriptionsliste halten. Als aber mehrere Deputirte im Convent und einige Mitglieder des Wohlfahrtsausschusses erfuhren, daß ihre Namen gleichfalls darauf stünden, so wagten sie am 27. Juli 1794, da St. Just eine Rede von neuen Verschwörungen gegen die Republik hielt, einen Angriff auf ihn. Robespierre schwang sich auf die Rednerbühne und fing an, in einer Rede von der Ergebenheit des Wohlfahrtsausschusses gegen den Convent zu sprechen; allein Tallien ließ ihn nicht ausreden, drängte ihn von der Rednerbühne herunter, und forderte den Convent mit einem Feuer, das an Verzweiflung grenzte, auf, das Joch der Tyrannei nicht länger zu ertragen. Der Convent, der gewohnt war sich vor Robespierren zu demüthigen, wankte anfänglich. Da aber mehrere Deputirten ihre Stimmen erhoben, so wurde endlich ein allgemeines Anklagedecret gegen die Verschwörer be-
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schlossen. Robespierre war indessen mit St. Just und Couthon nach dem Gemeindehause geflüchtet, wo die übrigen Verschwornen, Henriot, Lavalette, Lebas und andre, ihrer warteten. Henriot bemühte sich als Generalcommandant der gewaffneten Macht die Soldaten gegen den Convent aufzubringen. Allein seine Reden waren ohne Wirkung; man hielt ihn fest, und die Gensdʼarmes drangen in den Saal des Gemeindehauses, um sich der übrigen Verschwornen zu versichern. Robespierre versuchte es, sich durch einen Pistolenschuß zu tödten; er zerschmetterte sich aber bloß die Kinnlade damit Bei den empfindlichen Schmerzen, welche ihm diese Wunde verursachte, und bei den fürchterlichen Verwünschungen, welche die Anwesenden gegen ihn ausstießen, blieb er ganz unempfindlich, und zeigte weder Reue noch Verzweiflung. Am folgenden Tage wurde er unter allgemeinem Freudengeschrei guillotinirt; und seitdem gehört der 28. Juli (oder der 9. Thermidor) zu den merkwürdigsten Tagen in der Französischen Revolution. Alle Augenzeugen versichern, daß Robespierre in seinem Aeußern schon etwas Widerliches und Furchtbares gehabt habe, welches er nicht durch die Sorgfalt verbergen konnte, mit der er sich zu kräuseln und zu putzen pflegte. Sein Gesicht hatte etwas Katzenähnliches, sein Blick war schwärmerisch, und alle seine Bewegungen kündigten einen argwöhnischen und
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grausamen Charakter an. Die häufigen Hinrichtungen, die er veranstalten ließ, sollten fast allemahl die Strafe der Verschwörer gegen die Republik sein: nur einmahl ließ er eine Menge Menschen hinrichten, weil sie einen Anschlag gegen sein eigen Leben gefaßt haben sollten; dieses geschah am 17. Juni 1794. Die angeblichen Hauptverschwornen waren: ein gewisser Cardinal, der Vorsteher einer Schulanstalt, und Cecilie Regnaud, ein zwanzigjähriges Mädchen, welche Robespierren besucht und einige Messer bei sich gehabt hatte. Sie hatte wissen wollen, wie ein Tyrann aussehe; und wegen dieses freimüthigen Bekenntnisses ließ sie der Tyrann hinrichten.
