Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Renten
Renten, nennt man alle Einkünfte, welche nicht die Frucht persönlicher Industrie sind, also: die Zinsen von ausgeliehenen Capitalien, Mieth- und Pachtgelder von liegenden Gründen, den Ertrag von Erbzinsen und andern Gerechtsamen. Im engeren Sinne versteht man unter Renten die Zinsen ausstehender Capitalien, deren Höhe sich zwar nach dem Vorrath an barem Gelde, nach dem Zustande des Handels und Geldumlaufs und nach der Sicherheit des Unterpfandes richtet, doch aber in den meisten Ländern durch Gesetze bestimmt wird, und insgemein den 20sten Theil (5 pro Cent), bei großem Ueberflusse an Gelde und völliger Sicherheit nur etwa den 25sten – 30sten Theil, im entgegengesetzten Falle auch wohl den 16ten Theil des Capitals (6–7 pro Cent) beträgt. Höhere Zinsen sind fast überall als Wucher verboten. Unter den verschiedenen Arten von Renten verdienen besondere Aufmerksamkeit a) die constituirten, b) die Erb- c) die Leib-Renten. Unter den erstern versteht man diejenigen, bei welchen der Besitzer oder Creditor das Capital nicht zurückfodern darf, der Schuldner aber sich loskaufen, auch dasselbe mit Bewilligung des Eigenthümers auf einen Dritten übertragen kann. Sie betragen insgemein 5–6 pro Cent. Erbrenten (Rentes foncieres) sind die, welche auf ein Grundstück angewiesen und in der Regel nicht————
losgekauft werden können, wiewohl besondre Verträge zwischen den Besitzern dieser Renten und den Eigenthümern der Grundstücke, auf welchen sie haften, zuweilen eine Ausnahme in Hinsicht des letztern Punkts machen. Leibrenten sind solche, bei welchen die auf immer veräußerten Capitalien mit dem Tode ihres Eigenthümers, oder der Person, auf deren Leben sie gestellt sind, vrrfallen, dagegen aber gewöhnlich mit 9–10 pro Ct. verzinset werden.
Die Berechnungen, welche man zu Anfange des 18. Jahrhunderts über die Größe der Sterblichkeit in den verschiedenen Perioden des menschlichen Lebens anstellte, gaben den ersten Anlaß zu diesen Renten. Trieb der Erhaltung für die Zukunft, Abneigung gegen ernste Beschäftigung, Liebe zur Unabhängigkeit und mehrere ähnliche Ursachen kamen hinzu, um diese Speculation nicht nur in Aufnahme, sondern auch zur Reife und Vollkommenheit zu bringen. So wurden denn auch bald die Leibrenten zu einer Hülfsquelle für die Staatsbürger und für die Staaten. Jene wollten ihre Zukunft gegen Mangel sichern, diese das Privateigenthum mit geringen, wenigstens mit unmerklichen, Kosten an sich ziehen: immer wagten jedoch bei diesem Würfelspiel des Zufalls die erstern weniger als die letztern – ein Satz, den nicht nur die Unmöglichkeit, die Dauer eines Menschenlebens mit Gewißhejt vorauszusagen, sondern auch das Geständniß der
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größten Mathematiker außer Zweifel setzen. – Die Leibrenten sind entweder einfach, d. h. auf einen einzigen Kopf gestellt, oder zusammengesetzt, wenn durch Actien ein Capital zusammengeschossen und dieses dann in mehrere kleine Portionen getheilt wird, die auf eine gewisse Anzahl von Köpfen ausgeliehen werden, und mit dem Tode erlöschen. Die einfachen Leibrenten sind nun entweder persönlich – wenn jemand auf seine eigene Lebenszeit ein Capital gegen Zusicherung einer Rente veräußert; oder sie sind von einem fremden Leben abhängig. – So soll durch die Hinrichtung des unglücklichen Ludwigs XVI. ungefähr eine Million Renten, die auf seinen Kopf constituirt waren, erloschen, und folglich alle die Capitale, welche jene Renten repräsentirten, und zusammen auf 10 Millionen betrugen, der Nation zugefallen sein! – Diese letztere Art ist daher die unsicherste von allen. Weit sicherer für den Creditor, aber lästig und oft verderblich für den Schuldner, sind die zusammengesetzten, allmählich erlöschenden Leibrenten. In Frankreich, wo sich Finanzspeculation, durch drückende Verlegenheiten geschärft, in den letzten Jahren vor der Revolution mit Egoismus, Spielsucht und Hang zu Abenteuern trefflich vereinte, ist das Leibrenten- Wesen sowohl in der Theorie aufs feinste ausgesponnen, als in der Anwendung mit der schlauesten Biegsamkeit gehandhabt worden. Die zusammengesetzten
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Leibrenten eröffneten diesen Klügeleien der Gewinnsucht den weitesten Spielraum. Dergleichen war die berühmte Constitution auf die 30 Genfer Köpfe (1787). Genfer Capitalisten schossen Frankreich eine Summe von mehreren Millionen gegen Leibrenten zu 10–11 p. C. vor. Diese Renten wurden auf das Leben von 30 Köpfen constituirt. Da das weibliche Geschlecht, besonders im ehelosen Stande, häufiger das fernste menschliche Lebensziel erreicht, so wählte man 30 junge Mädchen; noch mehr, man nahm zu den Unterpfändern, an deren Leben das Glück von Tausenden hing, Töchter aus gesunden und keinen Erbkrankheiten unterworfenen Familien, Kinder welche die Blattern, Masern und andre Uebel des ersten Alters überstanden hatten; und um auch die Gefahren des Kindbettes zu entfernen, bestimmte man ihnen ansehnliche Pensionen, welche aber mit der Verheirathung erlöschen sollten.
Das Schicksal der Leibrenten in Frankreich ist bekannt genug. Die erste National-Versammlung hielt zuerst mit den Zahlungen der Leibrenten ein, und zahlte dann mit Papier, d. h. sie verminderte die Renten in dem Maße, wie der Werth der Assignaten sank. Die folgende reducirte alle Renten, welche eine gewisse Summe überstiegen; und die kleinern wurden zu Gunsten der ärmern Rentenbesitzer, wiewohl immer nur in Papier, ausgezahlt. Unter der Convents-
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regierung stockten die Zahlungen gänzlich; und unzählige Privatpersonen wurden eine Beute des Elends und der Verzweiflung.
Noch ist zu bemerken, daß 1) nicht alle Leibrenten erst mit dem Tode des Empfängers, sondern zum Theil bei einer gewissen Stufe des Alters erlöschen (wie die zu Gunsten der Waisen gegründeten Renten), 2) daß Leibrenten aufgespart und so beträchtlich erhöhet werden können. Gesetzt z. B. ein Mann könne zwischen dem 50. und 60. Jahre für ein veräußertes Capital 10 p. C. erhalten, er läßt aber in diesen ersten 10 Jahren die Renten stehen; so hat er im 60sten Jahre schon sein Capital verdoppelt, und erhält also 20 p. C. für seinen ersten Einsatz; zugleich aber vermehren sich auch seine Renten mit der Abnahme seines Lebens: er wird also auf 26 p. Cent rechnen dürfen. – Mit den Leibrenten haben die Tontinen viel Aehnlichkeit. (s. den Art. Tontinen.)
losgekauft werden können, wiewohl besondre Verträge zwischen den Besitzern dieser Renten und den Eigenthümern der Grundstücke, auf welchen sie haften, zuweilen eine Ausnahme in Hinsicht des letztern Punkts machen. Leibrenten sind solche, bei welchen die auf immer veräußerten Capitalien mit dem Tode ihres Eigenthümers, oder der Person, auf deren Leben sie gestellt sind, vrrfallen, dagegen aber gewöhnlich mit 9–10 pro Ct. verzinset werden.