nicht zu den besten, doch auch nicht zu den schlechtesten Schülern. Hätte man aber auch alle Ursache gehabt, seinen Fleiß zu bewundern, so würde man sich doch schwerlich mit seinem heimtückischen Charakter haben aussöhnen können wovon er schon damahls manche unwürdige Probe ablegte. Nachdem er das Collegium verlassen hatte, wählte er anstatt des geistlichen Standes, wozu ihn sein Gönner bestimmte, das Fach der Rechtsgelehrsamkeit, und ward Advokat. Er ging, da er in Paris kein Glück machen konnte, nach Arras zurück. Ob der erste Prozeß, den er daselbst führte, gegen den Bischof, seinen Wohlthäter, gerichtet war, ist eben so zweifelhaft, als die Sage, daß er damahls eine erbärmliche Abhandlung über die neue Erfindung der Blitzableiter geschrieben habe, um damit Aufsehn zu machen. Man verliert ihn in seiner damahligen Laufbahn ganz aus dem Gesicht, und findet ihn erst unter den Deputirten zur ersten National- Versammlung wieder, unter welchen er als Abgeordneter des Bürgerstands von Arras erschien. Da man aber im Jahre 1789 noch nicht ganz von dem Vorurtheile einer adelichen Geburt zurückgekommen war, oder wenigstens persönliche Verdienste ehrte, Robespierre aber weder auf diese, noch auf jene Ansprüche machen konnte, so blieb er ziemlich unbemerkt in der National-Versammlung, und wurde, wenn er ja einmahl die Rednerbühne betrat, immer der Gegenstand
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des allgemeinen Spottes, weil sein Vortrag elend, seine Ideen verwirrt und seicht, und seine Sprache durch barbarische Wörter entstellt war; man verlor ihn unter der Menge der übrigen unbedeutenden Deputirten. Um sich doch etwas bemerklicher zu machen, fing er an ein politisches Tagblatt herauszugeben. Allein auch damit glückte es ihm nicht, weil die Schrift außer unrichtig erzählten Thatsachen und einem frostigen Raisonnement nichts enthielt, was aufmerksame Leser hätte fesseln können. Erst um die Zeit, da der König nach Varennes geflüchtet war, gelangte Robespierre zu einiger politischen Wichtigkeit. Die Jakobiner, welche damahls mächtig zu werden ansingen, gewannen ein großes Zutrauen zu ihm; und durch sie wurde er auch bei dem Volke beliebt. Da er einmahl sichern Fuß gefaßt hatte, ging er weiter, und erhob sich durch die gewöhnlichen Kunstgriffe der Demagogen bis zu jener fürchterlichen Höhe, von der ihn die vereinte Kraft des Convents am 9. Thermidor kaum herabschleudern konnte. Er ward, nachdem die erste National Versammlung aus einander gegangen war, öffentlicher Ankläger bei dem Criminalgericht des Pariser Departements, und verwaltete diese Stelle zur Verwunderung aller guten Bürger mit vieler Unparteilichkeit und Gerechtigkeitsliebe. Wahrscheinlich wollte er sich dadurch bei allen Parteien einschmeicheln; denn es ist kaum zu bezweifeln, daß er
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auch den Aristocraten würde gedient haben, wenn er dabei auf Ehre und Ruhm hätte rechnen können. Da er aber merkte, daß er unter diesen wegen der Eingeschränktheit seiner Kenntnisse und Plumpheit seiner Sitten keine große Rolle würde spielen können, so blieb er bei der Partei, welche die Herrschaft der Ohnehosen begünstigte. Man sagt, daß ihm der Hof nach der Annahme der Constitution von 1791 eine Ministerstelle habe übertragen wollen; allein es geschah nicht, und Robespierre entwickelte seitdem immer mehr seinen Haß gegen das Königthum, den er schon ehemahls bei Abfassung seiner Vollmacht zur National-Versammlung nicht undeutlich zu erkennen gegeben hatte. Wenn er mehr persönlichen Muth besessen hätte, so würde er sich wahrscheinlich viel früher emporgeschwungen haben; aber er war furchtsam, und verschwand daher vom Schauplatze, so lange es zweifelhaft war, auf welche Partei sich der Sieg neigen würde. Erst nachdem seinen Freunden, einem Danton, Panis und andern die Ausführung der Mordthaten im September geglückt war, bekam er mehr Muth und Selbstvertrauen. Daher schrieb sich auch die unverschämte Frechheit, mit weicher er sich am 5. Nov. 1791 im Convente, wo ihn das Departement von Paris als Deputirten gewählt hatte, gegen Louvet vertheidigte, als dieser mit einer beredten Anklage gegen ihn auftrat, und ihm vorwarf, daß er unter irgend einem
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Titel nach der höchsten Gewalt strebe. Der Sieg, den er an diesem Tage davon trug, war überhaupt für ihn und seine Freunde von der größten Bedeutung; denn von nun an war das Uebergewicht der Bergpartei über die Girondisten entschieden. Man müßte die ganze Geschichte der Revolution im Jahre 1793 und 1794 wiederhohlen, wenn man vollständig zeigen wollte, wie die Macht des Robespierre täglich zunahm, wie er die Partei der Gironde (am 31. Mai 1793) stürzen, die Hebertisten (am 24. März 1794) vernichten und endlich sogar einen Danton (am 4. April 1794) aufs Schaffot bringen konnte. Dessen ungeachtet aber würde man schwerlich bestimmen können, was Robespierre während der langen Zeit, da er die Volksgunst im höchsten Grade genoß, eigentlich für einen Zweck gehabt habe, und ob er aus eignem Antriebe, oder als Werkzeug unbekannter Obern gehandelt habe. Dieses letztere verdient, ungeachtet ein ungenannter Schriftsteller darzuthun bemüht gewesen ist, daß Robespierre von Jugend an in die Tiefen eines geheimen königsmörderischen Bundes eingeweiht worden sei, eben so wenig Glauben, als daß er den Dauphin auf den Thron setzen und sich vielleicht gar mit dessen Schwester habe vermählen wollen. Wiederherstellung der Monarchie im eigentlichen Verstande konnte schwerlich seine Absicht sein; denn sonst würde er unstreitig die Freunde dieser Art von
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Verfassung nicht so muthwillig hingeopfert haben. Wahrscheinlich wollte er bloß dem Wohlfahrtsausschuß alle Macht in die Hände spielen, und zu dem Ende den Convent vernichten oder doch zum schweigenden Organ des erstern herabwürdigen. Was alsdann geschehen sein würde, wenn ihm dieses Project gelungen wäre, wußte er damals, als er es ausbrütete, vielleicht selbst noch nicht. Auf jeden Fall konnte dieses nicht sogleich bewirkt werden; und hatte er nur erst alle Macht in den Händen, so stand es ja hernach ohnedieß in seinem Willen, ob er der Republik als Tribun oder Dictator vorstehen, oder sie in eine Monarchie umformen, und dann nach dem Beispiele eines Sulla gänzlich vom Schauplatze der Begebenheiten abtreten wollte. Ohne jetzt weiter seine Absichten zu verfolgen, wollen wir, da es ohnedieß nicht möglich ist, durch den Schleier zu sehen, welcher die damahligen Begebenheiten jetzt noch deckt, nur noch die Umstände, die seinen Fall herbeiführten, kürzlich aufführen. Die große Vorliebe, welche die niedere Volksclasse gegen ihn hegte, und welche bisweilen in eine schwärmerische Verehrung seiner Person ausartete, erweckte ihm unter den übrigen Demagogen zahlreiche Neider. Der größte Theil der Bergpartei hatte nach und nach einsehen lernen, daß er nur als Werkzeug gebraucht werde, und daß außer Robespierre höchstens einige Mitglieder des Wohlfahrtsausschus-
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ses die eigentliche Gewalt in Händen hätten. Natürlich entstand daher ein gegenseitiges Beobachten und eine geheime Eifersucht im Convent und im Wohlfahrtsausschuß. Barrere, Billaud de Varennes und Collot dʼHerbois auf der einen, Robesvierre, Couthon und St. Just auf der andern Seite, bildeten zwei fürchterliche Triumvirate, die einander zu stürzen drohten. Robespierre hatte den Gemeinderath und die gewaffnete Macht auf seiner Seite; der Sieg würde sich daher unbezweifelt für ihn erklärt haben, wenn nicht einige andre Umstände dazu gekommen wären, welche die öffentliche Meinung gegen ihn stimmten. Man wußte, daß Robespierre, Couthon und St. Just im Wohlfahrtsausschuß das Departement der allgemeinen Polizei besorgten; daher hielt man sie für die alleinigen Urheber der zahllosen gesetzlichen Hinrichtungen, welche in den Frühlings- und Sommermonathen des Jahres 1794 auf einen schauderhaften Grad vermehrt wurden. Zwar lähmte das Schrecken die Thätigkeit der Bürger; und sie durften nicht wagen, ihren Unwillen darüber zu äußern. Robespierreʼs Gegner im Convent konnten jedoch bei einer gewissen Versammlung, wo beinahe alle Einwohner von Paris gegenwärtig waren, den allgemeinen Unwillen sehr deutlich auf dem Gesichte eines jeden lesen. Diese Versammlung war an dem Tage, wo Robespierre das Fest des höchsten Wesens feiern ließ. Er