Die Berechnungen, welche man zu Anfange des 18. Jahrhunderts über die Größe der Sterblichkeit in den verschiedenen Perioden des menschlichen Lebens anstellte, gaben den ersten Anlaß zu diesen Renten. Trieb der Erhaltung für die Zukunft, Abneigung gegen ernste Beschäftigung, Liebe zur Unabhängigkeit und mehrere ähnliche Ursachen kamen hinzu, um diese Speculation nicht nur in Aufnahme, sondern auch zur Reife und Vollkommenheit zu bringen. So wurden denn auch bald die Leibrenten zu einer Hülfsquelle für die Staatsbürger und für die Staaten. Jene wollten ihre Zukunft gegen Mangel sichern, diese das Privateigenthum mit geringen, wenigstens mit unmerklichen, Kosten an sich ziehen: immer wagten jedoch bei diesem Würfelspiel des Zufalls die erstern weniger als die letztern – ein Satz, den nicht nur die Unmöglichkeit, die Dauer eines Menschenlebens mit Gewißhejt vorauszusagen, sondern auch das Geständniß der
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größten Mathematiker außer Zweifel setzen. – Die Leibrenten sind entweder einfach, d. h. auf einen einzigen Kopf gestellt, oder zusammengesetzt, wenn durch Actien ein Capital zusammengeschossen und dieses dann in mehrere kleine Portionen getheilt wird, die auf eine gewisse Anzahl von Köpfen ausgeliehen werden, und mit dem Tode erlöschen. Die einfachen Leibrenten sind nun entweder persönlich – wenn jemand auf seine eigene Lebenszeit ein Capital gegen Zusicherung einer Rente veräußert; oder sie sind von einem fremden Leben abhängig. – So soll durch die Hinrichtung des unglücklichen Ludwigs XVI. ungefähr eine Million Renten, die auf seinen Kopf constituirt waren, erloschen, und folglich alle die Capitale, welche jene Renten repräsentirten, und zusammen auf 10 Millionen betrugen, der Nation zugefallen sein! – Diese letztere Art ist daher die unsicherste von allen. Weit sicherer für den Creditor, aber lästig und oft verderblich für den Schuldner, sind die zusammengesetzten, allmählich erlöschenden Leibrenten. In Frankreich, wo sich Finanzspeculation, durch drückende Verlegenheiten geschärft, in den letzten Jahren vor der Revolution mit Egoismus, Spielsucht und Hang zu Abenteuern trefflich vereinte, ist das Leibrenten- Wesen sowohl in der Theorie aufs feinste ausgesponnen, als in der Anwendung mit der schlauesten Biegsamkeit gehandhabt worden. Die zusammengesetzten
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Leibrenten eröffneten diesen Klügeleien der Gewinnsucht den weitesten Spielraum. Dergleichen war die berühmte Constitution auf die 30 Genfer Köpfe (1787). Genfer Capitalisten schossen Frankreich eine Summe von mehreren Millionen gegen Leibrenten zu 10–11 p. C. vor. Diese Renten wurden auf das Leben von 30 Köpfen constituirt. Da das weibliche Geschlecht, besonders im ehelosen Stande, häufiger das fernste menschliche Lebensziel erreicht, so wählte man 30 junge Mädchen; noch mehr, man nahm zu den Unterpfändern, an deren Leben das Glück von Tausenden hing, Töchter aus gesunden und keinen Erbkrankheiten unterworfenen Familien, Kinder welche die Blattern, Masern und andre Uebel des ersten Alters überstanden hatten; und um auch die Gefahren des Kindbettes zu entfernen, bestimmte man ihnen ansehnliche Pensionen, welche aber mit der Verheirathung erlöschen sollten.
Das Schicksal der Leibrenten in Frankreich ist bekannt genug. Die erste National-Versammlung hielt zuerst mit den Zahlungen der Leibrenten ein, und zahlte dann mit Papier, d. h. sie verminderte die Renten in dem Maße, wie der Werth der Assignaten sank. Die folgende reducirte alle Renten, welche eine gewisse Summe überstiegen; und die kleinern wurden zu Gunsten der ärmern Rentenbesitzer, wiewohl immer nur in Papier, ausgezahlt. Unter der Convents-
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regierung stockten die Zahlungen gänzlich; und unzählige Privatpersonen wurden eine Beute des Elends und der Verzweiflung.
Noch ist zu bemerken, daß 1) nicht alle Leibrenten erst mit dem Tode des Empfängers, sondern zum Theil bei einer gewissen Stufe des Alters erlöschen (wie die zu Gunsten der Waisen gegründeten Renten), 2) daß Leibrenten aufgespart und so beträchtlich erhöhet werden können. Gesetzt z. B. ein Mann könne zwischen dem 50. und 60. Jahre für ein veräußertes Capital 10 p. C. erhalten, er läßt aber in diesen ersten 10 Jahren die Renten stehen; so hat er im 60sten Jahre schon sein Capital verdoppelt, und erhält also 20 p. C. für seinen ersten Einsatz; zugleich aber vermehren sich auch seine Renten mit der Abnahme seines Lebens: er wird also auf 26 p. Cent rechnen dürfen. – Mit den Leibrenten haben die Tontinen viel Aehnlichkeit. (s. den Art. Tontinen.)