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hatte sich (am 4. Juni 1794) zum Präsidenten des Convents ernennen lassen, und eröffnete als solcher die Feierlichkeit mit einer schwülstigen und schwärmerischen Rede, worin er sich rühmte, der Wiederhersteller des Glaubens an Gott und sittlichen Gefühls zu sein. Es mußte die Herzen aller Anwesenden empören, einen solchen Mann über Moralität und Tugend declamiren zu hören, die er selbst muthwillig unter die Füße trat. Sein Ansehen fing seitdem allgemein an zu sinken, und er konnte sich nur noch durch das Schrecken der Proscriptionsliste halten. Als aber mehrere Deputirte im Convent und einige Mitglieder des Wohlfahrtsausschusses erfuhren, daß ihre Namen gleichfalls darauf stünden, so wagten sie am 27. Juli 1794, da St. Just eine Rede von neuen Verschwörungen gegen die Republik hielt, einen Angriff auf ihn. Robespierre schwang sich auf die Rednerbühne und fing an, in einer Rede von der Ergebenheit des Wohlfahrtsausschusses gegen den Convent zu sprechen; allein Tallien ließ ihn nicht ausreden, drängte ihn von der Rednerbühne herunter, und forderte den Convent mit einem Feuer, das an Verzweiflung grenzte, auf, das Joch der Tyrannei nicht länger zu ertragen. Der Convent, der gewohnt war sich vor Robespierren zu demüthigen, wankte anfänglich. Da aber mehrere Deputirten ihre Stimmen erhoben, so wurde endlich ein allgemeines Anklagedecret gegen die Verschwörer be-
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schlossen. Robespierre war indessen mit St. Just und Couthon nach dem Gemeindehause geflüchtet, wo die übrigen Verschwornen, Henriot, Lavalette, Lebas und andre, ihrer warteten. Henriot bemühte sich als Generalcommandant der gewaffneten Macht die Soldaten gegen den Convent aufzubringen. Allein seine Reden waren ohne Wirkung; man hielt ihn fest, und die Gensdʼarmes drangen in den Saal des Gemeindehauses, um sich der übrigen Verschwornen zu versichern. Robespierre versuchte es, sich durch einen Pistolenschuß zu tödten; er zerschmetterte sich aber bloß die Kinnlade damit Bei den empfindlichen Schmerzen, welche ihm diese Wunde verursachte, und bei den fürchterlichen Verwünschungen, welche die Anwesenden gegen ihn ausstießen, blieb er ganz unempfindlich, und zeigte weder Reue noch Verzweiflung. Am folgenden Tage wurde er unter allgemeinem Freudengeschrei guillotinirt; und seitdem gehört der 28. Juli (oder der 9. Thermidor) zu den merkwürdigsten Tagen in der Französischen Revolution. Alle Augenzeugen versichern, daß Robespierre in seinem Aeußern schon etwas Widerliches und Furchtbares gehabt habe, welches er nicht durch die Sorgfalt verbergen konnte, mit der er sich zu kräuseln und zu putzen pflegte. Sein Gesicht hatte etwas Katzenähnliches, sein Blick war schwärmerisch, und alle seine Bewegungen kündigten einen argwöhnischen und
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grausamen Charakter an. Die häufigen Hinrichtungen, die er veranstalten ließ, sollten fast allemahl die Strafe der Verschwörer gegen die Republik sein: nur einmahl ließ er eine Menge Menschen hinrichten, weil sie einen Anschlag gegen sein eigen Leben gefaßt haben sollten; dieses geschah am 17. Juni 1794. Die angeblichen Hauptverschwornen waren: ein gewisser Cardinal, der Vorsteher einer Schulanstalt, und Cecilie Regnaud, ein zwanzigjähriges Mädchen, welche Robespierren besucht und einige Messer bei sich gehabt hatte. Sie hatte wissen wollen, wie ein Tyrann aussehe; und wegen dieses freimüthigen Bekenntnisses ließ sie der Tyrann hinrichten.